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Document 62006CJ0205

Urteil des Gerichtshofes (Große Kammer) vom 3. März 2009.
Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Republik Österreich.
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Verstoß gegen Art. 307 Abs. 2 EG - Nichtergreifung geeigneter Maßnahmen zur Behebung der Unvereinbarkeiten zwischen den vor dem Beitritt des Mitgliedstaats zur Europäischen Union mit Drittstaaten geschlossenen bilateralen Abkommen und dem EG-Vertrag - Investitionsabkommen der Republik Österreich mit der Republik Korea, der Republik Kap Verde, der Volksrepublik China, Malaysia, der Russischen Föderation und der Republik Türkei.
Rechtssache C-205/06.

European Court Reports 2009 I-01301

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2009:118

Parteien
Entscheidungsgründe
Tenor

Parteien

In der Rechtssache C‑205/06

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 5. Mai 2006,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften , vertreten durch H. Støvlbæk, B. Martenczuk und C. Tufvesson als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Republik Österreich , vertreten durch C. Pesendorfer und G. Thallinger als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Bundesrepublik Deutschland , vertreten durch M. Lumma und C. Blaschke als Bevollmächtigte,

Republik Litauen , vertreten durch D. Kriaučiūnas als Bevollmächtigten,

Republik Ungarn , vertreten durch J. Fazekas, K. Szíjjártó und M. Fehér als Bevollmächtigte,

Republik Finnland , vertreten durch A. Guimaraes-Purokoski und J. Heliskoski als Bevollmächtigte,

Streithelferinnen,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C.W.A. Timmermans, A. Rosas, K. Lenaerts, M. Ilešič, A. Ó Caoimh und J.-C. Bonichot (Berichterstatter) sowie der Richter G. Arestis, A. Borg Barthet, J. Malenovský, U. Lõhmus und E. Levits,

Generalanwalt: M. Poiares Maduro,

Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Mai 2008,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. Juli 2008

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe

1. Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Republik Österreich durch die Nichtergreifung angemessener Maßnahmen zur Behebung von Unvereinbarkeiten in Bezug auf die Bestimmungen über den Transfer von Kapital, die in den Investitionsabkommen mit der Republik Korea, der Republik Kap Verde, der Volksrepublik China, Malaysia, der Russischen Föderation und der Republik Türkei enthalten sind, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 307 Abs. 2 EG verstoßen hat.

Rechtlicher Rahmen

2. Die Republik Österreich schloss vor ihrem Beitritt zur Europäischen Union bilaterale Investitionsabkommen mit der Volksrepublik China (in Kraft getreten am 11. Oktober 1986 [BGBl 1986/537]), Malaysia (in Kraft getreten am 1. Januar 1987 [BGBl 1986/601]), der Russischen Föderation (in Kraft getreten am 1. September 1991 [BGBl 1991/387], ursprünglich geschlossen mit der damaligen Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und gemäß einem Notenwechsel [BGBl 1994/257] zwischen der Republik Österreich und der Russischen Föderation weiter anwendbar), der Republik Korea (in Kraft getreten am 1. November 1991 [BGBl 1991/523]), der Republik Türkei (in Kraft getreten am 1. Januar 1992 [BGBl 1991/612]) und der Republik Kap Verde (in Kraft getreten am 1. April 1993 [BGBl 1993/83]).

3. Diese Abkommen enthalten eine Klausel, der zufolge jede Vertragspartei Investoren der anderen Vertragspartei ohne ungebührliche Verzögerung den freien Transfer in frei konvertierbarer Währung der im Zusammenhang mit einer Investition stehenden Zahlungen gewährleistet.

Vorverfahren

4. Da die Kommission der Auffassung war, dass diese bilateralen Abkommen die Anwendung von Beschränkungen des Kapital- oder Zahlungsverkehrs, die der Rat der Europäischen Union nach den Art. 57 Abs. 2 EG, 59 EG und 60 Abs. 1 EG erlassen kann, vereiteln können, richtete sie am 12. Mai 2004 an die Republik Österreich ein Aufforderungsschreiben.

5. Mit Schreiben vom 14. Juli 2004 übermittelte die Republik Österreich der Kommission ihre Stellungnahme zu dem Aufforderungsschreiben. Sie erklärte, dass die streitigen Bestimmungen ihrer Investitionsabkommen weder die im EG-Vertrag vorgesehenen Maßnahmen zur Beschränkung des Kapital- oder Zahlungsverkehrs beeinträchtigten noch das Abstimmungsverhalten Österreichs bei beschränkenden Maßnahmen präjudizierten und dass sie daher in die Befugnisse des Rates, falls er derartige Maßnahmen erlassen wolle, nicht eingriffen.

6. Da die Kommission der Ansicht war, dass die von der Republik Österreich vorgetragenen Argumente unzureichend seien und dass sie es entgegen Art. 307 Abs. 2 EG versäumt habe, die geeigneten Mittel zur Behebung der Unvereinbarkeiten in Bezug auf die Transferbestimmungen in den verschiedenen fraglichen Investitionsabkommen anzuwenden, übersandte sie der Republik Österreich am 21. März 2005 eine mit Gründen versehene Stellungnahme.

7. Mit Schreiben vom 19. Mai 2005 übermittelte die Republik Österreich der Kommission ihre Stellungnahme in Beantwortung der genannten mit Gründen versehenen Stellungnahme. Sie erhielt die in ihrer Stellungnahme zum Aufforderungsschreiben dargelegten Argumente aufrecht und wies weiter darauf hin, dass es, wenn die Europäische Gemeinschaft Maßnahmen erlassen wollte, die Möglichkeit gäbe, nach dem in den streitigen Abkommen enthaltenen Konfliktregelungsmechanismus zu einer einvernehmlichen Lösung zu gelangen. Die Republik Österreich machte außerdem geltend, dass im Zuge der derzeit laufenden Überarbeitung des österreichischen Mustertextes für bilaterale Investitionsabkommen eine REIO-Klausel („Regional Economic International Organisation“‑Klausel) vorgesehen sei, die die etwaigen Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs, die von der Union oder der Gemeinschaft beschlossen werden könnten, berücksichtige und bei allen künftigen Verhandlungen über völkerrechtliche Übereinkünfte zugrunde gelegt werden solle.

8. Die Kommission war der Meinung, dass diese Argumente ihre Rügen in der mit Gründen versehenen Stellungnahme nicht entkräften könnten, und hat daher die vorliegende Klage erhoben.

Zur Klage

Zum Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung

9. Mit Schreiben vom 30. Juli 2008 hat die Republik Österreich die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß Art. 61 der Verfahrensordnung beantragt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die Kommission in der mündlichen Verhandlung unzulässigerweise eine neue Rüge vorgebracht habe und dass infolgedessen der Generalanwalt seine Schlussanträge auf Tatsachen und Argumente gestützt habe, die die Parteien nicht sachgerecht hätten erörtern können.

10. Die Kommission habe nämlich erstmals und in knapper Form vorgetragen, dass die unveränderte Beibehaltung der fraglichen bilateralen Investitionsabkommen mit Art. 10 EG unvereinbar sei.

11. Der Generalanwalt habe daraufhin in den Nrn. 33 bis 43 und 71 seiner Schlussanträge dem Gerichtshof vorgeschlagen, die Feststellung der behaupteten Vertragsverletzung auf Art. 10 EG in Verbindung mit den Art. 57 Abs. 2 EG, 59 EG und 60 Abs. 1 EG zu stützen.

12. Überdies habe die Kommission, wie mehrere Mitgliedstaaten betont hätten, ein im Fluss befindliches Vorbringen erst sehr spät und undeutlich präzisiert.

13. Insoweit ist zum einen daran zu erinnern, dass der Gerichtshof nach Art. 61 seiner Verfahrensordnung von Amts wegen, auf Vorschlag des Generalanwalts oder auf Antrag der Parteien die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung anordnen kann, wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält oder ein zwischen den Parteien nicht erörtertes Vorbringen als entscheidungserheblich ansieht (vgl. Urteile vom 14. Dezember 2004, Swedish Match, C‑210/03, Slg. 2004, I‑11893, Randnr. 25, und vom 14. September 2006, Stichting Zuid-Hollandse Milieufederatie, C‑138/05, Slg. 2006, I‑8339, Randnr. 23; Beschluss vom 4. Februar 2000, Emesa Sugar, C‑17/98, Slg. 2000, I‑665, Randnr. 18).

14. Zum anderen hat der Generalanwalt nach Art. 222 Abs. 2 EG öffentlich in völliger Unparteilichkeit und Unabhängigkeit begründete Schlussanträge zu den Rechtssachen zu stellen, in denen nach der Satzung des Gerichtshofs seine Mitwirkung erforderlich ist. Da die Schlussanträge des Generalanwalts oder ihre Begründung den Gerichtshof nicht binden, ist es nicht unerlässlich, die mündliche Verhandlung jedes Mal nach Art. 61 der Verfahrensordnung wiederzueröffnen, wenn der Generalanwalt einen rechtlichen Gesichtspunkt aufwirft, der zwischen den Parteien nicht erörtert worden ist.

15. Da sich der Gerichtshof im vorliegenden Fall für ausreichend unterrichtet hält, um über die Rechtssache zu entscheiden, und hierfür kein Vorbringen erheblich ist, das zwischen den Parteien, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, nicht erörtert worden wäre, ist dem Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht stattzugeben.

Zur Unvereinbarkeit der Investitionsabkommen mit dem Vertrag

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

16. Die Kommission meint, der Republik Österreich könne die Einhaltung ihrer gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen dadurch erschwert, ja unmöglich gemacht werden, dass keinerlei Bestimmung in den fraglichen Abkommen ihr ausdrücklich die Möglichkeit vorbehalte, die gegebenenfalls vom Rat auf der Grundlage der Art. 57 EG, 59 EG und 60 EG beschlossenen Maßnahmen anzuwenden. Da die Republik Österreich keine geeigneten Mittel zur Behebung dieser Unvereinbarkeit angewandt habe, habe sie gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 307 Abs. 2 EG verstoßen.

17. Die Kommission führt aus, dass im Fall eines Erlasses von Beschränkungen des Kapital- und Zahlungsverkehrs durch den Rat der für die Kündigung oder Neuverhandlung der fraglichen Abkommen erforderliche Zeitraum dazu führen würde, dass die Republik Österreich völkerrechtlich verpflichtet wäre, in der Zwischenzeit weiterhin die fraglichen Abkommen einschließlich ihrer jeweiligen Transferklausel anzuwenden, was im Übrigen Art. 307 Abs. 1 EG entspräche. Das hätte zur Folge, dass die vom Rat erlassenen Maßnahmen in der Gemeinschaft nicht einheitlich angewandt würden.

18. Die Republik Österreich ist der Ansicht, es sei ihr, da der Rat entsprechende Beschränkungen des Kapital‑ und Zahlungsverkehrs nicht beschlossen habe, unbenommen, den Kapitalverkehr mit Drittländern auf der Grundlage von Art. 56 EG zu regeln. Solange der Rat keine Beschränkung beschlossen habe, stelle sich nicht die Frage, ob sich die Abkommen mit einer Vertragsbestimmung vereinbaren ließen, die noch nicht angewandt worden sei.

19. Die Bundesrepublik Deutschland, die Republik Litauen, die Republik Ungarn und die Republik Finnland schließen sich den von der Republik Österreich vorgebrachten Argumenten an. Sie meinen, die fraglichen Investitionsabkommen seien mit den bestehenden Gemeinschaftsmaßnahmen auf dem Gebiet des freien Kapitalverkehrs nicht unvereinbar, da diese die Abkommen nicht berührten. Die von der Kommission behauptete Vertragsverletzung sei rein hypothetischer Natur.

20. Die genannten Mitgliedstaaten machen geltend, dass das in Art. 226 EG vorgesehene Vertragsverletzungsverfahren nicht der Überprüfung von Sachverhalten diene, in denen die angebliche Vertragsverletzung nur hypothetischen Charakter habe, sondern sein Zweck sei es, den von den Mitgliedstaaten tatsächlich begangenen Vertragsverletzungen abhelfen.

21. Die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Ungarn betonen, dass eine künftige und etwaige Unvereinbarkeit einer mit einem Drittland geschlossenen Übereinkunft mit dem sekundären Gemeinschaftsrecht nicht in den Anwendungsbereich von Art. 307 EG falle und gegebenenfalls nur dann festgestellt werden könnte, wenn der Rat von seinen Befugnissen auf dem Gebiet, für das Art. 307 EG relevant sei, tatsächlich Gebrauch machen würde.

22. Die Republik Finnland trägt vor, dass die Kommission das Vorliegen der gerügten Vertragsverletzung nicht bewiesen habe und sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht auf Vermutungen stützen könne.

23. Die Republik Litauen bemerkt ergänzend, dass es nicht das Ziel des Art. 307 Abs. 2 EG sei, die formale Übereinstimmung der in den völkerrechtlichen Abkommen der Mitgliedstaaten enthaltenen Regelungen mit dem Gemeinschaftsrecht sicherzustellen, sondern dass diese Bestimmung die wirksame Anwendung des Gemeinschaftsrechts gewährleisten solle, und zwar namentlich dann, wenn die Mitgliedstaaten vor ihrem Beitritt mit Drittstaaten völkerrechtliche Übereinkünfte geschlossen hätten, die dieselben Bereiche beträfen.

Würdigung durch den Gerichtshof

24. Die verschiedenen streitigen Investitionsabkommen der Republik Österreich enthalten gleichartige Klauseln, die den freien Transfer der im Zusammenhang mit einer Investition stehenden Zahlungen in frei konvertierbarer Währung und ohne ungebührliche Verzögerung gewährleisten.

25. So werden insbesondere der freie Transfer von Geldmitteln für die Durchführung, Verwaltung und Erweiterung einer Investition, die freie Rückführung der Erträge aus den Investitionen sowie der freie Transfer der für die Rückzahlung von Darlehen erforderlichen Mittel und des Erlöses aus der Liquidation oder Veräußerung der Investitionen garantiert.

26. Diese Abkommen stehen insoweit im Einklang mit dem Wortlaut des Art. 56 Abs. 1 EG, wonach „alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten [sind]“, sowie des Art. 56 Abs. 2 EG, dem zufolge „alle Beschränkungen des Zahlungsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten [sind]“, und sie liegen auf der Linie des mit diesem Artikel verfolgten Zieles.

27. Zwar verleihen die Bestimmungen des Vertrags, auf die die vorliegende Klage der Kommission abstellt, dem Rat die Befugnis, unter bestimmten Umständen den Kapital‑ und Zahlungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten und Drittländern zu beschränken, zu dem die unter die fraglichen Transferklauseln fallenden Bewegungen gehören.

28. Die fraglichen Bestimmungen in den Art. 57 Abs. 2 EG, 59 EG und 60 Abs. 1 EG führen, um das allgemeine Interesse der Gemeinschaft zu schützen und es ihr zu ermöglichen, gegebenenfalls ihren internationalen Verpflichtungen und denen der Mitgliedstaaten nachzukommen, Ausnahmen vom Grundsatz des freien Kapital‑ und Zahlungsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen diesen und Drittländern ein.

29. Art. 57 Abs. 2 EG gestattet dem Rat, auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit bestimmte beschränkende Maßnahmen für den Kapitalverkehr u. a. im Zusammenhang mit Direktinvestitionen zu erlassen, die für Drittländer bestimmt sind oder aus solchen stammen. Stellen diese Maßnahmen für die Liberalisierung des Kapitalverkehrs mit Drittländern „einen Rückschritt“ dar, bedürfen sie der Einstimmigkeit.

30. Durch Art. 59 EG wird der Rat ermächtigt, auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung der Europäischen Zentralbank, falls Kapitalbewegungen nach oder aus dritten Ländern „das Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion schwerwiegend stören oder zu stören drohen“, Schutzmaßnahmen unter der Bedingung zu treffen, dass diese unbedingt erforderlich sind und eine Geltungsdauer von „höchstens sechs Monaten“ haben.

31. Nach Art. 60 Abs. 1 EG kann der Rat zur Durchführung eines gemeinsamen Standpunkts oder einer gemeinsamen Aktion im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik auf Vorschlag der Kommission die „notwendigen Sofortmaßnahmen“ auf dem Gebiet des Kapital- und Zahlungsverkehrs ergreifen. Ein solches Handeln kann sich beispielsweise als erforderlich erweisen, um einen Beschluss des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen durchzuführen.

32. Es steht fest, dass die fraglichen Abkommen keine Bestimmung enthalten, durch die solche seitens der Gemeinschaft möglichen Begrenzungen der Bewegungen von Geldmitteln im Zusammenhang mit Investitionen vorbehalten blieben. Somit ist zu prüfen, ob die Republik Österreich aus diesem Grunde gehalten war, geeignete Mittel im Sinne des Art. 307 Abs. 2 EG anzuwenden.

33. Nach Art. 307 Abs. 1 EG werden die Rechte und Pflichten aus Übereinkünften, die ein Mitgliedstaat vor dem Zeitpunkt seines Beitritts mit einem Drittstaat geschlossen hat, durch den Vertrag nicht berührt. Durch diese Bestimmung soll in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Völkerrechts klargestellt werden, dass die Geltung des Vertrags nicht die Verpflichtung des betreffenden Mitgliedstaats berührt, die Rechte der Drittstaaten aus einer früheren Übereinkunft zu achten und seine Pflichten zu erfüllen (vgl. Urteile vom 14. Oktober 1980, Burgoa, 812/79, Slg. 1980, 2787, Randnr. 8, vom 4. Juli 2000, Kommission/Portugal, C‑84/98, Slg. 2000, I‑5215, Randnr. 53, und vom 18. November 2003, Budĕjovický Budvar, C‑216/01, Slg. 2003, I‑13617, Randnrn. 144 und 145).

34. Art. 307 Abs. 2 EG verpflichtet die Mitgliedstaaten, alle geeigneten Mittel anzuwenden, um die festgestellten Unvereinbarkeiten zwischen den vor ihrem Beitritt geschlossenen Übereinkünften und dem Gemeinschaftsrecht zu beheben. Erforderlichenfalls leisten nach dieser Vorschrift die Mitgliedstaaten zu diesem Zweck einander Hilfe und nehmen gegebenenfalls eine gemeinsame Haltung ein.

35. Die Art. 57 Abs. 2 EG, 59 EG und 60 Abs. 1 EG verleihen dem Rat eine Zuständigkeit, um in genau bestimmten Fällen den Kapital- und Zahlungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten und Drittstaaten zu beschränken.

36. Um die praktische Wirksamkeit dieser Bestimmungen sicherzustellen, müssen die Maßnahmen zur Beschränkungen des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs, falls sie vom Rat erlassen werden, sofort gegenüber den Staaten anwendbar sein, die sie betreffen und zu denen die Staaten gehören können, die eines der fraglichen Abkommen mit der Republik Österreich unterzeichnet haben.

37. Folglich bringen diese Befugnisse des Rates, einseitig gegenüber Drittstaaten beschränkende Maßnahmen auf einem Gebiet zu erlassen, das mit dem durch ein früheres Abkommen zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittstaat geregelten übereinstimmt oder zusammenhängt, eine Unvereinbarkeit mit diesem Abkommen hervor, wenn zum einen dieses keine Bestimmung enthält, die dem betreffenden Mitgliedstaat die Ausübung seiner Rechte und Erfüllung seiner Pflichten als Mitglied der Gemeinschaft gestattet, und zum anderen auch kein völkerrechtlicher Mechanismus dies erlaubt.

38. Entgegen dem Vorbringen der Republik Österreich erscheint jedoch durch die von ihr angeführten Maßnahmen, die ihr ihrer Ansicht nach die Erfüllung ihrer gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen erlauben, nicht gewährleistet, dass dies der Fall ist.

39. Erstens sind die durch jede internationale Verhandlung beanspruchten Zeiträume, die für eine Neuaushandlung der fraglichen Abkommen erforderlich wären, mit der praktischen Wirksamkeit dieser Maßnahmen naturgemäß unvereinbar.

40. Zweitens ist die Möglichkeit, sich anderer vom Völkerrecht zur Verfügung gestellter Mittel, wie der Aussetzung des Abkommens oder auch der Kündigung der fraglichen Abkommen oder bestimmter ihrer Klauseln, zu bedienen, in ihren Wirkungen zu ungewiss, um zu gewährleisten, dass die vom Rat ergriffenen Maßnahmen wirksam angewandt werden könnten.

41. Im Übrigen beabsichtigt die Republik Österreich, wie sie noch in der mündlichen Verhandlung bekräftigt hat, sich in den derzeit in Aushandlung begriffenen Investitionsabkommen oder anlässlich der Erneuerung der bestehenden Abkommen eine Klausel auszubedingen, die regionalen Organisationen bestimmte Zuständigkeiten vorbehalten und es somit ermöglichen soll, etwaig vom Rat erlassene Maßnahmen zur Beschränkung des Kapital‑ und Zahlungsverkehrs anzuwenden.

42. Auch wenn anzuerkennen ist, dass eine derartige Klausel, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, grundsätzlich als geeignet anzusehen wäre, die festgestellte Unvereinbarkeit zu beheben, steht fest, dass in den von der Kommission benannten Fällen die Republik Österreich innerhalb der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme der Kommission gesetzten Frist gegenüber den betroffenen Drittstaaten keine Schritte einleitete, um die Gefahr eines im Verhältnis zu den Maßnahmen, die der Rat gemäß den Art. 57 Abs. 2 EG, 59 EG und 60 Abs. 1 EG erlassen kann, eintretenden Konflikts auszuräumen, der sich aus der Anwendung der mit diesen Drittstaaten geschlossenen Investitionsabkommen ergeben kann.

43. Es ist hinzuzufügen, dass sich, wie aus dem heutigen Urteil in der Rechtssache Kommission/Schweden (C‑249/06, Slg. 2009, I‑0000) hervorgeht, die Unvereinbarkeiten mit dem Vertrag, die durch die Investitionsabkommen mit Drittstaaten bewirkt werden und die der Anwendung der Beschränkungen des Kapital‑ und Zahlungsverkehrs entgegenstehen, welche der Rat gemäß den Art. 57 Abs. 2 EG, 59 EG und 60 Abs. 1 EG erlassen kann, nicht auf den in der vorliegenden Rechtssache beklagten Mitgliedstaat beschränken.

44. Es ist deshalb darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 307 Abs. 2 EG die Mitgliedstaaten einander erforderlichenfalls Hilfe leisten, um die festgestellten Unvereinbarkeiten zu beheben, und gegebenenfalls eine gemeinsame Haltung einnehmen. Im Rahmen der die Kommission nach Art. 211 EG treffenden Verantwortung, für die Anwendung des Vertrags Sorge zu tragen, obliegt es ihr, jede Initiative zu ergreifen, die geeignet ist, die gegenseitige Hilfe der betroffenen Mitgliedstaaten sowie die Einnahme einer gemeinsamen Haltung durch diese Mitgliedstaaten zu erleichtern.

45. Nach alledem ist festzustellen, dass die Republik Österreich dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 307 Abs. 2 EG verstoßen hat, dass sie nicht die geeigneten Mittel anwandte, um die Unvereinbarkeiten im Zusammenhang mit den Bestimmungen über den Transfer von Kapital zu beheben, die in ihren Investitionsabkommen mit der Republik Korea, der Republik Kap Verde, der Volksrepublik China, Malaysia, der Russischen Föderation und der Republik Türkei enthalten sind.

Kosten

46. Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Republik Österreich beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen. Gemäß § 4 Abs. 1 dieses Artikels tragen die Bundesrepublik Deutschland, die Republik Litauen, die Republik Ungarn und die Republik Finnland, die dem Rechtsstreit als Streithelferinnen beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.

Tenor

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Republik Österreich hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 307 Abs. 2 EG verstoßen, dass sie nicht die geeigneten Mittel anwandte, um die Unvereinbarkeiten im Zusammenhang mit den Bestimmungen über den Transfer von Kapital zu beheben, die in ihren Investitionsabkommen mit der Republik Korea, der Republik Kap Verde, der Volksrepublik China, Malaysia, der Russischen Föderation und der Republik Türkei enthalten sind.

2. Die Republik Österreich trägt die Kosten.

3. Die Bundesrepublik Deutschland, die Republik Litauen, die Republik Ungarn und die Republik Finnland tragen ihre eigenen Kosten.

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