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Document 62018CA0355

Verbundene Rechtssachen C-355/18 bis C-357/18 und C-479/18: Urteil des Gerichtshofs (Dritte Kammer) vom 19. Dezember 2019 (Vorabentscheidungsersuchen des Landesgerichts Salzburg, Bezirksgerichts für Handelssachen Wien - Österreich) – Barbara Rust-Hackner (C-355/18), Christian Gmoser (C-356/18), Bettina Plackner (C-357/18)/Nürnberger Versicherung Aktiengesellschaft Österreich und KL/UNIQUA Österreich Versicherungen AG, LK/DONAU Versicherung AG Vienna Insurance Group, MJ/Allianz Elementar Lebensversicherungs-Aktiengesellschaft, NI/Allianz Elementar Lebensversicherungs-Aktiengesellschaft (C-479/18) (Vorlage zur Vorabentscheidung – Freier Dienstleistungsverkehr – Direktversicherung [Lebensversicherung] – Richtlinien 90/619/EWG, 92/96/EWG, 2002/83/EG und 2009/138/EG – Rücktrittsrecht – Unzutreffende Information über die Modalitäten der Ausübung des Rücktrittsrechts – Form des Rücktritts – Auswirkungen auf die Verpflichtungen des Versicherers – Frist – Ablauf der Rücktrittsfrist – Zulässigkeit des Rücktritts von einem gekündigten Vertrag – Zahlung des Rückkaufswerts – Erstattung der gezahlten Prämien – Anspruch auf Vergütungszinsen – Verjährung)

ABl. C 68 vom 2.3.2020, p. 8–9 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

2.3.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 68/8


Urteil des Gerichtshofs (Dritte Kammer) vom 19. Dezember 2019 (Vorabentscheidungsersuchen des Landesgerichts Salzburg, Bezirksgerichts für Handelssachen Wien - Österreich) – Barbara Rust-Hackner (C-355/18), Christian Gmoser (C-356/18), Bettina Plackner (C-357/18)/Nürnberger Versicherung Aktiengesellschaft Österreich und KL/UNIQUA Österreich Versicherungen AG, LK/DONAU Versicherung AG Vienna Insurance Group, MJ/Allianz Elementar Lebensversicherungs-Aktiengesellschaft, NI/Allianz Elementar Lebensversicherungs-Aktiengesellschaft (C-479/18)

(Verbundene Rechtssachen C-355/18 bis C-357/18 und C-479/18) (1)

(Vorlage zur Vorabentscheidung - Freier Dienstleistungsverkehr - Direktversicherung [Lebensversicherung] - Richtlinien 90/619/EWG, 92/96/EWG, 2002/83/EG und 2009/138/EG - Rücktrittsrecht - Unzutreffende Information über die Modalitäten der Ausübung des Rücktrittsrechts - Form des Rücktritts - Auswirkungen auf die Verpflichtungen des Versicherers - Frist - Ablauf der Rücktrittsfrist - Zulässigkeit des Rücktritts von einem gekündigten Vertrag - Zahlung des Rückkaufswerts - Erstattung der gezahlten Prämien - Anspruch auf Vergütungszinsen - Verjährung)

(2020/C 68/04)

Verfahrenssprache: Deutsch

Vorlegende Gerichte

Landesgericht Salzburg, Bezirksgericht für Handelssachen Wien

Parteien der Ausgangsverfahren

Kläger: Barbara Rust-Hackner (C-355/18), Christian Gmoser (C-356/18), Bettina Plackner (C-357/18), KL, LK, MJ, NI (C-479/18)

Beklagte: Nürnberger Versicherung Aktiengesellschaft Österreich (C-355/18 bis C-357/18), UNIQUA Österreich Versicherungen AG, DONAU Versicherung AG Vienna Insurance Group, Allianz Elementar Lebensversicherungs-Aktiengesellschaft (C-479/18)

Tenor

1.

Art. 15 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/EWG in der durch die Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992 geänderten Fassung in Verbindung mit Art. 31 der Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung), Art. 35 Abs. 1 der Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen in Verbindung mit deren Art. 36 Abs. 1 und Art. 185 Abs. 1 der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II) in Verbindung mit deren Art. 186 Abs. 1 sind dahin auszulegen, dass die Rücktrittsfrist bei einem Lebensversicherungsvertrag auch dann ab dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, zu dem der Versicherungsnehmer davon in Kenntnis gesetzt wird, dass der Vertrag geschlossen ist, wenn in den Informationen, die der Versicherer dem Versicherungsnehmer mitteilt,

nicht angegeben ist, dass die Erklärung des Rücktritts nach dem auf den Vertrag anwendbaren nationalen Recht keiner besonderen Form bedarf, oder

eine Form verlangt wird, die nach dem auf den Vertrag anwendbaren nationalen Recht oder den Bestimmungen des Vertrags nicht vorgeschrieben ist, solange dem Versicherungsnehmer durch die Informationen nicht die Möglichkeit genommen wird, sein Rücktrittsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei Mitteilung zutreffender Informationen auszuüben. Die vorlegenden Gerichte werden im Wege einer Gesamtwürdigung, bei der insbesondere dem nationalen Rechtsrahmen und den Umständen des Einzelfalls Rechnung zu tragen sein wird, zu prüfen haben, ob den Versicherungsnehmern diese Möglichkeit durch den in den ihnen mitgeteilten Informationen enthaltenen Fehler genommen wurde.

2.

Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 90/619 in der durch die Richtlinie 92/96 geänderten Fassung in Verbindung mit Art. 31 der Richtlinie 92/96 ist dahin auszulegen, dass, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer überhaupt keine Informationen über sein Rücktrittsrecht mitgeteilt hat oder die mitgeteilten Informationen derart fehlerhaft sind, dass dem Versicherungsnehmer die Möglichkeit genommen wird, sein Rücktrittsrecht unter im Wesentlichen denselben Bedingungen wie bei Mitteilung zutreffender Informationen auszuüben, die Rücktrittsfrist selbst dann nicht zu laufen beginnt, wenn der Versicherungsnehmer auf anderem Wege von seinem Rücktrittsrecht Kenntnis erlangt hat.

3.

Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 90/619 in der durch die Richtlinie 92/96 geänderten Fassung in Verbindung mit Art. 31 der Richtlinie 92/96 und Art. 35 Abs. 1 der Richtlinie 2002/83 in Verbindung mit deren Art. 36 Abs. 1 sind dahin auszulegen, dass der Versicherungsnehmer sein Rücktrittsrecht auch noch nach Kündigung und Erfüllung aller Verpflichtungen aus dem Vertrag, u. a. der Zahlung des Rückkaufswerts durch den Versicherer, ausüben kann, sofern in dem auf den Vertrag anwendbaren Recht nicht geregelt ist, welche rechtlichen Wirkungen es hat, wenn überhaupt keine Informationen über das Rücktrittsrecht mitgeteilt wurden oder die darüber mitgeteilten Informationen fehlerhaft waren.

4.

Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 90/619 in der durch die Richtlinie 92/96 geänderten Fassung, Art. 35 Abs. 1 der Richtlinie 2002/83 und Art. 185 Abs. 1 der Richtlinie 2009/138 sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der der Versicherer einem Versicherungsnehmer, der von seinem Vertrag zurückgetreten ist, lediglich den Rückkaufswert zu erstatten hat.

5.

Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 90/619 in der durch die Richtlinie 92/96 geänderten Fassung, Art. 35 Abs. 1 der Richtlinie 2002/83 und Art. 186 Abs. 1 der Richtlinie 2009/138 sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung, nach der Vergütungszinsen auf Beträge, die der Versicherungsnehmer nach seinem Rücktritt vom Vertrag wegen ungerechtfertigter Bereicherung zurückverlangt, in drei Jahren verjähren, nicht entgegenstehen, sofern dadurch die Wirksamkeit des Rücktrittsrechts des Versicherungsnehmers nicht beeinträchtigt wird, was das vorlegende Gericht in der Rechtssache C-479/18 zu prüfen haben wird.


(1)  ABl. C 294 vom 20.8.2018.

ABl. C 427 vom 26.11.2018.


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