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Document 52013AE0296

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über ein allgemeines Umweltaktionsprogramm der EU für die Zeit bis 2020 „Gut leben innerhalb der Belastbarkeitsgrenzen unseres Planeten“ — COM(2012) 710 final — 2012/0337 (COD)

ABl. C 161 vom 6.6.2013, p. 77–81 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

6.6.2013   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 161/77


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über ein allgemeines Umweltaktionsprogramm der EU für die Zeit bis 2020 „Gut leben innerhalb der Belastbarkeitsgrenzen unseres Planeten“

COM(2012) 710 final — 2012/0337 (COD)

2013/C 161/15

Berichterstatter: Lutz RIBBE

Der Rat beschloss am 12. Dezember und das Europäische Parlament am 10. Dezember 2012, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 192 Absatz 3 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über ein allgemeines Umweltaktionsprogramm der EU für die Zeit bis 2020 "Gut leben innerhalb der Belastbarkeitsgrenzen unseres Planeten

COM(2012) 710 final — 2012/0337 (COD).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 5. März 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 488. Plenartagung am 20./21. März 2013 (Sitzung vom 20. März) mit 82 gegen 4 Stimmen bei 2 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der EWSA begrüßt den Entwurf des 7. Umweltaktionsprogramms (UAP). Mit der Verabschiedung durch Rat und Parlament wird zwischen den entscheidenden Europäischen Institutionen ein umweltpolitischer Konsens darüber hergestellt, wie dramatisch die ökologische Situation immer noch ist, dass die Umsetzung des europäischen Umweltrechts tiefgreifende Mängel aufweist, dass die bisherigen Ansätze zur Lösung vorhandener und anstehender Probleme nicht ausreichend waren und welches die umweltpolitischen Handlungsnotwendigkeiten bis zum Jahr 2020 sind.

1.2

Der Entwurf bestätigt die vielfach vom Ausschuss formulierte Position, dass die bestehenden Umweltprobleme in Europa nicht auf das Fehlen ausreichender Erkenntnisse oder Lösungsansätze, sondern auf einen Mangel an politischem Umsetzungswillen zurückzuführen sind.

1.3

Der Entwurf des 7. UAP zeichnet sich allerdings sowohl im Generellen als auch im Speziellen eher durch einen Mangel an Konkretheit denn durch Klarheit aus. Wenn man im Titel eines Programms den Anspruch erhebt, "innerhalb der Belastbarkeitsgrenzen des Planeten" gut leben zu wollen, dann müssten zumindest ansatzweise die Belastbarkeitsgrenzen des Planeten beschrieben und die Verbindung konkret geplanter politischer Aktionen mit den Auswirkungen auf gesellschaftliches und wirtschaftliches Handeln in Europa detaillierter dargestellt werden. All dies geschieht im 7. UAP leider nicht.

1.4

Das 7. UAP ist daher mehr ein Bericht zur Lage der Umwelt als ein wirkliches strategisches Politikdokument oder ein politisch-operationelles Aktionsprogramm.

1.5

Aus Sicht des EWSA bezieht das 7. UAP nicht klar genug Stellung zu den zur Erreichung der umweltpolitischen Ziele notwendigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen. Der EWSA erinnert daran, dass die Kommission noch bei der Vorlage der Leitinitiative "Ressourcenschonendes Europa" betonte, dass die notwendigen Veränderungen nur erreicht werden können, wenn es neben technologischen Verbesserungen und Verhaltensveränderungen bei Herstellern und Verbrauchern zu "einem grundlegenden Umbau der Energie-, Industrie-, Landwirtschafts- und Verkehrssysteme" kommt.

1.6

Das 7. UAP analysiert sehr treffend die Umsetzungsschwäche der bisherigen UAP. Das 7. UAP liefert kaum Ansätze dafür, wie die Umsetzungsdefizite nun reduziert bzw. gelöst werden könnten. Fast alle positiven Entwicklungen für Natur und Umwelt wurden von der Zivilgesellschaft eingefordert. Die zivilgesellschaftlichen Organisationen sind nach Auffassung des EWSA ein zentraler Akteur bei der Umsetzung des 7. UAP. Ihre Rolle sollte im 7. UAP im Rahmen eines zusätzlichen prioritären Ziels deutlich hervorgehoben und gestärkt werden.

1.7

Die Rolle eines zielführenden 7. UAP müsste darin bestehen, den Pfad weg von der klassischen, der technisch nachsorgenden Umweltpolitik hin zur nachhaltigen Entwicklung viel klarer zu beschreiben. Mit Ende der Laufzeit dieses 7. UAP läuft auch die Zeitphase der Europa-2020-Strategie aus. Der EWSA hat bereits mehrfach deutlich gemacht, dass die Europa-2020-Strategie nicht eine Europäische Nachhaltigkeitsstrategie ersetzen kann, die mit einem langfristigen Planungshorizont und unter ausgewogener Berücksichtigung der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Dimension die Ziele und Strategien für eine nachhaltige Entwicklung in Europa definiert. Rat und EP sind aufgefordert, im 7. UAP einen Auftrag zu verankern, eine neue übergeordnete Nachhaltigkeitsstrategie der EU auf den Weg zu bringen, so wie es der Umweltministerrat in seinen Schlussfolgerungen aus der Rio+20-Konferenz der Vereinten Nationen zur nachhaltigen Entwicklung gefordert hat (Ziffer 3 der Schlussfolgerungen des Rates über "Rio+20: Ergebnisse und Folgemaßnahmen der VN-Konferenz über nachhaltige Entwicklung (2012)", 3 194. Rat der Umweltminister, Luxemburg, 25. Oktober 2012). Dies würde dem 7. UAP einen wirklichen Mehrwert verleihen.

2.   Einleitung

2.1

Seit Anfang der siebziger Jahre haben die mittlerweile sechs Umweltaktionsprogramme (UAP) entscheidend zur Entwicklung und Gestaltung der EU Umweltpolitik beigetragen. Das 6. Umweltaktionsprogramm lief im Juli 2012 aus. Von Seiten des Rates und des Europäischen Parlaments ist die Europäische Kommission daraufhin aufgefordert worden, ein Nachfolgeprogramm vorzulegen.

2.2

Der Vorschlag für ein 7. UAP zielt laut Kommission darauf ab, den Beitrag der Umweltpolitik zur Erhaltung des Naturkapitals zum Übergang zu einem ressourceneffizienten und CO2-armen Wirtschaftssystem, und zum Schutz der menschlichen Gesundheit zu verstärken.

2.3

Der Vorschlag umfasst eine ökologische Bestandaufnahme, bei der insbesondere auf das Problem des weiter fortschreitenden Verlustes des Naturkapitals, einschließlich der Biodiversität, hingewiesen wird. Beklagt wird ferner, dass die natürlichen Ressourcen nach wie vor infolge ineffizienter Nutzung verschwendet werden sowie fortbestehende Luft- und Wasserverunreinigungen und Belastungen durch gefährliche Substanzen.

2.4

Im Mangel der wirksamen Umsetzung des bestehenden Umweltrechtes und festgelegter Standards durch die Mitgliedsstaaten wird eine wesentliche Ursache für die Probleme gesehen.

2.5

Die Kommission kommt zum Ergebnis, dass es "Anzeichen dafür (gibt), dass die planetarischen Grenzen in Bezug auf Biodiversität, Klimawandel und Stickstoffkreislauf überschritten sind".

2.6

Das 7. UAP setzt diesem Fakt eine Vision für das Jahr 2050 von einem "guten Leben, innerhalb der Belastungsgrenzen unseres Planeten" entgegen und legt einen umweltpolitischen Handlungsrahmen bis 2020 dar, der auf neun prioritäre Ziele fokussiert ist.

2.7

Der EWSA hat sich bereits im Vorfeld mit einer Sondierungsstellungnahme auf Wunsch der dänischen Präsidentschaft an der Diskussion zum 7. UAP beteiligt (1). Er hob darin hervor, die bestehenden Umweltprobleme in Europa seien auf einen Mangel an politischem Umsetzungswillen zurückzuführen. Er hielt für unklar, in welchem Verhältnis ein 7. UAP zur Europa-2020- Strategie und der Leitinitiative und dem Fahrplan für ein ressourceneffizientes Europa stehen solle. Der Ausschuss regte an, die Nachhaltigkeitsstrategie neu zu beleben, ein umsetzungsorientiertes 7. UAP als dessen umweltpolitische Umsetzungsstrategie zu wählen, die Leitinitiative "Ressourceneffizientes Europa" mit allen Einzelinitiativen darin zu integrieren und für eine enge und koordinierte Abstimmung zwischen umwelt- und wirtschaftspolitischen Überlegungen zu sorgen.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Der Ausschuss sieht den zentralen politischen Mehrwert des 7. UAP darin, dass es im Unterschied zu bestehenden umweltpolitischen Strategien, Leitinitiativen und Fahrplänen der Kommission durch Rat und Parlament beschlossen wird. Damit wird gewissermaßen ein umweltpolitischer Konsens zwischen den entscheidenden europäischen Institutionen über die Handlungsnotwendigkeiten bis 2020 hergestellt.

3.2

Das 7. UAP schafft also einen Referenzpunkt für künftige Entscheidungen politischer Entscheidungsträger und Institutionen auf EU-Ebene wie auch in den Mitgliedsstaaten, für die das UAP gleichermaßen gilt.

3.3

Der EWSA begrüßt die Vorlage des 7. UAP auch insofern, als mit dem verbindlichen Beschluss desselben Rat und Parlament gemeinsam deutlich machen, wie dramatisch die ökologische Situation immer noch ist, dass die Umsetzung des europäischen Umweltrechts tiefgreifende Mängel aufweist und dass viele der bisherigen Ansätze zur Lösung vorhandener und anstehender Probleme nicht ausreichend waren.

3.4

Inhaltlich hingegen wiederholt das Programm im Wesentlichen dasjenige, was in umweltpolitischen Mitteilungen, Strategien, Leitinitiativen und Fahrplänen der Kommission bereits fixiert wurde. Durch den Beschluss durch Rat und Parlament erfahren diese allerdings eine wichtige politische Aufwertung.

3.5

Der Entwurf des 7. UAP zeichnet sich allerdings sowohl im Generellen als auch im Speziellen eher durch mangelnde Konkretheit denn durch Klarheit aus. Wenn man im Titel eines Programms den Anspruch erhebt, "innerhalb der Belastbarkeitsgrenzen des Planeten" gut leben zu wollen, dann müssen zumindest ansatzweise die Belastbarkeitsgrenzen des Planeten beschrieben und die Verbindung konkret geplanter politischer Aktionen mit den Auswirkungen auf gesellschaftliches und wirtschaftliches Handeln in Europa detaillierter dargestellt werden. All dies geschieht im 7. UAP leider nicht.

3.6

An den Stellen, wo es etwas konkreter wird, fehlt es an der Festlegung konkreter Verantwortlichkeiten und Überprüfungskriterien, die eine Erreichung der Ziele und Umsetzung der Maßnahmen kontrollierbar machen würde.

3.7

Damit ist das 7. UAP mehr ein Bericht zur Lage der Umwelt als ein wirkliches strategisches Politikdokument oder ein politisch-operationelles Aktionsprogramm. Das ist enttäuschend für den EWSA, der in seiner Sondierungsstellungnahme zum 7. UAP, aber auch schon 2004 in seiner Sondierungsstellungnahme zur "Bewertung der EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung" (2) genau solche konkreten und nachvollziehbaren Leitprogramme eingefordert hat.

3.8

Kritisch anzumerken ist, dass der zwingend notwendige umweltpolitische Ausblick über das Jahr 2020 hinaus viel zu schwach ausfällt. Bereits jetzt ist in der Energie- und Klimapolitik klar geworden, dass ein Zielplanungshorizont bis 2020 zu kurz ist. Es ist im 7. UAP nicht zu erkennen, ob die für 2020 geplanten Ziele und Maßnahmen geeignet und ausreichend sind, um die Vision für 2050 "Gut und innerhalb der Belastungsgrenzen unseres Planeten zu leben" realistisch zu erreichen. Es bedürfte hierzu einer zumindest indikativen Zielplanung für die weiteren Etappen der Jahre 2030 und 2040 auf dem Weg hin zur Verwirklichung der Vision im Jahr 2050. Der 2020-Horizont ist außerdem zu kurz, um Investitionssicherheit für langfristige Investitionen in die grüne Wirtschaft zu schaffen.

3.9

Die Harmonisierung des Zeithorizontes der Umweltaktionsplanung mit der Europa-2020-Strategie sowie der dazu ergangenen Leitinitiativen ist im Grundsatz zu begrüßen. Die Laufzeit deckt sich zudem mit der Laufzeit der nächsten Finanziellen Vorausschau 2014-2020, was ein großer Vorteil wäre, wenn die notwendigen Querbezüge hergestellt würden. Zwar bezieht sich eine der beschriebenen neun Prioritäten darauf, die notwendigen Investitionen für Umweltmaßnahmen bereitzustellen, allerdings sind bei der Beschreibung der Erfordernisse die Verweise auf die mittelfristige Finanzplanung der EU sehr vage – abgesehen davon, dass das 7. UAP zu spät kommt, um letztere zu beeinflussen.

3.10

Die Auswahl der neun prioritären Ziele im 7. UAP gibt Anlass zur Kritik. So wird mit der "städtischen Umwelt" ein fachlicher Bereich gewählt, der schon in früheren UAP immer wieder vorkam. Ungeachtet der großen Bedeutung der "städtischen Umweltpolitik" ist der Einfluss der EU auf diesen Bereich relativ gering. Recht hoch ist er hingegen bei der Verkehrspolitik, deren besondere Relevanz für den Klimaschutz von der Kommission immer wieder dargestellt wurde. Trotzdem kommt die Verkehrspolitik im Vorschlag des 7. UAP praktisch nicht vor.

3.11

Für den EWSA würde es Sinn machen, die strategische Integration der Zivilgesellschaft im UAP als eigenes prioritäres Ziel aufzunehmen (siehe 4.4.9).

3.12

Auch die Außenhandelspolitik hat eine derart hohe Relevanz für die europäische Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik, dass dieser Bereich als mindestens gleich bedeutsam mit der "Städtischen Umwelt" hätte eingestuft werden können (3).

3.13

Der EWSA erinnert daran, dass die Kommission noch bei der Vorlage der Leitinitiative "Ressourcenschonendes Europa" betonte, dass die notwendige Veränderungen nur erreicht werden können, wenn es neben technologischen Verbesserungen und Verhaltensveränderungen bei Herstellern und Verbrauchern zu "einem grundlegenden Umbau der Energie-, Industrie, Landwirtschafts- und Verkehrssysteme" kommt. Das 7. UAP greift zu kurz, wenn es zwar zum wiederholten Male die Integration der Umwelterfordernisse in andere Politikfelder einfordert, ohne den erforderlichen "grundlegenden Umbau" bestimmter Wirtschaftsbereiche in Richtung auf nachhaltige Wirtschaftsweise und Lebensstile darzustellen.

3.14

Auch wird die Chance nicht genutzt, die Bedeutung des Ressourcen- und Umweltschutzes für die wirtschaftliche Entwicklung, für die Schaffung neuer und qualifizierter Arbeitsplätze näher zu beschreiben. Der EWSA verweist hier u.a. auf frühere Stellungnahmen (4). Die Vernetzung von Umwelt-, Sozial-, Entwicklungs- und Wirtschaftspolitik, also der wesentlichen Dimensionen der Nachhaltigkeit, sollte viel besser herausgestellt werden.

3.15

Damit wird auch deutlich: die Bedeutung, die Rolle dieses 7. UAP müsste darin bestehen, den Pfad weg von der klassischen, der technisch nachsorgenden Umweltpolitik hin zur Nachhaltigen Entwicklung viel klarer zu beschreiben. Mit Ende der Laufzeit dieses 7. UAP läuft auch die Zeitphase der Europa-2020-Strategie aus. Der EWSA hat bereits mehrfach deutlich gemacht, dass die Europa-2020-Strategie nicht eine Europäische Nachhaltigkeitsstrategie ersetzen kann, die mit einem langfristigen Planungshorizont und unter ausgewogener Berücksichtigung der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Dimension die Ziele und Strategien für eine nachhaltige Entwicklung in Europa definiert. Rat und EP sind aufgefordert, im 7. UAP einen Auftrag zu verankern, eine neue übergeordnete Nachhaltigkeitsstrategie der EU auf den Weg zu bringen, so wie es der Umweltministerrat in seinen Schlussfolgerungen aus der Rio+20-Konferenz der Vereinten Nationen zur nachhaltigen Entwicklung gefordert hat (Ziffer 3 der Schlussfolgerungen des Rates über "Rio+20: Ergebnisse und Folgemaßnahmen der VN-Konferenz über nachhaltige Entwicklung (2012)", 3 194. Rat der Umweltminister, Luxemburg, 25. Oktober 2012). Dies würde dem 7. UAP einen wirklichen Mehrwert verleihen.

4.   Besondere Anmerkungen

4.1   Der EWSA kommentiert an dieser Stelle nur diejenigen der neun prioritären Ziele, die ihm besonders wichtig sind:

4.2   Prioritäres Ziel 1: Schutz, Erhaltung und Verbesserung des Naturkapitals der EU

4.2.1

Es sollte im 7. UAP klargestellt werden, dass die Umsetzung der Vorschläge der Kommission zur Ökologisierung der Landwirtschaft und der Fischerei im Zusammenhang mit den GAP- und GFP-Reformen von zentraler Bedeutung für die Erhaltung des Naturkapitals ist.

4.2.2

Richtigerweise wird im Vorschlag für das 7. UAP auch eine Verbesserung des Bodenschutzes gefordert. Die Entwicklung von Bodenverunreinigungen, Bodendegradation und Flächenverbrauch in Europa ist nach wie vor besorgniserregend. Der Ausschuss ist der Auffassung, dass europäische legislative Schritte erforderlich sind, um den negativen Trend umzukehren. Der Rat sollte folglich die Diskussion um die Bodenschutzrichtlinie baldmöglichst wiederaufnehmen. Auch sollte die Europäische Kommission über eine Thematische Strategie die Mitgliedstaaten dazu anhalten, Schritte zur Reduzierung des gravierenden Flächenverbrauchs durch Verkehr und Siedlungen einzuleiten und den Schutz land- und forstwirtschaftlichen Flächen voranzubringen.

4.3   Prioritäres Ziel 2: Übergang zu einem ressourceneffizienten, umweltschonenden und wettbewerbsfähigen CO2-armen Wirtschaftssystem

4.3.1

Die Kommission hat mit ihrer Leitinitiative für ein ressourceneffizientes Europa die Steigerung der Effizienz in der Nutzung natürlicher Ressourcen zu einem zentralen Thema ihrer Politik gemacht und in dem entsprechenden Fahrplan grundlegende Meilensteine für das Jahr 2020 festgelegt. Es ist bedauerlich, dass die Zielfestlegungen in Paragraph 41 wichtige Meilensteine nur unzureichend widerspiegeln.

4.3.2

Insbesondere sollten die (absolute) Entkopplung von wirtschaftlichem Wachstum und negativen Umweltauswirkungen in die Ziele aufgenommen werden sowie die Absicht, bis zum Jahr 2020 anspruchsvolle Ziele zur Ressourceneffizienz und zuverlässige Indikatoren zu vereinbaren, die öffentliche und private Entscheidungsträger beim Übergang zu einer ressourceneffizienten Wirtschaftsweise leiten (5). Außerdem erinnert der Ausschuss an seine Forderung, die Ökodesign-Richtlinie zu nutzen, nicht nachhaltige Produkte aus dem Wirtschaftskreislauf auszuschleusen und zu diesem Zweck diese Richtlinie nicht nur unter dem Aspekt der Energieeffizienz, sondern auch zur Verbesserung der materiellen Ressourceneffizienz anzuwenden (6).

4.4   Prioritäres Ziel 4: Maximierung der Vorteile aus dem Umweltrecht der EU

4.4.1

Die Evaluation des 6. UAP hat mit großer Deutlichkeit klargemacht, dass die Defizite in der Umsetzung des bestehenden Umweltrechts das gravierendste Hindernis für den erforderlichen Fortschritt beim Schutz der Umwelt darstellt. Es ist daher zu begrüßen, dass das 7. UAP der besseren Anwendung des Umweltrechts der EU in den Mitgliedsstaaten oberste Priorität einräumt.

4.4.2

Allerdings ist auch schon in der Vergangenheit die bessere Umsetzung des Umweltrechts von der Kommission mit hoher Priorität gefordert worden, ohne dass sich durchschlagende Erfolge eingestellt hätten. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass grundlegende Hindernisse bestehen, die sich mit den vorgeschlagenen Verbesserungen bei der Information über das Umweltrecht, den Kontrollmechanismen und dem Zugang zu Gerichten allein nicht beseitigen werden lassen.

4.4.3

Entscheidend ist vielmehr, dass in vielen Mitgliedsstaaten der politische Wille fehlt, einer effektiven Umsetzung des Umweltrechts dieselbe hohe politische Priorität einzuräumen und entsprechend die vollziehende Verwaltung mit ausreichenden Mitteln und qualifizierten Fachleuten auszustatten und ihr in Konfliktfällen den erforderlichen politischen Rückhalt zu geben.

4.4.4

Parallelen zur Finanzkrise drängen sich förmlich auf. So wie die Finanzkrise durch einen nicht nachhaltigen Umgang mit den ökonomischen Ressourcen in Folge der mangelnden Beachtung der im Vertrag von Maastricht festgelegten Kriterien zur Stabilität der gemeinsamen Währung ausgelöst wurde, liegt auch die Ursache für die Umweltprobleme in einer Übernutzung der Ressourcen, in diesem Fall von Boden, Wasser, Luft, Klima, den endlichen mineralischen und fossilen Ressourcen etc.

4.4.5

Der Ausschuss vermisst eine ähnliche Reaktion auf die Umweltkrise wie die mit dem Fiskalpakt beschlossenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Finanzkrise: klare Vorgaben, klare Indikatoren, Kontrollen und Sanktionen. Das 7. UAP bietet nichts davon. Die skizzierten Ansätze sind nicht geeignet, die dargestellten strukturellen Umsetzungsdefizite wirklich abzustellen. Die vorgeschlagenen Ziele zur besseren Rechtsanwendung für das Jahr 2020 sind völlig unbestimmt und nicht überprüfbar.

4.4.6

Der EWSA ist der Auffassung, dass die Einhaltung von Rechtsvorschriften eine wirksame Kontrolle durch unabhängige Stellen sowie die glaubwürdige Bereitschaft voraussetzt, erforderlichenfalls Sanktionen zu verhängen bzw. zu akzeptieren. Deshalb erwartet der EWSA, dass im 7. UAP die Ausweitung von verbindlichen Kriterien für wirksame Kontrollen und Überwachung durch die Mitgliedsstaaten auf das gesamte Umweltrecht der EU und der Aufbau ergänzender Kapazitäten auf EU-Ebene festgeschrieben werden.

4.4.7

Darüber hinaus ist auch die in Paragraf 82 (f) erwähnte Aufnahme der Überwachung des Fortschritts bei der Umsetzung ökologischer Zielstellungen in das Europäische Semester geeignet, die Aufmerksamkeit der politischen Führungen auf EU- und Mitgliedsstaatenebene hierfür zu steigern. Immerhin wird von Seiten der Kommission darauf hingewiesen, wie negativ sich fortschreitende Umweltbelastungen auch makroökonomisch auswirken können. Der "Stern-Report" von 2006 über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels sowie der 2010 vorgelegte zusammenfassende Bericht zur TEEB-Studie über den ökonomischen Wert von Ökosystemen und biologischer Vielfalt (The Economics of Ecosystems and Biodiversity, TEEB) sind dafür eindrucksvolle Belege.

4.4.8

Das 7. UAP sollte um Maßnahmen ergänzt werden, die positive Anreize zur Einhaltung des Umweltrechts setzen. Insbesondere stellt die Koppelung der Zuteilung von finanziellen Mitteln der EU an Mitgliedsstaaten und private Rechtspersonen an den Nachweis der Einhaltung relevanter umweltrechtlicher Vorschriften ein wirksames Mittel dar, zur Rechtskonformität zu motivieren. Auch bleibt es ein großes Anliegen des EWSA, durch kooperative Strategien sowie der Kommunikation von Best-practise-Lösungen die Wirtschaft zu motivieren, an der Verbesserung des Zustands der Umwelt mitzuarbeiten.

4.4.9

Schließlich setzt eine wirksame Durchsetzung des Umweltschutzes eine aktive Rolle der Zivilgesellschaft voraus, in der die Bürger in die Lage versetzt werden, eine aktive Wächterrolle zu übernehmen. Instrumente hierzu sind insbesondere aufgrund der Aarhus-Konvention in das europäische Umweltrecht eingeführt worden, z.B. der freie Zugang zu Umweltinformation, die Beteiligung von zivilgesellschaftlichen Organisation in umweltrechtlichen Entscheidungsverfahren sowie der Zugang zu Gerichten. Der Vorschlag zum 7. UAP erwähnt diese Instrumente, lässt aber eine Auseinandersetzung mit der Rolle der Zivilgesellschaft bei der Durchsetzung des Umweltrechts sowie weitergehende Vorschläge vermissen. Fast alle positiven Entwicklungen für Natur und Umwelt wurden von der Zivilgesellschaft eingefordert. Die zivilgesellschaftlichen Organisationen sind nach Auffassung des EWSA ein zentraler Akteur bei der Umsetzung des 7. UAP. Ihre Rolle sollte im 7. UAP im Rahmen eines zusätzlichen prioritären Ziels deutlich hervorgehoben und gestärkt werden. Der Maßnahmenkatalog sollte ergänzt werden um Ansätze zur Förderung des zivilgesellschaftlichen Engagements (z.B. lokale Agenda-21-Bündnisse oder ähnliche Foren), zur Bildung von Partnerschaften sowie zur stärkeren Einbindung der organisierten Zivilgesellschaft in Umweltbeiräte oder Nachhaltigkeitsräte.

4.5   Prioritäres Ziel 6: Sicherung von Investitionen für Umwelt- und Klimapolitik und angemessene Preisgestaltung

4.5.1

Maßnahmen zur Förderung von Investitionen für Umwelt- und Klimapolitik sowie die Einbeziehung ökologischer Kosten in die Preisgestaltung sind essenziell, um den Übergang zu einer ressourceneffizienten und kohlenstoffarmen Wirtschaft zu gewährleisten. Es ist daher zu begrüßen, dass die Kommission in ihrem Vorschlag zum 7. UAP diese Thematik zu einem prioritären Ziel gemacht hat. Allerdings sind auch hier die für das Jahr 2020 vorgesehenen Zielbestimmungen (Paragraf 82 (a) und (b)) sehr unbestimmt und nicht als überprüfbarer Erfolgsmaßstab geeignet.

4.5.2

Wieder einmal wird vage vom Abbau umweltschädlicher Subventionen gesprochen, wie bereits z.B. in der Nachhaltigkeitsstrategie von 2006, als die Vorlage einer entsprechenden Auflistung versprochen wurde. Die Umweltpolitik der EU läuft Gefahr unglaubwürdig zu werden, wenn wiederholten Ankündigungen keine Umsetzungen folgen. Dies gilt auch für den vielfach propagierten Grundsatz zur Internalisierung externer Kosten oder aber zur grundlegenden Verlagerung der Besteuerung weg vom Faktor Arbeit hin zur Besteuerung des begrenzten Faktors Umwelt.

Brüssel, den 20. März 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  Stellungnahme des EWSA zum Thema "7. Umweltaktionsprogramm und Folgemaßnahmen zum 6. UAP", ABl. C 191 vom 29.6.2012, S. 1-6.

(2)  Stellungnahme des EWSA "Bewertung der EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung", ABl. C 117 vom 30.04.2004.

(3)  Stellungnahme des EWSA zum Thema "Handel, Wachstum und Weltgeschehen - Handelspolitik als Kernbestandteil der Strategie Europa 2020", ABl. C 43, 15.2.2012, S. 73–78.

(4)  Stellungnahme des EWSA zum Thema "Einen arbeitsplatzintensiven Aufschwung gestalten", ABl. C 11, 15.1.2013, S. 65-70.

(5)  COM(2011) 571 final, Etappenziele 3.1.2. und 6.1, ABl. C 181 E, 21.6.2012, S. 163-168.

(6)  Stellungnahme des EWSA zum Thema "Förderung der Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch in der EU", ABl. C 191 vom 29.6.2012, S. 6-11.


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