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Document C2008/224/17

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates zum Schutz empfindlicher Tiefseeökosysteme vor den schädlichen Auswirkungen von Grundfanggeräten und der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über destruktive Praktiken der Hochseefischerei und den Schutz empfindlicher Tiefseeökosysteme KOM(2007) 605 endg. — 0227/0224 (CNS) — KOM(2007) 604 endg.

ABl. C 224 vom 30.8.2008, p. 77–80 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

30.8.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 224/77


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem

„Vorschlag für eine Verordnung des Rates zum Schutz empfindlicher Tiefseeökosysteme vor den schädlichen Auswirkungen von Grundfanggeräten“ und der

„Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über destruktive Praktiken der Hochseefischerei und den Schutz empfindlicher Tiefseeökosysteme“

KOM(2007) 605 endg. — 0227/0224 (CNS)

KOM(2007) 604 endg.

(2008/C 224/17)

Der Rat beschloss am 4. Dezember 2007, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 37 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Vorschlag für eine Verordnung des Rates zum Schutz empfindlicher Tiefseeökosysteme vor den schädlichen Auswirkungen von Grundfanggeräten“

Gemäß dem am 7. November 2005 unterzeichneten Protokoll über die Zusammenarbeit beschloss die Europäische Kommission am 17. Oktober 2007, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über destruktive Praktiken der Hochseefischerei und den Schutz empfindlicher Tiefseeökosysteme“

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 29. April 2008 an. Berichterstatter war Herr ESPUNY MOYANO, Mitberichterstatter war Herr ADAMS.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 445. Plenartagung am 28./29. Mai 2008 (Sitzung vom 29. Mai) mit 101 Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss befürwortet die allgemeine politische Ausrichtung des Verordnungsvorschlags und der Mitteilung der Kommission, ist jedoch der Auffassung, dass die vorgeschlagene Verordnung in Bezug auf Inhalt, Effizienz und Wirkung verbessert werden könnte, wenn die in Teil 4 und 5 dieser Stellungnahme dargelegten Empfehlungen darin einfließen.

2.   Einführung

2.1

In den letzten Jahren wurde deutlich, dass Tiefseeökosysteme eine besonders große Artenvielfalt aufweisen und zahlreichen Meerespflanzen und -tieren als Lebensraum dienen können. Sie gehören zu den letzten noch bestehenden Großökosystemen der Erde. Kaltwasserriffe, Seeberge, Korallen, hydrothermale Quellen und Schwammriffe sind zunehmend durch menschliche Tätigkeiten gefährdet. Tiefseeökosysteme haben ein weitaus weniger produktives Lebensumfeld als Flachwasserökosysteme und brauchen daher unter Umständen Jahrhunderte, um sich zu regenerieren. So können menschliche Tätigkeiten wie die Kohlenwasserstoffexploration, das Verlegen von Kabeln, die Abfallverkippung und die Befischung mit bestimmten Grundfanggeräten (1) negative Auswirkungen haben. Kaltwasserkorallen sind auch auf Festlandsockeln in gemäßigten Breiten zu finden (2).

2.2

Die Grundfischerei erfordert hochspezialisierte Fanggeräte, die bei sandigem oder schlammigem Meeresboden in der Regel ohne bedeutende schädigende Einwirkungen verwendet werden können. Bestimmte Fanggeräte sind jedoch bauartbedingt schwer und stabil, so dass sie Lebensräume in empfindlichen Tiefseeökosystemen erheblich beeinträchtigen und gewachsene, größtenteils nicht wiederherzustellende Strukturen, insbesondere Korallen, zerstören können.

2.3

Wie es bei Umweltbelangen von weltweiter Tragweite häufig der Fall ist, wurde davon ausgegangen, dass dieses Problem nur dann umfassend geregelt werden kann, wenn auf globaler Ebene ausgewogene, wirksame und durchsetzbare Maßnahmen getroffen werden. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat die Probleme im Zusammenhang mit bestimmten Praktiken der Hochseefischerei seit 2004 immer wieder erörtert. So wurde am 8. Dezember 2006 die Resolution 61/105 über nachhaltige Fischerei angenommen, mit der für die Grundfischerei auf hoher See zuständige Staaten und Organisationen nachdrücklich dazu aufgefordert wurden, im Sinne einer Regulierung solcher Fischereitätigkeiten aktiv zu werden, damit empfindliche Meeresökosysteme vor Schaden bewahrt werden (3).

2.4

In dieser Stellungnahme werden zwei Vorlagen der Kommission zum Schutz empfindlicher Tiefseeökosysteme behandelt. Die erste (KOM(2007) 604) erläutert die allgemeine politische Ausrichtung im Einzelnen und beschreibt, welche konkreten Maßnahmen die EU treffen sollte und woran sich diese orientieren sollten. Dabei wird von den Empfehlungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) ausgegangen, die nach eingehender Behandlung des Themas durch die VN-Generalversammlung (4) und unter maßgeblicher Mitwirkung der EU entwickelt wurden. Bei der zweiten Vorlage (KOM(2007) 605), die als unmittelbare gesetzgeberische Antwort zu sehen ist, handelt es sich um einen Vorschlag für eine Verordnung des Rates, die für Fischereifahrzeuge der EU gelten soll, die in nicht unter die Regelungskompetenz einer regionalen Fischereiorganisation fallenden Hochseegebieten tätig sind.

2.5

Auf lange Sicht entspricht es sowohl dem Interesse der Wirtschaft als auch der Umweltschützer, Lebensräume auf dem Meeresboden zu bewahren, um die langfristige Nachhaltigkeit der Fischbestände sowie die Erhaltung und den Schutz der marinen Artenvielfalt zu gewährleisten.

3.   Zusammenfassung des allgemeinen Ansatzes (KOM 604) und des spezifischen Verordnungsvorschlags (KOM 605) der Kommission

3.1

Die beiden zentralen Rahmenelemente für die Bewirtschaftung der Grundfischerei auf hoher See sind die vorherige Umweltverträglichkeitsprüfung eines geplanten Fanggebiets als Vorbedingung für die Zulassung einzelner Fischereitätigkeiten und der Nachweis, dass keine erheblichen Beeinträchtigungen entstehen, als Bedingung für eine Fortsetzung der Fischereitätigkeit. Zur Flankierung dieser Maßnahmen muss die Forschung und Datenerhebung verbessert werden, um zu ermitteln, wo sich bekanntlich oder wahrscheinlich empfindliche Ökosysteme befinden und welche ökologische Dynamik sie aufweisen.

3.2

Eine besonders zweckdienliche Maßnahme besteht darin, räumliche Absperrungen bzw. besondere Bewirtschaftungsgebiete vorzusehen. Dies würde durch einvernehmlichen Beschluss im Rahmen einer regionalen Fischereiorganisation geschehen. Außerhalb regionaler Fischereiorganisationen ist es Sache der einzelnen Staaten, unter ihrer Flagge fahrenden Fischereifahrzeugen entsprechende Schutzmaßnahmen aufzuerlegen.

3.3

Mit der vorgeschlagenen Verordnung wird die Grundfischerei auf hoher See strengen Kontrollen unterworfen. Dies soll im Zuge von Maßnahmen geschehen, die mit jenen vergleichbar sind, die bereits von in den Gewässern des nordwestlichen und südlichen Pazifiks und in der Antarktis Hochseefischerei betreibenden Staaten angenommen wurden und die in regionalen Fischereiorganisationen im nördlichen und südöstlichen Atlantik, in der Antarktis und im Mittelmeer zur Annahme vorgelegt wurden.

3.4

Während der drei Jahre andauernden Verhandlungen über das Thema in der Generalversammlung der Vereinten Nationen erhielt die Kommission viele unterschiedliche Anregungen seitens der Mitgliedstaaten sowie aus Wirtschaftskreisen und Umweltschutzorganisationen. Sie setzte auf ein Regelungskonzept (im Gegensatz zu einem Verbot), das von den Flaggenstaaten über regionale Fischereiorganisationen umgesetzt und in dem Fall, dass ihre Fischereifahrzeuge in Hochseegebieten operieren, in denen derzeit keine regionale Fischereiorganisation besteht, von den Flaggenstaaten selbst zur Anwendung gebracht werden sollte.

3.5

In dem Vorschlag wird die Bewirtschaftung der Tiefseefischerei größtenteils den EU-Mitgliedstaaten überlassen und an die Erteilung einer speziellen Fangerlaubnis geknüpft. Wenn ein Fischereifahrzeug einen Antrag auf Erteilung einer speziellen Fangerlaubnis stellt, muss es einen detaillierten Fangplan vorlegen, in dem das voraussichtliche Fanggebiet, die Zielart(en), die Tiefe, in der gefischt wird, und das bathymetrische Profil des Meeresbodens in dem Gebiet anzugeben sind. Daraufhin werden der Fangplan und dessen potenzielle Auswirkungen auf empfindliche marine Ökosysteme von den zuständigen Behörden auf der Grundlage der besten verfügbaren wissenschaftlichen Informationen geprüft.

3.6

Darüber hinaus sieht der Vorschlag einige klare Beschränkungen vor. Der Einsatz von Grundfanggeräten in mehr als 1 000 m Tiefe soll verboten werden. Trifft ein Fischereifahrzeug auf ein empfindliches marines Ökosystem, muss es den Fang unverzüglich einstellen und darf seine Fangtätigkeiten erst wieder aufnehmen, wenn das Fahrzeug mindestens fünf Seemeilen von dem betreffenden Ort entfernt ist. Die zuständigen Behörden sollten über die genaue Lage des angetroffenen empfindlichen marinen Ökosystems informiert werden und können daraufhin beschließen, das Gebiet für die Fischerei mit Grundfanggeräten zu sperren. Auch wird vorgeschrieben, dass alle Fischereifahrzeuge satellitengestützte Schiffsüberwachungssysteme (VMS-Systeme) verwenden und wissenschaftliche Beobachter an Bord nehmen müssen.

3.7

Die Mitgliedstaaten müssen der Kommission alle sechs Monate über die Durchführung der Verordnung Bericht erstatten. Anschließend übermittelt die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat bis Juni 2010 einen Bericht, in den Vorschläge für gegebenenfalls erforderliche Änderungen einfließen.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss befürwortet die allgemeine politische Ausrichtung der Kommissionsvorlagen, da diese mit den Standpunkten im Einklang steht, die der EWSA in seiner früheren Stellungnahme zur Eindämmung des Verlusts der biologischen Vielfalt (NAT/334) zum Ausdruck gebracht hat.

4.2

In den letzten Jahren hat der EWSA die positiven und problematischen Aspekte im Zusammenhang mit den Zielen der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) im Rahmen verschiedener Stellungnahmen (5) untersucht und sich mit der Frage beschäftigt, wie die aquatischen Ressourcen vor dem Hintergrund einer nachhaltigen Entwicklung und unter ausgewogener Berücksichtigung ökologischer, wirtschaftlicher und sozialer Gesichtspunkte nachhaltig genutzt werden können. All diesen Aspekten sollte bei der Betrachtung des von der Kommission vorgelegten Verordnungsvorschlags Rechnung getragen werden.

4.3

Sowohl in der Mitteilung als auch in dem Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen zur Abschätzung der Folgen der vorgeschlagenen Verordnung heißt es, dass die Verordnung gegenwärtig nur für EU-Grundschleppnetzfischer gilt, die ihre Fangtätigkeiten im Südwestatlantik außerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) Argentiniens ausüben.

4.4

Diese Fangtätigkeiten werden von rund 30 Fischereifahrzeugen der Gemeinschaft im Südwestatlantik betrieben, wo aufgrund des langjährigen Disputs zwischen dem Vereinigten Königreich und Argentinien über die Falklandinseln noch keine regionale Fischereiorganisation eingerichtet wurde. Die einschlägigen Fischereitätigkeiten lassen sich wie folgt beschreiben:

Der als Hochseefischerei geltende Anteil der Fangtätigkeiten wird auf dem Festlandsockel und der oberen Neigung des patagonischen Schelfgebiets betrieben. Diese Fischereitätigkeiten werden seit 25 Jahren ausgeübt, und sowohl die Fischereiindustrie als auch Wissenschaftler versichern, dass das Fanggebiet unverändert geblieben ist und sich auf dieselben sandigen und flachen Grundgebiete erstreckt. Zwei Fischarten werden gefangen: Kurzflossenkalmar (Illex) und gewöhnlicher Kalmar (Loligo) sowie Hecht (Merlucius hubsi). Keine dieser Arten wird als Tiefseefisch eingeordnet: Eine solche Klassifizierung beruht entweder auf dem Kriterium der Tiefe (6) (nun von der FAO abgelehnt) oder auf biologischen Gesichtspunkten (lange Lebensdauer, späte Geschlechtsreife, langsames Wachstum oder geringe Fruchtbarkeit (7)), was gegen zusätzliche Schutzmaßnahmen spricht (8). Somit richten sich diese Fangtätigkeiten ohne wesentliche Beifänge auf Fischarten mittlerer und hoher Produktivität und werden in Gebieten durchgeführt, in denen sich nach derzeitigem Kenntnisstand keine besonders empfindlichen Ökosysteme befinden.

Die beschriebenen Fangtätigkeiten begannen mit von der EU finanzierten Versuchsfischereikampagnen, die ursprünglich einer Umverteilung der Gemeinschaftsflotte dienen sollten. Bei diesen Kampagnen waren Beobachter an Bord, und der Europäischen Kommission dürften diesbezüglich umfassende Informationen vorliegen.

Darüber hinaus finanzierte die Kommission Bewertungsstudien, und Spanien führte über das spanische ozeanographische Institut (IEO) während des gesamten Zeitraums ein Programm durch, in dessen Rahmen wissenschaftliche Beobachter an Bord genommen wurden, um zusätzlich zu anderen Informationen fortlaufend über diese Fangtätigkeiten Bericht zu erstatten (9).

Es werden nur in minimalem Umfang andere als die Zielarten gefangen (Beifänge), größtenteils Rosa Kingklip bzw. Meeraal (Genipterus blacodes) und Zackenbarsch (rock cod); bei letzterer handelt es sich um eine nicht kommerziell genutzte Art, bei der derzeit Bestrebungen bestehen, sie auf dem Gemeinschaftsmarkt einzuführen.

Sämtliche Fischereifahrzeuge der Gemeinschaft operieren mit einer speziellen, von den einzelnen Mitgliedstaaten erteilten Fangerlaubnis und werden per Satellit überwacht (VMS). Zudem verfügen 20 % der Flotte über wissenschaftliche Beobachter an Bord.

Sowohl der Fang von Kopffüßern (Cephalopoda), d.h. Kurzflossenkalmaren und gewöhnlichen Kalmaren, sowie von Hechten wird in zwei kleinen Hochseegebieten betrieben, die Teil eines viel größeren Fischereigebiets sind, zu dem die ausschließliche Wirtschaftszone Argentiniens und Uruguays sowie das von der Regierung der Falklandinseln kontrollierte Gebiet gehören, wo rund 100 Fischereifahrzeuge aus Argentinien und Drittländern (10) sowie von den Falklandinseln tätig sind.

Von den Tiefseearten, die in Anhang I und II der Verordnung (EG) Nr. 2347/2002 des Rates mit spezifischen Zugangsbedingungen und einschlägigen Bestimmungen für die Fischerei auf Tiefseebestände (11) aufgelistet werden, ist nur der Wrackbarsch (Polyprion americanus) in patagonischen Gewässern heimisch, doch wurden weder vom IEO noch von der Gemeinschaftsflotte Fänge dieser Fischart verzeichnet.

Die durch die Tätigkeit dieser Fischereifahrzeuge geschaffenen Arbeitsplätze und der daraus resultierende Wohlstand konzentrieren sich auf eine Gemeinschaftsregion, die in hohem Maße von der Fischerei abhängig ist (12).

4.5

In Anbetracht dessen schlägt der EWSA vor, dass dieses (geografisch genau definierte) Gebiet von den Bestimmungen der vorgeschlagenen Verordnung ausgenommen werden sollte, sofern die derzeit durchgeführte umfassende ozeanographische Untersuchung des Gebiets abschließend ergibt, dass sich dort nachweislich keine empfindlichen marinen Ökosysteme befinden.

4.6

Ferner ist der EWSA der Auffassung, dass durch den Verordnungsvorschlag der Kommission keine effiziente Anwendung und Harmonisierung der entsprechenden Regelungen durch die Mitgliedstaaten sichergestellt wird. Daher fordert der EWSA die Kommission auf, sich stärker um die Koordinierung und die Gewährleistung einer effizienten Durchführung der Verordnung durch die Mitgliedstaaten zu bemühen.

4.7

Nach Ansicht des EWSA sollte die Kommission zusätzlich zu den von den Mitgliedstaaten durchgeführten Folgenprüfungen unabhängige wissenschaftliche Bewertungen anregen. Zu diesem Zweck sollte sie die erforderlichen Mittel zur Finanzierung dieser Bewertungen bereitstellen.

4.8

Und schließlich weist der EWSA darauf hin, dass die FAO derzeit eine Reihe internationaler Leitlinien für die Bewirtschaftung der Tiefseefischerei auf hoher See ausarbeitet, und schlägt vor, dass die Kommission die daraus resultierenden Schlussfolgerungen berücksichtigt.

5.   Besondere Bemerkungen

5.1

Der EWSA ist der Auffassung, dass in Artikel 1 Absatz 1 des Verordnungsvorschlags auf Fischereifahrzeuge der Gemeinschaft Bezug genommen werden sollte, die in noch unberührten, bisher ungenutzten Fanggründen auf hoher See mit Grundfanggeräten Fischereitätigkeiten ausüben, und dass in diesem Artikel die Empfehlungen aus Ziffer 4.5 dieser Stellungnahme berücksichtigt werden sollten.

5.2

Nach Ansicht des EWSA ist die Begriffsbestimmung „empfindliches marines Ökosystem“ in Artikel 2 des Verordnungsvorschlags schwammig und unklar, was zu Problemen bei der Auslegung führen könnte. Die aktuellen Arbeiten der FAO könnten für eine Klarstellung hilfreich sein.

5.3

In Bezug auf Artikel 4 Absatz 5 gibt der EWSA zu bedenken, dass jegliche Änderungen der Fangpläne auch überprüft werden sollten, um sicherzustellen, dass keine erheblichen Beeinträchtigungen entstehen — d.h., dass die Änderungen wirklich den bei der Prüfung der Auswirkungen festgestellten Problemen Rechnung tragen. Ferner befürchtet der EWSA, dass die geplante Regelung nicht flexibel genug sein wird, um den Fangtätigkeiten gerecht zu werden, die stark variieren können und schwer vorhersehbar sind.

5.4

Nach Auffassung des EWSA könnte auch Artikel 5 zu Unklarheiten führen, da darin nicht zwischen dem Verlust der Gültigkeit und der Entziehung einer Fangerlaubnis unterschieden wird. Bei der speziellen Fangerlaubnis handelt es sich um eine behördliche Genehmigung, deren Gültigkeit an die Einhaltung der Verfahrensweisen geknüpft ist, die von der zuständigen Behörde für ihre Erteilung gefordert werden; sie behält ihre Gültigkeit, solange sie nicht von dieser Behörde ausgesetzt oder entzogen wird. Die Behörde sollte den Inhaber der Fangerlaubnis ausdrücklich über deren Entziehung bzw. Aussetzung in Kenntnis setzen und ihm die Möglichkeit geben, sich dazu zu äußern. Daher schlägt der EWSA folgenden Wortlaut vor: „Die spezielle Fangerlaubnis gemäß Artikel 3 Absatz 1 wird entzogen, wenn die Fischereitätigkeiten zu irgendeinem Zeitpunkt von dem gemäß Artikel 4 Absatz 1 vorgelegten Fangplan abweichen.“

5.5

Somit sollte der zweite Satz von Artikel 5 Absatz 2 wie folgt lauten: „Die zuständigen Behörden prüfen diese Änderungen und dürfen die Gültigkeitskriterien der Fangerlaubnis nur dann ändern, wenn die Änderungen keine Verlagerung der Fangtätigkeiten in Gebiete nach sich ziehen, in denen empfindliche marine Ökosysteme vorkommen oder vorkommen könnten.“

5.6

Laut Artikel 6 ist der Einsatz von Grundfanggeräten in mehr als 1 000 m Tiefe verboten. Nach Ansicht des EWSA sollte diese Bestimmung gestrichen werden, da keine ausreichenden wissenschaftlichen Beweise zur Bekräftigung einer solchen Beschränkung vorliegen, wie aus den Beratungen der FAO über die internationalen Leitlinien für die Bewirtschaftung der Tiefseefischerei auf hoher See hervorging. Dass gegenwärtig keine Flotte in Tiefen von mehr als 1 000 m operiert, muss nicht heißen, dass solche Fischereitätigkeiten durch die Verordnung künftig verhindert werden sollten, solange sie dem Grundsatz der Nachhaltigkeit genügen. Wie die Kommission selbst anerkennt, wird eine solche Maßnahme auch nicht in der Resolution 61/105 der VN-Generalversammlung empfohlen.

5.7

Der EWSA zeigt sich über die mangelnde Eindeutigkeit von Artikel 8 der vorgeschlagenen Verordnung besorgt. Es scheint keineswegs gewährleistet zu sein, dass sämtliche Gebiete, in denen sich empfindliche Ökosysteme befinden oder wahrscheinlich befinden könnten, für die Fischerei mit Grundfanggeräten gesperrt werden. Der Artikel sieht für Mitgliedstaaten, die wahrscheinliche empfindliche Gebiete identifiziert haben, keine eindeutige Verpflichtung vor, diese Gebiete für die unter ihrer Flagge fahrenden Schiffe zu sperren.

5.8

In Artikel 10 wird (wie auch in Artikel 5) der Verlust der Gültigkeit einer Fangerlaubnis mit ihrer Rücknahme bzw. Entziehung durcheinander gebracht. Daher schlägt der EWSA folgenden Wortlaut für Artikel 10 Absatz 1 vor: „Bei Verstoß gegen den Fangplan gemäß Artikel 4 Absatz 1 unter anderen als den in Artikel 5 Absatz 2 genannten Umständen wird die für das betreffende Fischereifahrzeug erteilte spezielle Fangerlaubnis entzogen. Fangtätigkeiten, die nach dem Zeitpunkt der Entziehung der speziellen Fangerlaubnis ausgeführt werden, gelten als Fischfang ohne Fangerlaubnis […].“

5.9

In Bezug auf Artikel 12, der die Zuteilung von Beobachtern für alle Fischereifahrzeuge vorsieht, ist der EWSA der Auffassung, dass diese Maßnahme unverhältnismäßig, unnötig und in einigen Fällen nicht durchsetzbar ist, da nicht alle Fischereifahrzeuge über die Möglichkeit zur Unterbringung einer zusätzlichen Person an Bord verfügen. Auch würden dadurch die Betriebskosten für die Unternehmen weiter in die Höhe getrieben. Insgesamt gehen wissenschaftliche Gremien davon aus, dass ein bestimmter Anteil an Beobachtern an Bord ausreicht, um die genannten Ziele zu erreichen.

5.10

Bezüglich Artikel 14 würde der EWSA zudem empfehlen, dass die Kommission dem Rat und dem Europäischen Parlament bis zum 30. Juni 2009 — und nicht, wie bisher in dem Artikel vorgesehen, bis zum 30. Juni 2010 — einen Bericht vorlegt. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen ist übereingekommen, 2009 die Umsetzung ihrer Resolution aus dem Jahr 2006 zu überprüfen, und es wäre für die Kommission von Bedeutung, ihren Bericht rechtzeitig vor dieser Überprüfung durch die VN-Generalversammlung vorzulegen.

5.11

Der EWSA hält den Zeitrahmen für das Inkrafttreten (am siebten Tag nach der Veröffentlichung der Verordnung im Amtsblatt der Europäischen Union) für nicht ausreichend, um es den Fischereifahrzeugen zu ermöglichen, Fangpläne vorzulegen und diese von der Kommission prüfen und genehmigen zu lassen, und schlägt deshalb vor, eine vernünftige, realistische Frist zu setzen, damit den Verpflichtungen nachgekommen werden und die Fangerlaubnis durch die Kommission erteilt werden kann.

5.12

Abschließend ist der EWSA der Ansicht, dass in die Verordnung eine Bestimmung oder ein Artikel aufgenommen werden sollte, wonach eine Prüfung vorgenommen werden muss, um zu gewährleisten, dass im Zuge der Regulierung der Fischereitätigkeiten die langfristige Nachhaltigkeit der Fischbestände und die Erhaltung von Beifangarten sichergestellt werden. Ersteres wird in der Resolution der VN-Generalversammlung gefordert, und beide Aspekte sind Verpflichtungen, die aus dem Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1995 über die Erhaltung der Fischbestände in der Hochseefischerei erwachsen.

Brüssel, den 29. Mai 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  Dazu gehören u.a. Grundschleppnetze, Dredgen, Stellnetze, Grundleinen sowie Reusen und Fallen. Siehe Friewald, A., Fosså, J. H., Koslow, T., Roberts, J. M. 2004. Cold-water coral reefs. UNEP-WCMC, Cambridge, Vereinigtes Königreich.

(2)  Idem.

(3)  Resolution 61/105 der Generalversammlung der Vereinten Nationen, Ziffern 83-86.

(4)  Resolution 59/25 (2004) und insbesondere 61/105 (Ziffern 80-95) vom 8. Dezember 2006.

(5)  NAT/264 — Verordnung zum Europäischen Fischereifonds (ABl. C 267 vom 27.10.2005); NAT/280 — Verordnung über finanzielle Maßnahmen der Gemeinschaft zur Durchführung der Gemeinsamen Fischereipolitik und im Bereich des Seerechts (ABl. C 65 vom 17.3.2006), NAT/316 (ABl. C 318 vom 23.12.2006), NAT/333 (ABl. C 168 vom 20.7.2007), NAT/334 — Eindämmung des Verlusts der biologischen Vielfalt (ABl. C 97 vom 28.4.2007); NAT/364 — Verordnung zur Einführung einer gemeinschaftlichen Rahmenregelung für die Erhebung, Verwaltung und Nutzung von Daten im Fischereisektor und Unterstützung wissenschaftlicher Gutachten zur Durchführung der Gemeinsamen Fischereipolitik(ABl. C 10 vom 15.1.2008).

(6)  Daten, die von Beobachtern des spanischen ozeanographischen Instituts erhoben wurden und sich mit den Satelliteninformationen aus Bordschreibern decken, verdeutlichen, dass die Fangtätigkeiten der spanischen Grundschleppnetzfischflotte auf hoher See im patagonischen Schelfgebiet zu über 95 % in Tiefen von weniger als 400 m stattfinden.

(7)  Studie von Koslow u. A., veröffentlicht im Journal of Marine Science des Internationalen Rats für Meeresforschung (ICES): J. A. Koslow, G. W. Boehlert, J. D. M. Gordon, R. L. Haedrich, P. Lorance and N. Parin, 2000. Continental Slope and deep-sea fisheries: implications for a fragile ecosystem.

(8)  Siehe Erwägungsgrund 10 des Verordnungsvorschlags.

(9)  Siehe Ziffer 2.2 des Arbeitspapiers der Kommissionsdienststellen.

(10)  Korea, Japan, China, Taiwan und Uruguay.

(11)  ABl. L 351 vom 28.12.2002, S. 6.

(12)  Aus von der galizischen Regionalregierung veröffentlichten Input-Output-Tabellen zur Fischkonservenindustrie in Galizien geht hervor, dass von den 74 Wirtschaftszweigen der galizischen Volkswirtschaft 61 von der Fischerei abhängig sind.


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