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Document 62022CC0234

Schlussanträge der Generalanwältin J. Kokott vom 14. September 2023.
Roheline Kogukond MTÜ u. a. gegen Keskkonnaagentuur.
Vorabentscheidungsersuchen des Tallinna Halduskohus.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Umwelt – Übereinkommen von Aarhus – Richtlinie 2003/4/EG – Recht auf Zugang zu Umweltinformationen – Ausnahmen – Standortdaten von Dauerprobeflächen für die Erstellung einer Waldinventur.
Rechtssache C-234/22.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2023:680

 SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

JULIANE KOKOTT

vom 14. September 2023 ( 1 )

Rechtssache C‑234/22

Roheline Kogukond MTÜ u. a.

gegen

Keskkonnaagentuur

(Vorabentscheidungsersuchen des Tallinna Halduskohus [Verwaltungsgericht Tallinn, Estland])

„Vorabentscheidungsersuchen – Richtlinie 2003/4/EG – Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen – Begriff der Umweltinformationen – Daten über den Standort der Dauerprobeflächen der statistischen Waldinventur – Ausnahmen – Schutz der internationalen Beziehungen – Schutz der Umwelt – Qualität von Umweltinformationen“

I. Einleitung

1.

Begründet die Umweltinformationsrichtlinie ( 2 ) ein Recht für jedermann, die Standorte von Dauerprobeflächen der statistischen Waldinventur zu erfahren? Diese Frage ist im vorliegenden Verfahren zu beantworten.

2.

In regelmäßigen Abständen erhebt die Umweltagentur Estlands an diesen Dauerprobeflächen Daten, die als repräsentative Stichproben dienen, um Schlussfolgerungen auf den Gesamtzustand der Wälder zu ziehen. Die Standorte sollen vertraulich bleiben, um zu verhindern, dass die Lebensräume an diesen Standorten manipuliert werden und die Standorte dadurch ihren repräsentativen Charakter verlieren.

3.

Bekanntlich kann man aber nach der Umweltinformationsrichtlinie ohne den Nachweis eines besonderen Interesses von staatlichen Stellen die Bekanntgabe von Umweltinformationen verlangen. Wenn sich bestätigt, dass die streitgegenständlichen Standortdaten Umweltinformationen sind, stellen sich daher schwierige Fragen zu etwaigen Ausnahmen zu diesem Anspruch, insbesondere, ob die internationale Zusammenarbeit im Bereich der Waldinventur oder der Schutz der Umwelt eine vertrauliche Behandlung dieser Daten rechtfertigen. Auch ist zu erörtern, welchen Stellenwert die Umweltinformationsrichtlinie dem Risiko beimisst, dass die Bekanntgabe der Standorte die Qualität der Waldinventur beeinträchtigen könnte.

II. Rechtlicher Rahmen

A.   Übereinkommen von Aarhus

4.

Das Recht auf Zugang zu Umweltinformationen ist in dem Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten ( 3 ) (im Folgenden: Übereinkommen von Aarhus) niedergelegt, das die Gemeinschaft am 25. Juni 1998 in Aarhus (Dänemark) unterzeichnet hat. ( 4 )

5.

Art. 2 Nr. 3 des Übereinkommens definiert den Begriff der Umweltinformationen:

„Im Sinne dieses Übereinkommens

3.   bedeutet ‚Informationen über die Umwelt‘ sämtliche Informationen in schriftlicher, visueller, akustischer, elektronischer oder sonstiger materieller Form über

a)

den Zustand von Umweltbestandteilen wie Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Land, Landschaft und natürliche Lebensräume, die Artenvielfalt und ihre Bestandteile, einschließlich gentechnisch veränderter Organismen, sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Bestandteilen;

…“

6.

Art. 4 des Übereinkommens regelt das Recht auf Zugang zu Informationen über die Umwelt. Ausnahmen sind in Art. 4 Abs. 3 und 4 vorgesehen:

„(3)   Ein Antrag auf Informationen über die Umwelt kann abgelehnt werden, wenn

c)

der Antrag Material betrifft, das noch fertiggestellt werden muss, oder wenn er interne Mitteilungen von Behörden betrifft, sofern eine derartige Ausnahme nach innerstaatlichem Recht vorgesehen ist oder gängiger Praxis entspricht, wobei das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe dieser Informationen zu berücksichtigen ist.

(4)   Ein Antrag auf Informationen über die Umwelt kann abgelehnt werden, wenn die Bekanntgabe negative Auswirkungen hätte auf

b)

internationale Beziehungen, die Landesverteidigung oder die öffentliche Sicherheit;

h)

die Umwelt, auf die sich diese Informationen beziehen, wie zum Beispiel die Brutstätten seltener Tierarten.

Die genannten Ablehnungsgründe sind eng auszulegen, wobei das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe sowie ein etwaiger Bezug der beantragten Informationen zu Emissionen in die Umwelt zu berücksichtigen sind.“

B.   Umweltinformationsrichtlinie

7.

Die mit dem Zugang zu Umweltinformationen verbundenen Ziele sind dem ersten Erwägungsgrund der Umweltinformationsrichtlinie zu entnehmen:

„Der erweiterte Zugang der Öffentlichkeit zu umweltbezogenen Informationen und die Verbreitung dieser Informationen tragen dazu bei, das Umweltbewusstsein zu schärfen, einen freien Meinungsaustausch und eine wirksamere Teilnahme der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren in Umweltfragen zu ermöglichen und letztendlich so den Umweltschutz zu verbessern.“

8.

Der 16. Erwägungsgrund der Umweltinformationsrichtlinie betrifft die Verweigerung von Umweltinformationen:

„Das Recht auf Information beinhaltet, dass die Bekanntgabe von Informationen die allgemeine Regel sein sollte und dass Behörden befugt sein sollten, Anträge auf Zugang zu Umweltinformationen in bestimmten, genau festgelegten Fällen abzulehnen. Die Gründe für die Verweigerung der Bekanntgabe sollten eng ausgelegt werden, wobei das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe gegen das Interesse an der Verweigerung der Bekanntgabe abgewogen werden sollte …“

9.

Die Qualität von Umweltinformationen sowie das Verfahren ihrer Erhebung sind Gegenstand des 20. Erwägungsgrundes der Umweltinformationsrichtlinie:

„Behörden sollten sich darum bemühen sicherzustellen, dass bei einer Zusammenstellung von Umweltinformationen durch sie oder für sie die Informationen verständlich, exakt und vergleichbar sind. Da dies ein wichtiger Faktor für die Bewertung der Qualität der bereitgestellten Information ist, sollte das zur Erhebung der Informationen angewandte Verfahren ebenfalls auf Antrag offengelegt werden.“

10.

Art. 2 der Umweltinformationsrichtlinie definiert u. a. den Begriff der Umweltinformationen:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck:

1.

‚Umweltinformationen‘ sämtliche Informationen in schriftlicher, visueller, akustischer, elektronischer oder sonstiger materieller Form über

a)

den Zustand von Umweltbestandteilen wie Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Land, Landschaft und natürliche Lebensräume einschließlich Feuchtgebiete, Küsten- und Meeresgebiete, die Artenvielfalt und ihre Bestandteile, einschließlich genetisch veränderter Organismen, sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Bestandteilen,

b)

Faktoren wie Stoffe, Energie, Lärm und Strahlung oder Abfall einschließlich radioaktiven Abfalls, Emissionen, Ableitungen oder sonstiges Freisetzen von Stoffen in die Umwelt, die sich auf die unter Buchstabe a) genannten Umweltbestandteile auswirken oder wahrscheinlich auswirken,

…“

11.

Aus Art. 3 der Umweltinformationsrichtlinie ergibt sich der Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen:

„(1)   Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass Behörden gemäß den Bestimmungen dieser Richtlinie verpflichtet sind, die bei ihnen vorhandenen oder für sie bereitgehaltenen Umweltinformationen allen Antragstellern auf Antrag zugänglich zu machen, ohne dass diese ein Interesse geltend zu machen brauchen.

(2)   Umweltinformationen sind dem Antragsteller vorbehaltlich des Art. 4 … zugänglich zu machen“.

12.

Die Ausnahmen zum Zugangsrecht sind in Art. 4 der Umweltinformationsrichtlinie geregelt:

„(1)   Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass ein Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen in folgenden Fällen abgelehnt wird:

d)

Der Antrag betrifft Material, das gerade vervollständigt wird, oder noch nicht abgeschlossene Schriftstücke oder noch nicht aufbereitete Daten.

(2)   Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass ein Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen abgelehnt wird, wenn die Bekanntgabe negative Auswirkungen hätte auf:

a)

die Vertraulichkeit der Beratungen von Behörden, sofern eine derartige Vertraulichkeit gesetzlich vorgesehen ist;

b)

internationale Beziehungen, die öffentliche Sicherheit oder die Landesverteidigung;

h)

den Schutz der Umweltbereiche, auf die sich die Informationen beziehen, wie z. B. die Aufenthaltsorte seltener Tierarten.

Die in den Abs. 1 und 2 genannten Ablehnungsgründe sind eng auszulegen, wobei im Einzelfall das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe zu berücksichtigen ist. In jedem Einzelfall wird das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe gegen das Interesse an der Verweigerung der Bekanntgabe abgewogen. …“

13.

Art. 8 der Umweltinformationsrichtlinie betrifft die Qualität der Informationen und die Verfahren ihrer Erhebung:

„(1)   Soweit möglich, gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass alle Informationen, die von ihnen oder für sie zusammengestellt werden, aktuell, exakt und vergleichbar sind.

(2)   Auf Antrag beantworten die Behörden Anträge auf Informationen nach Art. 2 Nr. 1 Buchst. b, indem sie dem Antragsteller mitteilen, wo – sofern verfügbar – Informationen über die zur Erhebung der Informationen angewandten Messverfahren, einschließlich der Verfahren zur Analyse, Probenahme und Vorbehandlung der Proben, gefunden werden können, oder indem sie auf ein angewandtes standardisiertes Verfahren hinweisen.“

III. Sachverhalt und Vorabentscheidungsersuchen

14.

Seit 1999 führt die beklagte Umweltagentur in Estland die nationale Waldinventur durch. Ihr Hauptziel besteht in der Erstellung statistischer Übersichten über den Status, den Zustand und die Nutzung der Waldbestände in Estland sowie über die Landnutzung und deren Veränderung. Es handelt sich um eine Methode zur objektiven Bestandsaufnahme größerer Waldflächen mit möglichst wenig Aufwand. Die Messdaten und Bewertungen werden auf in Gruppen gebündelten Probeflächen erhoben, die sich an den Seiten von quadratischen Parzellen (sogenannten Trakten) von 800 x 800 m (64 ha) befinden. Die Parzellen sind in ständige und vorübergehende unterteilt. Entsprechend den Bedingungen einer Zufallsstichprobe repräsentiert jede Probefläche proportional einen Teil der Gesamtfläche der Wälder Estlands. Die Beobachtungsdaten werden verallgemeinert, und auf ihrer Grundlage wird ein statistischer Bericht über die Waldbestände Estlands erstellt. Die Umweltagentur veröffentlicht die Ergebnisse der Waldinventur auf ihrer Website.

15.

Der Mittetulundusühing Roheline Kogukond, der MTÜ Eesti Metsa Abiks, der Päästame Eesti Metsad MTÜ und die Sihtasutus Keskkonnateabe Ühendus (im Folgenden zusammen: die Umweltverbände) reichten bei der Umweltagentur Informationsersuchen ein, um von ihr u. a. die der statistischen Waldinventur zugrunde liegenden Grunddaten zu erhalten. Bei diesen Grunddaten handelt es sich um Standort‑, Mess- und Bewertungsdaten der Probeflächen. Die Umweltagentur übermittelte die Grunddaten aber nur teilweise, denn sie gab die Koordinaten der Dauerprobeflächen nicht an.

16.

Daraufhin erhoben die Umweltverbände beim Tallinna Halduskohus (Verwaltungsgericht Tallinn, Estland) Klage mit dem Antrag, die Umweltagentur zu verpflichten, ihrem Informationsersuchen nachzukommen und ihnen die Koordinaten der für die statistische Waldinventur verwendeten Dauerprobeflächen zu übermitteln.

17.

Das Tallinna Halduskohus (Verwaltungsgericht Tallinn) richtet aus diesem Verfahren die folgenden Fragen an den Gerichtshof:

1.

Sind Daten wie die Daten über den Standort der Dauerprobeflächen der statistischen Waldinventur im Ausgangsverfahren als Umweltinformationen im Sinne von Art. 2 Nr. 1 Buchst. a oder b der Umweltinformationsrichtlinie einzustufen?

2.

Wenn es sich nach der auf die erste Frage gegebenen Antwort um Umweltinformationen handelt:

2.1.

Ist dann Art. 4 Abs. 1 Buchst. d der Umweltinformationsrichtlinie dahin auszulegen, dass unter Material, das gerade vervollständigt wird, oder noch nicht abgeschlossene Schriftstücke oder noch nicht aufbereitete Daten auch Daten über den Standort der Dauerprobeflächen der statistischen Waldinventur fallen?

2.2.

Ist Art. 4 Abs. 2 Buchst. a der Umweltinformationsrichtlinie dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung aufgestellte Voraussetzung – dass die entsprechende Vertraulichkeit gesetzlich vorgesehen ist – erfüllt ist, wenn das Erfordernis der Vertraulichkeit nicht für eine konkrete Art von Informationen gesetzlich festgelegt ist, sondern sich im Wege der Auslegung aus einer Vorschrift eines Rechtsakts mit allgemeinem Charakter wie dem Gesetz über öffentliche Informationen oder dem Gesetz über die staatlichen Statistiken ergibt?

2.3.

Müssen für die Anwendung von Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Umweltinformationsrichtlinie tatsächliche negative Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen des Staates festgestellt werden, die durch die Offenlegung der beantragten Informationen ermöglicht werden, oder genügt die Feststellung einer entsprechenden Gefahr?

2.4.

Rechtfertigt der in Art. 4 Abs. 2 Buchst. h der Umweltinformationsrichtlinie angeführte Grund „Schutz der [betreffenden] Umweltbereiche“ eine Beschränkung des Zugangs zu Umweltinformationen, um die Zuverlässigkeit der staatlichen Statistik zu gewährleisten?

3.

Wenn nach der auf die erste Frage gegebenen Antwort Daten wie die Daten über den Standort der Dauerprobeflächen der statistischen Waldinventur im Ausgangsverfahren keine Umweltinformationen sind, ist dann ein solche Daten betreffendes Informationsersuchen als ein Antrag auf Zugang zu Informationen nach Art. 2 Nr. 1 Buchst. b der Umweltinformationsrichtlinie anzusehen, der nach Art. 8 Abs. 2 zu behandeln ist?

4.

Falls die dritte Frage bejaht wird: Sind Daten wie die Daten über den Standort der Dauerprobeflächen der statistischen Waldinventur im Ausgangsverfahren als Informationen über die zur Erhebung der Informationen angewandten Verfahren zur Analyse, Probenahme und Vorbehandlung der Proben im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Umweltinformationsrichtlinie anzusehen?

5.1.

Falls die vierte Frage bejaht wird: Kann der sich aus Art. 8 Abs. 2 der Umweltinformationsrichtlinie ergebende Zugang zu solchen Informationen aus irgendeinem gewichtigen Grund, der sich aus dem innerstaatlichen Recht ergibt, beschränkt werden?

5.2.

Kann die Verweigerung der Herausgabe der Informationen auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 2 der Umweltinformationsrichtlinie durch andere Maßnahmen abgemildert werden, z. B. Maßnahmen, mit denen Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen oder dem Rechnungshof zum Zwecke einer Prüfung der Zugang zu den beantragten Informationen gewährt wird?

6.

Kann die Verweigerung der Herausgabe von Daten wie den Daten über den Standort der Dauerprobeflächen der statistischen Waldinventur im Ausgangsverfahren mit dem Ziel begründet werden, die Qualität von Umweltinformationen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 der Umweltinformationsrichtlinie zu gewährleisten?

7.

Ergibt sich aus dem 21. Erwägungsgrund der Umweltinformationsrichtlinie eine Rechtsgrundlage für die Herausgabe der Daten über den Standort der Dauerprobeflächen der statistischen Waldinventur?

18.

Die Umweltverbände, die Umweltagentur, Estland und die Europäische Kommission haben schriftliche Stellungnahmen eingereicht und ein Auskunftsersuchen des Gerichtshofs beantwortet. Auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat der Gerichtshof nach Art. 76 Abs. 2 der Verfahrensordnung verzichtet, da er der Auffassung ist, bereits ausreichend unterrichtet zu sein.

IV. Rechtliche Würdigung

19.

Das vorlegende Gericht möchte mit seinen Fragen erfahren, ob das Recht auf Zugang zu Umweltinformationen die Beklagte verpflichtet, Daten über den Standort der Dauerprobeflächen der statistischen Waldinventur herauszugeben.

20.

Das Recht auf Zugang zu Umweltinformationen ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 der Umweltinformationsrichtlinie und setzt lediglich voraus, dass es sich bei den beantragten Informationen um Umweltinformationen handelt. Allerdings sieht die Richtlinie auch einige Ausnahmen zum Zugangsrecht vor, die es der zuständigen Stelle erlauben, die Bekanntgabe zu verweigern.

21.

Nachfolgend werde ich zunächst darlegen, dass es sich bei den streitgegenständlichen Standortdaten um Umweltinformationen handelt (Frage 1, dazu unter A) und anschließend die Ausnahmen zum Recht auf Zugang zu Umweltinformationen erörtern (Fragen 2 und 6, dazu unter B). Abschließend werde ich zeigen, dass die übrigen Fragen für das Ausgangsverfahren ohne Bedeutung sind (dazu unter C und D).

A.   Frage 1 – Begriff der Umweltinformationen

22.

Mit Frage 1 möchte das vorlegende Gericht erfahren, ob die Daten über den Standort der Dauerprobeflächen der statistischen Waldinventur im Ausgangsverfahren als Umweltinformationen im Sinne von Art. 2 Nr. 1 Buchst. a oder b der Umweltinformationsrichtlinie einzustufen sind.

23.

Nach Art. 2 Nr. 1 Buchst. a der Umweltinformationsrichtlinie bezeichnet der Ausdruck Umweltinformationen sämtliche Informationen über den Zustand von Umweltbestandteilen wie insbesondere Boden, Land, Landschaft und natürliche Lebensräume sowie die Artenvielfalt und ihre Bestandteile.

24.

Isoliert betrachtet sind die streitgegenständlichen Standortdaten lediglich geografische Koordinaten, die nichts über den Zustand von Umweltbestandteilen besagen.

25.

Dagegen sind die Informationen über Dauerprobeflächen der statistischen Waldinventur im Sinne der genannten Definition Informationen über den Zustand von Umweltbestandteilen, nämlich über bestimmte natürliche Lebensräume und Bestandteile der Artenvielfalt an diesen Orten. Dazu gehören aber auch die entsprechenden Ortsangaben. Ohne Ortsangabe erlaubt die Gesamtheit dieser Daten statistische Aussagen über den Zustand der Wälder, aber nur mit der Ortsangabe kann man die Zustandsinformationen bestimmten Lebensräumen zuordnen.

26.

Die Umweltagentur wendet ein, dass die Methodik der Erhebung von Umweltinformationen nicht unbedingt vom Begriff der Umweltinformationen eingeschlossen sei. Diesem Einwand ist zuzugeben, dass Art. 8 Abs. 2 der Umweltinformationsrichtlinie besondere Mitteilungsverpflichtungen hinsichtlich der Verfahren der Erhebung von Umweltinformationen enthält, die Gegenstand der Fragen 3 bis 5 sind.

27.

Aber selbst wenn man die Standortdaten auch diesen methodischen Informationen zuordnen würde, würde dies nicht erlauben, diese Daten allein deshalb vom Begriff der Umweltinformationen auszuschließen. Insofern unterscheiden sich die Standortdaten etwa von Kriterien zur Auswahl der Probeflächen, die nicht den Zustand von konkreten Umweltbestandteilen beschreiben.

28.

Somit bleibt festzuhalten, dass Daten über den Standort der Dauerprobeflächen der statistischen Waldinventur gemeinsam mit den Informationen über den Zustand dieser Flächen Informationen über den Zustand von Umweltbestandteilen und daher Umweltinformationen im Sinne von Art. 2 Nr. 1 Buchst. a der Umweltinformationsrichtlinie sind.

29.

Ob es sich bei diesen Informationen darüber hinaus um Umweltinformationen im Sinne von Art. 2 Nr. 1 Buchst. b der Umweltinformationsrichtlinie handelt, ist für das Zugangsrecht unerheblich und bedarf keiner Entscheidung.

B.   Fragen 2 und 6 – Ausnahmen vom Zugangsrecht

30.

Da die Umweltverbände somit nach Art. 3 Abs. 1 der Umweltinformationsrichtlinie grundsätzlich ein Recht auf Bekanntgabe der streitgegenständlichen Standortdaten haben, stellt sich die Frage, ob sich die Umweltagentur auf eine Ausnahme zu diesem Recht berufen kann, um die Bekanntgabe zu verweigern. Diese Ausnahmen beruhen auf bestimmten Interessen, die durch eine Bekanntgabe beeinträchtigt würden.

31.

Ich werde daher zunächst den notwendigen Grad der Gefahr für ein geschütztes Interesse im Rahmen einer Ausnahme beschreiben (Frage 2.3, dazu unter 1). Auf dieser Grundlage ist es möglich, die verschiedenen Interessen zu diskutieren, die eine Verweigerung der Bekanntgabe rechtfertigen könnten. Insofern untersuche ich zunächst Frage 6, denn das darin angesprochene Interesse an der Qualität der Waldinventur ist der Kern aller Einwände gegen die Bekanntgabe der streitgegenständlichen Standortdaten (dazu unter 2). Außerdem fragt das vorlegende Gericht nach verschiedenen Ausnahmen nach Art. 4 der Umweltinformationsrichtlinie, nämlich noch nicht abgeschlossenen Vorgängen (Frage 2.1, dazu unter 3), nach der Notwendigkeit einer gesetzlichen Festlegung der Ausnahme für die Vertraulichkeit der Beratungen von Behörden (Frage 2.2, dazu unter 4), nach negativen Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen des Staates (Frage 2.3, dazu unter 5) und nach dem Schutz der Umwelt (Frage 2.4, dazu unter 6).

1. Frage 2.3 – Notwendiger Grad der Gefahr für ein geschütztes Interesse

32.

Mit Frage 2.3 möchte das vorlegende Gericht erfahren, ob für die Anwendung der Ausnahme vom Recht auf Zugang zu Umweltinformationen nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Umweltinformationsrichtlinie tatsächliche negative Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen des Staates festgestellt werden müssen, die durch die Offenlegung der beantragten Informationen ermöglicht werden, oder ob die Feststellung einer entsprechenden Gefahr genügt.

33.

Das vorlegende Gericht stellt diese Frage zwar speziell im Hinblick auf die Ausnahme zum Schutz der internationalen Beziehungen nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Umweltinformationsrichtlinie, doch der für eine Ausnahme notwendige Grad der Gefahr ist für alle Ausnahmen von Bedeutung. Daher werde ich diesen Teil der Frage vorab beantworten.

34.

Die Antwort ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung zum Zugang zu Dokumenten der Organe der Union. Danach muss das Organ bei einer Verweigerung darlegen, inwiefern der Zugang das Interesse, das durch eine von ihm in Anspruch genommene Ausnahme geschützt wird, konkret und tatsächlich beeinträchtigen könnte. Die Gefahr einer solchen Beeinträchtigung muss außerdem bei vernünftiger Betrachtung absehbar und darf nicht rein hypothetisch sein. ( 5 )

35.

Wie Estland feststellt, hat der Gerichtshof diesen Maßstab mittlerweile auf die Anwendung von Ausnahmen zum Anspruch auf Informationen nach der Umweltinformationsrichtlinie übertragen. ( 6 )

36.

Somit setzt die Anwendung von Ausnahmen zum Recht auf Zugang zu Umweltinformationen voraus, dass die Bekanntgabe der fraglichen Informationen eine bei vernünftiger Betrachtung absehbare und nicht rein hypothetische Gefahr einer konkreten und tatsächlichen Beeinträchtigung des jeweils geschützten Interesses begründet.

2. Frage 6 – Qualität der Waldinventur

37.

Die sechste Frage zielt darauf ab, ob eine Gefahr für die Qualität der künftigen Auflagen der Waldinventur die Verweigerung der Herausgabe der Standortdaten rechtfertigen kann.

38.

Die Umweltinformationsrichtlinie erkennt dieses Interesse ausdrücklich an und begründet sogar eine entsprechende Schutzpflicht. Gemäß Art. 8 Abs. 1 gewährleisten die Mitgliedstaaten nämlich, soweit möglich, dass alle Informationen, die von ihnen oder für sie zusammengestellt werden, aktuell, exakt und vergleichbar sind.

39.

Die Waldinventur wird in regelmäßigen Abständen von der Umweltagentur, einer Behörde des estnischen Staats, erstellt und dient nach übereinstimmenden Angaben der Beteiligten als Grundlage für forstwirtschaftliche und umweltpolitische Entscheidungen staatlicher Stellen. Die Vergleichbarkeit der erhobenen Informationen ist dabei von zentraler Bedeutung, denn die Waldinventur soll die zeitliche Entwicklung des Zustands der Wälder erfassen und auch mit ähnlichen Erhebungen in anderen Staaten vergleichbar sein. Es handelt sich also um Informationen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 der Umweltinformationsrichtlinie.

40.

Nach Angaben des vorlegenden Gerichts hat die Umweltagentur glaubhaft dargelegt, dass die Offenlegung der streitgegenständlichen Standortdaten zu Versuchen interessierter Personen führen könnte, die Waldinventur zu manipulieren, um z. B. höhere Einschlagsvolumen zu erreichen. Wenn sich dieses Risiko verwirklicht, würde die Qualität der Waldinventur beeinträchtigt. Sie wäre wahrscheinlich weniger exakt und auch die zeitliche und örtliche Vergleichbarkeit der Ergebnisse wäre zweifelhaft. Also müsste der Mitgliedstaat diese Bekanntgabe verhindern, zumindest so weit wie möglich. Nach dem Vorbringen der Umweltagentur und Estlands wird diese Einschätzung international ( 7 ) und insbesondere in anderen Mitgliedstaaten ( 8 ) geteilt.

41.

Doch reicht das, um auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 1 der Umweltinformationsrichtlinie eine Ausnahme vom Recht auf Zugang zu den Standortdaten zu rechtfertigen?

42.

Dieses Ergebnis widerspräche der abschließenden Aufzählung von Ausnahmen in Art. 4 der Umweltinformationsrichtlinie. Wie der Gerichtshof ( 9 ) und auch ich selbst ( 10 ) bereits festgestellt haben, sollten die Behörden nach dem 16. Erwägungsgrund nur befugt sein, Anträge auf Zugang zu Umweltinformationen in bestimmten, genau festgelegten Fällen abzulehnen. Diese Fälle sind in Art. 4 zusammengefasst. Daher wird das Recht auf Zugang zu Umweltinformationen in Art. 3 vorbehaltlich von Art. 4 gewährt. Ein Vorbehalt für Art. 8 Abs. 1 besteht dagegen nicht und auch Art. 8 Abs. 1 enthält keinen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass der Schutz der Qualität von Umweltinformationen die Verweigerung ihrer Bekanntgabe rechtfertigen kann.

43.

Zusätzliche Ausnahmen stünden darüber hinaus auch im Widerspruch zu dem mit der Umweltinformationsrichtlinie umgesetzten Übereinkommen von Aarhus, ( 11 ) das in Art. 4 Abs. 3 und 4 ebenfalls nur bestimmte, ausdrücklich ausgeführte Ausnahmen vorsieht. ( 12 )

44.

Allerdings betont auch Abs. 17 der Präambel des Übereinkommens von Aarhus die Bedeutung einer vollständigen Einbeziehung umweltbezogener Überlegungen in staatliche Entscheidungsverfahren und der daraus folgenden Notwendigkeit, dass Behörden über genaue, umfassende und aktuelle Informationen über die Umwelt verfügen. Und nach Art. 5 Abs. 1 des Übereinkommens muss jede Vertragspartei sicherstellen, dass Behörden über Informationen über die Umwelt verfügen, die für ihre Aufgaben relevant sind, und dass sie diese Informationen aktualisieren. Außerdem müssen verbindliche Systeme geschaffen werden, damit Behörden in angemessenem Umfang Informationen über geplante und laufende Tätigkeiten erhalten, die sich erheblich auf die Umwelt auswirken können. Die Waldinventur ist ein solches System.

45.

Daraus ist einerseits zu schließen, dass das in Art. 8 Abs. 1 der Umweltinformationsrichtlinie anerkannte Interesse an der Qualität von Umweltinformationen allein die Verweigerung der Bekanntgabe von Umweltinformationen nicht rechtfertigen kann. Denn diese Regelung bezeichnet keinen der bestimmten, genau festgelegten Fälle, in denen eine Verweigerung zulässig ist.

46.

Andererseits verleiht die anerkannte Bedeutung der Qualität von Umweltinformationen diesem Interesse besonderes Gewicht. Daher muss es bei der Auslegung und Anwendung der ausdrücklich festgelegten Gründe für eine Verweigerung der Bekanntgabe vollumfänglich berücksichtigt werden.

47.

Den Anknüpfungspunkt dafür liefert Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 der Umweltinformationsrichtlinie. Nach Satz 1 sind die Ablehnungsgründe eng auszulegen, wobei im Einzelfall das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe zu berücksichtigen ist. Und nach Satz 2 ist in jedem Einzelfall das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe gegen das Interesse an der Verweigerung der Bekanntgabe abzuwiegen.

48.

Dabei werden nicht zwangsläufig öffentliche Interessen an der Bekanntgabe und private Interessen an einer vertraulichen Behandlung einander gegenübergestellt. Vielmehr haben viele der Ausnahmen ebenfalls öffentliche Interessen zum Gegenstand. Tatsächlich geht es nicht wirklich um die öffentlichen Interessen insgesamt, sondern um das Interesse der Öffentlichkeit an einer Bekanntgabe, das gegen die geschützten Interessen abzuwägen ist. ( 13 )

49.

Das Interesse der Öffentlichkeit an der Bekanntgabe der streitgegenständlichen Standortdaten als solchen ist jedoch begrenzt. Ihr primärer Wert liegt nämlich nicht in der Beschreibung des Umweltzustands an den einzelnen betreffenden Standorten. Isoliert betrachtet erscheinen die jeweiligen Zustandsbeschreibungen relativ uninteressant und könnten bei Bedarf durch eine Begehung des betreffenden Standorts relativ leicht ersetzt oder wahrscheinlich sogar verbessert werden.

50.

Der Wert dieser lokalen Zustandsbeschreibungen liegt vielmehr darin, dass sie gemeinsam ein repräsentatives Gesamtbild des Waldzustands ergeben, das mit früheren und künftigen Waldinventuren vergleichbar ist. Diese Funktion wäre aber beeinträchtigt, wenn aufgrund einer Bekanntgabe eine Manipulation des Waldzustands auf den Probeflächen zu befürchten wäre.

51.

Die Bedeutung der mit einer Bekanntgabe verbundenen Gefahren muss allerdings sorgfältig geprüft werden. Sie kann gering ausfallen, wenn Manipulationen durch andere Maßnahmen wirksam verhindert werden können oder wenn die Standortdaten bereits weit verbreitet sind bzw. leicht berechnet werden können.

52.

Die Bedeutung des Manipulationsrisikos wäre auch gering, wenn das Vorbringen der Umweltverbände zutrifft, dass in Estland vor allem für den estnischen Staat als dem größten Waldeigentümer ein Anreiz besteht, die Waldinventur zu manipulieren. Der estnische Staat kennt die Standortdaten aber bereits, weil die Umweltagentur die Standorte festgelegt hat. Dann läge das Risiko für die Waldinventur nicht primär in einer Bekanntgabe von Standortdaten an die Öffentlichkeit, sondern darin, dass bestimmte staatliche Stellen nicht daran gehindert werden, Manipulationen vorzunehmen.

53.

Aus diesem Blickwinkel käme dem von den Umweltverbänden angeführten Interesse, den Wahrheitsgehalt der Waldinventur zu kontrollieren, umso größere Bedeutung zu.

54.

Wenn eine Bekanntgabe der Standortdaten dagegen tatsächlich eine ernsthafte zusätzliche Gefahr der Manipulation von Probeflächen begründen sollte, würde das auch das Interesse an einer öffentlichen Kontrolle durch die Umweltverbände reduzieren. Denn diese Kontrolle würde ihre eigenen Ziele untergraben, wenn sie eine Bekanntgabe der Standortdaten voraussetzt, obwohl diese Bekanntgabe die Qualität der Waldinventur in Frage stellt.

55.

Das Interesse an einer öffentlichen Kontrolle durch die Umweltverbände könnte im Übrigen auch dadurch reduziert werden, dass die Qualität und der Wahrheitsgehalt der Waldinventur ohne eine allgemeine Bekanntgabe der Standortdaten durch unabhängige Stellen kontrolliert würden, was in Frage 5.2 angesprochen wird.

56.

Der Gerichtshof verfügt nicht über die notwendigen Informationen, um diese Gesichtspunkte abschließend zu würdigen. Vielmehr kommt diese Aufgabe dem zuständigen innerstaatlichen Gericht zu.

57.

Somit ist bei der Auslegung der Ausnahmen zum Zugangsrecht und in der Interessenabwägung das Interesse der Öffentlichkeit an der Bekanntgabe der Standorte der Dauerprobeflächen der statistischen Waldinventur zu berücksichtigen. Dieses Interesse ist begrenzt, falls diese Bekanntgabe eine bei vernünftiger Betrachtung absehbare und nicht rein hypothetische Gefahr einer konkreten und tatsächlichen Beeinträchtigung der Verlässlichkeit der Waldinventur begründet und wenn eventuelle Vorteile einer Bekanntgabe mit anderen Mitteln erreicht werden können.

3. Frage 2.1 – Noch nicht abgeschlossene Vorgänge

58.

Mit Frage 2.1 möchte das vorlegende Gericht erfahren, ob Daten über den Standort der Dauerprobeflächen der statistischen Waldinventur unter die Ausnahme von Art. 4 Abs. 1 Buchst. d der Umweltinformationsrichtlinie fallen. Danach können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass ein Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen abgelehnt wird, wenn er Material betrifft, das gerade vervollständigt wird, oder noch nicht abgeschlossene Schriftstücke oder noch nicht aufbereitete Daten. Diese Ausnahme soll dem Bedürfnis der Behörden nach einem geschützten Raum für interne Überlegungen und Debatten Rechnung tragen. ( 14 )

59.

Wie alle Ausnahmen zum Zugangsrecht ist jedoch auch diese Ausnahme gemäß Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 der Umweltinformationsrichtlinie eng auszulegen. Daher ist sie auf die konkret geregelten drei Fallgruppen zu beschränken. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass die erfassten Materialien, Schriftstücke und Daten noch bearbeitet werden – Art. 4 Abs. 3 Buchst. c des Übereinkommens von Aarhus bezieht sich insoweit auf „Material …, das noch fertig gestellt werden muss“. Ein Bezug zur Datenqualität besteht insoweit, als ein Zugang der Öffentlichkeit zu diesen Informationen ein falsches Bild vermitteln könnte. Eine Verweigerung kann dieses Risiko jedoch nur rechtfertigen, wenn ihm nicht durch einen entsprechenden Hinweis begegnet werden kann. ( 15 )

60.

Die Daten über den Standort der Dauerprobeflächen der statistischen Waldinventur liegen jedoch bereits vollständig vor und fallen daher in keine der drei Kategorien.

61.

Der Umstand, dass die Daten über den Standort der Dauerprobeflächen der statistischen Waldinventur dazu dienen, regelmäßig weitere Berichte über den Zustand der Wälder zu erstellen, ändert daran nichts. Diese Berichte und die darin gesammelten Informationen mögen zu bestimmten Zeiten unter die genannten Fallgruppen und damit die Ausnahme nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. d der Umweltinformationsrichtlinie fallen. Das erlaubt es aber nicht, die Standortdaten zurückzuhalten. Sie sind zwar ausdrücklich oder stillschweigend Teil der Berichte. Jedoch haben sie auch unabhängig von den einzelnen – möglicherweise noch nicht abgeschlossenen – Berichten eine eigenständige Bedeutung. Das zeigt sich auch daran, dass diese Standortdaten nicht nur Grundlage von Berichten sind, die noch bearbeitet werden, sondern – wie die Umweltagentur anerkennt – auch Berichten zugrunde liegen, die in der Vergangenheit bereits fertiggestellt wurden.

62.

Die soeben angestellten Überlegungen zum möglicherweise begrenzten Interesse der Öffentlichkeit an der Bekanntgabe der Standortdaten ( 16 ) führen zu keinem anderen Ergebnis. Sie ändern nichts daran, dass die Standortdaten Bestandteil von bereits abgeschlossenen Vorgängen sind.

63.

Es widerspräche der vorübergehenden Natur dieser Ausnahme, sie durch die wiederholte Verwendung bestimmter Daten unbefristet auf diese Daten anzuwenden, obwohl sie bereits endgültig feststehen. Die Ausnahme soll vielmehr nur während eines bestimmten Zeitraums anwendbar sein, nämlich während der Bearbeitung von Materialien, Schriftstücken und Daten. ( 17 ) Diesen Gedanken einer zeitlich begrenzten Geltung dieser Ausnahme bestätigt Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 2 der Umweltinformationsrichtlinie, wonach mit einer Ablehnung der Bekanntgabe von Material, das gerade vervollständigt wird, bereits mitgeteilt werden muss, wann das Material voraussichtlich vollständig vorliegt.

64.

Daher sind Daten über den Standort der Dauerprobeflächen einer regelmäßig wiederholten statistischen Waldinventur weder Material, das gerade vervollständigt wird, noch handelt es sich um noch nicht abgeschlossene Schriftstücke oder um noch nicht aufbereitete Daten im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. d der Umweltinformationsrichtlinie.

4. Frage 2.2 – Gesetzliche Festlegung der Vertraulichkeit der Beratungen von Behörden

65.

Nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. a der Umweltinformationsrichtlinie können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass ein Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen abgelehnt wird, wenn die Bekanntgabe negative Auswirkungen auf die Vertraulichkeit der Beratungen von Behörden hätte, sofern eine derartige Vertraulichkeit gesetzlich vorgesehen ist.

66.

Mit Frage 2.2 möchte das vorlegende Gericht erfahren, ob die in dieser Bestimmung aufgestellte Voraussetzung – dass die entsprechende Vertraulichkeit gesetzlich vorgesehen ist ( 18 ) – erfüllt ist, wenn das Erfordernis der Vertraulichkeit nicht für eine konkrete Art von Informationen gesetzlich festgelegt ist, sondern sich im Wege der Auslegung aus einer Vorschrift eines Rechtsakts mit allgemeinem Charakter wie dem Gesetz über öffentliche Informationen oder dem Gesetz über die staatlichen Statistiken ergibt.

67.

Diese Frage ist jedoch nicht entscheidungserheblich und daher unzulässig, weil diese Ausnahme die Daten über den Standort der Dauerprobeflächen der statistischen Waldinventur nicht erfasst. Wie ich jüngst näher dargelegt habe, ( 19 ) ist diese Ausnahme auf den eigentlichen Beratungsprozess im Rahmen von Entscheidungsverfahren beschränkt, während die Tatsachengrundlage der Entscheidungsfindung nicht erfasst wird. ( 20 ) Daher hat der Gerichtshof entschieden, dass Art. 4 Abs. 2 Buchst. a der Umweltinformationsrichtlinie und Art. 4 Abs. 4 Buchst. a des Übereinkommens von Aarhus auf die abschließenden Etappen des Entscheidungsprozesses der Behörden verweisen, ( 21 ) also die Vertraulichkeit der (abschließenden) Beratungen von Behörden schützen und nicht etwa das gesamte den Beratungen der Behörden vorausgehende Verwaltungsverfahren. ( 22 )

68.

Die streitgegenständlichen Informationen gehören zur Tatsachengrundlage der Beratungen über die Waldinventur, sind aber nicht Teil der durch diese Ausnahme geschützten Beratungen.

69.

Daher ist eine Beantwortung dieser Frage nicht notwendig.

70.

Nur hilfsweise sei angemerkt, dass es in der Regel ausreichen sollte, wenn die Vertraulichkeit von abschließenden Beratungen im Wege der Auslegung aus einer Vorschrift eines Rechtsakts mit allgemeinem Charakter abgeleitet wird. Die Umweltinformationsrichtlinie enthält keinen Hinweis darauf, dass die Vertraulichkeit von Beratungen konkret im Zusammenhang mit dem Zugang zu Umweltinformationen geregelt werden muss.

5. Frage 2.3 – Internationale Beziehungen

71.

Frage 2.3 bezieht sich auf Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Umweltinformationsrichtlinie. Danach können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass ein Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen abgelehnt wird, wenn die Bekanntgabe negative Auswirkungen auf internationale Beziehungen hätte.

72.

Wenn man Frage 2.3 eng verstehen würde, wäre sie bereits beantwortet, denn nach ihrem Wortlaut bezieht sie sich ausschließlich auf den für eine Verweigerung notwendigen Grad einer Gefahr für die internationalen Beziehungen. ( 23 )

73.

Aus der Begründung des Vorabentscheidungsersuchens wird jedoch auch deutlich, dass das Gericht davon ausgeht, dieser Ausnahmetatbestand der Beeinträchtigung der internationalen Beziehungen setze die Gefahr einer Verletzung einer völkerrechtlichen Verpflichtung voraus. Dieser Blickwinkel erklärt, warum das vorlegende Gericht in diesem Zusammenhang davon spricht, dass das auf den Schutz der internationalen Beziehungen gestützte Argument der Umweltagentur „hypothetisch“ sei. Entgegen der Auffassung der Kommission will es damit nicht zum Ausdruck bringen, seine Frage sei hypothetisch, also nicht entscheidungserheblich und somit unzulässig. Vielmehr hält es die Berufung auf dieses Interesse für wenig überzeugend.

74.

Um eine nützliche Antwort zu geben, ist es daher umso wichtiger, näher zu prüfen, was als eine Beeinträchtigung der internationalen Beziehungen anzusehen ist, die eine Auskunftsverweigerung ermöglichen kann. Der Gerichtshof hat diesen Begriff bislang noch nicht im Zusammenhang mit der Umweltinformationsrichtlinie ausgelegt und es gibt auch keine einschlägigen Aussagen des Aarhus-Überwachungsausschusses. Jedoch war die entsprechende Ausnahme zum Recht auf Zugang zu Dokumenten der Union ( 24 ) bereits Gegenstand von Rechtsprechung der Unionsgerichte.

75.

Danach erfasst dieser Begriff nicht nur die Verletzung völkerrechtlicher Verpflichtungen durch die Bekanntgabe von Informationen. So hat der Gerichtshof bereits anerkannt, dass diese Ausnahme im Prinzip auch die vertrauliche Behandlung von strategischen Zielen in internationalen Verhandlungen rechtfertigen kann. ( 25 )

76.

Allgemeiner hat das Gericht die Reichweite des Schutzes internationaler Beziehungen überzeugend dahin gehend auf den Punkt gebracht, dass die Art und Weise, in der die Behörden eines Drittstaats die Entscheidungen der Union verstehen, Bestandteil der internationalen Beziehungen zu diesem Drittstaat ist. Davon hängen nämlich die Aufrechterhaltung und die Qualität dieser Beziehungen ab. ( 26 )

77.

Daher ist es konsequent, wenn das Gericht akzeptiert, dass die Bekanntgabe von Dokumenten oder Informationen, die Drittstaaten der Union übermittelt hatten, diese Beziehungen beeinträchtigen kann, sei es bei der Bekämpfung des Terrorismus, ( 27 ) beim Schutz geografischer Herkunftsangaben ( 28 ) oder im Zusammenhang mit anderen Verhandlungen. ( 29 ) Das Gleiche gilt für einen Vertrag der Union mit einem öffentlichen Unternehmen eines Drittstaats zur Förderung eines Programms zur Verbesserung der Sicherheit von Kernkraftwerken. ( 30 )

78.

Wie die Umweltagentur und Estland betonen, ist die Waldinventur ein wichtiges Instrument bei der Anwendung der Regelungen über die Berücksichtigung der Landnutzung beim Klimaschutz, ( 31 ) der bekanntlich Gegenstand intensiver internationaler Zusammenarbeit ist. Daher kooperieren die Staaten auch speziell bei der Waldinventur ( 32 ) und die Kommission beabsichtigt, einen neuen Unionsrahmen für die Waldüberwachung vorzuschlagen. ( 33 )

79.

Wenn die Qualität der Inventur aufgrund von Manipulationen beeinträchtigt würde, könnte dies nachteilige Auswirkungen auf diese internationale Zusammenarbeit haben. Weniger zuverlässige Informationen über die Entwicklung der Wälder mindern nämlich für andere Staaten den Anreiz für eine solche Zusammenarbeit und die Erhebung solcher Informationen.

80.

Es trifft zu, dass diese Gefahr einer Beeinträchtigung der internationalen Beziehung hier nicht besonders schwerwiegend erscheint – es scheint sich nicht um eine Frage von Krieg und Frieden zu handeln und auch völkerrechtliche Streitigkeiten sind eher nicht zu erwarten. Doch ich habe bereits oben dargelegt, dass auch das Gewicht, das dem Interesse der Öffentlichkeit an der Bekanntgabe der streitgegenständlichen Standortdaten zukommt, möglicherweise begrenzt ist. ( 34 )

81.

Hinzu kommt, dass bei der Entscheidung über die Bekanntgabe dieser Informationen auch weitere Interessen berücksichtigt werden müssen, die beeinträchtigt werden können. Dafür kommt insbesondere der im Anschluss zu erörternde Schutz der Umwelt in Betracht.

82.

In Bezug auf Frage 2.3 bleibt jedenfalls festzuhalten, dass eine bei vernünftiger Betrachtung absehbare und nicht rein hypothetische Gefahr einer konkreten und tatsächlichen Beeinträchtigung der Verlässlichkeit der Waldinventur, die ein Mitgliedstaat im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit mit anderen Staaten verwendet, im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Umweltinformationsrichtlinie negative Auswirkungen auf internationale Beziehungen haben kann.

6. Frage 2.4 – Schutz der Umwelt

83.

Mit Frage 2.4 möchte das vorlegende Gericht erfahren, ob der Schutz der Umwelt eine Beschränkung des Zugangs zu Umweltinformationen rechtfertigt, um die Zuverlässigkeit der staatlichen Waldinventur zu gewährleisten.

84.

Nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. h der Umweltinformationsrichtlinie können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass ein Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen abgelehnt wird, wenn die Bekanntgabe negative Auswirkungen auf den Schutz der Umweltbereiche hätte, auf die sich die Informationen beziehen, wie z. B. die Aufenthaltsorte seltener Tierarten.

85.

Das angegebene Beispiel zeigt, dass man bei dieser Ausnahme an bestimmte Orte gedacht hat, die etwa durch Wilderer oder übermäßige Neugier gefährdet sind. ( 35 ) Dieser Bezug auf bestimmte Orte scheint auch in der deutschen Fassung der Umweltinformationsrichtlinie zum Ausdruck zu kommen, wo im Unterschied zu anderen Sprachfassungen nicht der Begriff „Umwelt“ verwendet wird, sondern der Begriff „Umweltbereiche“. Der Begriff „Bereich“ kann aber im Sinne eines Ortes verstanden werden.

86.

In geringem Maß unterliegen auch die Dauerprobeflächen einer solchen örtlichen Gefahr, denn Manipulationen können die dort befindlichen Lebensräume beeinträchtigen. Die Umweltagentur und Estland behaupten sogar, dass im Rahmen der Waldinventur an bestimmten Probeflächen Informationen über das Vorkommen geschützter Arten erhoben wurden.

87.

Das geringe Risiko solcher Beeinträchtigungen ist allerdings nicht der Hauptgrund, auf den sich die Umweltagentur beruft. Ihr – und dem vorlegenden Gericht – geht es vielmehr darum, dass eine qualitativ beeinträchtigte Waldinventur auch eine weniger zuverlässige Grundlage für Maßnahmen zum Schutz der Umwelt ist. Der Schutz der Orte, auf den sich die Standortdaten beziehen, würde davon höchstens mittelbar berührt.

88.

Die deutsche Fassung ist im Hinblick auf lokalisierte Nachteile durch den Bezug auf „Bereiche“ der Umwelt besonders eng gefasst. In anderen Fassungen, etwa der englischen, französischen oder spanischen Fassung und auch in den verbindlichen Sprachfassungen des Übereinkommens von Aarhus, ist allgemeiner von der „Umwelt“ die Rede, auf die sich die Informationen beziehen.

89.

Darunter ließe sich auch der Wald im Allgemeinen fassen, der durch umweltpolitische Maßnahmen auf der Grundlage einer weniger zuverlässigen Waldinventur nachteilig berührt werden könnte. Aufgrund der bereits angesprochenen Bedeutung der Waldinventur im Bereich des Klimaschutzes ( 36 ) könnte eine Beeinträchtigung ihrer Qualität auch in diesem noch weiter vom Zustand der jeweiligen Standorte entfernten Feld der Umweltpolitik nachteilige Auswirkungen haben.

90.

Eine Auslegung von Art. 4 Abs. 2 Buchst. h der Umweltinformationsrichtlinie, die nicht ausschließlich den Schutz bestimmter Standorte erfassen würde, sondern wie von der Kommission vorgeschlagen auch den Schutz der Umwelt im Allgemeinen, wäre sicherlich nicht die engste vorstellbare Auslegung dieser Ausnahme.

91.

Das Ziel einer engen Auslegung nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 der Umweltinformationsrichtlinie ist allerdings nicht absolut, was sich schon daran zeigt, dass auch das Interesse der Öffentlichkeit an der Bekanntgabe berücksichtigt werden muss. Wie bereits dargelegt, ist dieses Interesse eher gering, falls diese Bekanntgabe die Verlässlichkeit der Waldinventur gefährdet und eventuelle Vorteile einer Bekanntgabe mit anderen Mitteln erreicht werden können. ( 37 )

92.

Hinzu kommt, dass die Umweltinformationsrichtlinie das Interesse an der Qualität der Waldinventur durch Art. 8 Abs. 1 anerkennt. Und auch unabhängig davon ist der Zugang zu Umweltinformationen kein Selbstzweck, sondern soll nach dem ersten Erwägungsgrund der Richtlinie dazu beitragen, den Umweltschutz zu verbessern. Es wäre daher widersprüchlich, die Ausnahme zum Schutz der Umwelt so eng auszulegen, dass eine umweltschädliche Bekanntgabe von Umweltinformationen nur deshalb nicht verhindert werden könnte, weil der Schaden bei den Standorten gering ausfällt, auf die sich die Informationen unmittelbar beziehen.

93.

Somit kann eine bei vernünftiger Betrachtung absehbare und nicht rein hypothetische Gefahr einer konkreten und tatsächlichen Beeinträchtigung der Verlässlichkeit der Waldinventur, die die Grundlage für Maßnahmen zum Umweltschutz ist, im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Buchst. h der Umweltinformationsrichtlinie negative Auswirkungen auf den Schutz von Umweltbereichen haben.

7. Schlussbemerkung zu der konkreten Anwendung der Ausnahmen

94.

Abschließend ist daran zu erinnern, dass das Vorliegen des Tatbestands einer Ausnahme vom Auskunftsanspruch im Sinne von Art. 4 der Umweltinformationsrichtlinie nicht zwangsläufig bereits die Verweigerung der Bekanntgabe erlaubt. Vielmehr müssen die Risiken für geschützte Interessen, hier eventuell die internationalen Beziehungen und/oder der Umweltschutz, immer noch gegen das Interesse der Öffentlichkeit an der Bekanntgabe abgewogen werden.

C.   Fragen 3, 4 und 5 – Informationen über das Verfahren der Erhebung von Informationen

95.

Mit den Fragen 3, 4 und 5 möchte das vorlegende Gericht erfahren, ob der Antrag sich auf die Methoden zur Ermittlung von Umweltinformationen bezieht, über die nach Art. 8 Abs. 2 der Umweltinformationsrichtlinie Auskunft gegeben werden soll.

96.

Es bedarf jedoch keiner Antwort auf diese Fragen, denn sie werden nur für den Fall gestellt, dass die streitigen Informationen über den Standort der Dauerprobeflächen der statistischen Waldinventur keine Umweltinformationen sind.

D.   Frage 7 – Verpflichtung zur Veröffentlichung

97.

Mit Frage 7 will das vorlegende Gericht erfahren, ob die Verpflichtung zur aktiven Verbreitung von Umweltinformationen die Bekanntgabe der streitigen Standortdaten verlangt. Dabei bezieht es sich zwar auf den 21. Erwägungsgrund der Umweltinformationsrichtlinie, doch tatsächlich ist diese Verpflichtung in Art. 7 niedergelegt.

98.

Prinzipiell ist vorstellbar, dass diese Verpflichtung sich auf die streitgegenständlichen Standortdaten erstreckt. Sie umfasst gemäß Art. 7 Abs. 2 Buchst. d und Abs. 3 der Umweltinformationsrichtlinie Umweltzustandsberichte und gemäß Art. 7 Abs. 2 Buchst. e Daten der Überwachung von Tätigkeiten, die sich auf die Umwelt auswirken oder wahrscheinlich auswirken.

99.

Allerdings kann auch die Verpflichtung zur aktiven Verbreitung von Informationen gemäß Art. 7 Abs. 5 der Umweltinformationsrichtlinie aufgrund der Ausnahmen nach Art. 4 Abs. 1 und 2 eingeschränkt werden.

100.

Daher reicht die Verpflichtung zur aktiven Verbreitung von Umweltinformationen nach Art. 7 der Umweltinformationsrichtlinie nicht weiter als die Verpflichtung zur Bekanntgabe von Umweltinformationen auf Antrag nach Art. 3.

V. Ergebnis

101.

Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, wie folgt zu entscheiden:

1)

Daten über den Standort der Dauerprobeflächen der statistischen Waldinventur sind gemeinsam mit den Informationen über den Zustand dieser Flächen Informationen über den Zustand von Umweltbestandteilen und daher Umweltinformationen im Sinne von Art. 2 Nr. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/4/EG über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen.

2)

Die Anwendung von Ausnahmen zum Recht auf Zugang zu Umweltinformationen setzt voraus, dass die Bekanntgabe der fraglichen Informationen eine bei vernünftiger Betrachtung absehbare und nicht rein hypothetische Gefahr einer konkreten und tatsächlichen Beeinträchtigung des jeweils geschützten Interesses begründet.

3)

Das in Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2003/4 anerkannte Interesse an der Qualität von Umweltinformationen kann alleine die Verweigerung der Bekanntgabe von Umweltinformationen nicht rechtfertigen. Allerdings ist bei der Auslegung der Ausnahmen zum Zugangsrecht und in der Interessenabwägung das Interesse der Öffentlichkeit an der Bekanntgabe der Standorte der Dauerprobeflächen der statistischen Waldinventur zu berücksichtigen. Dieses Interesse ist begrenzt, falls diese Bekanntgabe eine bei vernünftiger Betrachtung absehbare und nicht rein hypothetische Gefahr einer konkreten und tatsächlichen Beeinträchtigung der Verlässlichkeit der Waldinventur begründet und wenn eventuelle Vorteile einer Bekanntgabe mit anderen Mitteln erreicht werden können.

4)

Daten über den Standort der Dauerprobeflächen einer regelmäßig wiederholten statistischen Waldinventur sind weder Material, das gerade vervollständigt wird, noch handelt es sich um noch nicht abgeschlossene Schriftstücke oder um noch nicht aufbereitete Daten im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2003/4.

5)

Eine bei vernünftiger Betrachtung absehbare und nicht rein hypothetische Gefahr einer konkreten und tatsächlichen Beeinträchtigung der Verlässlichkeit der Waldinventur, die ein Mitgliedstaat im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit mit anderen Staaten verwendet, kann im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2003/4 negative Auswirkungen auf internationale Beziehungen haben.

6)

Eine bei vernünftiger Betrachtung absehbare und nicht rein hypothetische Gefahr einer konkreten und tatsächlichen Beeinträchtigung der Verlässlichkeit der Waldinventur, die die Grundlage für Maßnahmen zum Umweltschutz ist, kann im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Buchst. h der Richtlinie 2003/4 negative Auswirkungen auf den Schutz von Umweltbereichen haben.

7)

Die Verpflichtung zur aktiven Verbreitung von Umweltinformationen nach Art. 7 der Richtlinie 2003/4 reicht nicht weiter als die Verpflichtung zur Bekanntgabe von Umweltinformationen auf Antrag nach Art. 3.


( 1 ) Originalsprache: Deutsch.

( 2 ) Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (ABl. 2003, L 41, S. 26).

( 3 ) ABl. 2005, L 124, S. 4.

( 4 ) Angenommen mit Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 (ABl. 2005, L 124, S. 1).

( 5 ) Urteile vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat (C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 43 und 49), vom 21. Juli 2011, Schweden/MyTravel und Kommission (C‑506/08 P, EU:C:2011:496, Rn. 76), vom 17. Oktober 2013, Rat/Access Info Europe (C‑280/11 P, EU:C:2013:671, Rn. 31), und vom 3. Juli 2014, Rat/In‘t Veld (C‑350/12 P, EU:C:2014:2039, Rn. 52).

( 6 ) Urteil vom 20. Januar 2021, Land Baden-Württemberg (Interne Mitteilungen) (C‑619/19, EU:C:2021:35, Rn. 69).

( 7 ) Die Umweltagentur und Estland berufen sich u. a. auf McRoberts, Ronald E., O. Tomppo, Erkki, und Czaplewski, Raymond L., „Sampling designs for national forest assessments“, in: Food and Agriculture Organization of the United Nations, Knowledge reference for national forest assessments, Rom, 2015, S. 26.

( 8 ) Estland führt Päivinen, R., Astrup, R., Birdsey, R. A., u. a., „Ensure forest-data integrity for climate change studies“, Nat. Clim. Chang. 13, 495 und 496 (2023). https://doi.org/10.1038/s41558-023-01683-8, an.

( 9 ) Urteile vom 28. Juli 2011, Office of Communications (C‑71/10, EU:C:2011:525, Rn. 22), und vom 20. Januar 2021, Land Baden-Württemberg (Interne Mitteilungen) (C‑619/19, EU:C:2021:35, Rn. 33).

( 10 ) Meine Schlussanträge in der Rechtssache Office of Communications (C‑71/10, EU:C:2011:140, Nrn. 45 bis 48), siehe auch Schlussanträge des Generalanwalts Hogan in der Rechtssache Land Baden-Württemberg (Interne Mitteilungen) (C‑619/19, EU:C:2020:590).

( 11 ) Urteile vom 14. Februar 2012, Flachglas Torgau (C‑204/09, EU:C:2012:71, Rn. 30 und 31), und vom 20. Januar 2021, Land Baden-Württemberg (Interne Mitteilungen) (C‑619/19, EU:C:2021:35, Rn. 28).

( 12 ) Vgl. Ausschuss zur Überwachung der Einhaltung des Übereinkommens von Aarhus (Aarhus Convention Compliance Committee, im Folgenden: Aarhus-Überwachungsausschuss), Findings and recommendations vom 24. Juli 2021 with regard to communication ACCC/C/2014/118, concerning compliance by Ukraine, ECE/MP.PP/C.1/2021/18, Rn. 114.

( 13 ) Vgl. Urteil vom 28. Juli 2011, Office of Communications (C‑71/10, EU:C:2011:525, Rn. 22 bis 31), sowie zum Zugang zu Dokumenten der Union Urteile vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat (C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 44 und 49), und vom 3. Juli 2014, Rat/In‘t Veld (C‑350/12 P, EU:C:2014:2039, Rn. 53).

( 14 ) Urteil vom 20. Januar 2021, Land Baden-Württemberg (Interne Mitteilungen) (C‑619/19, EU:C:2021:35, Rn. 44).

( 15 ) Aarhus-Überwachungsausschuss, Findings and recommendations vom 11. Januar 2013 with regard to communication ACCC/C/2010/53, concerning compliance by the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland, ECE/MP.PP/C.1/2013/3, Nr. 77.

( 16 ) Siehe oben, Nrn. 49 bis 57.

( 17 ) Urteil vom 20. Januar 2021, Land Baden-Württemberg (Interne Mitteilungen) (C‑619/19, EU:C:2021:35, Rn. 56). Vgl. auch Aarhus-Überwachungsausschuss, Findings and recommendations vom 26. Juli 2021 with regard to communication ACCC/C/2014/124 concerning compliance by the Netherlands, ECE/MP.PP/C.1/2021/20, Nrn. 107 und 108.

( 18 ) Urteil vom 20. Januar 2021, Land Baden-Württemberg (Interne Mitteilungen) (C‑619/19, EU:C:2021:35, Rn. 31).

( 19 ) Meine Schlussanträge in der Rechtssache Right to Know (C‑84/22, EU:C:2023:421, Nr. 31).

( 20 ) Vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Flachglas Torgau (C‑204/09, EU:C:2011:413, Nr. 83) und des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache Saint-Gobain Glass Deutschland/Kommission (C‑60/15 P, EU:C:2016:778, Nrn. 76 und 57 ff.) sowie den Aarhus-Überwachungsausschuss, Findings and recommendations vom 28. März 2014 with regard to communication ACCC/C/2010/51, concerning compliance by Romania, ECE/MP.PP/C.1/2014/12, Nr. 89.

( 21 ) Urteil vom 14. Februar 2012, Flachglas Torgau (C‑204/09, EU:C:2012:71, Rn. 63).

( 22 ) Urteil vom 13. Juli 2017, Saint-Gobain Glass Deutschland/Kommission (C‑60/15 P, EU:C:2017:540, Rn. 81).

( 23 ) Dazu oben, Nrn. 32 bis 36.

( 24 ) Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter Spiegelstrich der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. 2001, L 145, S. 43). Soweit Umweltinformationen betroffen sind, ist diese Verordnung im Licht der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Aarhus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft (ABl. 2006, L 264, S. 13) in der Fassung der Verordnung (EU) 2021/1767 (ABl. 2021, L 356, S. 1) anzuwenden.

( 25 ) Urteile vom 3. Juli 2014, Rat/In‘t Veld (C‑350/12 P, EU:C:2014:2039, Rn. 67), und vom 19. März 2020, ClientEarth/Kommission (C‑612/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:223, Rn. 34 bis 38 und 41 bis 44).

( 26 ) Urteile des Gerichts vom 27. Februar 2018, CEE Bankwatch Network/Kommission (T‑307/16, EU:T:2018:97, Rn. 90), und vom 25. November 2020, Bronckers/Kommission (T‑166/19, EU:T:2020:557, Rn. 61).

( 27 ) Urteil des Gerichts vom 26. April 2005, Sison/Rat (T‑110/03, T‑150/03 und T‑405/03, EU:T:2005:143, Rn. 79 bis 81).

( 28 ) Urteil des Gerichts vom 25. November 2020, Bronckers/Kommission (T‑166/19, EU:T:2020:557, Rn. 60, 63 und 64).

( 29 ) Urteil des Gerichts vom 12. September 2013, Besselink/Rat (T‑331/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:419, Rn. 58).

( 30 ) Urteil des Gerichts vom 27. Februar 2018, CEE Bankwatch Network/Kommission (T‑307/16, EU:T:2018:97, Rn. 95).

( 31 ) Verordnung (EU) 2018/841 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 über die Einbeziehung der Emissionen und des Abbaus von Treibhausgasen aus Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft in den Rahmen für die Klima- und Energiepolitik bis 2030 (ABl. 2018, L 156, S. 1) in der Fassung der Verordnung (EU) 2023/839 (ABl. 2023, L 107, S. 1).

( 32 ) Siehe z. B. das Global Forest Resources Assessment der FAO, https://fra-data.fao.org/assessments/fra/2020, die Ministerial Conference on the Protection of Forests in Europe, foresteurope.org, oder das European National Forest Inventory Network, http://enfin.info/, das Projekte im Rahmen der Gemeinsamen Forschungsstelle der Kommission durchführt.

( 33 ) Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Neue EU-Waldstrategie für 2030 (COM[2021] 572 final, S. 26).

( 34 ) Siehe oben, Nrn. 49 bis 57.

( 35 ) Aarhus-Überwachungsausschuss, Findings and recommendations vom 25. Februar 2011 with regard to communication ACCC/C/2009/38, concerning compliance by the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland, ECE/MP.PP/C.1/2011/2/Add.10, Nrn. 70 bis 77.

( 36 ) Siehe oben, Nr.78.

( 37 ) Siehe oben, Nrn. 49 bis 57.

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