EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document E2004C0090

Beschluss der EFTA-Überwachungsbehörde Nr. 90/04/KOL vom 23. April 2004 über die sechsundvierzigste Änderung der verfahrens- und materiellrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen durch Einfügung eines neuen Kapitels 24C: Die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk

ABl. L 327 vom 13.12.2007, p. 21–31 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

Legal status of the document No longer in force, Date of end of validity: 30/06/2014

ELI: http://data.europa.eu/eli/dec/2004/90(2)/oj

13.12.2007   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 327/21


BESCHLUSS DER EFTA-ÜBERWACHUNGSBEHÖRDE

Nr. 90/04/KOL

vom 23. April 2004

über die sechsundvierzigste Änderung der verfahrens- und materiellrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen durch Einfügung eines neuen Kapitels 24C: Die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk

DIE EFTA-ÜBERWACHUNGSBEHÖRDE —

GESTÜTZT auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (1), insbesondere auf die Artikel 61 bis 63 und das Protokoll 26 zu diesem Abkommen,

GESTÜTZT auf das Abkommen zwischen den EFTA-Staaten zur Errichtung einer Überwachungsbehörde und eines Gerichtshofs (2), insbesondere auf Artikel 24, Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b und Artikel 1 in Teil I des Protokolls 3 zu diesem Abkommen,

in Erwägung nachstehender Gründe:

NACH Artikel 24 des Überwachungs- und Gerichtsabkommens setzt die EFTA-Überwachungsbehörde die Vorschriften des EWR-Abkommens über staatliche Beihilfen durch,

NACH Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b des Überwachungs- und Gerichtsabkommens gibt die EFTA-Überwachungsbehörde Mitteilungen und Leitlinien zu den im EWR-Abkommen geregelten Materien heraus, soweit letzteres Abkommen oder das Überwachungs- und Gerichtsabkommen dies ausdrücklich vorsehen oder die EFTA-Überwachungsbehörde dies für notwendig erachtet.

Die EFTA-Überwachungsbehörde hat am 19. Januar 1994 verfahrens- und materiellrechtliche Vorschriften (3) auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen erlassen (4).

Die Europäische Kommission hat am 17. Oktober 2001 eine neue Mitteilung über die Grundsätze für die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorgelegt (5).

Diese Mitteilung ist auch von Bedeutung für den Europäischen Wirtschaftsraum.

Die EWR-Regeln für staatliche Beihilfen sind im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum einheitlich anzuwenden.

Gemäß Ziffer II unter der Überschrift „ALLGEMEINES“ am Ende von Anhang XV zum EWR-Abkommen erlässt die EFTA-Überwachungsbehörde nach Konsultation der Europäischen Kommission Rechtsakte, die den von der Kommission erlassenen Rechtsakten entsprechen.

Die Europäische Kommission wurde konsultiert.

Die EFTA-Überwachungsbehörde hat die EFTA-Staaten auf einer multilateralen Tagung in dieser Angelegenheit konsultiert —

BESCHLIESST:

1.

Die Leitlinien für staatliche Beihilfen werden dahin gehend geändert, dass ein neues Kapitel 24C „Die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ eingefügt wird, dessen Wortlaut diesem Beschluss in Anhang I beigefügt ist.

2.

Die EFTA-Staaten werden hiervon schriftlich und unter Beifügung einer Kopie dieses Beschlusses und seines Anhangs I in Kenntnis gesetzt.

3.

Die Europäische Kommission wird hiervon gemäß Buchstabe d des Protokolls 27 zum EWR-Abkommen durch Übersendung einer Kopie dieses Beschlusses einschließlich des Anhangs I in Kenntnis gesetzt.

4.

Dieser Beschluss wird einschließlich des Anhangs I im EWR-Teil des Amtsblatts der Europäischen Union und in der EWR-Beilage zu diesem Amtsblatt veröffentlicht.

5.

Dieser Beschluss ist in der englischen Sprachfassung verbindlich.

Brüssel, den 23. April 2004

Für die EFTA-Überwachungsbehörde

Hannes HAFSTEIN

Präsident

Einar M. BULL

Mitglied des Kollegiums


(1)  Nachstehend „EWR-Abkommen“.

(2)  Nachstehend „Überwachungs- und Gerichtsabkommen“.

(3)  Nachstehend „Leitlinien für staatliche Beihilfen“.

(4)  Erste Veröffentlichung im ABl. L 231 vom 3.9.1994 und in der EWR-Beilage Nr. 32 zu diesem Amtsblatt vom selben Tage, zuletzt geändert durch Beschluss der EFTA-Überwachungsbehörde Nr. 62/04/KOL vom 31. März 2004 (noch nicht veröffentlicht).

(5)  Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ABl. C 320 vom 15.11.2001, S. 5).


ANHANG

24C.   DIE ANWENDUNG DER VORSCHRIFTEN ÜBER STAATLICHE BEIHILFEN AUF DEN ÖFFENTLICH-RECHTLICHEN RUNDFUNK (1)

24C.1.   Einleitung

(1)

Der Rundfunk hat im Laufe der letzten beiden Jahrzehnte tief greifende Veränderungen erfahren. Die Abschaffung von Monopolen, das Aufkommen neuer Anbieter und die rasante technologische Entwicklung haben das Wettbewerbsumfeld grundlegend verändert. Das Fernsehen war zunächst nur bestimmten Anbietern vorbehalten. Dabei handelte es sich von Anfang an vorwiegend um öffentlich-rechtliche Anstalten mit einer Monopolstellung, was in erster Linie auf die begrenzte Verfügbarkeit von Frequenzen und die hohen Einstiegshürden zurückzuführen war.

(2)

In den 70er Jahren gaben die wirtschaftlichen und technologischen Entwicklungen den EFTA-Staaten dann zunehmend die Möglichkeit, weitere Betreiberlizenzen zu vergeben. Damit haben sich die EFTA-Staaten zur Einführung von Wettbewerb auf diesem Markt entschieden. Dies hat dem Verbraucher eine größere Auswahl in Form zahlreicher zusätzlicher Kanäle und neuer Dienste beschert, das Entstehen und Heranwachsen starker europäischer Veranstalter und die Entwicklung neuer Technologien begünstigt und ein größeres Maß an Pluralismus in diesem Sektor gesichert. Wenngleich die EFTA-Staaten den Markt für den Wettbewerb geöffnet haben, war ihnen doch gleichzeitig an der Erhaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gelegen, um eine flächendeckende Versorgung bestimmter Gebiete und die Befriedigung von Bedürfnissen zu gewährleisten, die von privaten Betreibern nicht unbedingt optimal hätten gestillt werden können.

(3)

Angesichts des zunehmenden Wettbewerbs bei gleichzeitiger Präsenz staatlich subventionierter Anstalten nehmen nach Berichten privater Rundfunkveranstalter an die Überwachungsbehörde aber auch die Besorgnisse wegen einer möglichen Benachteiligung im Wettbewerb zu. Bei den Beschwerden werden Verletzungen von Artikel 61 des EWR-Abkommens geltend gemacht, und zwar unter Hinweis auf staatliche Finanzierungsregelungen zugunsten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

(4)

In diesen Leitlinien wird dargelegt, nach welchen Grundsätzen die Überwachungsbehörde bei der Anwendung von Artikel 61 und Artikel 59 Absatz 2 des EWR-Abkommens auf staatliche Beihilfen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verfahren wird. Dadurch wird die von ihr auf diesem Gebiet verfolgte Politik so transparent wie möglich.

24C.2.   Die Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

(1)

Wie in der Entschließung des Rates und der im Rat Vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten der EG vom 1. Januar 1999 über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (nachstehend „Entschließung über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk“) (2) festgestellt wird, ist „der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit seinen kulturellen, sozialen und demokratischen Aufgaben, die er zum Wohl der Allgemeinheit erfüllt, von entscheidender Bedeutung für Demokratie, Pluralismus, sozialen Zusammenhalt, kulturelle und sprachliche Vielfalt“.

(2)

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist trotz seiner klaren wirtschaftlichen Bedeutung nicht mit öffentlichen Anbietern anderer Wirtschaftszweige vergleichbar. Es gibt keinen Dienst, der gleichzeitig so viele Menschen erreicht, die Bevölkerung mit einer großen Menge an Informationen und Inhalten versorgt und damit individuelle Ansichten wie öffentliche Meinung verbreitet und beeinflusst.

(3)

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat eine wichtige Rolle bei der Förderung der kulturellen Vielfalt jedes Einzelstaates zu spielen, indem er erzieherische oder bildende Programme anbietet, die Öffentlichkeit auf objektive Weise informiert, die Meinungsvielfalt sichert und auf demokratische und kostenlose Weise qualitativ hochwertige Unterhaltung liefert (3).

(4)

Darüber hinaus wird der Rundfunk in der Regel als eine äußerst zuverlässige Informationsquelle empfunden und stellt für einen nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung die Hauptinformationsquelle dar. Damit bereichert er die öffentliche Debatte und sichert letztendlich ein hohes Maß an Teilhabe aller Bürger am öffentlichen Leben.

(5)

Die Rolle öffentlich-rechtlicher Dienste (4) wird im EWR-Abkommen allgemein anerkannt. Die zentrale Bestimmung ist in diesem Zusammenhang Artikel 59 Absatz 2 des EWR-Abkommens, wo es heißt: „Für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben, gelten die Vorschriften dieses Abkommens, insbesondere die Wettbewerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert. Die Entwicklung des Handelsverkehrs darf nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden, das dem Interesse der Vertragsparteien zuwiderläuft“.

(6)

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat in zwei Fällen anerkannt, dass die Veranstaltung von Hörfunk- und Fernsehsendungen als „Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ im Sinne von Artikel 86 Absatz 2 EG-Vertrag (5) angesehen werden kann. Der Europäische Gerichtshof hat betont, dass diese Dienstleistungen den Wettbewerbsregeln unterliegen, sofern deren Anwendung mit der Erfüllung der Aufgaben dieser Unternehmen nicht nachweislich unvereinbar ist (6).

(7)

In der Entschließung über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind unter Berücksichtigung des besonderen Charakters der Rundfunkbranche die Grundsätze und Voraussetzungen für die Anwendung der Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften auf diesen Sektor festgelegt:

„Die Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft berühren nicht die Befugnis der Mitgliedstaaten, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu finanzieren, sofern die Finanzierung der Rundfunkanstalten dem öffentlich-rechtlichen Auftrag, wie er von den Mitgliedstaaten den Anstalten übertragen, festgelegt und ausgestaltet wird, dient und die Handels- und Wettbewerbsbedingungen in der Gemeinschaft nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt, das dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft, wobei den Erfordernissen der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags Rechnung zu tragen ist.“

Da die Entschließung das EWR-Abkommen als von den Vertragsparteien zu beachtender Rechtsakt aufgenommen wurde (7), gelten im EWR ähnliche Grundsätze.

(8)

Die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für das soziale, demokratische und kulturelle Leben wurde in der Entschließung über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bekräftigt. Darin heißt es: „Der Zugang einer breiten Öffentlichkeit zu verschiedenen Kanälen und Diensten frei von jeglicher Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit ist eine Vorbedingung für die Erfüllung der besonderen Verpflichtung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“. Darüber hinaus müsse der öffentlich-rechtliche Rundfunk „den technologischen Fortschritt nutzen“, „der Öffentlichkeit die Vorteile der neuen audiovisuellen Dienste und Informationsdienste sowie der neuen Technologien nahe bringen“ und „seine Tätigkeiten im digitalen Zeitalter weiterentwickeln und diversifizieren“. Schließlich müssten „die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten imstande sein, weiterhin ein großes Programmspektrum im Einklang mit ihrem von den Mitgliedstaaten definierten Auftrag bereitzustellen, um die Gesellschaft insgesamt anzusprechen; in diesem Zusammenhang ist es legitim, wenn die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten danach streben, hohe Einschaltquoten zu erzielen“.

(9)

In Anbetracht dieser Charakteristika der Rundfunkbranche kann ein öffentlich-rechtlicher Auftrag, der, wie in der Entschließung erklärt, „auftragsgemäß ein großes Programmspektrum umfasst“, im Prinzip als legitim und als auf ein ausgewogenes und vielseitiges Programm gerichtet angesehen werden, das in der Lage ist, den öffentlich-rechtlichen Anstalten bestimmte Einschaltquoten zu sichern und so die Erfüllung des Auftrags, d. h. die Befriedigung der demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft, zu gewährleisten und Pluralismus zu garantieren.

(10)

Nicht außer Acht gelassen werden darf, dass auch kommerzielle Sendeanstalten, von denen einige gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unterliegen, zur Erreichung der Ziele der Entschließung über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk beitragen: sie helfen, den Pluralismus zu sichern, sie bereichern die kulturelle und politische Debatte und sie vergrößern die Programmauswahl.

24C.3.   Rechtlicher Rahmen

(1)

Bei der Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist eine Vielzahl von Aspekten zu beachten. Das EWR-Abkommen enthält den Artikel 61 über staatliche Beihilfen und den Artikel 59 Absatz 2 über die Anwendung der Vorschriften des EWR-Abkommens und insbesondere der Wettbewerbsregeln auf Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse. Das Protokoll 3 zum Überwachungs- und Gerichtsabkommen enthält die verfahrensrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen.

(2)

Für die Europäischen Gemeinschaften wurde mit dem Vertrag von Amsterdam eine besondere Vorschrift (Artikel 16 EG-Vertrag) über Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse und ein erläuterndes Protokoll über das System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eingeführt. Mit dem Vertrag von Maastricht war bereits ein Artikel, der die Rolle der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Kultur definiert (Artikel 151 EG-Vertrag) und eine Klausel, wonach staatliche Beihilfen zur Kulturförderung unter bestimmten Voraussetzungen als zulässig angesehen werden können (Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe d EG-Vertrag) eingefügt worden. Das EWR-Abkommen enthält keinen ähnlichen „kulturellen Ausnahmetatbestand“ wie Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe d EG-Vertrag. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Ausnahmen zugunsten derartiger Maßnahmen ausgeschlossen sind. Wie von der Überwachungsbehörde bei früheren Entscheidungen anerkannt wurde, können derartige Fördermaßnahmen aus kulturellen Gründen auf der Rechtsgrundlage des Artikels 61 Absatz 3 Buchstabe c des EWR-Abkommens genehmigt werden (8).

(3)

Die Richtlinie 89/552/EWG vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (9) wurde in der durch die Richtlinie 97/36/EG geänderten Fassung (10) in den Anhang X des EWR-Abkommens aufgenommen (11). Die Richtlinie 80/723/EWG vom 25. Juni 1980 über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen sowie über die finanzielle Transparenz innerhalb bestimmter Unternehmen (12) wurde in der durch Richtlinie 2000/52/EG vom 26. Juli 2000 geänderten Fassung (13) mit Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses Nr. 6/2001 in das EWR-Abkommen aufgenommen (14). Diese Bestimmungen unterliegen im Geltungsbereich der „EFTA-Säule“ der Auslegung des EFTA-Gerichtshofs und im Anwendungsbereich der „EG-Säule“ der Auslegung des Europäischen Gerichtshofs und des Gerichts erster Instanz. Auch hat die Überwachungsbehörde mehrere Leitlinien für die Anwendung der Vorschriften auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen erlassen, die ähnlichen Mitteilungen der EG-Kommission entsprechen.

24C.4.   Anwendbarkeit von Artikel 61 Absatz 1 des EWR-Abkommens

24C.4.1.   Beihilfecharakter der staatlichen Finanzierung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten

(1)

In Artikel 61 Absatz 1 des EWR-Abkommens heißt es: „Soweit in diesem Abkommen nicht etwas anderes bestimmt ist, sind staatliche Beihilfen der EG-Mitgliedstaaten und der EFTA-Staaten oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Funktionieren des EWR-Abkommens unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen den Vertragsparteien beeinträchtigen.“

(2)

Maßgebend für die Beurteilung der Frage, ob eine staatliche Beihilfe vorliegt, ist nach Artikel 61 Absatz 1 des EWR-Abkommens nicht der Zweck der staatlichen Maßnahme, sondern nur deren Auswirkung. Eine staatliche Finanzierung von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten muss im Normalfall als staatliche Beihilfe angesehen werden, insoweit sie die oben erwähnten Kriterien erfüllt. Normalerweise werden öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten aus dem Staatshaushalt oder über eine vom Eigentümer des Fernsehgeräts zu entrichtende Gebühr finanziert. In einigen bestimmten Fällen gewährt der Staat öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Kapitalspritzen oder erlässt deren Schulden. Derartige finanzielle Maßnahmen gehen in der Regel auf staatliche Stellen zurück und implizieren den Transfer öffentlicher Gelder. Außerdem begünstigen solche Maßnahmen, sofern sie nicht nach dem Grundsatz des nach marktwirtschaftlichen Prinzipien handelnden Kapitalgebers gemäß Kapitel 19 der Leitlinien der Überwachungsbehörde für staatliche Beihilfen für öffentliche Holdings und gemäß Kapitel 20 über die Anwendung der Vorschriften auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen für öffentliche Unternehmen in der verarbeitenden Industrie (15) durchgeführt werden, in den meisten Fällen nur einzelne Sendeanstalten und können somit den Wettbewerb verzerren. Ob eine staatliche Beihilfe vorliegt, muss selbstverständlich im Einzelfall geprüft werden und hängt nicht zuletzt von der Art der jeweiligen Finanzierung ab (16).

(3)

Der Europäische Gerichtshof hat wie folgt geurteilt: „Verstärkt eine von einem Mitgliedstaat gewährte Finanzhilfe die Stellung eines Unternehmens gegenüber anderen Wettbewerbern im innergemeinschaftlichen Handel, muss dieser als von der Beihilfe beeinflusst erachtet werden“ (17). Demnach ist generell davon auszugehen, dass eine staatliche Finanzierung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten den Handel zwischen den Vertragsparteien beeinträchtigt. Dies gilt klar für den — häufig international abgewickelten — Erwerb und Verkauf von Programmrechten. Auch die Werbung — für diejenigen öffentlich-rechtlichen Anstalten, die Sendeplatz für Werbung verkaufen dürfen — hat eine grenzüberschreitende Wirkung, vor allem in grenznahen Gebieten, in denen beiderseits der Landesgrenze dieselbe Sprache gesprochen wird. Außerdem kann sich die Eigentumsstruktur kommerzieller Rundfunksender auf mehr als einen EWR-Staat erstrecken.

(4)

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Gerichts erster Instanz (18) ist jeder Transfer staatlicher Mittel an ein bestimmtes Unternehmen als staatliche Beihilfe anzusehen (vorausgesetzt, es sind alle Bedingungen für die Anwendung von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag erfüllt). Jedoch hat der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil in der Rechtssache Altmark Trans GmbH (19) (nachstehend als „Altmark-Urteil“ bezeichnet) für Recht erkannt, dass „eine staatliche Maßnahme nicht unter Artikel 92 Absatz 1 [jetzt Artikel 87 Absatz 1] EG-Vertrag fällt, soweit sie als Ausgleich anzusehen ist, der die Gegenleistung für Leistungen bildet, die von den Unternehmen, denen sie zugute kommt, zur Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen erbracht werden, so dass diese Unternehmen in Wirklichkeit keinen finanziellen Vorteil erhalten und die genannte Maßnahme somit nicht bewirkt, dass sie gegenüber den mit ihnen im Wettbewerb stehenden Unternehmen in eine günstigere Wettbewerbsstellung gelangen“.

(5)

Nach dem „Altmark-Urteil“ des Europäischen Gerichtshofs ist ein derartiger Ausgleich im konkreten Fall jedoch nur dann nicht als staatliche Beihilfe zu qualifizieren, wenn die folgenden vier Voraussetzungen erfüllt sind:

„—

Erstens muss das begünstigte Unternehmen tatsächlich mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut sein, und diese Verpflichtungen müssen klar definiert sein.

Zweitens sind die Parameter, anhand derer der Ausgleich berechnet wird, zuvor objektiv und transparent aufzustellen, um zu verhindern, dass der Ausgleich einen wirtschaftlichen Vorteil mit sich bringt, der das Unternehmen, dem er gewährt wird, gegenüber konkurrierenden Unternehmen begünstigt.

Drittens darf der Ausgleich nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um die Kosten der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einnahmen und eines angemessenen Gewinns aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen ganz oder teilweise zu decken.

Wenn viertens die Wahl des Unternehmens, das mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut werden soll, im konkreten Fall nicht im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Aufträge erfolgt, das die Auswahl desjenigen Bewerbers ermöglicht, der diese Dienste zu den geringsten Kosten für die Allgemeinheit erbringen kann, so ist die Höhe des erforderlichen Ausgleichs auf der Grundlage einer Analyse der Kosten zu bestimmen, die ein durchschnittliches, gut geführtes Unternehmen, das so angemessen mit Transportmitteln ausgestattet ist, dass es den gestellten gemeinwirtschaftlichen Anforderungen genügen kann, bei der Erfüllung der betreffenden Verpflichtungen hätte, wobei die dabei erzielten Einnahmen und ein angemessener Gewinn aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen zu berücksichtigen sind.“

(6)

Die Überwachungsbehörde berücksichtigt diese Auslegung des Europäischen Gerichtshofs bei ihrer Beurteilung von Ausgleichsleistungen für gemeinwirtschaftliche Dienste nach Artikel 61 Absatz 1 des EWR-Abkommens. Eine staatliche Unterstützung, welche die oben genannten Kriterien erfüllt, stellt daher keine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 61 Absatz 1 des EWR-Abkommens dar und muss daher auch nicht bei der Überwachungsbehörde angemeldet werden.

24C.4.2.   Art der Beihilfe: bestehende oder neue Beihilfe

(1)

Die Finanzierungssysteme, die derzeit in den meisten EFTA-Staaten bestehen, wurden vor langer Zeit eingerichtet. Die Überwachungsbehörde hat deshalb zunächst zu prüfen, ob diese Systeme als „bestehende Beihilfen“ im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 in Teil I des Protokolls 3 zum Überwachungs- und Gerichtsabkommen angesehen werden können (20).

(2)

Bestehende Beihilfen werden durch Artikel 1 Absatz 1 in Teil I des Protokolls 3 zum Überwachungs- und Gerichtsabkommen geregelt, wo es heißt: „Die EFTA-Überwachungsbehörde überprüft fortlaufend in Zusammenarbeit mit den EFTA-Staaten die in diesen bestehenden Beihilferegelungen. Sie schlägt ihnen die zweckdienlichen Maßnahmen vor, welche die fortschreitende Entwicklung und das Funktionieren des EWR-Abkommens erfordern“.

(3)

Nach Artikel 1 Buchstabe b Ziffer i in Teil II des Protokolls 3 zum Überwachungs- und Gerichtsabkommen sind bestehende Beihilfen „alle Beihilfen, die vor Inkrafttreten des EWR-Abkommens in dem entsprechenden EFTA-Staat bestanden, also Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen, die vor Inkrafttreten des EWR-Abkommens eingeführt worden sind und auch nach dessen Inkrafttreten noch anwendbar sind“.

(4)

Nach Artikel 1 Buchstabe b Ziffer v in Teil II des Protokolls 3 zum Überwachungs- und Gerichtsabkommen gehören zu den bestehenden Beihilfen auch „Beihilfen, die als bestehende Beihilfen gelten, weil nachgewiesen werden kann, dass sie zu dem Zeitpunkt, zu dem sie eingeführt wurden, keine Beihilfe waren und später aufgrund der Entwicklung des Europäischen Wirtschaftsraumes zu Beihilfen wurden, ohne dass sie eine Änderung durch den betreffenden EFTA-Staat erfahren haben (…)“.

(5)

Gemäß dem Protokoll 3 zum Überwachungs- und Gerichtsabkommen und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (21) entsprechend muss die Überwachungsbehörde prüfen, ob der rechtliche Rahmen, in dem die Beihilfe gewährt wird, sich seit deren Einführung geändert hat. Dabei muss die Überwachungsbehörde alle rechtlichen und wirtschaftlichen Elemente berücksichtigen, die für das Rundfunksystem des jeweiligen EFTA-Staates herangezogen werden können. Obgleich die rechtlichen und wirtschaftlichen Elemente, die für eine solche Prüfung relevant sind, in allen EWR-Staaten Gemeinsamkeiten haben, ist die Überwachungsbehörde der Meinung, dass ein fallweises Vorgehen für diese Prüfung das geeignetste Verfahren ist.

24C.5.   Beurteilung der Vereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Funktionieren des EWR-Abkommens nach Artikel 61 Absätze 2 und 3 dieses Abkommens

(1)

Staatliche Beihilfen an öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten müssen von der Überwachungsbehörde überprüft werden, um festzustellen, ob diese als mit dem Funktionieren des EWR-Abkommens vereinbar anzusehen sind oder nicht. Dabei gelangen gegebenenfalls die in Artikel 61 Absätze 2 und 3 des EWR-Abkommens aufgeführten Ausnahmeregelungen bzw. Freistellungsmöglichkeiten zur Anwendung.

(2)

Das EWR-Abkommen enthält weder eine dem Artikel 151 Absatz 4 EG-Vertrag entsprechende Bestimmung, wonach die EG-Kommission verpflichtet ist, bei ihrer Tätigkeit aufgrund anderer Bestimmungen des Vertrags den kulturellen Aspekten Rechnung zu tragen, noch kulturelle Freistellungsmöglichkeiten ähnlich wie Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe d EG-Vertrag. Dies bedeutet jedoch nicht, dass bei der Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen für die Berücksichtigung kultureller Aspekte kein Raum mehr bliebe. Diesbezüglich ist erstens daran zu erinnern, dass die Überwachungsbehörde im Rahmen einer Entscheidung über staatliche Beihilfen für die Filmproduktion und filmische Tätigkeiten in Norwegen festgestellt hat, dass Maßnahmen für die Filmförderung aus kulturellen Gründen gegebenenfalls im Rahmen der Anwendung von Artikel 61 Absatz 3 Buchstabe c des EWR-Abkommens genehmigt werden können, vorausgesetzt, dass bei diesem Ansatz die von der EG-Kommission entwickelten Kriterien ausreichend berücksichtigt werden, und dass nicht von der Praxis abgewichen wird, welche die EG-Kommission vor der Einführung des Artikels 87 Absatz 3 Buchstabe d EG-Vertrag gehandhabt hat. Zweitens darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die EG-Kommission in ihren Beihilfeentscheidungen NN 49/97 und N 357/99 über ein Förderpaket für die irische Film- und Fernsehproduktion ausdrücklich betont hat, dass die Einführung der Artikel 151 Absatz 1 und 87 Absatz 3 Buchstabe d EG-Vertrag nicht unbedingt einen Wandel in der Kulturpolitik der EG-Kommission widerspiegelt. Drittens wird im Hinblick auf das Rundfunkwesen in der Entschließung über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk anerkannt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine kulturelle Aufgabe wahrnimmt, und dass bei der Anwendung der Wettbewerbsregeln den Erfordernissen der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags Rechnung zu tragen ist.

(3)

Aufgabe der Überwachungsbehörde ist es, über die tatsächliche Anwendung der Freistellungsmöglichkeiten nach Artikel 61 Absatz 3 des EWR-Abkommens und die Art und Weise zu entscheiden, wie den kulturellen Aspekten Rechnung zu tragen ist. Hier sei daran erinnert, dass die Bestimmungen, die eine Freistellung vom Verbot staatlicher Beihilfen zulassen, streng anzuwenden sind. Deshalb ist nach Auffassung der EG-Kommission auch der Begriff „Kultur“ zu Zwecken der Freistellung von Beihilfen vom Verbot staatlicher Beihilfen im Sinne von Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe d EG-Vertrag eng auszulegen. Dasselbe gilt auch für die Prüfung durch die Überwachungsbehörde, ob eine Maßnahme aus kulturellen Gründen nach Artikel 61 Absatz 3 Buchstabe c des EWR-Abkommens vom Verbot staatlicher Beihilfen freigestellt werden kann. Wie die EG-Kommission in ihrer Entscheidung in der Beihilfesache Kinderkanal und Phoenix festgestellt hat, muss zwischen den bildungsmäßigen und demokratischen Bedürfnissen in einem Mitgliedstaat und der Förderung der Kultur unterschieden werden (22). In dieser Hinsicht sei auch darauf hingewiesen, dass zwischen den kulturellen, sozialen und demokratischen Bedürfnissen einer Gesellschaft zu unterscheiden ist. Natürlich kann Bildung auch einen kulturellen Aspekt haben.

(4)

Bei der Gewährung staatlicher Beihilfen an öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten wird häufig nicht zwischen diesen drei Bedürfnissen unterschieden. Daher kann eine solche Beihilfe im Allgemeinen auf dieser Grundlage nur genehmigt werden, wenn der betreffende EFTA-Staat eine gesonderte Definition und eine gesonderte Finanzierung im Hinblick auf eine Beihilfe vorsieht, die ausschließlich der Kulturförderung dient. Allerdings ist im Normalfall eine Einschätzung aufgrund von Artikel 59 Absatz 2 des EWR-Abkommens — Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse — möglich. Welches auch immer die Rechtsgrundlage für die Feststellung der Vereinbarkeit ist, die inhaltliche Analyse wird von der Überwachungsbehörde anhand derselben Kriterien vorgenommen, d. h. der Kriterien, wie sie in diesen Leitlinien dargelegt sind.

24C.6.   Beurteilung der Vereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Funktionieren des EWR-Abkommens nach Artikel 59 Absatz 2 dieses Abkommens

(1)

Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs handelt es sich bei Artikel 86 EG-Vertrag (23) um eine Ausnahmebestimmung, die restriktiv auszulegen ist. Dabei hat der Europäische Gerichtshof klargestellt, dass eine Maßnahme alle nachstehend genannten Bedingungen erfüllen muss, wenn sie in den Genuss dieser Ausnahmeregelung kommen soll:

i)

Die betreffende Dienstleistung muss eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse und von dem Mitgliedstaat klar als solche definiert sein (Definition).

ii)

Das betreffende Unternehmen muss von dem Mitgliedstaat ausdrücklich mit der Ausführung der Dienstleistung beauftragt worden sein (Beauftragung).

iii)

Die Anwendung der Wettbewerbsregeln des EG-Vertrags (im vorliegenden Fall das Verbot staatlicher Beihilfen) muss die Erfüllung der dem Unternehmen übertragenen Aufgaben verhindern, und die Freistellung von diesen Regeln darf die Entwicklung des Handelsverkehrs nicht in einem Maße beeinträchtigen, das dem Interesse der Gemeinschaft zuwiderläuft (Verhältnismäßigkeitskriterium).

(2)

Bei der Anwendung des entsprechenden Artikels 59 Absatz 2 des EWR-Abkommens in Bezug auf die EFTA-Staaten ist es Aufgabe der Überwachungsbehörde, zu beurteilen, ob diese Kriterien erfüllt sind.

(3)

Im besonderen Fall des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss das oben dargelegte Vorgehen im Hinblick auf die Entschließung über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk angepasst werden, wonach „der öffentlich-rechtliche Auftrag von den Mitgliedstaaten übertragen, festgelegt und ausgestaltet wird“ (Definition und Beauftragung) und bei der Finanzierung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten insoweit von den Bestimmungen des Vertrags abgewichen werden kann, „wie die Finanzierung der Rundfunkanstalten der Erfüllung des öffentlichen Auftrags dient … und … die Handels- und Wettbewerbsbedingungen in der Gemeinschaft nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt, das dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft, wobei den Erfordernissen der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags Rechnung zu tragen ist“ (Verhältnismäßigkeit).

(4)

Wie die jüngste Fallpraxis der EG-Kommission darlegt, ist eine Maßnahme, die nicht alle „Altmark-Kriterien“ erfüllt, dennoch gemäß Artikel 86 Absatz 2 EG-Vertrag bzw. gemäß Artikel 59 Absatz 2 des EWR-Abkommens zu untersuchen (24).

24C.6.1.   Definition des öffentlich-rechtlichen Auftrags

(1)

Um die unter Abschnitt 24C.6 Randnummer 1 für die Anwendung von Artikel 59 Absatz 2 des EWR-Abkommens genannte Bedingung zu erfüllen, muss der Begriff des öffentlich-rechtlichen Auftrags amtlich definiert werden. Erst wenn eine solche Definition vorliegt, kann die Überwachungsbehörde mit der notwendigen Rechtssicherheit über die Anwendbarkeit der Freistellungsmöglichkeit im Rahmen von Artikel 59 Absatz 2 des EWR-Abkommens entscheiden.

(2)

Die Definition des öffentlich-rechtlichen Auftrags fällt in die Zuständigkeit der EFTA-Staaten, die auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene entscheiden können. Diese Zuständigkeit ist generell unter Berücksichtigung des Begriffs der „Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ wahrzunehmen. In Anbetracht des besonderen Charakters der Rundfunkbranche kann eine „breit gefasste“ Definition, bei der ein bestimmter Sender damit betraut wird, ein ausgewogenes und breit gefächertes Programm in Einklang mit seinem Auftrag anzubieten und dabei gewisse Einschaltquoten zu gewährleisten, als legitim gemäß Artikel 59 Absatz 2 des EWR-Abkommens betrachtet werden. Eine solche Definition entspräche dem Ziel, die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der jeweiligen Gesellschaft zu decken und den Pluralismus zu wahren, einschließlich kultureller und sprachlicher Vielfalt.

(3)

Der öffentlich-rechtliche Auftrag könnte auch Dienste (wie Online-Informationsdienste) umfassen, die keine „Programme“ im traditionellen Sinne sind, sofern diese — auch unter Berücksichtigung der Entwicklung und Diversifizierung der Tätigkeiten im digitalen Zeitalter — den selben demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der jeweiligen Gesellschaft dienen.

(4)

Bei jeder Ausweitung des öffentlich-rechtlichen Auftrags auf neue Dienste sollten die Definition und der Akt, mit dem der Anstalt der öffentlich-rechtliche Auftrag übertragen wird, innerhalb der von Artikel 59 Absatz 2 des EWR-Abkommens gesetzten Grenzen geändert werden.

(5)

Aufgabe der Überwachungsbehörde ist es zu überprüfen, ob die EFTA-Staaten die Bestimmungen des EWR-Abkommens einhalten. Was die Definition des öffentlich-rechtlichen Sendeauftrags für Rundfunkanstalten anbelangt, beschränkt sich die Rolle der Überwachungsbehörde auf eine Überprüfung auf offensichtliche Fehler. Die Überwachungsbehörde hat weder darüber zu entscheiden, ob ein Programm als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse angeboten wird noch Art und Qualität eines bestimmten Produkts in Frage zu stellen. Ein offensichtlicher Fehler in der Definition des öffentlich-rechtlichen Auftrags läge allerdings vor, wenn dieser auch Tätigkeiten umfasste, die nicht hinreichend den „demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen jeder Gesellschaft“ entsprechen. Dies wäre z. B. normalerweise beim elektronischen Handel der Fall. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass der öffentlich-rechtliche Auftrag die der Öffentlichkeit im allgemeinen Interesse angebotenen Dienste beschreibt. Die Definition des öffentlich-rechtlichen Auftrags ist nicht mit dem Finanzierungsmodus zu verwechseln, der für diese Dienste gewählt wird. Demnach können öffentlich-rechtliche Sendeanstalten zu Einnahmezwecken zwar kommerziellen Tätigkeiten nachgehen, wie dem Verkauf von Sendeplatz für Werbung, doch sind diese nicht als Teil des öffentlich-rechtlichen Auftrags anzusehen.

(6)

Der öffentlich-rechtliche Auftrag sollte so präzise wie möglich definiert werden. Aus dieser Definition sollte unmissverständlich hervorgehen, ob der EFTA-Staat eine bestimmte Tätigkeit der jeweiligen Anstalt in den öffentlich-rechtlichen Auftrag aufnehmen will oder nicht. Ohne eine klare, präzise Definition der Verpflichtungen, denen die öffentlich-rechtliche Sendeanstalt unterliegt, kann die Überwachungsbehörde die ihr in Artikel 59 Absatz 2 des EWR-Abkommens zugewiesenen Aufgaben nicht erfüllen und im Rahmen dieses Artikels keine Freistellung gewähren.

(7)

Eine klare Festlegung der unter den öffentlich-rechtlichen Auftrag fallenden Tätigkeiten ist auch wichtig, damit die nicht öffentlich-rechtlichen Anbieter ihre Tätigkeiten planen können.

(8)

Präzise sollte der öffentlich-rechtliche Auftrag nicht zuletzt auch deshalb sein, um den Behörden der EFTA-Staaten eine wirksame Kontrolle seiner Einhaltung zu ermöglichen (siehe folgendes Kapitel).

24C.6.2.   Übertragung des öffentlich-rechtlichen Auftrags und Beaufsichtigung

(1)

Um in den Genuss der Ausnahmeregelung nach Artikel 59 Absatz 2 des EWR-Abkommens zu kommen, sollte der öffentlich-rechtliche Auftrag einem oder mehreren Unternehmen im Wege einer förmlichen Rechtshandlung übertragen werden (wie eines Rechtsaktes, eines Vertrags oder einer Aufgabenbeschreibung).

(2)

Doch reicht es nicht aus, die öffentlich-rechtliche Sendeanstalt förmlich mit der Bereitstellung einer genau definierten öffentlichen Dienstleistung zu beauftragen. Vielmehr muss diese Dienstleistung auch tatsächlich so erbracht werden, wie dies zwischen dem Staat und beauftragten Unternehmen förmlich vereinbart wurde. Dies sollte von einer geeigneten Behörde oder einer dafür benannten Stelle überwacht werden. Dass eine solche geeignete Aufsichtsbehörde oder Stelle notwendig ist, zeigt sich am Fall der Qualitätsstandards, die das beauftragte Unternehmen erfüllen muss. Denn nicht die Überwachungsbehörde hat über die Einhaltung der Qualitätsstandards zu urteilen: sie muss sich auf eine angemessene Aufsicht durch die EFTA-Staaten verlassen können.

(3)

Die Entscheidung darüber, mit welchen Mechanismen die Einhaltung der aus dem öffentlich-rechtlichen Auftrag erwachsenden Verpflichtungen überwacht werden soll, liegt in der Kompetenz des jeweiligen EWR-Staates. Eine solche Aufsichtsinstanz dürfte ihrer Aufgabe nur gerecht werden können, wenn sie von dem beauftragten Unternehmen unabhängig ist.

(4)

Solange keine ausreichenden und verlässlichen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Dienst auch tatsächlich dem Auftrag entsprechend erbracht wird, kann die Überwachungsbehörde die ihr in Artikel 59 Absatz 2 des EWR-Abkommen zugewiesenen Aufgaben nicht erfüllen und im Rahmen dieses Artikels keine Freistellung gewähren.

24C.6.3.   Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und Prüfung der Verhältnismäßigkeit

24C.6.3.1.   Wahl des Finanzierungsmodus

(1)

Gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen können quantitativer oder qualitativer Art oder beides zugleich sein. In allen Fällen rechtfertigen sie gegebenenfalls eine Kompensation, sofern sie mit zusätzlichen Kosten einhergehen, die die betreffende Rundfunkanstalt unter normalen Umständen nicht zu tragen hätte.

(2)

Die Finanzierungssysteme können in zwei große Kategorien unterteilt werden: die „Einzelfinanzierung“ und die „duale Finanzierung“. Die Kategorie „Einzelfinanzierung“ umfasst alle Systeme, bei denen der öffentlich-rechtliche Rundfunk ausschließlich mit öffentlichen Mitteln gleich welcher Art finanziert wird. „Duale Finanzierungssysteme“ umfassen ein breites Spektrum an Finanzierungssystemen, bei denen der öffentlich-rechtliche Rundfunk durch unterschiedliche Kombinationen aus staatlichen Mitteln und Einnahmen aus kommerziellen Tätigkeiten, wie dem Verkauf von Werbeblöcken oder Programmen, finanziert wird.

(3)

Der Entschließung über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zufolge „berühren die Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft nicht die Befugnis der Mitgliedstaaten, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu finanzieren …“. Dies umfasst auch die Wahl des Finanzierungssystems. Solange der Wettbewerb auf den sachlich relevanten Märkten (z. B. Werbung, Kauf und/oder Verkauf von Programmen) nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt wird, das den gemeinsamen Interessen zuwiderläuft, spricht im Prinzip nichts gegen die Wahl einer Mischfinanzierung (d. h. einer Kombination aus öffentlichen Mitteln und Werbeeinnahmen) anstatt einer Einzelfinanzierung (ausschließlich öffentliche Mittel).

(4)

Während die EFTA-Staaten frei wählen können, nach welchem System sie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk finanzieren, muss die Überwachungsbehörde im Rahmen von Artikel 59 Absatz 2 des EWR-Abkommens darüber wachen, dass die Freistellung der Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse von der regulären Anwendung der Wettbewerbsregeln den Wettbewerb im EWR nicht in unverhältnismäßig hohem Maße beeinträchtigt. Hierbei handelt es sich um einen „Negativtest“, d. h. es wird überprüft, dass die betreffende Maßnahme nicht unverhältnismäßig ist. Auch sollte die Beihilfe die Entwicklung des Handelsverkehrs nicht in einem Ausmaß beeinträchtigen, das den gemeinsamen Interessen zuwiderläuft.

(5)

In der Entschließung über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird dieser Ansatz auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bestätigt. Demnach darf die Finanzierung „die Handels- und Wettbewerbsbedingungen in der Gemeinschaft nicht in einem Ausmaß beeinträchtigen, das dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft, wobei den Erfordernissen der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags Rechnung zu tragen ist“.

24C.6.3.2.   Transparenzanforderungen für die Beurteilung der staatlichen Beihilfe

(1)

Damit die Überwachungsbehörde die oben beschriebene Beurteilung vornehmen kann, müssen eine klare und genaue Definition des öffentlich-rechtlichen Auftrags und eine klare und angemessene Trennung zwischen gemeinwirtschaftlichen und anderen Tätigkeiten vorliegen. Die getrennte Buchführung für diese beiden Bereiche wird normalerweise bereits auf der nationalen Ebene gefordert, um Transparenz und Rechnungslegung bei der Verwendung öffentlicher Mittel sicherzustellen. Eine getrennte Buchführung ist notwendig, damit die Überwachungsbehörde ihre Prüfung auf Verhältnismäßigkeit vornehmen kann, denn sie stellt ein Instrument dar, mit dem die Überwachungsbehörde Fälle einer angeblichen Quersubventionierung prüfen und berechtigte Ausgleichszahlungen für die Erfüllung von Aufgaben von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse begründen kann. Nur auf der Grundlage einer ordnungsgemäßen Kosten- und Mittelzuweisung lässt sich feststellen, ob die öffentliche Finanzierung tatsächlich auf die Nettokosten des öffentlich-rechtlichen Auftrags begrenzt und damit nach Artikel 59 Absatz 2 des EWR-Abkommens akzeptabel ist.

(2)

Nach der Richtlinie 80/723/EWG (25) müssen die finanziellen Beziehungen zwischen Behörden und öffentlichen Unternehmen sowie innerhalb von Unternehmen, denen besondere oder ausschließliche Rechte gewährt wurden, oder die mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind, transparent sein.

(3)

Nach dieser Richtlinie mussten die EFTA-Staaten die notwendigen Maßnahmen ergreifen um sicherzustellen, dass bei allen Unternehmen, denen besondere oder ausschließliche Rechte gewährt wurden, oder die mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind, und die staatliche Beihilfen gleich welcher Art erhalten und noch anderen Tätigkeiten als den aus dem öffentlich-rechtlichen Auftrag erwachsenden nachgehen, Folgendes gewährleistet ist: a) die internen Konten, die den verschiedenen Geschäftsbereichen entsprechen (d. h. solchen, die dem öffentlich-rechtlichen Auftrag und solchen, die anderen Tätigkeiten zuzuordnen sind), werden getrennt geführt; b) alle Kosten und Erlöse werden auf der Grundlage einheitlich angewandter und objektiv gerechtfertigter Kostenrechnungsgrundsätze korrekt zugeordnet und zugewiesen; c) die Kostenrechnungsgrundsätze, die der getrennten Buchführung zugrunde liegen, sind eindeutig bestimmt.

(4)

Diese allgemeinen Transparenzvorschriften gelten auch für Sendeanstalten, wie der fünfte Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/52/EG (26) in Erinnerung bringt. Öffentlich-rechtliche Sendeanstalten unterliegen den neuen Vorschriften deshalb, weil sie staatliche Beihilfen erhalten und mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind, für die die staatlichen Beihilfen nicht im Rahmen eines offenen, transparenten und diskriminierungsfreien Verfahrens für einen angemessenen Zeitraum festgesetzt wurden. Die Vorschrift der Kostentrennung gilt nicht für öffentlich-rechtliche Sendeanstalten, die ihre Tätigkeiten auf die Erbringung von Diensten von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse beschränken und die außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse keine Tätigkeiten ausüben.

(5)

In der Rundfunkbranche stellt die Trennung der Konten auf der Einnahmeseite keine besondere Schwierigkeit dar, könnte sich auf der Ausgabenseite jedoch als nicht ganz unproblematisch, wenn nicht gar als unmöglich erweisen. Grund dafür ist, dass die EFTA-Staaten in der Rundfunkbranche das gesamte Programm der Sendeanstalten als vom öffentlich-rechtlichen Auftrag gedeckt betrachten, gleichzeitig aber dessen kommerzielle Nutzung gestatten können. Das heißt, dass unterschiedliche Tätigkeiten zu einem großen Teil aus ein und derselben Quelle finanziert werden.

(6)

Die Überwachungsbehörde ist deshalb der Auffassung, dass die Sendeanstalten auf der Einnahmeseite Herkunft und Höhe aller Einnahmen aus nicht dem öffentlich-rechtlichen Auftrag zuzuordnenden Tätigkeiten angeben sollten.

(7)

Auf der Ausgabenseite sollten die nicht dem öffentlich-rechtlichen Auftrag zuzuordnenden Kosten klar ausgewiesen werden. Darüber hinaus sollten, wann immer dieselben Ressourcen — Personal, Geräte, feste Einrichtungen usw. — sowohl im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Auftrags als auch anderweitig eingesetzt werden, die dabei entstehenden Kosten unter Zugrundelegung des Unterschieds zwischen den Gesamtkosten des Unternehmens mit und ohne öffentlich-rechtliche Tätigkeiten zugeordnet werden (27).

(8)

Daraus ergibt sich, dass im Gegensatz zu der in anderen Versorgungsbranchen üblichen Vorgehensweise die Ausgaben, die in voller Höhe auf die mit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag zusammenhängenden Tätigkeiten anrechenbar sind, aber auch kommerziellen Tätigkeiten zugute kommen, nicht aufgeteilt werden müssen, sondern in voller Höhe dem öffentlich-rechtlichen Auftrag zugeordnet werden können. Dies könnte beispielsweise bei den Produktionskosten eines Programms der Fall sein, das im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Auftrags ausgestrahlt, aber auch an andere Sender verkauft wird. Wichtigstes Beispiel ist jedoch die Ermittlung der Einschaltquoten, die sowohl dem Nachweis der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags als auch dem Verkauf von Sendeplatz für Werbung dient. Es wird die Auffassung vertreten, dass bei einer vollen Aufteilung dieser Kosten zwischen beiden Tätigkeiten die Gefahr besteht, dass diese Aufteilung willkürlich und nicht aussagekräftig ist. Im Interesse der Transparenz der Bücher sollte die Zuordnung der Kosten jedoch nicht mit der Deckung von Kosten im Sinne der Preispolitik verwechselt werden. Siehe dazu Abschnitt 24.C.6.3.3, Randnummer 2 unten.

24C.6.3.3.   Verhältnismäßigkeit

(1)

Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit geht die Überwachungsbehörde von der Überlegung aus, dass das Unternehmen die staatliche Finanzierung im Normalfall benötigt, um seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag erfüllen zu können. Um diese Prüfung zu bestehen, darf die staatliche Beihilfe jedoch die Nettokosten des öffentlich-rechtlichen Auftrags nicht überschreiten, wobei auch anderen direkten oder indirekten Einnahmen aus diesem öffentlich-rechtlichen Auftrag Rechnung zu tragen ist. Aus diesem Grund wird der Nettoerlös, den die öffentlich-rechtlichen Tätigkeiten im Rahmen nicht öffentlich-rechtlicher Tätigkeiten einbringen, bei der Bewertung der Verhältnismäßigkeit der Beihilfe berücksichtigt.

(2)

Andererseits könnte es Marktverzerrungen geben, die nicht zwangsläufig durch die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags bedingt sind. Beispielsweise könnte eine öffentlich-rechtliche Sendeanstalt, sofern niedrigere Einnahmen durch staatliche Beihilfen ausgeglichen werden, geneigt sein, die Preise für Werbung oder andere nicht öffentlich-rechtliche Tätigkeiten auf dem Markt zu drücken, um die Einnahmen der Konkurrenz zu schmälern. Ein solches Verhalten einer öffentlich-rechtlichen Anstalt ließe sich nicht mit dem ihr übertragenen öffentlich-rechtlichen Auftrag rechtfertigen. Wann immer eine öffentlich-rechtliche Sendeanstalt die Preise für nicht öffentlich-rechtliche Tätigkeiten unter das Niveau drückt, das ein effizienter kommerzieller Anbieter in einer ähnlichen Situation zur Deckung seiner Kosten für die isolierte Erzeugung der entsprechenden Tätigkeit benötigen würde, deutet dies auf eine Überkompensierung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen hin und beeinträchtigt auf jeden Fall die Handels- und Wettbewerbsbedingungen im Europäischen Wirtschaftsraum in einem Ausmaß, das dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft.

(3)

Dementsprechend wird die Überwachungsbehörde bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit untersuchen, ob eine beihilfebedingte Wettbewerbsverzerrung mit der Notwendigkeit begründet werden kann, den öffentlich-rechtlichen Auftrag wie vom EFTA-Staat definiert auszuführen und zu finanzieren. Falls notwendig, wird die Überwachungsbehörde auch im Rahmen anderer Bestimmungen des EWR-Abkommens tätig werden.

(4)

Die Analyse der Auswirkungen staatlicher Beihilfen auf Wettbewerb und Entwicklung des Handelsverkehrs muss sich zwangsläufig auf die besonderen Umstände im Einzelfall gründen. Das tatsächliche Wettbewerbsgefüge und andere Merkmale eines jeden Marktes können in den vorliegenden Leitlinien nicht beschrieben werden, da hier in der Regel große Unterschiede bestehen. Aus demselben Grund kann in diesen Leitlinien nicht im Voraus festgelegt werden, unter welchen Bedingungen die Preise öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten den in Abschnitt 24.C.6.3.3., Randnummer 2, dargelegten Grundsätzen entsprechen. Infolgedessen kann die Prüfung der Vereinbarkeit staatlicher Beihilfen an öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten mit dem Funktionieren des EWR-Abkommens nach Artikel 59 Absatz 2 dieses Abkommens letztendlich, wie von der Überwachungsbehörde bereits praktiziert, nur im Einzelfall erfolgen.

(5)

Bei ihrer Prüfung wird die Überwachungsbehörde die Tatsache berücksichtigen, dass in dem Maße wie staatliche Beihilfen zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Sendeauftrages notwendig sind, das System als Ganzes auch den positiven Effekt haben könnte, dass auf einigen relevanten Märkten eine alternative Quelle erhalten wird (28). Allerdings ist dieser Effekt gegen mögliche negative Auswirkungen der Beihilfe abzuwägen, die darin bestehen könnten, dass neue Veranstalter von diesen Märkten ferngehalten werden und damit eine stärkere oligopolartige Marktstruktur zugelassen oder ein mögliches wettbewerbsfeindliches Verhalten öffentlich-rechtlicher Veranstalter auf den jeweiligen Märkten bewirkt wird.

(6)

Die Überwachungsbehörde wird bei ihrer Bewertung auch den Schwierigkeiten mancher EFTA-Staaten Rechnung tragen, die notwendigen Mittel über Rundfunkgebühren hereinzuholen, wenn die Kosten des öffentlichen Rundfunks pro Einwohner unter ansonsten gleichen Bedingungen höher sind (29).


(1)  Dieses Kapitel beruht weitgehend auf der Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über Staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, ABl. Nr. C 320 vom 15.11.2001, S. 5.

(2)  ABl. C 30 vom 5.2.1999, S. 1; in das EWR-Abkommen aufgenommen im Rahmen der Änderung des Anhangs X, Ziffer 4, als von den Vertragsparteien zu beachtender Rechtsakt durch Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses Nr. 118/1999 (ABl. L 325 vom 21.12.2000, S. 33, und EWR-Beilage Nr. 60 vom 21.12.2000, S. 423 (isländisch) und S. 424 (norwegisch)); in Kraft getreten am 1.10.1999.

(3)  „Das digitale Zeitalter: Europäische Audiovisuelle Politik. Bericht der Hochrangigen Expertengruppe für Audiovisuelle Politik“, 1998.

(4)  Für die Zwecke dieser Leitlinien ist der Begriff „öffentlich-rechtlich“ auf den Begriff „Dienst von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ in Artikel 59 Absatz 2 des EWR-Abkommens zu beziehen.

(5)  Artikel 86 Absatz 2 EG-Vertrag entspricht 59 Absatz 2 des EWR-Abkommens.

(6)  Rs. T-69/89, Radio Telefis Eireann/Kommission, Slg. 1991, S. II-485, Rdnr. 82; Rs. 155/73 Giuseppe Sacchi, Slg. 1974, S. 409, Rdnr. 15.

(7)  Siehe Fußnote 7.

(8)  Entscheidung der EFTA-Überwachungsbehörde Nr. 32/02/KOL vom 20. Februar 2002 über die Filmproduktion und filmische Tätigkeiten in Norwegen. Für weitere Einzelheiten siehe Abschnitt 24.C.5 Randnummer 2 dieser Leitlinien.

(9)  ABl. L 298 vom 17.10.1989, S. 23.

(10)  ABl. L 202 vom 30.7.1997, S. 60.

(11)  Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses Nr. 82/1999 (ABl. L 296 vom 23.11.2000, S. 39, und EWR-Beilage Nr. 54 vom 23.11.2000, S. 99 (isländisch) und Ausg. 2, S. 69 (norwegisch)), in Kraft getreten am 1.7.2000.

(12)  ABl. L 195 vom 29.7.1980, S. 35; in das EWR-Abkommen aufgenommen in Anhang XV zu diesem Abkommen.

(13)  ABl. L 193 vom 29.7.2000, S. 75.

(14)  ABl. L 66 vom 8.3.2001, S. 48, und EWR-Beilage Nr. 12 vom 8.3.2001, S. 6; in Kraft getreten am 1.6.2002.

(15)  Kapitel 19 der Leitlinien der Überwachungsbehörde für staatliche Beihilfen beruht auf dem Bulletin der EG 9-1984 über die Anwendung der [ex-] Artikel 92 und 93 EWG-Vertrag auf öffentliche Holdings. Kapitel 20 entspricht der Mitteilung der Kommission an die Mitgliedstaaten über die Anwendung der [ex-] Artikel 92 und 93 EWG-Vertrag (jetzt Artikel 87 und 88 EG-Vertrag) und des Artikels 5 der Richtlinie der Kommission 80/723/EWG über öffentliche Unternehmen der verarbeitenden Industrie (ABl. C 307 vom 13.11.1993, S. 3).

(16)  Siehe die Entscheidungen der EG-Kommission Beihilfe NN 88/98 „Finanzierung eines 24-stündigen werbungsfreien Nachrichtenkanals unter Lizenz der BBC“ (ABl. C 78 vom 18.3.2000, S. 6) und Beihilfe NN 70/98, „Staatliche Beihilfe für die öffentlichen Fernsehprogramme ‚Kinderkanal‘ und ‚Phoenix‘“ (ABl. C 238 vom 21.8.1999, S. 3).

(17)  Rs. 730/79, Philip Morris Holland/Kommission, Slg. 1980, S. 2671, Rdnr. 11; Rs. C-303/88, Italien/Kommission, Slg. 1991, S. I-1433, Rdnr. 27; Rs. C-156/98, Deutschland/Kommission, Slg. 2000, S. I-6857, Rdnr. 33.

(18)  Rs. T-106/95, FFSA u. a./Kommission, Slg. 1997, S. II-229; Rs. T-46/97, SIC/Kommission, Slg. 2000, S. II-2125; und Rs. C-332/98, Frankreich/Kommission, Slg. 2000, S. I-4833.

(19)  Rs. C-280/00, Altmark Trans GmbH, Regierungspräsidium Magdeburg/Nahverkehrsgesellschaft Altmark GmbH, Slg. 2003, S. I-7747, Rdnr. 89 ff.

(20)  Entspricht Artikel 88 Absatz 1 EG-Vertrag.

(21)  Rs. C-44/93 Namur-Les Assurances du Crédit SA/Office National du Ducroire und belgischer Staat, Slg.1994, S. I-3829.

(22)  Siehe Fußnote 16.

(23)  Artikel 86 EG-Vertrag entspricht Artikel 59 des EWR-Abkommens.

(24)  Entscheidungen der Kommission C62/1999, RAI, Rdnr. 99, und C85/2001, RTP, Rdnr. 158.

(25)  Siehe Fußnote 12.

(26)  Siehe Fußnoten 13 und 14.

(27)  Zu diesem Zweck wäre von der Hypothese auszugehen, dass die nicht dem öffentlich-rechtlichen Auftrag zuzuordnenden Tätigkeiten eingestellt werden: der so eingesparte Betrag stellt die Kosten dar, die den nicht aus dem öffentlich-rechtlichen Auftrag erwachsenden Tätigkeiten zuzuordnen sind.

(28)  Das heißt nicht, dass staatliche Beihilfen als Instrument zu rechtfertigen wären, um das Angebot auf einem Markt zu vergrößern und den Wettbewerb zu verstärken. Eine staatliche Beihilfe, die einem Veranstalter trotz wiederholter Verluste ein Verbleiben auf dem Markt erlaubt, verursacht eine größere Wettbewerbsverzerrung, da sie langfristig zu einem höheren Grad an Ineffizienz, zu einem geringeren Angebot und zu höheren Preisen für die Verbraucher führt. Effektivere Instrumente in dieser Hinsicht sind die Beseitigung rechtlicher und wirtschaftlicher Einstiegsbarrieren, eine wirksame Anti-Trust-Politik und die Förderung des Pluralismus. Natürliche Monopole unterliegen normalerweise der Regulierung.

(29)  Ähnliche Probleme könnten bei öffentlich-rechtlichen Programmen auftreten, die sich an sprachliche Minderheiten richten oder auf lokale Bedürfnisse zugeschnitten sind.


Top