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Document 52010IP0388

Zwangsvertreibungen in Simbabwe Entschließung des Europäischen Parlaments vom 21. Oktober 2010 zu Zwangsvertreibungen in Simbabwe

OJ C 70E, 8.3.2012, p. 88–90 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

8.3.2012   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

CE 70/88


Donnerstag, 21. Oktober 2010
Zwangsvertreibungen in Simbabwe

P7_TA(2010)0388

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 21. Oktober 2010 zu Zwangsvertreibungen in Simbabwe

(2012/C 70 E/09)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf seine zahlreichen früheren Entschließungen zu Simbabwe, die letzte vom 8. Juli 2010 (1),

unter Hinweis auf Artikel 11 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, Artikel 17 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, Artikel 27 Absatz 3 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes, Artikel 14 Absatz 2 des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau und Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe d und Absatz 2 Buchstabe d des Römischen Statuts des internationalen Strafgerichtshofs,

unter Hinweis auf den Beschluss 2010/92/GASP des Rates (2) vom 15. Februar 2010 zur Verlängerung der restriktiven Maßnahmen gegen Simbabwe, die mit dem Gemeinsamen Standpunkt 2004/161/GASP (3) verhängt wurden, bis zum 20. Februar 2011 sowie auf die Verordnung (EG) Nr. 1226/2008 der Kommission (4) vom 8. Dezember 2008 zur Änderung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 314/2004 über bestimmte restriktive Maßnahmen gegenüber Simbabwe,

in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ vom 22. Februar 2010 zu Simbabwe sowie auf die Schlussfolgerungen des 10. Ministeriellen Politischen Dialogs zwischen der EU und Südafrika vom 11. Mai 2010 zu Simbabwe,

unter Hinweis auf die Afrikanische Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker, die Simbabwe ratifiziert hat,

in Kenntnis des Berichts der Sonderbotschafterin des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für Fragen menschlicher Siedlungen, Anna Tibaijuka, vom Juli 2005,

unter Hinweis auf das am 23. Juni 2000 unterzeichnete Partnerschaftsabkommen (Abkommen von Cotonou) zwischen der EU und den AKP-Ländern,

gestützt auf Artikel 122 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,

A.

in Kenntnis der Tatsache, dass bis zu 20 000 Menschen, die in einer informellen Siedlung am Rande von Harare, die Hatcliffe Extension genannt wird, leben, mit Zwangsvertreibung bedroht werden, weil sie die von den Behörden verlangten astronomisch hohen Gebühren für die Verlängerung der Mietverträge nicht bezahlen können,

B.

in Kenntnis der Tatsache, dass die Regierung von Simbabwe Gebühren für die Verlängerung der Mietverträge von bis zu 140 US-Dollar verlangt, ohne die Bewohner zu den Gebühren oder zum Verlängerungsprozess angehört zu haben, wodurch eine extrem kurzer Zeitrahmen festgelegt wurde, um die Mietvereinbarungen zu verlängern oder einer Zwangsvertreibung ausgesetzt zu sein; erinnert daran, dass ein Mangel an Wohnraum für Menschen mit niedrigem Einkommen dazu führt, dass Erweiterungen oder Anbauten in den Höfen gebaut werden, die nun offensichtlich gegen die Bauvorschriften verstoßen,

C.

unter Hinweis auf die Tatsache, dass die Bewohner von Hatcliffe Extension zu den ärmsten Menschen in Simbabwe gehören, einem Land mit einem Pro-Kopf-Einkommen von weniger als 100 US-Dollar und chronischer Arbeitslosigkeit von etwa 90 %, und dass diese Zwangsvertreibungen auch einen Sektor der informellen Beschäftigung zerstören und somit den Familien ein stabiles Einkommen entziehen,

D.

unter Hinweis auf die Tatsache, dass die meisten Einwohner die Grundstücke erhielten, nachdem sie von den Behörden im Rahmen des Zwangsvertreibungsprogramms „Operation Murambatsvina“ des Landes von 2005 zwangsweise vertrieben wurden, in denen etwa 700 000 Menschen ihre Wohnungen und ihren Lebensunterhalt verloren,

E.

in der Erwägung, dass die Operation Garikai, die dazu bestimmt war, sich um die Opfer von Vertreibungen zu kümmern, gänzlich ungeeignet war, um die ernsten Verletzungen des Rechts auf angemessenen Wohnraum wiedergutzumachen, die im Rahmen der Operation Murambatsvina begangen wurden,

F.

in der Erwägung, dass fünf Jahre nach den massenhaften Zwangsvertreibungen die Einwohner in Siedlungen der Operation Garikai unter unsäglichen Bedingungen ohne Zugang zu lebenswichtigen Basisdienstleistungen dahinvegetieren,

G.

in der Erwägung, dass das Thema astronomischer Mietgebühren nicht auf Hatcliffe beschränkt ist und die Bewohner anderer informeller Siedlungen im ganzen Land von Zwangsvertreibungen, die vom Staat sanktioniert sind, bedroht sind,

H.

in der Erwägung, dass sich die desolate humanitäre, politische und wirtschaftliche Lage in Simbabwe weiter verschlechtert und Millionen von Einwohnern Simbabwes dem Hungertod nahe sind und nur durch Nahrungsmittelhilfe überleben, einem Land mit der weltweit vierthöchsten Rate an HIV-Infektionen, Treibstoffmangel und dem höchsten Anstieg der Kindersterblichkeit,

1.

fordert, der Bedrohung durch massenhafte Zwangsvertreibungen in Simbabwe sofort ein Ende zu setzen, und besteht darauf, dass Hilfsorganisationen und humanitären Einrichtungen uneingeschränkter Zugang gewährt wird, um denjenigen, die bedroht werden, und anderen Binnenvertriebenen zu helfen;

2.

fordert die Regierung Simbabwes auf, unverzüglich die willkürlich auferlegten Gebühren für die Verlängerung der Mietverträge zu annullieren, die die Bewohner einfach nicht bezahlen können; besteht in diesem Zusammenhang darauf, dass die Behörden Simbabwes nicht länger Gesetze der Flächennutzung, verknüpft mit Zwangsvertreibungen, zu parteipolitischen Zwecken benutzen, wie dies während der Kampagne „Operation Murambatsvina“ von 2005 der Fall war; fordert deshalb die Regierung Simbabwes auf, eine Wohnungspolitik, die den Bedürfnissen der Bewohner entspricht, in Konsultation mit sämtlichen Opfern von Zwangsvertreibungen zu entwickeln;

3.

erinnert die Regierung Simbabwes an ihre Pflicht nach internationalen Übereinkommen, angemessenen Wohnraum für all diejenigen Menschen mit niedrigem Einkommen zur Verfügung zu stellen, die zwangsweise aus ihren Häusern vertrieben wurden, und das Recht auf Leben, Sicherheit und Nahrung zu gewährleisten und seinen Bürgern Schutz vor dem Zyklus von Unsicherheit und weiteren Verletzungen zu bieten, indem sie für gesicherten Besitz und erschwingliche Zahlungspläne für Mieten sorgt, u. a. durch Einsatz von Geld aus den Einnahmen des Bergbausektors, um die Bedürfnisse seiner Menschen zu decken;

4.

schlägt vor, dass die Regierung Simbabwes eine Bewertung der materiellen und sozialen Schäden durchführt, die durch die Operation Murambatsvina und andere Zwangsvertreibungen verursacht wurden, um all diejenigen Menschen zu entschädigen, die ihre Wohnungen, ihren Lebensunterhalt und ihre sozialen Netze verloren haben, einschließlich derjenigen, die im oder nahe bei dem Diamantengebiet von Marange leben, und fordert sie auf, die örtlichen Gemeinschaften anzuhören, bevor sie Entscheidungen trifft;

5.

besteht darauf, dass die Regierung Simbabwes die Operation Garikai in echter Konsultation mit den Überlebenden überprüft und ändert, um sich mit dem Bedarf an Wohnraum aller Überlebenden der Operation Murambatsvina zu befassen;

6.

bedauert zutiefst, dass die Versuche Simbabwes, die Millenniums-Entwicklungsziele zu erreichen, bei denen bereits gravierende Rückstände zu verzeichnen sind, durch solche massenhaften Vertreibungen nur noch weiter gefährdet werden;

7.

erinnert daran, dass die Bekämpfung von HIV-Aids und Müttersterblichkeit durch die missbräuchlichen Praktiken der Regierung, wie etwa ihrem Umsiedlungsprogramm, untergraben werden, durch das der Zugang zu einer gesundheitlichen Grundversorgung und Grundschulbildung unterbrochen wurde;

8.

fordert Südafrika und die Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC) auf, in ihrem eigenen Interesse sowie im Interesse von Simbabwe und der weiteren Region des südlichen Afrikas weitere Maßnahmen zu ergreifen, um die Rückkehr zu einer vollständigen Demokratie in Simbabwe und die Achtung der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte der Menschen von Simbabwe zu fördern; erkennt die Tatsache an, dass Robert Mugabe und seine ihm nahe stehenden Gefolgsleute weiterhin ein Stolperstein auf dem Weg zum politischen und wirtschaftlichen Wiederaufbau und zur Aussöhnung in Simbabwe darstellen, während sie in rücksichtsloser Weise seine wirtschaftlichen Ressourcen zu ihrem eigenen Nutzen plündern;

9.

betont die Bedeutung des Dialogs zwischen der Europäischen Union und Simbabwe und begrüßt den Fortschritt, der in dieser Richtung erzielt wurde;

10.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen der Mitgliedstaaten und Kandidatenländer, der Vizepräsidentin der Europäischen Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten Simbabwes und Südafrikas, den Ko-Vorsitzenden der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU, den Einrichtungen der Afrikanischen Union, einschließlich des Panafrikanischen Parlaments, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, dem Generalsekretär der SADC und dem Generalsekretär des Commonwealth zu übermitteln.


(1)  Angenommene Texte, P7_TA(2010)0288.

(2)  ABl. L 41 vom 16.2.2010, S. 6.

(3)  ABl. L 50 vom 20.2.2004, S. 66.

(4)  ABl. L 331 vom 10.12.2008, S. 11.


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