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Document 62016CC0266

Schlussanträge des Generalanwalts M. Wathelet vom 10. Januar 2018.
Western Sahara Campaign UK gegen Commissioners for Her Majesty's Revenue and Customs und Secretary of State for Environment, Food and Rural Affairs.
Vorabentscheidungsersuchen des High Court of Justice (England & Wales), Queen's Bench Division (Administrative Court).
Vorlage zur Vorabentscheidung – Partnerschaftliches Fischereiabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Marokko – Protokoll zur Festlegung der Fangmöglichkeiten nach dem Abkommen – Rechtsakte, mit denen das Abkommen und das Protokoll geschlossen wurden – Verordnungen zur Aufteilung der durch das Protokoll festgelegten Fangmöglichkeiten auf die Mitgliedstaaten – Gerichtliche Zuständigkeit – Auslegung – Gültigkeit im Hinblick auf Art. 3 Abs. 5 EUV und das Völkerrecht – Anwendbarkeit des Abkommens und des Protokolls auf das Gebiet der Westsahara und die angrenzenden Gewässer.
Rechtssache C-266/16.

Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2018:1

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MELCHIOR WATHELET

vom 10. Januar 2018 ( 1 ) ( 2 )

Rechtssache C‑266/16

Western Sahara Campaign UK,

The Queen

gegen

Commissioners for Her Majesty’s Revenue and Customs,

Secretary of State for Environment, Food and Rural Affairs

(Vorabentscheidungsersuchen des High Court of Justice [England & Wales], Queen’s Bench Division [Administrative Court] [Hoher Gerichtshof (England und Wales), Abteilung Queen’s Bench (Verwaltungsgericht), Vereinigtes Königreich])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Partnerschaftliches Fischereiabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Marokko – Protokoll zur Festlegung der Fangmöglichkeiten nach diesem Abkommen – Rechtsakte, mit denen der Abschluss des Abkommens und des Protokolls genehmigt wurde – Verordnungen über die Aufteilung der durch das Protokoll festgelegten Fangmöglichkeiten unter den Mitgliedstaaten – Gültigkeit im Hinblick auf Art. 3 EUV und das Völkerrecht – Anwendung auf die Westsahara und die daran angrenzenden Gewässer“

Inhaltsverzeichnis

 

I. Einleitung

 

II. Rechtlicher Rahmen

 

A. Fischereiabkommen

 

B. Protokoll von 2013

 

C. Verordnung Nr. 764/2006

 

D. Beschluss 2013/785/EU

 

E. Verordnung Nr. 1270/2013

 

III. Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

 

IV. Verfahren vor dem Gerichtshof

 

V. Zur dritten und zur vierten Vorlagefrage

 

A. Zur Zuständigkeit des Gerichtshofs

 

B. Zur Sache

 

1. Vorbemerkungen

 

2. Möglichkeit, sich auf Regeln des Völkerrechts zu berufen, um die Ungültigkeit der streitigen Rechtsakte vor Gericht geltend zu machen

 

a) Allgemeine Grundsätze

 

b) Zur Möglichkeit, sich vor Gericht auf die Regeln des Völkerrechts zu berufen, die auf den Abschluss völkerrechtlicher Abkommen zur Nutzung natürlicher Ressourcen der Westsahara anwendbar sind

 

1) Das Selbstbestimmungsrecht

 

i) Das Selbstbestimmungsrecht gehört zu den „Menschenrechten“

 

ii) Das Selbstbestimmungsrecht als Grundsatz des allgemeinen Völkerrechts und des Völkervertragsrechts sowie Erga-omnes-Verpflichtung

 

– Die Union ist an das Selbstbestimmungsrecht gebunden

 

– Das Selbstbestimmungsrecht ist eine inhaltlich unbedingte und hinreichend genaue Regel des Völkerrechts

 

– Art und Struktur des Rechts auf Selbstbestimmung stehen einer gerichtlichen Kontrolle der streitigen Rechtsakte nicht entgegen

 

2) Der Grundsatz der dauerhaften Souveränität über die natürlichen Ressourcen

 

3) Die Regeln des humanitären Völkerrechts, die auf den Abschluss völkerrechtlicher Abkommen zur Nutzung der natürlichen Ressourcen des besetzten Gebiets anwendbar sind

 

3. Zur Gültigkeit der Verordnung Nr. 764/2006, des Beschlusses 2013/785 und der Verordnung Nr. 1270/2013 sowie zur Vereinbarkeit des Fischereiabkommens und des Protokolls von 2013 mit den einklagbaren Regeln des Völkerrechts, auf die Art. 3 Abs. 5 EUV verweist

 

a) Zur Wahrung des Selbstbestimmungsrechts der Bevölkerung der Westsahara durch die streitigen Rechtsakte und zu der Verpflichtung, keine aus einer Verletzung dieses Rechts resultierende rechtswidrige Situation anzuerkennen und keine Hilfe oder Unterstützung bei der Aufrechterhaltung dieser Situation zu leisten

 

1) Zum Bestehen eines freien Willens der Bevölkerung der Westsahara, durch die streitigen Rechtsakte ihre wirtschaftliche Entwicklung zu verfolgen und über ihre natürlichen Reichtümer und Ressourcen zu verfügen

 

2) Zu der Verpflichtung, keine aus einer Verletzung des Selbstbestimmungsrechts der Bevölkerung der Westsahara resultierende rechtswidrige Situation anzuerkennen und keine Hilfe oder Unterstützung bei der Aufrechterhaltung dieser Situation zu leisten

 

3) Beruht der Abschluss der auf die Westsahara anwendbaren völkerrechtlichen Abkommen mit dem Königreich Marokko auf einer anderen Rechtsgrundlage als dessen behaupteter Souveränität über dieses Gebiet?

 

i) Das Königreich Marokko als De-facto-Verwaltungsmacht der Westsahara

 

ii) Das Königreich Marokko als Besatzungsmacht der Westsahara

 

– Zur Anwendbarkeit des humanitären Völkerrechts auf die Westsahara

 

– Zum Vorliegen einer militärischen Besetzung der Westsahara

 

– Zur Fähigkeit der Besatzungsmacht, für das besetzte Gebiet geltende völkerrechtliche Abkommen zu schließen, und zu den Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen, denen der Abschluss solcher Abkommen unterliegt

 

b) Zur Wahrung des Grundsatzes der dauerhaften Souveränität über die natürlichen Ressourcen und der auf die Nutzung natürlicher Ressourcen des besetzten Gebiets anwendbaren Regeln des humanitären Völkerrechts durch die streitigen Rechtsakte

 

1) Der Grundsatz der dauerhaften Souveränität über die natürlichen Ressourcen

 

2) Art. 55 der Haager Landkriegsordnung von 1907

 

3) Zur Wahrung des Grundsatzes der dauerhaften Souveränität über die natürlichen Ressourcen sowie des Art. 55 der Haager Landkriegsordnung von 1907 durch die streitigen Rechtsakte

 

c) Zu den Beschränkungen der Pflicht zur Nichtanerkennung

 

4. Zusammenfassung

 

VI. Zum Antrag des Rates auf zeitliche Begrenzung der Wirkungen einer Ungültigerklärung

 

VII. Ergebnis

I. Einleitung

1.

Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Gültigkeit des partnerschaftlichen Fischereiabkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Marokko ( 3 ) (im Folgenden: Fischereiabkommen), des Protokolls zwischen der Europäischen Union und dem Königreich Marokko zur Festlegung der Fangmöglichkeiten und der finanziellen Gegenleistung nach dem Fischereiabkommen ( 4 ) (im Folgenden: Protokoll von 2013) und der Verordnung (EU) Nr. 1270/2013 des Rates vom 15. November 2013 über die Aufteilung der Fangmöglichkeiten nach dem Protokoll von 2013 ( 5 ), soweit durch diese Rechtsakte eine Bewirtschaftung der biologischen Meeresressourcen der Westsahara durch die Europäische Union und das Königreich Marokko eingeführt und ausgestaltet wird.

2.

Es handelt sich um das erste Ersuchen um Vorabentscheidung über die Gültigkeit von der Union abgeschlossener völkerrechtlicher Abkommen sowie der hierzu ergangenen Abschlussakte. In diesem Zusammenhang wirft es neue Rechtsfragen auf. Sie beziehen sich auf die Befugnis des Gerichtshofs, über die Gültigkeit der von der Union abgeschlossenen völkerrechtlichen Abkommen zu entscheiden, auf die Voraussetzungen, die ein Einzelner erfüllen muss, um sich auf völkerrechtliche Regeln im Rahmen der diese Abkommen betreffenden Gültigkeitsprüfung berufen zu können, und auf die Auslegung dieser Regeln; diese Fragen sind von größter Bedeutung für die richterliche Kontrolle des auswärtigen Handelns der Union und des seit den 1960er Jahren betriebenen Prozesses der Entkolonialisierung der Westsahara.

3.

Einige der Antworten auf diese Fragen werden zwar politische Implikationen haben. Wie jedoch der Internationale Gerichtshof ausgeführt hat, reicht „der Umstand, dass eine Rechtsfrage auch politische Aspekte aufweist, ‚wie es bei zahlreichen im Bereich der internationalen Angelegenheiten aufgeworfenen Fragen naturgemäß der Fall ist‘, … nicht aus, um sie ihres Charakters einer ‚Rechtsfrage‘ zu entkleiden und ‚dem Gerichtshof eine Zuständigkeit zu entziehen, die ihm nach seinem Statut ausdrücklich zusteht‘. Der Gerichtshof kann einer Frage, mit der er aufgefordert wird, einer im Wesentlichen justiziellen Aufgabe nachzukommen, ungeachtet ihrer politischen Aspekte den Rechtscharakter nicht aberkennen …“ ( 6 ).

II. Rechtlicher Rahmen

A. Fischereiabkommen

4.

Dem Fischereiabkommen gingen mehrere Abkommen voraus, die zwischen der Union und dem Königreich Marokko seit 1987 im Fischereisektor getroffen worden waren. Sein Abschluss wurde durch die Verordnung Nr. 764/2006 im Namen der Gemeinschaft genehmigt. Nach Art. 17 dieser Verordnung trat es am 28. Februar 2007 in Kraft ( 7 ).

5.

Nach seiner Präambel sowie seinen Art. 1 und 3 begründet dieses Abkommen eine Partnerschaft, die zu einer wirksamen Umsetzung der Fischereipolitik des Königreichs Marokko sowie ganz allgemein zu einer nachhaltigen und verantwortungsvollen Erhaltung und Bewirtschaftung der biologischen Ressourcen des Meeres beitragen soll, und zwar im Wege von Regeln für die wirtschaftliche, finanzielle, technische und wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien, für die Bedingungen, unter denen Fischereifahrzeuge, die die Flagge eines Mitgliedstaats der Union führen, Zugang zu den marokkanischen Fischereizonen haben, für Maßnahmen zur Kontrolle der Fischereitätigkeit in diesen Zonen und für die Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen des Fischereisektors.

6.

Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) sieht vor:

„Im Sinne dieses Abkommens, des Protokolls sowie des Anhangs bedeuten:

a)

‚marokkanische Fischereizone‘: die Gewässer unter der Hoheit oder der Gerichtsbarkeit Marokkos;

…“

7.

Art. 5 („Zugang von Gemeinschaftsschiffen zu den marokkanischen Fischereizonen“) bestimmt:

„(1)   Marokko verpflichtet sich, Gemeinschaftsschiffen in seinen Fischereizonen die Ausübung des Fischfangs gemäß diesem Abkommen, einschließlich des Protokolls und des Anhangs, zu gestatten.

(4)   Die [Union] verpflichtet sich, alle geeigneten Vorkehrungen zu treffen, um zu gewährleisten, dass sich ihre Schiffe an die Bestimmungen dieses Abkommens und die für die Fangtätigkeiten in den Gewässern unter der Gerichtsbarkeit Marokkos geltenden Rechtsvorschriften halten; dies geschieht im Einklang mit dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen.“

8.

In Art. 7 („Finanzielle Gegenleistung“) heißt es:

„(1)   Die [Union] gewährt Marokko eine finanzielle Gegenleistung entsprechend den im Protokoll und im Anhang festgelegten Bedingungen. Die finanzielle Gegenleistung setzt sich aus zwei Komponenten zusammen:

a)

Ausgleichszahlungen für den Zugang von Gemeinschaftsschiffen zu den marokkanischen Fischereigebieten, zusätzlich zu den von den Gemeinschaftsschiffen für die Lizenzen zu entrichtenden Gebühren;

b)

Fördermitteln der [Union] zur Einführung einer nationalen Fischereipolitik auf der Grundlage einer verantwortungsvollen Fischerei sowie einer nachhaltigen Bewirtschaftung der Fischereiressourcen in den marokkanischen Gewässern.

(2)   Die Festlegung der Höhe des in Absatz 1 Buchstabe b genannten Teils der finanziellen Gegenleistung erfolgt anhand von Zielen, die die Vertragsparteien einvernehmlich und im Einklang mit dem Protokoll festgelegt haben und die im Rahmen der marokkanischen Fischereipolitik gemäß einem jährlichen sowie einem mehrjährigen Programm zur Umsetzung dieser Politik verwirklicht werden sollen.“

9.

Art. 11 („Geltungsbereich“) sieht vor:

„Dieses Abkommen gilt einerseits für die Gebiete, in denen der [AEU-] Vertrag … angewendet wird, nach Maßgabe jenes Vertrags und andererseits für das Gebiet Marokkos und die Gewässer unter der Gerichtsbarkeit Marokkos.“

10.

Gemäß Art. 13 („Vorgehensweise im Falle von Meinungsverschiedenheiten“) konsultieren „[b]ei Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Auslegung oder Anwendung des Abkommens … die Vertragsparteien einander“.

11.

Nach Art. 16 sind „[d]as Protokoll und der Anhang mit seinen Anlagen … Bestandteil dieses Abkommens“. Dieses Protokoll und dieser Anhang nebst Anlagen waren für einen Zeitraum von vier Jahren vereinbart worden ( 8 ). Sie sind daher nicht mehr in Kraft, sondern wurden durch das Protokoll von 2013 mit seinem Anhang und den Anlagen ersetzt.

B. Protokoll von 2013

12.

Am 18. November 2013 unterzeichneten die Union und das Königreich Marokko das Protokoll von 2013 zur Festlegung der Fangmöglichkeiten und der finanziellen Gegenleistung nach dem Fischereiabkommen. Es trat am 15. Juli 2014 in Kraft ( 9 ).

13.

Sein Art. 1 („Allgemeine Grundsätze“) bestimmt:

„Das Protokoll mit seinem Anhang und den Anlagen ist Bestandteil des … Fischereiabkommens …, das im Rahmen des … Abkommens … zur Gründung einer Assoziation … geschlossen wurde. …

Die Umsetzung des vorliegenden Protokolls erfolgt … gemäß Artikel 2 des [Assoziationsabkommens] zur Achtung der demokratischen Grundsätze und der Menschenrechte.“

14.

In Art. 2 („Anwendungszeitraum, Laufzeit und Fangmöglichkeiten“) heißt es:

„Die ab dem Zeitpunkt der Anwendung des Fischereiabkommens für einen Zeitraum von vier Jahren geltenden Fangmöglichkeiten gemäß Artikel 5 des Fischereiabkommens sind in der dem vorliegenden Protokoll beigefügten Tabelle festgelegt.

Absatz 1 gilt vorbehaltlich der Artikel 4 und 5 dieses Protokolls.

…“

15.

Art. 3 („Finanzielle Gegenleistung“) lautet:

„(1)   Der jährliche Gesamtwert des Protokolls wird für den in Artikel 2 genannten Zeitraum mit 40000000 EUR beziffert. Dieser Betrag setzt sich folgendermaßen zusammen:

a)

30000000 EUR für die finanzielle Gegenleistung gemäß Artikel 7 des … Fischereiabkommens, die sich wie folgt aufteilt:

i)

16000000 EUR als finanzieller Ausgleich für den Zugang zu den Ressourcen;

ii)

14000000 EUR zur Förderung der Fischereipolitik in Marokko;

b)

geschätzte 10000000 EUR für die von den Reedern zu zahlenden Gebühren für Lizenzen, die gemäß Artikel 6 des Fischereiabkommens und den in Kapitel I Abschnitte D und E des Anhangs des vorliegenden Protokolls festgelegten Bedingungen ausgestellt werden.

(4)   Die finanzielle Gegenleistung gemäß Absatz 1 Buchstabe a wird auf das Konto des Allgemeinen Schatzamtes des Königreichs Marokko bei der ‚Trésorerie Générale du Royaume du Maroc‘ überwiesen; die Bankverbindung wird von den marokkanischen Behörden mitgeteilt.

(5)   Die Verwendung der finanziellen Gegenleistung unterliegt vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikels 6 dieses Protokolls der ausschließlichen Zuständigkeit der marokkanischen Behörden.“

16.

Art. 6 („Unterstützung der Fischereipolitik in Marokko“) sieht Folgendes vor:

„(1)   Mit der finanziellen Gegenleistung gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer ii des vorliegenden Protokolls wird im Rahmen der Strategie ‚Halieutis‘ zur Förderung des Fischereisektors die Entwicklung und Umsetzung der Fischereipolitik in Marokko unterstützt.

(2)   Marokko verwendet und verwaltet diese Mittel nach Maßgabe der Ziele und der entsprechenden jährlichen und mehrjährigen Programmplanung, die die Vertragsparteien im gemischten Ausschuss einvernehmlich, im Einklang mit dem ‚Halieutis‘-Programm und auf der Grundlage einer Abschätzung der erwarteten Auswirkungen der geplanten Vorhaben festlegen.

(6)   Je nach Art der Vorhaben und der Dauer ihrer Umsetzung legt Marokko dem gemischten Ausschuss einen Bericht über die Umsetzung der abgeschlossenen Vorhaben vor, die im Rahmen der gemäß diesem Protokoll vorgesehenen Unterstützung des Fischereisektors durchgeführt wurden, einschließlich der erwarteten wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen, insbesondere der Auswirkungen auf Beschäftigung und Investitionen sowie aller quantifizierbaren Auswirkungen der durchgeführten Maßnahmen und ihrer geografischen Verteilung. Diese Angaben werden auf der Grundlage von Indikatoren gemacht, die vom gemischten Ausschuss detailliert festzulegen sind.

(7)   Darüber hinaus legt Marokko vor Ablauf des Protokolls einen Abschlussbericht über die Umsetzung der gemäß diesem Protokoll vorgesehenen Unterstützung des Fischereisektors vor, einschließlich der in den vorstehenden Absätzen aufgeführten Angaben.

(8)   Die beiden Vertragsparteien begleiten die Umsetzung der Unterstützung des Fischereisektors, falls erforderlich, auch über den Ablauf dieses Protokolls hinaus sowie gegebenenfalls während einer Aussetzung gemäß den Bestimmungen dieses Protokolls.

…“

C. Verordnung Nr. 764/2006

17.

Dem ersten Erwägungsgrund der Verordnung zufolge haben „[d]ie [Union] und das Königreich Marokko … ein partnerschaftliches Fischereiabkommen ausgehandelt und paraphiert, das den Fischern aus der [Union] in den Gewässern unter der Hoheit oder der Gerichtsbarkeit des Königreichs Marokko Fangmöglichkeiten einräumt“.

18.

Gemäß Art. 1 der Verordnung wird das „Fischereiabkommen … im Namen der [Union] genehmigt“.

D. Beschluss 2013/785/EU

19.

Dem zweiten Erwägungsgrund des Beschlusses zufolge hat „[d]ie Union … mit dem Königreich Marokko ein neues Protokoll ausgehandelt, mit dem den Fischereifahrzeugen der Union Fangmöglichkeiten in den Gewässern eingeräumt werden, die im Bereich der Fischerei der Hoheit oder der Gerichtsbarkeit des Königreichs Marokko unterstehen“.

20.

Gemäß Art. 1 des Beschlusses wird „[d]as … Protokoll [von 2013] … im Namen der Union genehmigt“.

E. Verordnung Nr. 1270/2013

21.

Nach dem zweiten Erwägungsgrund der Verordnung hat „[d]ie Union … mit dem Königreich Marokko ein neues Protokoll zum partnerschaftlichen Fischereiabkommen … ausgehandelt, mit dem den Fischereifahrzeugen der Union Fangmöglichkeiten in den Gewässern eingeräumt [werden], die im Bereich der Fischerei der Hoheit oder der Gerichtsbarkeit des Königreichs Marokko unterstehen. Das neue Protokoll wurde am 24. Juli 2013 paraphiert.“

22.

Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung werden die im Protokoll von 2013 festgesetzten Fangmöglichkeiten auf die Mitgliedstaaten aufgeteilt. Im Zuge dieser Aufteilung wurde dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland eine Quote von 4525 t in der Kategorie Industrielle pelagische Fischerei zugewiesen.

III. Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

23.

Die Western Sahara Campaign UK (im Folgenden: WSC) ist eine unabhängige Freiwilligenorganisation mit Sitz im Vereinigten Königreich, die das Ziel verfolgt, die Anerkennung des der Bevölkerung der Westsahara zustehenden Rechts auf Selbstbestimmung zu fördern.

24.

Sie hat zwei miteinander zusammenhängende Verfahren gegen die Commissioners for Her Majesty’s Revenue and Customs (Finanz- und Zollverwaltung, Vereinigtes Königreich) und den Secretary of State for Environment, Food and Rural Affairs (Minister für Umwelt, Ernährung und Angelegenheiten des ländlichen Raums, Vereinigtes Königreich) anhängig gemacht.

25.

Die britische Finanz- und Zollverwaltung ist die Beklagte im ersten Verfahren, in dem sich WSC gegen die Gewährung einer Zollpräferenz für Erzeugnisse aus der Westsahara wendet, die als Waren mit Ursprung im Königreich Marokko gekennzeichnet waren. Der Minister für Umwelt, Ernährung und Angelegenheiten des ländlichen Raums ist der Beklagte im zweiten Verfahren, in dem sich WSC dagegen wendet, dass die streitigen Rechtsakte es dem Minister erlauben, Lizenzen für den Fischfang in den an die Westsahara angrenzenden Gewässern zu erteilen.

26.

In diesen Verfahren macht WSC geltend, das Europa‑Mittelmeer‑Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Marokko andererseits (ABl. 2000, L 70, S. 2, im Folgenden: Assoziationsabkommen) und das Fischereiabkommen seien rechtswidrig, soweit sie auf die Westsahara Anwendung fänden. Beide Abkommen seien ungültig, da sie gegen allgemeine Grundsätze des Unionsrechts und gegen Art. 3 Abs. 5 EUV verstießen, der die Union zur Einhaltung des Völkerrechts verpflichte. Diese im Kontext einer illegalen Besetzung abgeschlossenen Abkommen verletzten mehrere Regeln des Völkerrechts, insbesondere das der Bevölkerung der Westsahara zustehende Recht auf Selbstbestimmung, Art. 73 der Charta der Vereinten Nationen, den Grundsatz der dauerhaften Souveränität über die natürlichen Ressourcen und die auf militärische Besetzungen anwendbaren Regeln des humanitären Völkerrechts.

27.

Die britische Finanz- und Zollverwaltung und der Minister für Umwelt, Ernährung und Angelegenheiten des ländlichen Raums bestreiten die Befugnis von WSC, sich auf völkerrechtliche Regeln zu berufen, um die Rechtswidrigkeit der streitigen Abkommen vor Gericht geltend zu machen; jedenfalls seien die Klagen, mit denen WSC vor den englischen Gerichten die Politik des Königreichs Marokko gegenüber der Westsahara in Frage stellen wolle, nicht justiziabel. In der Sache tragen sie vor, in diesen Abkommen gebe es keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Union eine Missachtung zwingender Normen des Völkerrechts anerkannt oder unterstützt hätte. Außerdem sei die andauernde Okkupation des Gebiets der Westsahara durch das Königreich Marokko kein Hindernis dafür, dass mit ihm Abkommen über die Nutzung der natürlichen Ressourcen dieses Gebiets getroffen würden, zumal von den Vertragsparteien dieser Abkommen anerkannt werde, dass diese Nutzung der Bevölkerung des betreffenden Gebiets zugutekommen müsse.

28.

In diesem Zusammenhang äußert sich der High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Administrative Court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Abteilung Queen’s Bench [Verwaltungsgericht], Vereinigtes Königreich) dahin, dass „[die Unionsorgane] in der Frage, wo die souveränen Grenzen eines Drittstaats verlaufen, nicht immer neutral bleiben können, vor allem dann nicht, wenn es sich um eine rechtswidrige Okkupation des Territoriums eines anderen Staates handelt“ ( 10 ), da andernfalls die Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen und die Grundsätze, an die die Union gebunden sei, verletzt würden, und zwar unabhängig davon, wie weit das Ermessen der Unionsorgane im Bereich der auswärtigen Angelegenheiten sein möge.

29.

Dieses Gericht ist der Ansicht, auch wenn das Königreich Marokko behaupte, dass die Westsahara Teil seines souveränen Hoheitsgebiets sei, werde dieser Anspruch weder von der internationalen Gemeinschaft im Allgemeinen noch von der Union im Besonderen anerkannt. Das vorlegende Gericht sieht in der Präsenz des Königreichs Marokko vielmehr eine Besetzung, die es sogar als „andauernde Okkupation“ bezeichnet ( 11 ). Es stelle sich somit die Frage, ob es für eine Organisation wie die Union, die die Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen respektiere, legitim sei, mit einem Drittstaat ein Abkommen in Bezug auf ein Gebiet abzuschließen, das außerhalb der anerkannten Grenzen dieses Staates liege.

30.

Obwohl die Auffassung der Unionsorgane, dass die andauernde Okkupation des Gebiets der Westsahara durch das Königreich Marokko völkerrechtlich betrachtet den Abschluss von Abkommen zur Nutzung der natürlichen Ressourcen dieses Gebiets nicht ausschließe, keinen offensichtlichen Fehler darstelle, gehe die grundlegende Frage dahin, ob speziell die in Rede stehenden Abkommen bestimmten Grundsätzen des Völkerrechts widersprächen und ob die Wünsche der Bevölkerung der Westsahara und ihrer anerkannten Vertreter hinreichend berücksichtigt worden seien.

31.

Es gebe Argumente dafür, dass die Unionsorgane bei der Anwendung des Völkerrechts insoweit einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hätten, als die betreffenden Abkommen abgeschlossen worden seien, ohne dass das Königreich Marokko seinen Status als Verwaltungsmacht anerkannt und seine Verpflichtungen aus Art. 73 der Charta der Vereinten Nationen sowie die Pflicht, die Selbstbestimmung der Bevölkerung der Westsahara zu fördern, erfüllt hätte.

32.

Unter diesen Umständen hat der High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Administrative Court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Abteilung Queen’s Bench [Verwaltungsgericht], Vereinigtes Königreich) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Bezieht sich die Bezeichnung „Marokko“ in den Art. 9, 17 und 94 sowie im Protokoll Nr. 4 des Assoziationsabkommens nur auf das von den Vereinten Nationen und der Union anerkannte souveräne Hoheitsgebiet von Marokko, und schließt daher dieses Abkommen aus der Westsahara stammende Produkte von der gemäß dem Assoziationsabkommen zollfreien Einfuhr in die Union aus?

2.

Wenn aus der Westsahara stammende Produkte gemäß dem Assoziationsabkommen zollfrei in die Europäische Union eingeführt werden können, ist dann das Assoziationsabkommen im Hinblick auf die Verpflichtung nach Art. 3 Abs. 5 EUV, zur Einhaltung der einschlägigen Grundsätze des Völkerrechts und zur Wahrung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen beizutragen, und auf den Umfang, in dem das Assoziationsabkommen zugunsten der saharauischen Bevölkerung, in ihrem Namen und entsprechend ihren Wünschen und/oder in Absprache mit ihren anerkannten Vertretern abgeschlossen wurde, gültig?

3.

Ist das partnerschaftliche Fischereiabkommen, wie es durch die Verordnung Nr. 764/2006, den Beschluss 2013/785 und die Verordnung Nr. 1270/2013 genehmigt und durchgeführt worden ist, im Hinblick auf Art. 3 Abs. 5 EUV, nach dem die Union verpflichtet ist, einen Beitrag zur Einhaltung sämtlicher anwendbarer Grundsätze des Völkerrechts und zur Wahrung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen zu leisten, gültig, wenn berücksichtigt wird, inwieweit es zum Wohl des Volkes der Westsahara, in dessen Namen, mit dessen Willen und/oder unter Hinzuziehung anerkannter Vertreter von ihm abgeschlossen wurde?

4.

Kann die Klägerin des Ausgangsverfahrens geltend machen, dass Unionsrechtsakte wegen Verstoßes gegen das Völkerrecht ungültig sind, wenn berücksichtigt wird,

a)

dass sie sich nicht auf Rechte aus dem Unionsrecht beruft, obwohl sie nach innerstaatlichem Recht die Ungültigkeit von Unionsrecht geltend machen könnte, und/oder

b)

dass der Internationale Gerichtshof nach dem Grundsatz, den er im Urteil vom 15. Juni 1954, Monetary Gold Removed from Rome in 1943 (I.C.J. Reports 1954, S. 19), aufgestellt hat, keine Feststellungen treffen darf, mit denen ein Staat, der nicht Streitpartei ist und auch nicht erklärt hat, durch die Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs gebunden sein zu wollen, wegen seines Verhaltens gerügt oder in seinen Rechten verletzt wird?

33.

Mit Beschluss vom 23. November 2016 hat das vorlegende Gericht die Confédération marocaine de l’agriculture et du développement rural (Comader) als Beteiligte zu dem bei ihm anhängigen Verfahren zugelassen.

IV. Verfahren vor dem Gerichtshof

34.

Das Vorabentscheidungsersuchen ist am 13. Mai 2016 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen. Die spanische, die französische und die portugiesische Regierung sowie der Rat und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht.

35.

Mit Schreiben vom 17. Januar 2017 hat der Gerichtshof das vorlegende Gericht ersucht mitzuteilen, ob es in Anbetracht des Urteils vom 21. Dezember 2016, Rat/Front Polisario (C‑104/16 P, EU:C:2016:973), an der ersten und der zweiten Vorlagefrage festhalten oder diese zurückziehen wolle.

36.

Mit Schreiben vom 3. Februar 2017 hat das vorlegende Gericht seine ersten beiden Vorlagefragen mit der Begründung zurückgezogen, dass es ihre Beantwortung nicht mehr für erforderlich halte.

37.

Mit Schreiben vom 17. Februar 2017 hat der Gerichtshof die Parteien des Ausgangsrechtsstreits und die Beteiligten an dem bei ihm anhängigen Verfahren gebeten, binnen drei Wochen zur etwaigen Bedeutung des Urteils vom 21. Dezember 2016, Rat/Front Polisario (C‑104/16 P, EU:C:2016:973), für die Beantwortung der dritten Vorlagefrage Stellung zu nehmen und mehrere Fragen zu beantworten; diesem Ersuchen haben WSC, Comader, die spanische und die französische Regierung ( 12 ) sowie der Rat und die Kommission Folge geleistet.

38.

Am 6. September 2017 hat eine Sitzung stattgefunden, in der WSC, Comader, die spanische und die französische Regierung sowie der Rat und die Kommission mündlich verhandelt haben.

V. Zur dritten und zur vierten Vorlagefrage

39.

Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof wissen, ob das Fischereiabkommen, wie es durch die Verordnung Nr. 764/2006 genehmigt und durch das (mit dem Beschluss 2013/785 genehmigte) Protokoll von 2013 sowie durch die Verordnung Nr. 1270/2013 umgesetzt wurde, unter Berücksichtigung des Art. 3 Abs. 5 EUV, wonach die Union „einen Beitrag … zur strikten Einhaltung … des Völkerrechts … [und] zur Wahrung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen“ zu leisten hat, und des Umfangs, in dem dieses Abkommen zugunsten der saharauischen Bevölkerung, in ihrem Namen, entsprechend ihren Wünschen und/oder in Absprache mit ihren anerkannten Vertretern abgeschlossen wurde, gültig ist.

40.

Die vierte Frage, die das vorlegende Gericht dem Gerichtshof stellt, betrifft die Voraussetzungen, unter denen es möglich ist, sich im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle von Unionsrechtsakten aufgrund eines Ersuchens um Vorabentscheidung über deren Gültigkeit auf das Völkerrecht zu berufen.

41.

Diese Vorlagefragen sind meines Erachtens eng miteinander verbunden und müssen zusammen geprüft werden.

A. Zur Zuständigkeit des Gerichtshofs

42.

Die dritte Vorlagefrage zielt auf das Fischereiabkommen (mit den Ergänzungen durch das Protokoll von 2013) ab, wobei der Gerichtshof ersucht wird, über die Gültigkeit dieses von der Union abgeschlossenen völkerrechtlichen Vertrags zu entscheiden. Sie bezieht sich jedoch auch auf die vom Rat zu diesem Abkommen erlassenen Genehmigungs- und Umsetzungsakte.

43.

Nach Auffassung des Rates fehlt es dem Gerichtshof an der Zuständigkeit, um im Wege der Vorabentscheidung über die Gültigkeit des Fischereiabkommens zu befinden, da dieses als völkerrechtliche Übereinkunft keine Handlung der Organe im Sinne von Art. 267 Abs. 1 Buchst. b AEUV sei. Die Gültigkeit einer von der Union geschlossenen völkerrechtlichen Übereinkunft könne nur vor deren Abschluss im Rahmen des Gutachtenverfahrens gemäß Art. 218 Abs. 11 AEUV geprüft werden. Hilfsweise trägt der Rat zusammen mit der Kommission sowie der spanischen und der französischen Regierung vor, es könne angenommen werden, dass das Vorabentscheidungsersuchen in Wahrheit die Gültigkeit der Rechtsakte betreffe, mit denen der Abschluss des Fischereiabkommens und des Protokolls von 2013 genehmigt worden sei, d. h. der Verordnung Nr. 764/2006 und des Beschlusses 2013/785.

44.

Nach meinem Dafürhalten ist diese Rüge der Unzuständigkeit aus den folgenden Gründen zurückzuweisen.

45.

Gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b AEUV entscheidet der Gerichtshof im Wege der Vorabentscheidung „über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe … der Union“.

46.

Nach ständiger Rechtsprechung stellt ein von der Union abgeschlossenes völkerrechtliches Abkommen „für die [Union] die Handlung eines [Unions]organs“ im Sinne des Art. 267 AEUV dar ( 13 ). Auf dieser Grundlage hat der Gerichtshof oft die Bestimmungen derartiger von der Union abgeschlossener Abkommen im Wege der Vorabentscheidung ausgelegt ( 14 ), darunter übrigens auch das Fischereiabkommen ( 15 ).

47.

Überdies erstreckt sich dem Gerichtshof zufolge die Gültigkeitskontrolle im Wege der Vorabentscheidung auf alle Handlungen der Organe „ohne jede Ausnahme“ ( 16 ), wobei der AEU‑Vertrag „[m]it seinen Art. 263 und 277 einerseits und mit Art. 267 andererseits … ein vollständiges System von Rechtsbehelfen und Verfahren geschaffen [hat], das die Rechtmäßigkeitskontrolle der Unionshandlungen gewährleisten soll, mit der der Unionsrichter betraut wird“ ( 17 ).

48.

Allerdings gehören die von der Union abgeschlossenen völkerrechtlichen Abkommen, da mit einem Dritten vereinbart, sowohl der Völkerrechtsordnung als auch der Rechtsordnung der Union an.

49.

Während in der Völkerrechtsordnung ein internationaler Vertrag nur aus einem der in den Art. 46 bis 53 des am 23. Mai 1969 in Wien geschlossenen Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge ( 18 ) (im Folgenden: Wiener Vertragsrechtsübereinkommen) abschließend aufgezählten Gründe ungültig sein kann, geht aus Art. 218 Abs. 11 AEUV hervor, dass die „Bestimmungen einer … Übereinkunft, die die Union … geschlossen hat, … mit den [EU- und AEU‑]Verträgen und den Verfassungsgrundsätzen, die sich aus ihnen ableiten lassen, im Einklang stehen [müssen] ( 19 ).

50.

Um so weit wie möglich Komplikationen rechtlicher Art und im Bereich der internationalen Politik zu vermeiden, die entstehen könnten, wenn eine von der Union abgeschlossene internationale Übereinkunft mit dem EU- und dem AEU‑Vertrag unvereinbar wäre, nach dem Völkerrecht jedoch gültig bliebe, haben die Verfasser dieser Verträge das präventive Gutachtenverfahren geschaffen, das heute in Art. 218 Abs. 11 AEUV geregelt ist.

51.

Der Gerichtshof hat sich zur Begründung seiner Zuständigkeit dafür, die Vereinbarkeit internationaler Übereinkünfte im Rahmen des Gutachtenverfahrens zu überprüfen, übrigens auf den Umstand berufen, dass ihm diese Zuständigkeit jedenfalls aufgrund der Art. 258, 263 und 267 AEUV zusteht. Er hat entschieden, dass „[d]ie Frage, ob der Abschluss eines bestimmten Abkommens in die Zuständigkeit der [Union] fällt und ob gegebenenfalls von dieser Zuständigkeit in einer mit den Vertragsvorschriften zu vereinbarenden Weise Gebrauch gemacht worden ist, … grundsätzlich entweder unmittelbar nach Artikel [258 AEUV] oder Artikel [263 AEUV] oder aber im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens vor den Gerichtshof gebracht werden kann“ ( 20 ).

52.

Der Gerichtshof ist daher befugt, „alle Fragen [zu prüfen], die Zweifel an der materiellen oder formellen Vereinbarkeit des [internationalen] Abkommens mit den [EU- und AEU‑]Verträgen hervorrufen können“ ( 21 ).

53.

Damit die vorerwähnten Komplikationen vermieden werden, kann somit ein „geplantes“ völkerrechtliches Abkommen, wenn der Gerichtshof ein ablehnendes Gutachten über dessen Vereinbarkeit mit dem EU- und dem AEU‑Vertrag abgegeben hat, nicht in Kraft treten, es sei denn, dass es zuvor geändert worden ist ( 22 ). Auf jeden Fall wird der Gerichtshof nachträglich die materielle oder formelle Vereinbarkeit ( 23 ) des Abkommens mit dem EU- und dem AEU-Vertrag überprüfen können, wenn er mit einer Nichtigkeitsklage oder einem Vorabentscheidungsersuchen zur Beurteilung der Gültigkeit befasst ist.

54.

Nach alledem ist der Gerichtshof für die Überprüfung der Gültigkeit des Rechtsakts zuständig, mit dem der Rat den Abschluss eines völkerrechtlichen Abkommens genehmigt hat ( 24 ), was die Kontrolle der materiellen Rechtmäßigkeit dieses Aktes im Hinblick auf das betreffende Abkommen einschließt ( 25 ). In diesem Zusammenhang kann der Gerichtshof die Rechtmäßigkeit der Handlung des Rates (einschließlich des völkerrechtlichen Abkommens, dessen Abschluss diese genehmigt) im Hinblick auf den EU- und den AEU-Vertrag sowie die Verfassungsgrundsätze kontrollieren, die sich daraus ableiten lassen, wie etwa die Wahrung der Grundrechte ( 26 ) und des Völkerrechts ( 27 ) gemäß Art. 3 Abs. 5 EUV.

55.

Der Gerichtshof hat mithin die Befugnis, die Entscheidung des Rates, durch die der Abschluss des betreffenden völkerrechtlichen Abkommens genehmigt wird, aufzuheben (bei einer Nichtigkeitsklage) oder für ungültig zu erklären (bei einem Vorabentscheidungsersuchen) ( 28 ) und festzustellen, dass dieses Abkommen mit dem EU- und dem AEU‑Vertrag sowie mit den sich daraus ergebenden Verfassungsgrundsätzen unvereinbar ist.

56.

In solchen Fällen sind die Vertragsparteien völkerrechtlich weiterhin an das völkerrechtliche Abkommen gebunden, wobei die Unionsorgane verpflichtet sind, die Unvereinbarkeiten dieses Abkommens mit dem EU- und dem AEU-Vertrag sowie mit den sich daraus ergebenden Verfassungsgrundsätzen zu beheben ( 29 ). Erweist es sich als unmöglich, die Unvereinbarkeiten zu beheben, so müssen sie das Abkommen kündigen oder davon zurücktreten ( 30 ), und zwar in Anwendung des Verfahrens nach den Art. 56 und 65 bis 68 des Wiener Vertragsrechtsübereinkommens ( 31 ) sowie im vorliegenden Fall nach Art. 14 des Fischereiabkommens. Insoweit kann eine Analogie zu Art. 351 AEUV hergestellt werden, der die gleiche Situation hinsichtlich der von den Mitgliedstaaten vor ihrem Beitritt zur Union geschlossenen Übereinkünfte betrifft.

57.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der vom Internationalen Gerichtshof in dem Fall Monetary Gold Removed from Rome von 1943 ( 32 ) aufgestellte und in der vierten Vorlagefrage angesprochene Grundsatz, wonach jener Gerichtshof nicht die Befugnis hat, einen Rechtsstreit zwischen zwei Staaten zu entscheiden, wenn er dabei das Verhalten eines am Verfahren nicht beteiligten Staates prüfen müsste ( 33 ), für den vorliegenden Fall irrelevant ist, wie der Rat und die Kommission bemerkt haben. Diesen im Statut des Internationalen Gerichtshofs verankerten Grundsatz enthält die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union nämlich nicht; ohnehin könnte es ihn im Unionsrecht auch gar nicht geben, da er eine Kontrolle der Vereinbarkeit der von der Union abgeschlossenen völkerrechtlichen Abkommen mit dem EU- und dem AEU‑Vertrag automatisch unmöglich machen würde, wenn der Drittstaat, der das betreffende Abkommen mit der Union unterzeichnet hat, nicht am Verfahren vor dem Gerichtshof beteiligt wäre.

58.

Demnach soll mit den Vorlagefragen Folgendes geklärt werden:

die Gültigkeit der Verordnung Nr. 764/2006, soweit sie das Fischereiabkommen genehmigt, „das den Fischern aus der [Union] in den Gewässern unter der Hoheit oder der Gerichtsbarkeit des Königreichs Marokko Fangmöglichkeiten einräumt“ ( 34 ),

die Gültigkeit des Beschlusses 2013/785, soweit er das Protokoll von 2013 genehmigt, „mit dem den Fischereifahrzeugen der Union Fangmöglichkeiten in den Gewässern eingeräumt werden, die im Bereich der Fischerei der Hoheit oder der Gerichtsbarkeit des Königreichs Marokko unterstehen“ ( 35 ), und die finanzielle Gegenleistung für diese Nutzung festgelegt wird,

die Gültigkeit der Verordnung Nr. 1270/2013, soweit sie die Fangmöglichkeiten nach dem Protokoll von 2013 auf die Mitgliedstaaten aufteilt, und

die Vereinbarkeit des Fischereiabkommens und des Protokolls von 2013 mit dem EU- und dem AEU-Vertrag sowie mit den Verfassungsgrundsätzen, die sich daraus ableiten lassen, wozu insbesondere die nach Art. 3 Abs. 5 EUV für das auswärtige Handeln der Union vorgeschriebene Wahrung der Grundrechte und des Völkerrechts gehören.

59.

Im Folgenden werde ich alle diese Akte als die „streitigen Rechtsakte“ bezeichnen.

B. Zur Sache

1.   Vorbemerkungen

60.

Sowohl die Parteien des Ausgangsrechtsstreits als auch die Beteiligten am Verfahren vor dem Gerichtshof sind der Ansicht, die streitigen Rechtsakte seien auf das Gebiet der Westsahara und auf die daran angrenzenden Gewässer anwendbar. Diese Feststellung lässt sich dem Wortlaut des Fischereiabkommens und des Protokolls von 2013 jedoch nicht eindeutig entnehmen. In beiden fehlt nämlich ein ausdrücklicher Hinweis auf die Westsahara.

61.

Es ist somit zunächst zu untersuchen, ob die streitigen Rechtsakte auf die Westsahara anwendbar sind, da es andernfalls ausgeschlossen wäre, ihre Gültigkeit im Hinblick auf die vom vorlegenden Gericht und von WSC angeführten Vorschriften in Frage zu stellen ( 36 ).

62.

Nach meiner Meinung führt eine Auslegung des Fischereiabkommens und des Protokolls von 2013 im Einklang mit den in Art. 31 des Wiener Vertragsrechtsübereinkommens niedergelegten Auslegungsregeln für Verträge zu dem Ergebnis, dass beide Übereinkommen sehr wohl auf das Gebiet der Westsahara sowie die daran angrenzenden Gewässer anwendbar sind, und zwar aus folgenden Gründen.

63.

Erstens ist nach Art. 31 Abs. 1 dieses Übereinkommens „[e]in Vertrag … nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen“. Nach Abs. 2 „bedeutet der Zusammenhang außer dem Vertragswortlaut samt Präambel und Anlagen … jede sich auf den Vertrag beziehende Übereinkunft, die zwischen allen Vertragsparteien anlässlich des Vertragsabschlusses getroffen wurde“. Damit gehört zum Zusammenhang das Protokoll von 2006, das nicht mehr in Kraft ist, dessen Inhalt aber, was den Geltungsbereich des Fischereiabkommens angeht, im Wesentlichen dem des Protokolls von 2013 entspricht.

64.

Nach Art. 31 Abs. 3 dieses Übereinkommens ist außer dem Zusammenhang in gleicher Weise zudem u. a. „jede spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrags oder die Anwendung seiner Bestimmungen“ zu berücksichtigen. Folglich sind für die Auslegung des Geltungsbereichs des Fischereiabkommens die einschlägigen Bestimmungen des Protokolls von 2013 zu berücksichtigen.

65.

Im vorliegenden Fall gilt das Fischereiabkommen nach seinem Art. 11 hinsichtlich des Königreichs Marokko „für das Gebiet Marokkos und die Gewässer unter der Gerichtsbarkeit Marokkos“. Art. 2 Buchst. a des Abkommens definiert die „marokkanische Fischereizone“, in der die Nutzung der Fischbestände nach diesem Abkommen erfolgt, als „die Gewässer unter der Hoheit oder der Gerichtsbarkeit Marokkos“ ( 37 ).

66.

Diese Begriffe sind in den Anlagen 2 und 4 zum Anhang des Protokolls von 2013 näher bestimmt. Auf Ersuchen des Gerichtshofs hat die Kommission sechs Karten vorgelegt, aus denen die Abmessungen der Fischereizonen gemäß den Spezifikationen in diesen Anlagen hervorgehen:

Image

67.

Wie diese Karten zeigen, erstreckt sich die Fischereizone Nr. 3 (Kat. 3: nicht industrielle Fischerei Süd) südlich des Breitengrads 30°40’00”N jenseits von drei Seemeilen, während sich die Fischereizone Nr. 4 (Kat. 4: Fischerei auf demersale Arten) südlich des Breitengrads 29°N jenseits der 200-Meter-Isobathe für Trawler und von zwölf Seemeilen für Langleiner erstreckt; die Fischereizone Nr. 5 (Kat. 5: Thunfischfang) erfasst die gesamte marokkanische Atlantikzone jenseits von drei Seemeilen mit Ausnahme des Schutzgebiets östlich der Linie, die die Punkte 33°30’N/7°35’W und 35°48’N/6°20’W miteinander verbindet, während sich die Fischereizone Nr. 6 (Kat. 6: industrielle pelagische Fischerei) südlich des Breitengrads 29°N für Frostertrawler jenseits von 15 Seemeilen und für Trawler vom Typ RSW jenseits von acht Seemeilen erstreckt ( 38 ).

68.

Was die letztere Fischereizone betrifft, geht aus dem Protokoll der Sitzung des im Rahmen des Fischereiabkommens eingesetzten dritten gemischten Ausschusses vom 17. und 18. März 2008 in Brüssel hervor, dass sich die Union und das Königreich Marokko darauf verständigt haben, dass die Fischereitätigkeit in dieser Zone nur südlich des Breitengrads 26°07’N ausgeübt werden kann. Gemäß Kapitel III des Anhangs des Protokolls 2013 und der Anlage 4 zu diesem Anhang kann nämlich das Königreich Marokko diese geografischen Koordinaten einseitig ändern, sofern es die Kommission mindestens einen Monat im Voraus über eine solche Änderung informiert.

69.

Die südliche Grenze dieser Fischereizonen ist weder im Fischereiabkommen noch im Protokoll von 2013 festgelegt ( 39 ). Da die Grenze zwischen der Westsahara und dem Königreich Marokko entlang dem Breitengrad 27°42’N (Stafford-Punkt) verläuft ( 40 ), ist nur die Fischereizone Nr. 6 kraft der späteren Übereinkunft zwischen der Union und dem Königreich Marokko ausdrücklich auf die an die Westsahara angrenzenden Gewässer anwendbar. Aus den von der Kommission vorgelegten Karten geht jedoch hervor, dass die Fischereizonen Nrn. 3 bis 5 bis zur Seegrenze zwischen der Islamischen Republik Mauretanien und der Westsahara reichen und somit die Gewässer erfassen, die an Letztere angrenzen.

70.

Im Übrigen wird durch die von der Kommission in der mündlichen Verhandlung genannten Fangmengen pro Fischereizone bestätigt, dass das Fischereiabkommen und das Protokoll von 2013 fast ausschließlich auf die an die Westsahara angrenzenden Gewässer Anwendung finden ( 41 ). Nach den Zahlen der Kommission macht die Fangmenge allein in der Fischereizone Nr. 6 rund 91,5 % der Gesamtmenge der im Rahmen des Fischereiabkommens und des Protokolls von 2013 getätigten Fänge aus. Dies zeigt klar, dass die Anwendung des Fischereiabkommens und des Protokolls von 2013 auf die an die Westsahara angrenzenden Gewässer genau das war, was die Parteien von Beginn an im Auge hatten.

71.

Hinsichtlich der Anwendung des Fischereiabkommens und des Protokolls von 2013 auf das Festland sieht Art. 3 Abs. 1 Buchst. a Ziff. ii dieses Protokolls vor, dass ein 14 Mio. Euro betragender Teil der von der Union an das Königreich Marokko gezahlten finanziellen Gegenleistung zur Förderung der Fischereipolitik in Marokko bestimmt ist, was dem Rat und der Kommission zufolge Infrastrukturinvestitionen im Gebiet der Westsahara umfasst. Außerdem hat nach Kapitel X des Anhangs des Protokolls von 2013 die Anlandung eines Teils der Fänge in marokkanischen Häfen zu erfolgen, wozu laut Rat und Kommission auch Häfen in der Westsahara gehören. Schließlich müssen das Fischereiabkommen und das Protokoll von 2013 dem Rat und der Kommission zufolge der Bevölkerung der Westsahara zugutekommen, was an sich eine Anwendung dieses Abkommens und dieses Protokolls auf das Festland darstellt.

72.

Zweitens wird die Feststellung, dass das Fischereiabkommen auf die Westsahara und auf die daran angrenzenden Gewässer anwendbar ist, durch die Entstehungsgeschichte des Abkommens bestätigt. Wie die Kommission nämlich bemerkt hat, geht das Fischereiabkommen auf die Fischereiabkommen zurück, die das Königreich Spanien vor seinem Beitritt zur Union mit dem Königreich Marokko abgeschlossen hatte ( 42 ) und die für die an die Westsahara angrenzenden Gewässer als Gewässer unter marokkanischer Gerichtsbarkeit galten ( 43 ). Ich weise auch darauf hin, dass die zwischen der Union und dem Königreich Marokko seit 1988 geschlossenen Fischereiabkommen bereits Gegenstand mehrerer Rechtssachen waren, die den Fischfang in den an die Westsahara angrenzenden Gewässern betrafen ( 44 ). Demgemäß bin ich der Ansicht, dass das Fischereiabkommen und das Protokoll von 2013 – wie ihre Vorgänger – nur die Fischereitätigkeiten des Königreichs Spanien in den an die Westsahara angrenzenden Gewässern, wie sie vor dem Beitritt dieses Mitgliedstaats zur Union bestanden, übernehmen und fortschreiben.

73.

Drittens schließlich kommt nach Art. 31 Abs. 4 dieses Übereinkommens den Absichten der Parteien ausschlaggebende Bedeutung zu, da es dort heißt, dass „[e]ine besondere Bedeutung … einem Ausdruck beizulegen [ist], wenn feststeht, dass die Vertragsparteien dies beabsichtigt haben“. Meines Erachtens war es die Absicht der Union und des Königreichs Marokko, dass das Fischereiabkommen auf die Westsahara und auf die daran angrenzenden Gewässer als Gewässer unter marokkanischer Hoheit oder Gerichtsbarkeit Anwendung finden sollte. 1976 annektierte das Königreich Marokko den nördlich der Strecke zwischen dem Schnittpunkt der Atlantikküste mit dem Breitengrad 24°N sowie dem Schnittpunkt des Breitengrads 23°N mit dem Längengrad 13°W gelegenen Teil der Westsahara ( 45 ), und zwar gemäß dem am 14. April 1976 in Rabat geschlossenen Übereinkommen über den Verlauf der Staatsgrenze zwischen der Islamischen Republik Mauretanien und dem Königreich Marokko ( 46 ). Die Annexion der Westsahara durch das Königreich Marokko wurde 1979 durch den Anschluss des südlichen Teils der Westsahara ergänzt ( 47 ), der nach dem genannten Übereinkommen der Islamischen Republik Mauretanien zugesprochen worden war. Das Königreich Marokko ist somit der Ansicht, dass die Westsahara unter seiner Hoheit stehe und dass folglich die angrenzenden Gewässer in den Anwendungsbereich des Fischereiabkommens und des Protokolls von 2013 fielen.

74.

Was die Union anbelangt, geht aus den Erklärungen, die mehrere Mitgliedstaaten bei der Genehmigung des Protokolls von 2013 im Rat abgegeben haben, klar hervor, dass sowohl dieses als auch das Fischereiabkommen auf die Westsahara anwendbar sind ( 48 ). Dies war im Übrigen, wie das vorlegende Gericht und die Kommission ausgeführt haben, der Grund dafür, dass das Europäische Parlament die Neuverhandlung des Protokolls zur Festlegung der Fangmöglichkeiten und der finanziellen Gegenleistung nach dem Fischereiabkommen zunächst blockiert hatte. Aus demselben Grund stimmten das Königreich Dänemark und das Königreich Schweden gegen eine Genehmigung des Abschlusses dieses Protokolls, enthielten sich das Königreich der Niederlande ( 49 ), die Republik Finnland und das Vereinigte Königreich der Stimme und äußerten die Bundesrepublik Deutschland, Irland sowie die Republik Österreich Vorbehalte ( 50 ).

75.

In diesem Kontext scheint mir – anders als im Fall des Assoziationsabkommens, das Gegenstand des Urteils vom 21. Dezember 2016, Rat/Front Polisario (C‑104/16 P, EU:C:2016:973), war – die Absicht der Vertragsparteien offenkundig festzustehen: Das Fischereiabkommen und das Protokoll von 2013 sind auf die Westsahara und auf die daran angrenzenden Gewässer anwendbar. Somit obliegt dem Gerichtshof die Prüfung, ob diese mit den streitigen Rechtsakten umgesetzte Absicht deren Rechtmäßigkeit im Hinblick auf Art. 3 Abs. 5 EUV und die von WSC geltend gemachten völkerrechtlichen Regeln berührt.

2.   Möglichkeit, sich auf Regeln des Völkerrechts zu berufen, um die Ungültigkeit der streitigen Rechtsakte vor Gericht geltend zu machen

a)   Allgemeine Grundsätze

76.

Mit ihrer Argumentation stellt WSC die streitigen Rechtsakte im Wesentlichen unter zwei Aspekten in Frage. Erstens dürfe die Union von Rechts wegen mit dem Königreich Marokko keine für das Gebiet der Westsahara und für die daran angrenzenden Gewässer geltenden Abkommen abschließen. Zweitens seien die streitigen Rechtsakte, selbst wenn die Union befugt sein sollte, derartige Abkommen zu schließen, im Hinblick auf Art. 3 Abs. 5 EUV und das Völkerrecht wegen ihres Inhalts ungültig. Zur Begründung beruft sich WSC auf mehrere Regeln des Völkerrechts, insbesondere auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker, auf Art. 73 der Charta der Vereinten Nationen, auf den Grundsatz der dauerhaften Souveränität über die natürlichen Ressourcen und auf das humanitäre Völkerrecht, soweit dessen Regeln den Abschluss der auf die besetzten Gebiete anwendbaren völkerrechtlichen Abkommen und die Nutzung der natürlichen Ressourcen dieser Gebiete betreffen. In der Sitzung hat WSC klargestellt, dass sie die Gültigkeit der streitigen Rechtsakte nicht unter dem Gesichtspunkt des internationalen Seerechts in Frage stelle.

77.

Der Minister für Umwelt, Ernährung und Angelegenheiten des ländlichen Raums, Comader, die spanische, die französische und die portugiesische Regierung sowie der Rat und die Kommission sprechen der WSC unter Hinweis auf die im Urteil vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a. (C‑366/10, EU:C:2011:864), aufgestellten Grundsätze die Befugnis ab, sich vor Gericht auf diese völkerrechtlichen Regeln zu berufen.

78.

Nach den Rn. 51 bis 55 des Urteils vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a. (C‑366/10, EU:C:2011:864), können die Normen des Völkervertragsrechts unter den folgenden Voraussetzungen vor Gericht geltend gemacht werden: Die Union muss an diese Normen gebunden sein, Letztere müssen inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sein, und schließlich dürfen ihre Art und Struktur einer gerichtlichen Kontrolle des beanstandeten Rechtsakts nicht entgegenstehen.

79.

Nach den Rn. 101 bis 103 und 107 des Urteils vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a. (C‑366/10, EU:C:2011:864), können die Regeln des Völkergewohnheitsrechts unter den folgenden Voraussetzungen vor Gericht geltend gemacht werden: Die Zuständigkeit der Union für den Erlass des beanstandeten Rechtsakts muss durch diese Regeln in Frage gestellt werden können, und durch diesen Rechtsakt müssen Rechte des Bürgers aus dem Unionsrecht beeinträchtigt oder Verpflichtungen des Bürgers aus dem Unionsrecht begründet werden können.

80.

Obwohl die Einzelnen bestimmte Voraussetzungen erfüllen müssen, um im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle von Unionsrechtsakten das Völkerrecht geltend machen zu können, lassen sich die in diesem Urteil aufgestellten Grundsätze meines Erachtens nicht ohne Weiteres auf die vorliegende Rechtssache übertragen. Diese Grundsätze betreffen nämlich die gerichtliche Kontrolle rein interner einseitiger Maßnahmen des abgeleiteten Rechts (Verordnungen, Richtlinien usw.) ( 51 ), während sich im vorliegenden Fall, wie die Kommission bemerkt hat ( 52 ), die hiervon zu trennende Frage nach der Gültigkeit eines von der Union abgeschlossenen völkerrechtlichen Abkommens stellt, und zwar anhand des Rechtsakts, mit dem sein Abschluss genehmigt worden ist (abgeleitetes Vertragsrecht) ( 53 ).

81.

Insoweit ist zu beachten, dass die Mitgliedschaft bei den Vereinten Nationen (UNO) den Staaten vorbehalten ist ( 54 ). Da die Union kein Mitglied der UNO ist, ist sie auch keine Vertragspartei des Statuts des Internationalen Gerichtshofs, wie es in Art. 93 der Charta der Vereinten Nationen für die UNO‑Mitglieder vorgesehen ist. Außerdem sind nach Art. 34 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs allein die Staaten berechtigt, vor diesem aufzutreten.

82.

Daraus folgt, dass kein internationales Gericht, auch nicht der Internationale Gerichtshof, die Zuständigkeit besitzt, das auswärtige Handeln der Union zu kontrollieren. Daher wäre, selbst wenn die Union durch ihr Handeln zwingende Normen des Völkerrechts im Sinne von Art. 53 des Wiener Vertragsrechtsübereinkommens oder sogenannte „Erga-omnes“-Verpflichtungen des Völkergewohnheitsrechts verletzte ( 55 ), kein internationales Gericht für die Entscheidung über einen solchen Rechtsverstoß zuständig.

83.

Bestimmte internationale Übereinkünfte räumen allerdings der Union die Möglichkeit ein, „sich den Entscheidungen eines durch solche Übereinkünfte geschaffenen oder bestimmten Gerichts in Bezug auf die Auslegung und Anwendung ihrer Bestimmungen zu unterwerfen“, wobei der Gerichtshof ihr diese Möglichkeit in seiner Rechtsprechung zubilligt ( 56 ).

84.

Dies ist beim Fischereiabkommen nicht der Fall, dessen Art. 13 („Vorgehensweise im Falle von Meinungsverschiedenheiten“) bestimmt: „Bei Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Auslegung oder Anwendung des Abkommens konsultieren die Vertragsparteien einander.“ Da kein unabhängiges und unparteiisches Gericht mit der Befugnis geschaffen wurde, über die im Rahmen des Fischereiabkommens möglicherweise entstehenden Streitigkeiten zu entscheiden, hängt deren Beilegung vom guten Willen der Vertragsparteien ab und kann daher leicht von jeder Partei blockiert werden ( 57 ).

85.

Wenn der Gerichtshof somit mangels Alternativen das einzige Rechtsprechungsorgan ist, das die Zuständigkeit besitzt, das auswärtige Handeln der Union zu kontrollieren und zu überprüfen, ob dieses Handeln „zur strikten Einhaltung … des Völkerrechts [und] zur Wahrung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen“ beiträgt ( 58 ), ist es kaum verwunderlich, dass er entschieden hat, „dass [d]ie Ausübung der Kompetenzen, die den [Unions]organen im internationalen Verkehr zustehen, … der gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle … nicht entzogen werden [darf]“ ( 59 ).

86.

Zwar müssen die Einzelnen in diesem Kontext bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um unter Berufung auf das Völkerrecht die Vereinbarkeit eines von der Union abgeschlossenen völkerrechtlichen Abkommens mit Art. 3 Abs. 5 EUV in Frage stellen zu können; diese Voraussetzungen dürfen jedoch nicht dergestalt sein, dass sie eine effektive gerichtliche Kontrolle des auswärtigen Handelns der Union praktisch unmöglich machen würden.

87.

Dies wäre aber meines Erachtens der Fall, wenn die Grundsätze, die für den im Urteil vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a. (C‑366/10, EU:C:2011:864) behandelten Fall aufgestellt wurden, ohne Weiteres auf die Kontrolle der Gültigkeit der streitigen Rechtsakte übertragen würden.

88.

Bei manchen der in der vorliegenden Rechtssache geltend gemachten völkerrechtlichen Regeln handelt es sich nämlich sowohl um solche des Gewohnheitsrechts als auch um solche des Vertragsrechts, da sie in mehreren Verträgen und völkerrechtlichen Übereinkünften kodifiziert wurden, während andere, wie das Recht auf Selbstbestimmung, dem allgemeinen Völkerrecht zuzurechnen sind ( 60 ), so dass sie nicht allein dem Völkervertrags- oder ‑gewohnheitsrecht angehören, hinsichtlich dessen der Gerichtshof im Urteil vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a. (C‑366/10, EU:C:2011:864), entschieden hat, unter welchen Voraussetzungen eine Berufung auf sie vor Gericht möglich ist.

89.

Zudem hat der Gerichtshof deshalb, weil er die Möglichkeit einer Berufung auf das Völkergewohnheitsrecht nicht von vornherein ausschließen wollte, dafür andere Voraussetzungen als für die Berufung auf das Völkervertragsrecht aufgestellt; es würde aber ebendieser Zielsetzung zuwiderlaufen, wenn – wie es der Minister für Umwelt, Ernährung und Angelegenheiten des ländlichen Raums, die spanische, die französische und die portugiesische Regierung sowie der Rat und die Kommission vorschlagen – in einem Fall, in dem die Voraussetzungen für eine Berufung auf das Völkervertragsrecht erfüllt sind, eine Berufung auf das allgemeine Völkerrecht davon abhängig gemacht würde, dass auch die Voraussetzungen für eine Berufung auf das Völkervertragsrecht erfüllt sein müssen.

90.

Eine solche Lösung würde es den Einzelnen von vornherein unmöglich machen, sich vor Gericht auf immerhin wesentliche Regeln des Völkerrechts zu berufen, wie etwa zwingende Normen des allgemeinen Völkerrechts oder sogenannte völkerrechtliche Erga‑omnes-Verpflichtungen, und zwar aus den folgenden Gründen.

91.

Zunächst muss nach der ersten Voraussetzung, unter der Regeln des Völkergewohnheitsrechts vor Gericht geltend gemacht werden können – und die der Gerichtshof für den Fall aufgestellt hat, dass der beanstandete Rechtsakt eine rein interne einseitige Maßnahme des abgeleiteten Rechts ist –, die Zuständigkeit der Union für den Erlass dieses Rechtsakts durch die geltend gemachten Regeln in Frage gestellt werden können. Ich erinnere daran, dass es in der Rechtssache, in der das Urteil vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a. (C‑366/10, EU:C:2011:864), ergangen ist, und in den Rechtssachen, in denen die in Rn. 107 dieses Urteils angeführten Urteile ergangen sind, um die Zuständigkeit der Union für den Erlass des beanstandeten Rechtsakts ging, von dem behauptet wurde, er habe extraterritoriale Auswirkungen.

92.

Im vorliegenden Fall stellt niemand die Zuständigkeit ( 61 ) der Union für den Abschluss des Fischereiabkommens und des Protokolls von 2013 oder den Erlass der Verordnung Nr. 764/2006, des Beschlusses 2013/785 und der Verordnung Nr. 1270/2013 in Abrede. WSC stellt vielmehr die Vereinbarkeit des Fischereiabkommens und des Protokolls von 2013 mit dem Primärrecht der Union sowie die materielle Rechtmäßigkeit der Verordnung Nr. 764/2006, des Beschlusses 2013/785 und der Verordnung Nr. 1270/2013 in Frage. Es wäre absurd, wenn die Kontrolle der streitigen Rechtsakte allein auf die Frage der Unionszuständigkeit beschränkt und ihre materiell-rechtliche Überprüfung im Hinblick auf die überaus wichtigen völkerrechtlichen Normen, die im vorliegenden Fall geltend gemacht werden, von vornherein ausgeschlossen würde.

93.

Sodann erweist sich die Anwendung der zweiten Voraussetzung, unter der Regeln des Völkergewohnheitsrechts in einem Fall wie dem vorliegenden geltend gemacht werden können, als noch problematischer. Nach dieser Voraussetzung müssen durch den beanstandeten Rechtsakt Rechte des Bürgers aus dem Unionsrecht beeinträchtigt oder Verpflichtungen des Bürgers aus dem Unionsrecht begründet werden können ( 62 ).

94.

Im vorliegenden Fall begründen die streitigen Rechtsakte Rechte und Verpflichtungen nur für die Union und für das Königreich Marokko. In der Tat sehe ich keine Bestimmung in den streitigen Rechtsakten, die Rechte oder Verpflichtungen für die Einzelnen begründen würde, vielleicht mit Ausnahme der Reeder aus der Union (ich habe jedoch meine Zweifel), für deren Schiffe eine Fanglizenz im Rahmen des Fischereiabkommens ausgestellt worden ist. Selbst wenn also anzunehmen wäre, dass eine bestimmte Personengruppe nach dieser Voraussetzung die streitigen Rechtsakte einer gerichtlichen Kontrolle zuführen könnte, bestünde diese Gruppe ausschließlich aus Personen, die aus dem Fischereiabkommen einen Nutzen ziehen und somit kein Interesse daran haben, gerichtlich gegen dieses Abkommen vorzugehen.

95.

Warum schließlich sollte sich „die gerichtliche Kontrolle … auf die Frage beschränken, ob den Organen der Union beim Erlass des betreffenden Rechtsakts offensichtliche Fehler bei der Beurteilung der Voraussetzungen für die Anwendung dieser Grundsätze unterlaufen sind“ ( 63 ), wenn diese Grundsätze aufgrund ihrer Kodifizierung „dieselbe Bestimmtheit aufweis[en] wie eine Bestimmung einer internationalen Übereinkunft“ ( 64 )?

96.

Diesen Punkt möchte ich wie folgt zusammenfassen: Im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle der von der Union abgeschlossenen völkerrechtlichen Abkommen und der Unionsrechtsakte, mit denen derartige Abkommen genehmigt oder umgesetzt werden, können die Regeln des Völkerrechts nur unter bestimmten Voraussetzungen geltend gemacht werden, die jedoch nichts mit ihrer formellen Zugehörigkeit zu einer oder mehreren Quellen des Völkerrechts nach der Klassifizierung gemäß Art. 38 Abs. 1 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs zu tun haben. Diese Voraussetzungen sind in den Rn. 53 bis 55 des Urteils vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a. (C‑366/10, EU:C:2011:864), aufgeführt: Danach muss die Union an die geltend gemachte Norm gebunden sein, diese muss inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sein, und schließlich dürfen Art und Struktur der Norm einer gerichtlichen Kontrolle des beanstandeten Rechtsakts nicht entgegenstehen.

97.

Anhand dieser Grundsätze werde ich prüfen, inwieweit die im vorliegenden Fall einschlägigen Regeln des Völkerrechts, auf die sich WSC beruft, vor Gericht geltend gemacht werden können.

b)   Zur Möglichkeit, sich vor Gericht auf die Regeln des Völkerrechts zu berufen, die auf den Abschluss völkerrechtlicher Abkommen zur Nutzung natürlicher Ressourcen der Westsahara anwendbar sind

98.

Durch die streitigen Rechtsakte hat die Union mit dem Königreich Marokko ein völkerrechtliches Abkommen abgeschlossen und umgesetzt, das die Nutzung der Fischereiressourcen der Westsahara durch die Union vorsieht. In diesem Zusammenhang werde ich prüfen, inwieweit es möglich ist, vor Gericht die Regeln des Völkerrechts geltend zu machen, aufgrund deren sowohl der Abschluss eines auf die Westsahara und auf die daran angrenzenden Gewässer anwendbaren völkerrechtlichen Abkommens als auch die Nutzung der natürlichen Ressourcen dieses Gebiets in Frage gestellt werden könnte. Dabei trage ich dem Umstand Rechnung, dass das Königreich Marokko nach seinem Selbstverständnis die Westsahara als Teil seines Hoheitsgebiets ansieht, dass das Königreich Marokko nach Ansicht der Unionsorgane de facto die Verwaltungsmacht der Westsahara ist und dass es dem vorlegenden Gericht und WSC zufolge die Besatzungsmacht der Westsahara ist.

1) Das Selbstbestimmungsrecht

i) Das Selbstbestimmungsrecht gehört zu den „Menschenrechten“

99.

Ich möchte sogleich darauf hinweisen, dass für das Recht auf Selbstbestimmung meines Erachtens nicht die Voraussetzungen gelten, unter denen die Regeln des Völkerrechts vor Gericht geltend gemacht werden können, denn dieses Recht gehört zu den Menschenrechten.

100.

Wie der Gerichtshof in den Rn. 284 und 285 des Urteils vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission (C‑402/05 P und C‑415/05 P, EU:C:2008:461), entschieden hat, ist die Achtung der Menschenrechte eine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Handlungen der Union, so dass Maßnahmen, die mit der Achtung dieser Rechte unvereinbar sind, in der Union nicht als rechtens anerkannt werden können. Die Verpflichtungen aufgrund einer internationalen Übereinkunft können daher nicht die Verfassungsgrundsätze des EU- und des AEU-Vertrags beeinträchtigen, zu denen auch Art. 3 Abs. 5 EUV und Art. 21 EUV zählen, wonach das auswärtige Handeln der Union die Menschenrechte achten muss. Der Gerichtshof hat somit im Rahmen des durch den EU- und den AEU-Vertrag geschaffenen umfassenden Systems von Rechtsbehelfen sicherzustellen, dass diese Rechte geachtet werden.

101.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs „sind … die Grundrechte integraler Bestandteil der allgemeinen Rechtsgrundsätze, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat. Der Gerichtshof lässt sich dabei von den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten sowie von den Hinweisen leiten, die die völkerrechtlichen Verträge über den Schutz der Menschenrechte geben, an deren Abschluss die Mitgliedstaaten beteiligt waren oder denen sie beigetreten sind.“ ( 65 )

102.

Alle Mitgliedstaaten (und das Königreich Marokko) sind Vertragsparteien des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR) ( 66 ) und des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) ( 67 ), die beide am 16. Dezember 1966 in New York unterzeichnet wurden und einen Art. 1 mit folgendem identischen Wortlaut enthalten:

„(1)   Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung. Kraft dieses Rechts entscheiden sie frei über ihren politischen Status und gestalten in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung.

(2)   Alle Völker können für ihre eigenen Zwecke frei über ihre natürlichen Reichtümer und Mittel verfügen, unbeschadet aller Verpflichtungen, die aus der internationalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit auf der Grundlage des gegenseitigen Wohles sowie aus dem Völkerrecht erwachsen. In keinem Fall darf ein Volk seiner eigenen Existenzmittel beraubt werden.

(3)   Die Vertragsstaaten, einschließlich der Staaten, die für die Verwaltung von Gebieten ohne Selbstregierung und von Treuhandgebieten verantwortlich sind, haben entsprechend der Charta der Vereinten Nationen die Verwirklichung des Rechts auf Selbstbestimmung zu fördern und dieses Recht zu achten.“ ( 68 )

103.

Ferner wird in Kapitel VIII („Gleichberechtigung und Selbstbestimmungsrecht der Völker“) der Schlussakte von Helsinki von 1975, auf die Art. 21 Abs. 2 Buchst. c EUV verweist und der alle Mitgliedstaaten beigetreten sind, das Selbstbestimmungsrecht mit einer Formulierung bekräftigt, die fast mit dem jeweils identischen Art. 1 des IPwskR und des IPbpR übereinstimmt. Dieses Kapitel lautet wie folgt:

„Die Teilnehmerstaaten werden die Gleichberechtigung der Völker und ihr Selbstbestimmungsrecht achten, indem sie jederzeit in Übereinstimmung mit den Zielen und Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen und den einschlägigen Normen des Völkerrechts handeln, einschließlich jener, die sich auf die territoriale Integrität der Staaten beziehen.

Kraft des Prinzips der Gleichberechtigung und des Selbstbestimmungsrechts der Völker haben alle Völker jederzeit das Recht, in voller Freiheit, wann und wie sie es wünschen, ihren inneren und äußeren politischen Status ohne äußere Einmischung zu bestimmen und ihre politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung nach eigenen Wünschen zu verfolgen.

Die Teilnehmerstaaten bekräftigen die universelle Bedeutung der Achtung und der wirksamen Ausübung der Gleichberechtigung und des Selbstbestimmungsrechts der Völker für die Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen zwischen ihnen sowie zwischen allen Staaten; sie erinnern auch an die Bedeutung der Beseitigung jeglicher Form der Verletzung dieses Prinzips.“

104.

Das Selbstbestimmungsrecht ist somit ein Menschenrecht, das als solches im Rahmen mehrerer internationaler Organisationen und Instrumente sowie von der Rechtslehre anerkannt worden ist ( 69 ). Dem Internationalen Gerichtshof zufolge steht dieses Recht der Bevölkerung von Hoheitsgebieten ohne Selbstregierung im Sinne von Art. 73 der Charta der Vereinten Nationen und den Völkern unter fremder „Unterjochung“ ( 70 ), Herrschaft oder Ausbeutung zu ( 71 ).

ii) Das Selbstbestimmungsrecht als Grundsatz des allgemeinen Völkerrechts und des Völkervertragsrechts sowie Erga-omnes-Verpflichtung

105.

Auf jeden Fall erfüllt das Selbstbestimmungsrecht als in mehreren internationalen Vertragsinstrumenten ( 72 ) kodifizierte Regel des allgemeinen Völkerrechts ( 73 ) und Erga-omnes-Verpflichtung ( 74 ) die in Nr. 96 dieser Schlussanträge erwähnten Voraussetzungen dafür, dass es vor Gericht geltend gemacht werden kann: Die Union ist daran gebunden, es ist inhaltlich unbedingt und hinreichend genau, und weder seine Art noch seine Struktur stehen einer gerichtlichen Kontrolle der streitigen Rechtsakte entgegen.

– Die Union ist an das Selbstbestimmungsrecht gebunden

106.

Wie der Gerichtshof im Urteil vom 21. Dezember 2016, Rat/Front Polisario (C‑104/16 P, EU:C:2016:973), entschieden hat, ist die Union an das Selbstbestimmungsrecht gebunden, bei dem es sich um eine Erga-omnes-Verpflichtung und ein Grundprinzip des Völkerrechts handelt ( 75 ). Dieses Recht „gehört deshalb zu den in den Beziehungen zwischen der Union und dem Königreich Marokko anwendbaren einschlägigen Völkerrechtssätzen“ ( 76 ).

107.

Das Selbstbestimmungsrecht ist nämlich in Art. 1 Nr. 2 der Charta der Vereinten Nationen niedergelegt ( 77 ). Nach Art. 3 Abs. 5 EUV, Art. 21 Abs. 1 EUV und Art. 21 Abs. 2 Buchst. b und c EUV, Art. 23 EUV sowie Art. 205 AEUV ist die Union verpflichtet, die Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen zu achten. In der Erklärung Nr. 13 zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, die der Schlussakte der Regierungskonferenz beigefügt ist, die den am 13. Dezember 2007 unterzeichneten Vertrag von Lissabon angenommen hat, heißt es, dass die „Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten nach wie vor durch die Bestimmungen der Charta der Vereinten Nationen … gebunden sind“ ( 78 ).

108.

Ferner zählt das Selbstbestimmungsrecht zu den Prinzipien der Schlussakte von Helsinki, auf die Art. 21 Abs. 2 Buchst. c EUV verweist ( 79 ).

109.

Schließlich erfolgt die Umsetzung des Protokolls von 2013, wie sich aus dessen Art. 1 ergibt, unter Wahrung der demokratischen Grundsätze und der Menschenrechte, wozu auch die Achtung des Selbstbestimmungsrechts der Völker gehört.

– Das Selbstbestimmungsrecht ist eine inhaltlich unbedingte und hinreichend genaue Regel des Völkerrechts

110.

Wie der Gerichtshof in Rn. 55 des Urteils vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a. (C‑366/10, EU:C:2011:864), entschieden hat, ist „[d]iese Voraussetzung … erfüllt, wenn die geltend gemachte Bestimmung eine klare und eindeutige Verpflichtung enthält, deren Erfüllung oder Wirkungen nicht vom Erlass eines weiteren Aktes abhängen“.

111.

Das Selbstbestimmungsrecht erfüllt diese Voraussetzung, wie die Rn. 90, 92 und 93 des Urteils vom 21. Dezember 2016, Rat/Front Polisario (C‑104/16 P, EU:C:2016:973), zeigen, in denen der Gerichtshof dieses Recht auf die Westsahara und deren Bevölkerung angewandt hat, ohne den geringsten Zweifel an seinem Inhalt oder an seiner Tragweite zu äußern.

112.

Die Tatsache, dass der Internationale Gerichtshof entschieden hat, dass der Bau einer Mauer durch Israel im Gebiet des Westjordanlands eine Verletzung des Selbstbestimmungsrechts des palästinensischen Volkes darstellt, weil er einer De‑facto-Annexion gleichkommt ( 80 ), zeigt, dass es sich um ein Recht handelt, das hinreichend klar und eindeutig ist, um angewandt zu werden.

113.

In der Tat wird sein Inhalt in mehreren Instrumenten hinreichend präzisiert.

114.

In diesem Zusammenhang hat der Internationale Gerichtshof unter Berufung auf Art. 1 Nr. 2 der Charta der Vereinten Nationen die Existenz eines „Selbstbestimmungsrechts der Bevölkerung von Hoheitsgebieten ohne Selbstregierung und der Völker unter fremder Unterjochung, Herrschaft oder Ausbeutung“ anerkannt ( 81 ).

115.

Der Inhalt dieses Rechts ist in den gleichlautenden Art. 1 des IPwskR und des IPbpR näher erläutert ( 82 ); die Einzelheiten seiner Anwendung sind in mehreren Resolutionen der UN‑Generalversammlung geregelt, insbesondere in den Resolutionen 1514 (XV), 1541 (XV) und 2625 (XXV), auf die der Internationale Gerichtshof häufig Bezug genommen hat ( 83 ).

116.

Dazu enthält die Resolution 1514 (XV) folgende Erklärung:

„1.

Die Unterwerfung von Völkern unter fremde Unterjochung, Herrschaft und Ausbeutung stellt eine Verweigerung grundlegender Menschenrechte dar, steht im Widerspruch zur Charta der Vereinten Nationen und ist ein Hindernis für die Förderung des Friedens und der Zusammenarbeit in der Welt.

2.

Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung; kraft dieses Rechts bestimmen sie frei ihren politischen Status und verfolgen frei ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung.

4.

Alle bewaffneten Aktionen oder Unterdrückungsmaßnahmen, gleich welcher Art, gegen abhängige Völker sind einzustellen, um diesen die Möglichkeit zu bieten, ihr Recht auf volle Unabhängigkeit friedlich und frei auszuüben; die Integrität ihres nationalen Territoriums ist zu achten.

…“

117.

Die Resolution 1541 (XV) enthält die Grundsätze, von denen sich die Verwaltungsmächte bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus Art. 73 der Charta der Vereinten Nationen leiten lassen müssen. Nach dem Grundsatz VI wird davon ausgegangen, dass das Recht auf Selbstbestimmung ausgeübt wurde, wenn das Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung ein unabhängiger und souveräner Staat wird, wenn es sich einem unabhängigen Staat frei anschließt oder wenn es in einen unabhängigen Staat eingegliedert wird.

118.

In Bezug auf die Eingliederung in einen unabhängigen Staat sieht der Grundsatz IX Buchst. b vor: „Die Eingliederung muss dem von der Bevölkerung des Hoheitsgebiets frei und in vollem Bewusstsein der Änderung ihres Status geäußerten Wunsch entsprechen, wobei die Befragung in demokratischen und informationsbasierten Verfahren zu erfolgen hat, die unparteiisch anzuwenden sind und auf dem allgemeinen Erwachsenenwahlrecht beruhen müssen. Die [UNO] wird erforderlichenfalls die Anwendung dieser Methoden kontrollieren.“

119.

Schließlich enthält die Resolution 2625 (XXV) die „Erklärung über Grundsätze des Völkerrechts betreffend freundschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen den Staaten im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen“. Gemäß dem Abschnitt „Der Grundsatz der Gleichberechtigung und der Selbstbestimmung der Völker“ hat „[j]eder Staat … die Pflicht, sowohl gemeinsam mit anderen Staaten als auch jeder für sich, die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker im Einklang mit den Bestimmungen der Charta [der Vereinten Nationen] zu fördern“.

120.

Die Resolution verpflichtet die Staaten auch, „jede Gewaltmaßnahme zu unterlassen, welche die Völker, auf die sich die Erläuterung dieses Grundsatzes bezieht, ihres Rechts auf Selbstbestimmung, Freiheit und Unabhängigkeit beraubt“.

121.

Was insbesondere die Hoheitsgebiete ohne Selbstregierung wie die Westsahara anbelangt, sieht diese Resolution vor, dass ein solches Gebiet „einen vom Hoheitsgebiet des Staates, von dem es verwaltet wird, gesonderten und unterschiedlichen Status [hat]; dieser gesonderte und unterschiedliche Status nach der Charta [der Vereinten Nationen] bleibt so lange bestehen, bis das Volk … des Hoheitsgebiets ohne Selbstregierung sein Recht auf Selbstbestimmung im Einklang mit der Charta und insbesondere mit ihren Zielen und Grundsätzen ausgeübt hat“ ( 84 ).

122.

Zuletzt heißt es im Allgemeinen Teil der Resolution 2625 (XXV), „dass die Grundsätze der Charta, die in diese Erklärung eingegangen sind, Grundprinzipien des Völkerrechts darstellen, [weshalb] alle Staaten auf[gerufen werden], sich in ihrem internationalen Verhalten von diesen Grundsätzen leiten zu lassen und ihre gegenseitigen Beziehungen auf der Grundlage der strikten Einhaltung dieser Grundsätze zu gestalten“.

123.

Nach alledem hängt das Selbstbestimmungsrecht hinsichtlich seiner Erfüllung oder Wirkungen nicht vom Erlass eines weiteren Aktes ab.

124.

Demgemäß genießt die Bevölkerung der Westsahara, wie der Internationale Gerichtshof und der Gerichtshof entschieden haben, das Recht auf Selbstbestimmung ( 85 ).

– Art und Struktur des Rechts auf Selbstbestimmung stehen einer gerichtlichen Kontrolle der streitigen Rechtsakte nicht entgegen

125.

In Rn. 89 des Urteils vom 21. Dezember 2016, Rat/Front Polisario (C‑104/16 P, EU:C:2016:973), hat der Gerichtshof entschieden, bei seiner Entscheidung über die vom Front Polisario erhobene Klage auf Nichtigerklärung des Assoziationsabkommens hätte „[d]as Gericht … [das Recht auf Selbstbestimmung] berücksichtigen müssen“. Daraus folgt, dass Art und Struktur dieses Rechts einer gerichtlichen Kontrolle von Rechtsakten der Union nicht entgegenstehen.

126.

Art. 103 der Charta der Vereinten Nationen bestimmt nämlich: „Widersprechen sich die Verpflichtungen von Mitgliedern der Vereinten Nationen aus dieser Charta und ihre Verpflichtungen aus anderen internationalen Übereinkünften, so haben die Verpflichtungen aus dieser Charta Vorrang.“

127.

Außerdem gehört dem Internationalen Gerichtshof zufolge „das Selbstbestimmungsrecht der Völker zu den Erga-omnes-Verpflichtungen“ ( 86 ). Dies bedeutet, dass „solche Verpflichtungen naturgemäß ‚alle Staaten betreffen‘ und dass ‚angesichts der in Rede stehenden Rechte davon auszugehen ist, dass alle Staaten ein rechtliches Interesse am Schutz dieser Rechte haben‘“ ( 87 ). Der Internationale Gerichtshof hat daher entschieden, dass „alle Staaten verpflichtet sind, die aus der [Verletzung einer Erga-omnes-Verpflichtung] resultierende rechtswidrige Situation nicht anzuerkennen. Sie sind ebenfalls verpflichtet, keine Hilfe oder Unterstützung dabei zu leisten, die durch diese [Verletzung] entstandene Situation aufrechtzuerhalten. Es obliegt im Übrigen allen Staaten, unter Beachtung der Charta der Vereinten Nationen und des Völkerrechts dafür zu sorgen, dass die aus der [Verletzung] resultierenden Hemmnisse, die das [betroffene] Volk [in diesem Fall das palästinensische Volk] an der Ausübung seines Selbstbestimmungsrechts hindern, beseitigt werden.“ ( 88 )

128.

Schließlich wird das Selbstbestimmungsrecht oft als zwingende Völkerrechtsnorm bezeichnet, deren Verletzung gemäß Art. 53 des Wiener Vertragsrechtsübereinkommens die Nichtigkeit eines internationalen Vertrags zur Folge haben kann ( 89 ). Im Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof betreffend das Westsahara-Gutachten erkannte das Königreich Spanien an, dass das Selbstbestimmungsrecht als solches eine zwingende Norm des Völkerrechts darstelle ( 90 ), während das Königreich Marokko dem Prinzip der Entkolonialisierung die Qualität einer zwingenden Norm zugestand, wobei das Selbstbestimmungsrecht eine Modalität dieses Prinzips ist ( 91 ).

129.

Daraus folgt, dass Art und Struktur des Selbstbestimmungsrechts keineswegs einer gerichtlichen Kontrolle entgegenstehen, sondern den Gerichtshof vielmehr verpflichten, zu überprüfen, ob die Union mit den streitigen Rechtsakten dieses Recht geachtet, keine aus einer Verletzung dieses Rechts resultierende rechtswidrige Situation anerkannt und keine Hilfe oder Unterstützung bei der Aufrechterhaltung einer solchen Situation geleistet hat ( 92 ).

2) Der Grundsatz der dauerhaften Souveränität über die natürlichen Ressourcen

130.

Der Grundsatz der dauerhaften Souveränität über die natürlichen Ressourcen garantiert das souveräne Recht eines jeden Staates und eines jeden Volkes, über die natürlichen Reichtümer und Ressourcen seines Hoheitsgebiets im Interesse der nationalen Entwicklung und zum Wohl seiner Bevölkerung frei zu verfügen ( 93 ). Es handelt sich um einen Grundsatz des Völkergewohnheitsrechts ( 94 ), der als solcher für die Union verbindlich ist.

131.

Wie der UN-Untergeneralsekretär für Rechtsangelegenheiten und Rechtsberater, Hans Corell, in seinem Schreiben vom 29. Januar 2002 an den Präsidenten des UN-Sicherheitsrats erklärt hat, bleiben „[die] Tragweite und [die] genauen rechtlichen Auswirkungen [des Grundsatzes der dauerhaften Souveränität über die natürlichen Ressourcen] … zweifelhaft“ ( 95 ).

132.

In der Tat bestätigt seine rechtliche Stellungnahme, welche Schwierigkeiten damit verbunden sind, verwendet er doch unterschiedliche Begriffe, um zu beschreiben, was unter einer Nutzung der natürlichen Ressourcen zugunsten der Bevölkerung des Hoheitsgebiets ohne Selbstregierung zu verstehen ist. Er spricht nämlich von einer Nutzung, die nicht „unter Missachtung der Bedürfnisse und Interessen der Bevölkerung [des Hoheitsgebiets ohne Selbstregierung], ohne dass diese davon profitierte“, erfolgt ( 96 ), bzw. von einer Nutzung „zugunsten der Bevölkerungen [der Hoheitsgebiete ohne Selbstregierung] in ihrem Namen oder in Absprache mit ihren Vertretern“ ( 97 ) und stellt abschließend fest, eine Nutzung dürfe nicht „unter Missachtung der Interessen und Wünsche der Bevölkerung [des Hoheitsgebiets ohne Selbstregierung]“ erfolgen ( 98 ).

133.

Gleichwohl steht es trotz dieser terminologischen Unterschiede fest, dass die Nutzung natürlicher Ressourcen zumindest der Bevölkerung des Hoheitsgebiets ohne Selbstregierung zugutekommen muss; dies reicht aus, um den Grundsatz der dauerhaften Souveränität über die natürlichen Ressourcen zu einem hinreichend klaren und genauen Kriterium zu machen.

134.

Dieser Grundsatz ist auch so beschaffen, dass eine gerichtliche Kontrolle der streitigen Rechtsakte auf ihn gestützt werden kann. Das Parlament hatte nämlich die Annahme des schließlich 2013 abgeschlossenen Protokolls zunächst mit der Begründung blockiert, dieses enthalte keine ausreichenden Garantien dafür, dass die Nutzung der natürlichen Fischereiressourcen der Westsahara durch die Fischereifahrzeuge der Union der Bevölkerung dieses Gebiets zugutekommen würde. Der Rat und die Kommission erkennen zudem an, dass das Kriterium des Nutzens für die Bevölkerung der Westsahara eine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der dieses Gebiet betreffenden Abkommen zwischen der Union und dem Königreich Marokko ist.

3) Die Regeln des humanitären Völkerrechts, die auf den Abschluss völkerrechtlicher Abkommen zur Nutzung der natürlichen Ressourcen des besetzten Gebiets anwendbar sind

135.

Das vorlegende Gericht, WSC sowie die britische Finanz- und Zollverwaltung und der Minister für Umwelt, Ernährung und Angelegenheiten des ländlichen Raums halten die Präsenz des Königreichs Marokko in der Westsahara für eine Besetzung ( 99 ).

136.

Dazu weise ich darauf hin, dass die Frage, ob das Königreich Marokko die Besatzungsmacht der Westsahara ist und das Fischereiabkommen sowie das Protokoll von 2013 in dieser Eigenschaft abgeschlossen hat, eine Frage der Auslegung des Völkerrechts ist, auf die die Voraussetzungen, unter denen sie nach dem Unionsrecht vor Gericht aufgeworfen werden kann, keine Anwendung finden.

137.

Wenn das Königreich Marokko aber die Besatzungsmacht der Westsahara ist (worauf ich später noch zurückkommen werde ( 100 )), muss es sich bei den Regeln des humanitären Völkerrechts, die in der dem Abkommen von Den Haag vom 18. Oktober 1907 betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs beigefügten Ordnung (im Folgenden: Haager Landkriegsordnung von 1907) und in dem Genfer Abkommen vom 12. August 1949 zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten (im Folgenden: Genfer Abkommen IV) kodifiziert sind und die sich auf den Abschluss von für das besetzte Gebiet geltenden internationalen Abkommen (Art. 43 der Haager Landkriegsordnung von 1907 und Art. 64 Abs. 2 des Genfer Abkommens IV) sowie auf die Nutzung der natürlichen Ressourcen dieses Gebiets (Art. 55 der Haager Landkriegsordnung von 1907) beziehen, um Bestimmungen handeln, die vor Gericht geltend gemacht werden können.

138.

Diese Bestimmungen erfüllen dann nämlich die in Nr. 96 der vorliegenden Schlussanträge dargelegten Voraussetzungen, unter denen das Völkerrecht vor Gericht geltend gemacht werden kann.

139.

Erstens stellen die Bestimmungen der Haager Landkriegsordnung von 1907 und des Genfer Abkommens IV unantastbare und einklagbare völkergewohnheitsrechtliche Grundsätze und Erga-omnes-Verpflichtungen dar ( 101 ) und sind als solche für die Union rechtsverbindlich.

140.

Zweitens sind sie inhaltlich hinreichend genau und unbedingt, da die Erfüllung oder Wirkungen der Verpflichtungen, die sie den Besatzungsmächten auferlegen, nicht vom Erlass eines weiteren Aktes abhängen.

141.

Drittens schließlich steht weder ihre Art noch ihre Struktur als unantastbare Regeln einer gerichtlichen Kontrolle der streitigen Rechtsakte, insbesondere der Verordnung Nr. 764/2006, des Beschlusses 2013/785 und der Verordnung Nr. 1270/2013, insoweit entgegen, als durch diese eine zwischen der Union und dem Königreich Marokko vereinbarte Nutzung der natürlichen Ressourcen der Westsahara genehmigt und umgesetzt wird. Dabei ist die Union verpflichtet, die aus einem Verstoß gegen diese Bestimmungen resultierende rechtswidrige Situation nicht anzuerkennen und keine Hilfe oder Unterstützung bei der Aufrechterhaltung der durch diesen Verstoß entstandenen Situation zu leisten ( 102 ).

142.

Nachdem bestimmt worden ist, welche Regeln des Völkerrechts vor Gericht geltend gemacht werden können, werde ich nun die Vereinbarkeit der streitigen Rechtsakte mit diesen Regeln prüfen.

3.   Zur Gültigkeit der Verordnung Nr. 764/2006, des Beschlusses 2013/785 und der Verordnung Nr. 1270/2013 sowie zur Vereinbarkeit des Fischereiabkommens und des Protokolls von 2013 mit den einklagbaren Regeln des Völkerrechts, auf die Art. 3 Abs. 5 EUV verweist

a)   Zur Wahrung des Selbstbestimmungsrechts der Bevölkerung der Westsahara durch die streitigen Rechtsakte und zu der Verpflichtung, keine aus einer Verletzung dieses Rechts resultierende rechtswidrige Situation anzuerkennen und keine Hilfe oder Unterstützung bei der Aufrechterhaltung dieser Situation zu leisten

143.

Mit seinem Urteil vom 21. Dezember 2016, Rat/Front Polisario (C‑104/16 P, EU:C:2016:973), hat der Gerichtshof entschieden, dass das zwischen der Union und dem Königreich Marokko bestehende Assoziationsabkommen, das nach seinem Wortlaut „für das Gebiet des Königreichs Marokko“ gilt, auf das Gebiet der Westsahara keine Anwendung findet, da eine solche Anwendung mit dem Recht der Bevölkerung dieses Gebiets auf Selbstbestimmung sowie mit Art. 29 (räumlicher Geltungsbereich von Verträgen) und mit Art. 34 (Grundsatz der relativen Wirkung von Verträgen, wonach ein Vertrag für einen Drittstaat ohne dessen Zustimmung weder Pflichten noch Rechte begründen kann) des Wiener Vertragsrechtsübereinkommens unvereinbar wäre ( 103 ).

144.

Nach Ansicht des Rates und der Kommission ist der vorliegende Fall von der Rechtssache zu unterscheiden, in der das Urteil vom 21. Dezember 2016, Rat/Front Polisario (C‑104/16 P, EU:C:2016:973), ergangen ist, da das Fischereiabkommen und das Protokoll von 2013 anders als das Assoziationsabkommen auf die Westsahara anwendbar seien. Nach ihrem Verständnis dieses Urteils bestand das Problem des Assoziationsabkommens nämlich darin, dass dieses auf die Westsahara angewandt worden sei, ohne rechtlich darauf anwendbar zu sein, da eine solche Anwendung mit dem Recht der Bevölkerung dieses Gebiets auf Selbstbestimmung sowie mit Art. 29 (räumlicher Geltungsbereich von Verträgen) und mit Art. 34 (Grundsatz der relativen Wirkung von Verträgen, wonach ein Vertrag für einen Drittstaat ohne dessen Zustimmung weder Pflichten noch Rechte begründen kann) des Wiener Vertragsrechtsübereinkommens unvereinbar wäre. Nach dieser Argumentation bestünde der von Rat und Kommission in Betracht gezogene Weg, wie die Anwendung des Assoziationsabkommens auf die Westsahara mit dem Urteil vom 21. Dezember 2016, Rat/Front Polisario (C‑104/16 P, EU:C:2016:973), in Einklang gebracht werden könnte, darin, den Geltungsbereich dieses Abkommens durch eine Vereinbarung in Form eines Briefwechsels zwischen der Union und dem Königreich Marokko zu erweitern, um ihn ausdrücklich auf die Westsahara zu erstrecken.

145.

Dieses Vorbringen überzeugt mich nicht. Wenn es mit dem Selbstbestimmungsrecht der Bevölkerung der Westsahara unvereinbar ist, ein mit dem Königreich Marokko geschlossenes völkerrechtliches Abkommen, dessen räumlicher Geltungsbereich die Westsahara nicht ausdrücklich umfasst, auf dieses Gebiet anzuwenden, ist dies erst recht bei einem völkerrechtlichen Abkommen der Fall, das wie das Fischereiabkommen und das Protokoll von 2013 auf das Gebiet der Westsahara und auf die angrenzenden Gewässer Anwendung findet ( 104 ) und eine Nutzung der Fischbestände der Westsahara durch die Union erlaubt ( 105 ).

146.

Dieser Erst-recht-Schluss genügt meines Erachtens für die Feststellung, dass das Selbstbestimmungsrecht der Bevölkerung der Westsahara verletzt wurde. Der Vollständigkeit halber möchte ich hinzufügen, dass die streitigen Rechtsakte deshalb das Selbstbestimmungsrecht der Bevölkerung der Westsahara missachten, weil sie weder einer freien Verfolgung der wirtschaftlichen Entwicklung dieser Bevölkerung noch einer freien Verfügung über deren natürliche Reichtümer und Ressourcen entsprechen ( 106 ) und weil mit ihnen, selbst wenn sie an sich das Selbstbestimmungsrecht nicht verletzten, auf jeden Fall nicht die Verpflichtung der Union eingehalten würde, keine aus einer Verletzung des Selbstbestimmungsrechts der Bevölkerung der Westsahara resultierende rechtswidrige Situation anzuerkennen und keine Hilfe oder Unterstützung bei der Aufrechterhaltung dieser Situation zu leisten ( 107 ).

1) Zum Bestehen eines freien Willens der Bevölkerung der Westsahara, durch die streitigen Rechtsakte ihre wirtschaftliche Entwicklung zu verfolgen und über ihre natürlichen Reichtümer und Ressourcen zu verfügen

147.

Die folgenden Umstände ( 108 ), auf die sich WSC im Kern vor dem vorlegenden Gericht beruft und die dieses Gericht angeführt hat ( 109 ), scheinen mir zu belegen, dass es an einem solchen Willen fehlt.

148.

Am 20. Dezember 1966 verabschiedete die UN‑Generalversammlung die Resolution 2229 (XXI) betreffend die Frage der Gebiete Ifni und Spanisch‑Sahara, in der sie das „unveräußerliche Recht de[s] [Volkes] von Spanisch-Sahara auf Selbstbestimmung [bekräftigte]“ und das Königreich Spanien als Verwaltungsmacht aufforderte, „so bald wie möglich die Modalitäten für die Organisation eines Referendums festzulegen, das unter der Aufsicht der [UNO] durchgeführt wird, damit die einheimische Bevölkerung dieses Gebiets ihr Recht auf Selbstbestimmung frei ausüben kann“.

149.

Das Königreich Spanien teilte der UNO am 20. August 1974 mit, dass es beabsichtige, unter ihrer Aufsicht ein Referendum in der Westsahara zu organisieren ( 110 ).

150.

Im Mai 1975 war die Mission de visite de l’ONU au Sahara occidental (UN-Kontrollmission in der Westsahara) trotz der aufgetretenen Schwierigkeiten „in der Lage, nach ihrem Aufenthalt in dem Gebiet festzustellen, dass sich der Großteil der Bevölkerung in Spanisch-Sahara offensichtlich für die Unabhängigkeit aussprach“ ( 111 ).

151.

Am 16. Oktober 1975 gab der Internationale Gerichtshof auf einen von der UN-Generalversammlung im Rahmen ihrer Arbeiten zur Entkolonialisierung der Westsahara gestellten Antrag hin ein Gutachten ab, dem zufolge die Westsahara zum Zeitpunkt der Kolonisierung durch Spanien kein Niemandsland (terra nullius) war und es während der spanischen Kolonialherrschaft zwischen dem Sultan von Marokko und bestimmten der im Gebiet der Westsahara lebenden Stämme zwar Rechtsbeziehungen in Form von Treueverhältnissen gab, zwischen dem Gebiet der Westsahara und dem Königreich Marokko aber kein Verhältnis einer territorialen Souveränität bestand ( 112 ). Der Internationale Gerichtshof hat also nicht das Vorliegen von Rechtsbeziehungen festgestellt, die geeignet wären, die Anwendung der Resolution 1514 (XV) (der UN-Generalversammlung) auf die Entkolonialisierung der Westsahara, insbesondere die Anwendung des Grundsatzes der Selbstbestimmung auf der Basis eines frei und unverfälscht geäußerten Willens der Bevölkerung des Gebiets, zu ändern ( 113 ).

152.

In einer am Tag der Veröffentlichung des Gutachtens gehaltenen Rede erklärte der König von Marokko, dass „alle Welt … anerkannt [hat], dass die [Westsahara] [zum Königreich Marokko] gehört“, und es „[dessen] Sache [ist], dieses Gebiet friedlich zurückzuerlangen“. Er rief deshalb zur Durchführung eines Marsches auf, an dem 350000 Personen teilnahmen („Grüner Marsch“) ( 114 ).

153.

Auf Betreiben des Königreichs Spanien beauftragte der UN‑Sicherheitsrat den UN-Generalsekretär, Kurt Waldheim, einen Bericht über die Ergebnisse seiner Beratungen mit den beteiligten Parteien, darunter insbesondere das Königreich Marokko, zu erstellen ( 115 ).

154.

Laut diesem Bericht vertrat Letzteres die Ansicht, ein Referendum sei überflüssig, weil der Internationale Gerichtshof die historischen Treueverhältnisse zwischen dem Sultan von Marokko und den traditionell im Gebiet der Westsahara lebenden Stämmen anerkannt habe und weil jedenfalls „die Bevölkerung des Gebiets ihr Selbstbestimmungsrecht bereits de facto ausgeübt und sich für eine Rückkehr des Gebiets nach Marokko ausgesprochen hatte“; der jüngste Beweis hierfür sei „der Treueid, den [Khatri Ould Said a Ould El Jomaini], Präsident der Djemââ[ ( 116 )], im Namen der saharauischen Stämme auf den König von Marokko“ im Rahmen einer Feier am 4. November 1975 im Palast von Agadir ( 117 ) geleistet habe.

155.

Auf die Proteste des Königreichs Spanien gegen den Grünen Marsch verabschiedete der UN-Sicherheitsrat am 6. November 1975 die Resolution 380 (1975) über die Westsahara, in der er „mit Bedauern zur Kenntnis [nahm], dass es zu dem … angekündigten Marsch gekommen ist“, und „[das Königreich Marokko] auffordert[e], alle Teilnehmer des Marsches unverzüglich aus dem Gebiet der Westsahara zurückzuziehen“. Das Königreich Marokko leistete dieser Aufforderung einige Tage später Folge.

156.

Während der durch den Grünen Marsch hervorgerufenen Krise nahmen das Königreich Spanien, das Königreich Marokko und die Islamische Republik Mauretanien trilaterale Verhandlungen auf, die am 14. November 1975 zu der Grundsatzerklärung Spaniens, Marokkos und Mauretaniens zur Westsahara ( 118 ) (im Folgenden: Abkommen von Madrid) führten. Nach diesem Abkommen sollte „Spanien … unverzüglich eine vorläufige Verwaltung in dem Gebiet [der Westsahara] einrichten, an der sich Marokko und Mauretanien in Zusammenarbeit mit der Djemââ beteiligen werden und der die Befugnisse und Zuständigkeiten übertragen werden [sollten], [über die Spanien als Verwaltungsmacht dieses Gebiets verfügte]“, was auch so durchgeführt wurde.

157.

Dieses Abkommen sah außerdem vor, dass „[d]ie spanische Präsenz … definitiv bis zum 28. Februar 1976 beendet sein [sollte]“ und dass „[d]ie über die Djemââ zum Ausdruck gebrachte Meinung der saharauischen Bevölkerung … beachtet werden [sollte]“.

158.

Es stellte sich sodann heraus, dass dieses Abkommen durch mehrere formell als „Gesprächsaufzeichnungen“ bezeichnete Vereinbarungen zwischen diesen drei Ländern ergänzt wurde, durch die bestimmte wirtschaftliche Aspekte des Übergangs der Verwaltung der Westsahara, insbesondere die Fischereirechte in den an dieses Gebiet angrenzenden Gewässern, geregelt werden sollten ( 119 ). Die Existenz dieser Vereinbarungen sowie die Tatsache, dass sie den Fischfang betrafen, wurden vom Außenminister des Königreichs Spanien Oreja Aguirre bei der Parlamentsdebatte über die Ratifizierung des Fischereiabkommens zwischen dem Königreich Spanien und dem Königreich Marokko von 1977 bestätigt ( 120 ). Dem Außenminister zufolge handelte es sich um „Leitlinien [oder] Richtlinien“ ( 121 ).

159.

Die Existenz eines Abkommens über die Fischereirechte in den an die Westsahara angrenzenden Gewässern und die Tatsache, dass der UN‑Generalsekretär davon nicht unterrichtet worden war, werden auch durch die Drahtberichte des Außenministers der Vereinigten Staaten von Amerika bestätigt ( 122 ).

160.

Am 28. November 1975 erklärten 67 Mitglieder der Djemââ, darunter ihr Vizepräsident, bei einem Treffen in El Guelta Zemmur (Westsahara) einstimmig, dass die Djemââ nicht demokratisch von der Bevölkerung der Westsahara gewählt sei und daher nicht über deren Selbstbestimmung entscheiden könne. Sie beschlossen einstimmig die endgültige Auflösung der Djemââ ( 123 ).

161.

Am 10. Dezember 1975 ließ die UN-Generalversammlung über zwei Resolutionen zur Frage der Westsahara abstimmen, die einen unterschiedlichen Inhalt aufweisen ( 124 ), da kein Einvernehmen über die aus dem Abkommen von Madrid zu ziehenden Konsequenzen bestand. So enthält die Resolution 3458 A (XXX) keinen Hinweis auf dieses Abkommen und erwähnt das Königreich Spanien „als Verwaltungsmacht“ der Westsahara ( 125 ), während die Resolution 3458 B (XXX) von dieser Vereinbarung „Kenntnis nimmt“ ( 126 ) und sich nicht auf eine Verwaltungsmacht, sondern auf die „Vertragsparteien des Abkommens von Madrid vom 14. November 1975“ ( 127 ) und auf die „vorläufige Verwaltung“ ( 128 ) bezieht.

162.

Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass von den 144 Staaten, die an der 2435. Plenarsitzung der Generalversammlung teilnahmen, 88 für die Resolution 3458 A (XXX) stimmten, wobei es keine Gegenstimme und 41 Enthaltungen gab; 15 Staaten nahmen an der Abstimmung nicht teil. Die gegenwärtigen Mitgliedstaaten der Union stimmten für diese Resolution, mit Ausnahme der Portugiesischen Republik und des Königreichs Spanien, die sich der Stimme enthielten, sowie der Republik Malta, die an der Abstimmung nicht teilnahm. Das Königreich Marokko blieb der Abstimmung ebenfalls fern.

163.

Die Resolution 3458 B (XXX) war stärker umstritten: Nur 56 Staaten stimmten dafür, während sich 42 Staaten dagegen aussprachen; es gab 34 Enthaltungen, und zwölf Staaten nahmen an der Abstimmung nicht teil. Nur elf der gegenwärtigen Mitgliedstaaten der Union stimmten für diese Resolution ( 129 ), zehn stimmten dagegen ( 130 ), sechs enthielten sich der Stimme ( 131 ), und einer blieb der Abstimmung fern ( 132 ). Das Königreich Marokko stimmte für diese Resolution.

164.

Trotz ihrer Unterschiede bekräftigen die beiden Resolutionen „das unveräußerliche Selbstbestimmungsrecht der Bevölkerung der [West]sahara“ ( 133 ) entsprechend der Resolution 1514 (XV) der UN‑Generalversammlung und stimmen darin überein, dass dieses Recht frei ausgeübt werden müsse ( 134 ).

165.

Die Resolution 3458 A (XXX) sieht außerdem vor, dass das Selbstbestimmungsrecht „unter der Aufsicht der [UNO]“ ausgeübt werden müsse, und „[b]ittet den Generalsekretär, im Benehmen mit der spanischen Regierung als Verwaltungsmacht … die für die Aufsicht über die Wahrnehmung des Selbstbestimmungsrechts notwendigen Maßnahmen zu treffen“ ( 135 ).

166.

Im gleichen Sinne sieht die Resolution 3458 B (XXX) vor, dass die Bevölkerung der Westsahara ihr Selbstbestimmungsrecht „durch eine mit Hilfe eines vom Generalsekretär bestimmten Vertreters der [UNO] organisierte freie Abstimmung“ ausüben sollte ( 136 ).

167.

Ende des Jahres 1975 begann das Königreich Spanien mit dem Rückzug seiner Verwaltung aus der Westsahara. Während die spanischen Truppen abrückten, marschierten marokkanische und mauretanische Streitkräfte in das Gebiet der Westsahara ein. Mancherorts kam es zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen diesen Streitkräften und Kämpfern des Front populaire pour la libération de la saguia-el-hamra et du rio de oro (Front Polisario) (Volksfront zur Befreiung der Westsahara) ( 137 ).

168.

Bei einer Pressekonferenz im Februar 1976 erklärte der schwedische Botschafter bei der UNO und Sonderbeauftragte des UN‑Generalsekretärs für die Westsahara, Olof Rydbeck: „Die militärische Lage [in der Westsahara], wie sie sich heute darstellt, macht eine sinnvolle Abstimmung der Sahrauis sehr schwierig, wenn nicht unmöglich.“ ( 138 )

169.

Das Königreich Spanien setzte mit seiner an den UN‑Generalsekretär gerichteten Denkschrift vom 25. Februar 1976 diesen davon in Kenntnis, dass es beschlossen habe, am folgenden Tag (26. Februar 1976) seine Präsenz in der Westsahara definitiv zu beenden, und dass für diesen Tag eine Sitzung der Djemââ anberaumt worden sei, auf der der spanische Gouverneur in seiner Eigenschaft als Angehöriger der vorläufigen Verwaltung die Djemââ über diesen Beschluss unterrichten werde ( 139 ).

170.

Am 26. Februar 1976 beendete das Königreich Spanien seine Präsenz im Gebiet der Westsahara und teilte in einem Schreiben vom selben Tag an den UN‑Generalsekretär mit, dass „es jede völkerrechtliche Verantwortung für die Verwaltung [der Westsahara] ablehnt und seine Beteiligung an der dort eingerichteten vorläufigen Verwaltung einstellt“ ( 140 ), wobei er erklärte, dass „[d]ie Entkolonialisierung der Westsahara … abgeschlossen sein [wird], wenn die saharauische Bevölkerung in der Lage sein wird, ihre Vorstellungen wirksam zu äußern“ ( 141 ).

171.

Am selben Tag billigte die Djemââ trotz ihrer Auflösung durch 67 ihrer Mitglieder „[die] Rückkehr [der Westsahara] nach Marokko und nach Mauretanien“ und verlieh „somit der einhelligen Meinung der saharauischen Völker und aller Stämme Ausdruck, deren authentische und legitime Stimme und Vertreterin sie ist“ ( 142 ). Aus der Sicht des Königreichs Marokko konkretisiert dieser Beschluss die Bestimmung des Abkommens von Madrid, wonach „[d]ie über die Djemââ zum Ausdruck gebrachte Meinung der saharauischen Bevölkerung beachtet wird“.

172.

Diese Zusammenkunft der Djemââ wurde weder vom Königreich Spanien noch von der UNO als Ausübung des Selbstbestimmungsrechts der Bevölkerung der Westsahara im Sinne der Resolutionen 3458 A und B (XXX) der UN‑Generalversammlung anerkannt ( 143 ).

173.

In der Denkschrift des Königreichs Spanien vom 25. Februar 1975 an den UN-Generalsekretär heißt es: „Dieses Treffen [wird] nicht die Volksabstimmung [ersetzen], wie sie in den Abkommen von Madrid vom 14. November 1975 und in der Resolution 3458 B (XXX) der Generalversammlung vorgesehen ist, es sei denn, die hierfür notwendigen Voraussetzungen, einschließlich insbesondere der Anwesenheit eines vom [Generalsekretär] bestimmten Vertreters der [UNO] gemäß Nr. 4 dieser Resolution, sind erfüllt.“ ( 144 )

174.

In seiner Antwort auf die Denkschrift des Königreichs Spanien vom 25. Februar 1975 stellte der UN-Generalsekretär unter Hinweis auf die Nrn. 7 und 8 der Resolution 3458 A (XXX) sowie auf Nr. 4 der Resolution 3458 B (XXX) Folgendes fest:

„Aus den vorstehend erwähnten Nummern geht hervor, dass weder die spanische Regierung in ihrer Eigenschaft als Verwaltungsmacht noch die vorläufige Verwaltung, an der Spanien beteiligt ist, die notwendigen Maßnahmen ergriffen hat, um den Bevölkerungsgruppen der Westsahara die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts zu gewährleisten. Selbst wenn es also zeitlich machbar gewesen wäre und die notwendigen Informationen über das Treffen der Djemââ vorgelegen hätten, von dem Ihre Regierung, wie Sie mir gestern mitteilten, keine Kenntnis hatte, würde die Anwesenheit eines von mir bestimmten Vertreters der [UNO] bei diesem Treffen als solche keine Umsetzung der vorerwähnten Resolutionen der Generalversammlung darstellen.“ ( 145 )

175.

Am 14. April 1976 schloss das Königreich Marokko mit der Islamischen Republik Mauretanien einen Vertrag über die Aufteilung des Gebiets der Westsahara ( 146 ) und annektierte formell die Provinzen, die ihm nach diesem Vertrag zufielen ( 147 ).

176.

In der Zwischenzeit war in dieser Region ein bewaffneter Konflikt zwischen dem Königreich Marokko, der Islamischen Republik Mauretanien und dem Front Polisario ausgebrochen.

177.

Im Mai 1979 teilte die Islamische Republik Mauretanien dem UN Generalsekretär mit, sie sei bereit, die Bestimmungen der Resolutionen 3458 A (XXX) und 3458 B (XXX) der UN‑Generalversammlung umzusetzen und nach Mitteln und Wegen zu suchen, damit das Selbstbestimmungsrecht in der Westsahara ausgeübt werden könne ( 148 ). Jedoch hatte „die marokkanische Regierung seit Juli 1978 mehrfach erklärt, dass sie keine einzige ‚ihrer wiedergewonnenen Saharaprovinzen‘ aufgeben und die Gründung eines vom Front [Polisario] kontrollierten Mini-Staats im mauretanischen Sektor der Westsahara nicht akzeptieren werde“ ( 149 ).

178.

Am 10. August 1979 schloss die Islamische Republik Mauretanien mit dem Front Polisario einen Friedensvertrag, mit dem sie hinsichtlich der Westsahara auf jegliche Gebietsansprüche verzichtete ( 150 ). Das Königreich Marokko übernahm unverzüglich die Kontrolle über das von den mauretanischen Streitkräften verlassene Gebiet ( 151 ) und annektierte es ( 152 ).

179.

Am 21. November 1979 verabschiedete die UN‑Generalversammlung die Resolution 34/37 über die Frage der Westsahara, in der sie „das unveräußerliche Recht des Volkes der Westsahara auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit gemäß der Charta der [UNO] sowie der Ziele der Generalversammlungsresolution 1514 (XV) [bekräftigt]“, „die Verschärfung der Lage, die durch die fortgesetzte Besetzung der Westsahara durch Marokko entstanden ist [lebhaft bedauert]“, „Marokko eindringlich [bittet], sich an den Friedensbemühungen zu beteiligen und die Besetzung des Gebiets der Westsahara zu beenden“ und „zu diesem Zweck empfiehlt, dass [der Front Polisario] als Vertretung des Volkes der Westsahara ohne Einschränkungen an allen Bemühungen um eine gerechte, dauerhafte und endgültige politische Lösung der Frage der Westsahara gemäß den Resolutionen und Erklärungen der [UNO] mitwirken sollte“ ( 153 ).

180.

Der bewaffnete Konflikt zwischen dem Front Polisario und dem Königreich Marokko dauerte an, bis beide Parteien am 30. August 1988 den insbesondere vom UN-Generalsekretär unterbreiteten Vorschlägen für die Konfliktbeilegung grundsätzlich zustimmten, wonach u. a. ein Waffenstillstand ausgerufen und unter der Aufsicht der UNO ein Referendum über die Selbstbestimmung organisiert werden sollte ( 154 ).

181.

Seit dieser Zeit wurden keine Fortschritte erzielt, die es der Bevölkerung der Westsahara ermöglichen würden, ihr Recht auf Selbstbestimmung auszuüben. Der UN-Generalsekretär hat die Lage in seinem letzten Bericht über die Westsahara wie folgt beschrieben: „Die Schwierigkeit [bei der Suche nach einer Lösung] ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass die Parteien hinsichtlich der Geschichte des Konflikts und der diese betreffenden Dokumente unterschiedliche Auffassungen und Interpretationsansätze vertreten. Marokko ist der Ansicht, dass die Westsahara schon zu seinem nationalen Hoheitsgebiet gehöre und dass es bei den Verhandlungen nur um seinen Vorschlag eines Autonomiestatuts unter marokkanischer Hoheitsgewalt gehen könne, wobei Algerien an diesen Verhandlungen teilnehmen müsse. Der Front Polisario macht geltend, dass die Generalversammlung die Westsahara als Gebiet ohne Selbstregierung definiert habe, weshalb es Sache der einheimischen Bevölkerung sei, über ihre Zukunft im Rahmen eines Referendums zu entscheiden, bei dem die Unabhängigkeit eine Option darstelle, dass alle Vorschläge und Ideen, von welcher Partei sie auch herrührten, erörtert werden müssten und dass die Verhandlungen nur zwischen Marokko und dem Front Polisario stattfinden dürften.“ ( 155 )

182.

Aus all diesen Fakten geht hervor, dass der Bevölkerung der Westsahara, statt dass sie ihr Selbstbestimmungsrecht nach den Angaben des Internationalen Gerichtshofs in seinem Westsahara‑Gutachten hätte ausüben können ( 156 ), durch mehrere Maßnahmen bis hin zur Aufteilung des Gebiets der Westsahara im Jahr 1976 und seiner Annexion in den Jahren 1976 und 1979 bisher sogar die Möglichkeit vorenthalten wurde, dieses Recht nach Maßgabe der Resolutionen 1514 (XV), 1541 (XV), 2625 (XXV) sowie 3458 A und B (XXX) der UN‑Generalversammlung auszuüben. Der Umstand, dass einige dieser Maßnahmen mehreren Staaten zuzurechnen sind, ändert nichts daran, dass das Selbstbestimmungsrecht dieser Bevölkerung verletzt wird, und mindert nicht die Schwere der Verletzung.

183.

Zudem bedingt das Selbstbestimmungsrecht diesen Resolutionen zufolge die freie Wahl zwischen drei Optionen ( 157 ) – Unabhängigkeit ( 158 ), Anschluss an einen anderen unabhängigen Staat und Eingliederung in einen unabhängigen Staat – sowie die Organisation eines Referendums ( 159 ) (statt einer Konsultation der Djemââ), während das Königreich Marokko die Westsahara durch Aufteilung und Annexion ohne Abstimmung der Bevölkerung der Westsahara und ohne Aufsicht seitens der UNO in sein Hoheitsgebiet eingegliedert hat.

184.

Deshalb stellen der vom Präsidenten der Djemââ am 4. November 1975 im Namen der saharauischen Stämme dem König von Marokko geleistete Treueid und das Treffen der Djemââ vom 26. Februar 1976, die von der UNO und vom Königreich Spanien als Verwaltungsmacht der Westsahara und als Mitglied der vorläufigen Verwaltung dieses Gebiets nicht anerkannt wurden, nicht die nach den Resolutionen 1514 (XV), 1541 (XV), 2625 (XXV) sowie 3458 A und B (XXX) der UN-Generalversammlung erforderliche Abstimmung der Bevölkerung der Westsahara über die Selbstbestimmung dar.

185.

Nach alledem wurde die Westsahara in das Königreich Marokko eingegliedert, ohne dass die Bevölkerung dieses Gebiets ihren freien Willen dazu hätte äußern können. Da das Fischereiabkommen und das Protokoll von 2013 vom Königreich Marokko aufgrund der einseitigen Eingliederung der Westsahara in sein Hoheitsgebiet und der von ihm beanspruchten Hoheitsgewalt über dieses Gebiet abgeschlossen wurden, ist es klar, dass die Bevölkerung der Westsahara nicht frei über ihre natürlichen Ressourcen verfügt hat, wie es in den gleichlautenden Art. 1 des IPwskR und des IPbpR, in Nr. 2 der Resolution 1514 (XV) der UN‑Generalversammlung und in Kapitel VII der Schlussakte von Helsinki von 1975 vorgeschrieben ist.

186.

Aus diesem Grund verletzt die durch die streitigen Rechtsakte eingeführte und umgesetzte Nutzung der Fischereiressourcen in den an die Westsahara angrenzenden Gewässern das Recht der Bevölkerung dieses Gebiets auf Selbstbestimmung ( 160 ).

2) Zu der Verpflichtung, keine aus einer Verletzung des Selbstbestimmungsrechts der Bevölkerung der Westsahara resultierende rechtswidrige Situation anzuerkennen und keine Hilfe oder Unterstützung bei der Aufrechterhaltung dieser Situation zu leisten

187.

Auch wenn der Gerichtshof entscheiden sollte, dass die streitigen Rechtsakte als solche das Selbstbestimmungsrecht der Bevölkerung der Westsahara nicht verletzten und die Verletzung dieses Rechts nicht der Union, sondern allein dem Königreich Marokko zuzurechnen sei, würden diese Rechtsakte gleichwohl nicht der Verpflichtung der Union genügen, keine aus der Verletzung des Selbstbestimmungsrechts der Bevölkerung der Westsahara resultierende rechtswidrige Situation anzuerkennen und keine Hilfe oder Unterstützung bei der Aufrechterhaltung dieser Situation zu leisten ( 161 ).

188.

Das Fischereiabkommen und das Protokoll von 2013 gelten, wie sich aus ihrem Wortlaut ergibt, für die Westsahara und die daran angrenzenden Gewässer wie eine Übereinkunft, die ausschließlich auf das von der internationalen Gemeinschaft als souveränes Hoheitsgebiet des Königreichs Marokko anerkannte Gebiet anwendbar wäre.

189.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass, wie der Ständige Internationale Gerichtshof entschieden hat, „die Möglichkeit, völkerrechtliche Verpflichtungen einzugehen, gerade ein Merkmal der Hoheitsgewalt des Staates“ ( 162 ) über das Gebiet ist, auf das sich diese Verpflichtungen richten.

190.

Dies gilt auch für völkerrechtliche Abkommen, die sich auf das Meer beziehen. Nach ständiger Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs ergeben sich nämlich „die das Meer betreffenden Rechte aus den Hoheitsbefugnissen des Küstenstaats über das Landgebiet, woraus sich folgender Grundsatz herleiten lässt: ‚Das Land beherrscht das Meer‘ … Daher ist zur Ermittlung der Rechte, die einem Küstenstaat am Meer zustehen, von dem Gebietsstand an Land auszugehen.“ ( 163 )

191.

Der Internationale Gerichtshof hat ausgeführt: „Es steht fest, dass ‚der Anspruch eines Staates auf … die ausschließliche Wirtschaftszone auf dem Grundsatz beruht, wonach infolge der Projektion der Küsten oder Küstenstreifen das Land das Meer beherrscht‘ …. Wie der Gerichtshof festgestellt hat …, ist ‚das Land die Rechtsquelle für die Befugnisse, die einem Staat in den angrenzenden Meeresgebieten zustehen‘ …“ ( 164 ).

192.

Wenn das Land also das Meer beherrscht, besteht, wie Comader bemerkt hat, kein Zweifel daran, dass das Königreich Marokko beim Abschluss des Fischereiabkommens davon ausgegangen ist, dass es die Hoheitsgewalt über die Westsahara mit den Rechten und Pflichten hinsichtlich der an dieses Gebiet angrenzenden Gewässer besitze, die das Völkerrecht dem Küstenstaat zuspricht ( 165 ). Anlässlich des 39. Jahrestages des Grünen Marsches verkündete König Mohammed VI. nämlich: „Ich sage Nein zu dem Versuch, das Wesen dieses regionalen Konflikts dadurch zu verändern, dass er als eine Angelegenheit der Entkolonialisierung präsentiert wird. In der Tat war Marokko in seiner Sahara niemals eine Besatzungs- oder Verwaltungsmacht. Es nimmt vielmehr die mit der Hoheitsgewalt über sein Land verbundenen Befugnisse wahr.“ ( 166 )

193.

Aus diesem Grund ist das Argument des Rates und der Kommission zurückzuweisen, die streitigen Rechtsakte beinhalteten mit dem Hinweis auf die „Gewässer unter der Hoheit oder der Gerichtsbarkeit des Königreichs Marokko“ keine Anerkennung des Anspruchs des Königreichs Marokko auf die Souveränität über das Gebiet der Westsahara und auf die Hoheit oder die Gerichtsbarkeit dieses Staates über die an dieses Gebiet angrenzenden Gewässer.

194.

Erstens stellen die Aushandlung und der Abschluss eines für die Westsahara und die daran angrenzenden Gewässer geltenden völkerrechtlichen Abkommens mit dem Königreich Marokko als solche eine rechtliche Anerkennung der Eingliederung ( 167 ) der Westsahara in das Königreich Marokko durch die 1976 und 1979 vollzogene Annexion dar, was die Anerkennung von dessen Hoheitsgewalt über das Landgebiet, die Binnengewässer und das Küstenmeer der Westsahara sowie der souveränen Rechte und der Gerichtsbarkeit bedeutet, die völkerrechtlich dem Küstenstaat hinsichtlich der Seegebiete jenseits des Küstenmeeres zustehen.

195.

Ich erinnere daran, dass im Osttimor-Fall, in dem sich die Portugiesische Republik (als von der Republik Indonesien aus Osttimor vertriebene Verwaltungsmacht) und Australien (als Drittland, das mit der Republik Indonesien ein auf Osttimor anwendbares völkerrechtliches Abkommen geschlossen hatte) gegenüberstanden, Australien die Auffassung vertreten hatte, dass „die Aufnahme von Verhandlungen [für den Abschluss des Vertrags von 1989 betreffend den Timor Gap] … die rechtliche Anerkennung der Eingliederung Osttimors in die Republik Indonesien durch Australien“ bedeutet habe ( 168 ).

196.

Dass ein für ein Landgebiet und seine Seegebiete geltendes Fischereiabkommen geeignet ist, den Beweis für die Anerkennung von Hoheitsgewalt zu liefern, wird gerade durch die Geschichte der Westsahara belegt. Ich erinnere insoweit daran, dass das Königreich Marokko als Beweis für seine Souveränität über die Westsahara die internationalen Abkommen angeführt hat, die es mit mehreren Staaten geschlossen hatte, namentlich die mit dem Königreich Spanien seit 1767 abgeschlossenen Handels- und Fischereiabkommen ( 169 ).

197.

Wie der Internationale Gerichtshof entschieden hat, stellt aber die Annexion eines Gebiets, dessen Bevölkerung das Selbstbestimmungsrecht zusteht, das von ihr noch nicht ausgeübt worden ist, eine Verletzung der Beachtung dieses Rechts dar ( 170 ). Folglich verletzt ein Dritter seine Verpflichtung, eine aus einer Verletzung dieses Rechts resultierende rechtswidrige Situation nicht anzuerkennen, wenn er die Annexion eines solchen Gebiets durch den Abschluss eines völkerrechtlichen Abkommens de iure anerkennt.

198.

Zweitens genügt der Ausdruck „Gewässer unter der Hoheit oder der Gerichtsbarkeit des Königreichs Marokko“ nicht, um die rechtliche Anerkennung der Hoheitsgewalt des Königreichs Marokko über die Westsahara auszuschließen, und zwar aus zwei Hauptgründen.

199.

Der erste ist, dass das Fischereiabkommen und das Protokoll von 2013 nicht nur für die an die Westsahara angrenzenden Gewässer, sondern auch für das Landgebiet der Westsahara gelten ( 171 ). Folglich kann durch die Verwendung des Ausdrucks „Gewässer unter der Hoheit oder der Gerichtsbarkeit des Königreichs Marokko“ die rechtliche Anerkennung der Hoheitsgewalt des Königreichs Marokko über das Gebiet der Westsahara und somit die Verletzung des Selbstbestimmungsrechts der Bevölkerung dieses Gebiets nicht ausgeschlossen werden.

200.

Der zweite Grund betrifft die Anwendung des Fischereiabkommens und des Protokolls von 2013 auf die an die Westsahara angrenzenden Gewässer. Anders als die Kommission meint, lassen sich durch den Ausdruck „Gewässer unter der Gerichtsbarkeit Marokkos“ ( 172 ), – der aus den Fischereiabkommen übernommen wurde, die das Königreich Spanien vor seinem Beitritt zur Union mit dem Königreich Marokko abgeschlossen hatte – die an die Westsahara angrenzenden Gewässer nicht bestimmen, ohne dass die souveränen Rechte und die Gerichtsbarkeit anerkannt werden, die das Königreich Marokko über diese Gewässer für sich als Küstenstaat in Anspruch nimmt ( 173 ). Gemäß dem Grundsatz, dass das Land das Meer beherrscht, bedeutet die Anerkennung von Hoheitsgewalt über das Land die Anerkennung souveräner Rechte über das Meer und umgekehrt.

201.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die zwischen dem Königreich Spanien und dem Königreich Marokko geschlossenen Fischereiabkommen aus der Zeit vor der Ratifizierung des am 10. Dezember 1982 in Montego Bay geschlossenen Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen ( 174 ) (im Folgenden: SRÜ) durch die Union ( 175 ), ihre Mitgliedstaaten und das Königreich Marokko herrührten, während das im vorliegenden Fall streitige Fischereiabkommen unter der Geltung dieses Übereinkommens unterzeichnet und ratifiziert wurde, das „zwischen den Vertragsstaaten Vorrang vor den Genfer Übereinkommen vom 29. April 1958 über das Seerecht“ hat ( 176 ).

202.

Das Übereinkommen über die Fischerei und die Erhaltung der biologischen Reichtümer der Hohen See und das Übereinkommen über die Hohe See, unterzeichnet in Genf am 29. April 1958, sahen kein Recht der Staaten vor, eine ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) zu schaffen; Art. 2 des letztgenannten Übereinkommens bestimmte jedoch, dass kein Staat das Recht für sich in Anspruch nehmen konnte, die Hohe See seiner Souveränität zu unterstellen, und dass die Freiheit der Hohen See die Freiheit der Fischerei umfasste. Außerdem unterstanden gemäß Art. 6 dieses Übereinkommens die Schiffe auf Hoher See der ausschließlichen Hoheitsgewalt ihres Flaggenstaats.

203.

Dieser rechtliche Rahmen, innerhalb dessen der Ausdruck „Gewässer unter marokkanischer Gerichtsbarkeit“ („aguas bajo juridicción marroquí“) einen Sinn hatte, ist nicht nur im Verhältnis zwischen der Union und dem Königreich Marokko entfallen, sondern er ist durch das SRÜ ersetzt worden. Der Ausdruck „Gewässer unter der Hoheit oder der Gerichtsbarkeit des Königreichs Marokko“ ist daher im Licht der durch das SRÜ eingeführten Rechtsordnung zu prüfen, die das bereits in der Staatspraxis gehandhabte Konzept der AWZ im Völkerrecht verankert hat.

204.

Diese Lesart des Fischereiabkommens im Licht des SRÜ wird sowohl durch den zweiten Erwägungsgrund dieses Abkommens ( 177 ) als auch durch dessen Art. 5 Abs. 4 bestätigt, der auf „die für die Fangtätigkeiten in den Gewässern unter der Gerichtsbarkeit Marokkos geltenden Rechtsvorschriften … im Einklang mit dem [SRÜ]“ verweist.

205.

Nach dem SRÜ stellen aber die Binnengewässer und das Küstenmeer eines Staates Gewässer unter der Souveränität dieses Staates dar ( 178 ), während die AWZ unter „die … Hoheitsbefugnisse“ des Küstenstaats fallen ( 179 ). Der erste Teil des in den streitigen Rechtsakten verwendeten Ausdrucks „Gewässer unter der Hoheit oder der Gerichtsbarkeit des Königreichs Marokko“ bezieht sich mithin auf die Binnengewässer und das Küstenmeer des Königreichs Marokko (Gewässer unter seiner Souveränität), während sich der zweite Teil auf seine AWZ bezieht (Gewässer unter seiner Gerichtsbarkeit bzw. seinen Hoheitsbefugnissen).

206.

Wie die Kommission in Rn. 14 ihrer Antworten auf die schriftlichen Fragen des Gerichtshofs jedoch eingeräumt hat, umfasst die im Jahr 1981 noch vor der Ratifizierung des SRÜ durch das Königreich Marokko festgelegte marokkanische AWZ – im Gegensatz zu der von der Demokratischen Arabischen Republik Sahara (einem von der Union und ihren Mitgliedstaaten nicht anerkannten Gebilde) festgelegten AWZ – nicht die durch die Fischereizonen Nrn. 3 bis 6 des Fischereiabkommens betroffenen an die Westsahara angrenzenden Gewässer ( 180 ), weshalb die Regierung des Königreichs Marokko übrigens am 6. Juli 2017 den Gesetzentwurf Nr. 38-17 zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes Nr. 1-18 zur Schaffung einer ausschließlichen Wirtschaftszone von 200 Meilen vor den Küsten Marokkos und der Westsahara ( 181 ) verabschiedet hat.

207.

Unter diesen Umständen müsste der Fischfang „in den Gewässern unter der Gerichtsbarkeit Marokkos … im Einklang mit dem [SRÜ]“ ( 182 ) am Breitengrad 27°42’N eingestellt werden, der als seewärtige Grenzlinie der aktuellen marokkanischen AWZ ( 183 ) wie auch als Grenze zwischen dem Königreich Marokko und der Westsahara dient ( 184 ). Gleichwohl betreffen die Fischereizonen Nrn. 3 bis 6 im Wesentlichen die an die Westsahara angrenzenden Gewässer südlich dieser Grenze.

208.

Wie die Kommission einräumt, ist der Fischfang in einer AWZ ein souveränes Recht des Küstenstaats ( 185 ). Durch den Abschluss des Fischereiabkommens, das für Gewässer gilt, die die AWZ der Westsahara darstellen würden, erkennt die Union folglich de iure an, dass das Königreich Marokko in diesen Gewässern ein souveränes Recht ausübt.

209.

Schließlich sind die Ausdrücke „Gewässer unter der Gerichtsbarkeit“ und „Gewässer unter der Hoheit oder der Gerichtsbarkeit“, anders als die Kommission meint, die sie als auf die besondere Situation der Westsahara ausgerichtet ansieht, nicht den streitigen Rechtsakten eigen. Es handelt sich vielmehr um klassische Beschreibungen des Anwendungsbereichs der von der Union abgeschlossenen Fischereiabkommen ( 186 ); in diesem Sinne beziehen sie sich sowohl auf die Binnengewässer und das Küstenmeer des Drittlands (Gewässer unter seiner Souveränität) als auch auf seine AWZ (Gewässer unter seiner Gerichtsbarkeit bzw. seinen Hoheitsbefugnissen).

210.

Daher wird entgegen dem Vorbringen des Rates und der Kommission mit der Verwendung des Ausdrucks „Gewässer unter der Hoheit oder der Gerichtsbarkeit des Königreichs Marokko“ anerkannt, dass das Königreich Marokko souveräne Rechte über die Westsahara und die daran angrenzenden Gewässer ausübt. Diese Anerkennung wird mit Inkrafttreten des Gesetzentwurfs Nr. 38-17 noch deutlicher zutage treten, wodurch das Königreich Marokko eine AWZ in den an die Westsahara angrenzenden Gewässern schaffen wird.

211.

Zudem hat die Union durch die streitigen Rechtsakte Hilfe und Unterstützung bei der Aufrechterhaltung der aus der Verletzung des Selbstbestimmungsrechts der Bevölkerung der Westsahara resultierenden rechtswidrigen Situation geleistet. Diese Hilfe besteht in den wirtschaftlichen Vorteilen (vor allem der finanziellen Gegenleistung), die dem Königreich Marokko nach dem Fischereiabkommen und dem Protokoll von 2013 zustehen ( 187 ).

212.

Da der Anspruch auf marokkanische Souveränität über die Westsahara aus den von mir in den Nrn. 147 bis 186 der vorliegenden Schlussanträge dargelegten Gründen auf einer Verletzung des Selbstbestimmungsrecht der Bevölkerung dieses Gebiets beruht, hat die Union ihre Verpflichtung missachtet, keine aus der Verletzung des Selbstbestimmungsrechts der Bevölkerung der Westsahara durch das Königreich Marokko herrührende rechtswidrige Situation anzuerkennen und keine Hilfe oder Unterstützung bei der Aufrechterhaltung dieser Situation zu leisten ( 188 ). Daher sind das Fischereiabkommen und das Protokoll von 2013, soweit sie für das Gebiet der Westsahara und die daran angrenzenden Gewässer gelten, mit Art. 3 Abs. 5 EUV, Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 EUV, Art. 21 Abs. 2 Buchst. b und c EUV, Art. 23 EUV und Art. 205 AEUV unvereinbar, wonach die Union bei ihrem auswärtigen Handeln die Menschenrechte zu schützen und das Völkerrecht strikt einzuhalten hat.

213.

Die Verordnung Nr. 764/2006, der Beschluss 2013/785 und die Verordnung Nr. 1270/2013 verstoßen folglich insoweit gegen Art. 3 Abs. 5 EUV, Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 EUV, Art. 21 Abs. 2 Buchst. b und c EUV, Art. 23 EUV und Art. 205 AEUV, als sie die Anwendung des Fischereiabkommens und des Protokolls von 2013 auf das Gebiet der Westsahara und auf die daran angrenzenden Gewässer genehmigen und umsetzen.

3) Beruht der Abschluss der auf die Westsahara anwendbaren völkerrechtlichen Abkommen mit dem Königreich Marokko auf einer anderen Rechtsgrundlage als dessen behaupteter Souveränität über dieses Gebiet?

214.

Die vorstehende Analyse ist darauf gestützt, dass das Königreich Marokko die Souveränität über die Westsahara beansprucht, die ihm die Befugnis verleihe, das Fischereiabkommen und das Protokoll von 2013 mit der Union abzuschließen.

215.

Wie jedoch Comader in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, akzeptiert das Königreich Marokko unbeschadet seiner eigenen Auffassung in dieser Frage, dass die Union und ihre Mitgliedstaaten anderer Ansicht sein können.

216.

Ich werde somit prüfen, ob der Abschluss des Fischereiabkommens und des Protokolls von 2013 auf einen anderen Rechtstitel des Königreichs Marokko bezüglich der Westsahara gestützt werden könnte, aufgrund dessen es die von der Kommission in der mündlichen Verhandlung sogenannte „Befugnis zum Abschluss von Verträgen“ („treaty-making power“) hätte, die Rechtswirkungen auch für die Westsahara als Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung entfalteten.

217.

Dazu haben die französische Regierung, der Rat und die Kommission vorgetragen, das Königreich Marokko sei die „De‑facto-Verwaltungsmacht“ der Westsahara und als solche berechtigt, auf die Westsahara und die daran angrenzenden Gewässer anwendbare völkerrechtliche Verträge abzuschließen, ohne das Selbstbestimmungsrecht ihrer Bevölkerung zu verletzen.

218.

WSC macht hingegen geltend, als Besatzungsmacht der Westsahara ( 189 ) könne das Königreich Marokko keinen für die Westsahara und die daran angrenzenden Gewässer geltenden völkerrechtlichen Vertrag abschließen.

219.

Die spanische und die portugiesische Regierung haben sich zu dieser Frage nicht geäußert; die spanische Regierung hat sich auf die Bemerkung beschränkt, das Königreich Marokko sei keine Besatzungsmacht der Westsahara, ohne jedoch deutlich zu machen, in welcher Eigenschaft es dann für dieses Gebiet und die daran angrenzenden Gewässer geltende völkerrechtliche Verträge abschließen könnte.

220.

Bei der Frage, ob das Völkerrecht eine Rechtsgrundlage kennt, die es der Union gestatten würde, mit dem Königreich Marokko für die Westsahara und die daran angrenzenden Gewässer geltende völkerrechtliche Verträge abzuschließen, geht es um die Auslegung des Völkerrechts, bei der die Voraussetzungen, unter denen das Völkerrecht vor Gericht geltend gemacht werden kann, keine Rolle spielen.

i) Das Königreich Marokko als De-facto-Verwaltungsmacht der Westsahara

221.

Meines Erachtens ist die von der französischen Regierung, vom Rat und von der Kommission vertretene Auffassung, das Königreich Marokko sei die De‑facto-Verwaltungsmacht der Westsahara, zurückzuweisen. Zu betonen ist, dass sich weder die spanische noch die portugiesische Regierung in diesem Sinne geäußert haben.

222.

Gemäß Art. 73 der Charta der Vereinten Nationen sind unter dem Begriff „Verwaltungsmacht“„Mitglieder der Vereinten Nationen, welche die Verantwortung für die Verwaltung von Hoheitsgebieten [ohne Selbstregierung] haben oder übernehmen“, zu verstehen. Das Königreich Marokko hatte bei seinem Beitritt zur UNO im Jahr 1956 nicht die Verantwortung für die Verwaltung der Westsahara und hat niemals eine solche Verantwortung übernommen, da es sich als Souverän über dieses Gebiet betrachtet ( 190 ).

223.

Im Übrigen gibt es den Begriff der „De-facto-Verwaltungsmacht“ im Völkerrecht nicht; er wurde erstmals von der Kommission verwendet, als ihre Vizepräsidentin und Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, im Namen der Kommission die parlamentarischen Anfragen E‑001004/11, P‑001023/11 und E‑002315/11 beantwortete ( 191 ).

224.

Tatsächlich konnten der Rat und die Kommission kein einziges weiteres Beispiel dafür anführen, dass dieser Begriff gebraucht worden wäre, um die Beziehungen zwischen einem Staat und einem Gebiet ohne Selbstregierung zu beschreiben. Dazu ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff De‑facto-Verwaltungsmacht in dem zeitgenössischen und sehr ähnlichen Fall der Annexion Osttimors durch die Republik Indonesien nicht verwendet wurde, um das Verhältnis dieses Staates zu Osttimor zu charakterisieren. Der Internationale Gerichtshof hat die Militärintervention der Republik Indonesien in Osttimor vielmehr als Besetzung qualifiziert ( 192 ).

225.

Die Tatsache, dass das Königreich Marokko aufgrund des Abkommens von Madrid Teil der vorläufigen Verwaltung der Westsahara wurde, könnte ihm auch nicht die Stellung einer Verwaltungsmacht verschaffen, die in der Lage wäre, auf die Westsahara anwendbare völkerrechtliche Abkommen abzuschließen, ohne das Selbstbestimmungsrecht der Bevölkerung dieses Gebiets zu verletzen. Zum einen ist nämlich die Legitimität des Abkommens von Madrid heftig umstritten ( 193 ), was dadurch bestätigt wird, dass für die Resolution 3458 B (XXX), die von diesem Abkommen Kenntnis nimmt, nur 56 Staaten gestimmt haben, wobei mehrere Mitgliedstaaten der Union dagegen gestimmt oder sich der Stimme enthalten haben ( 194 ). Zum anderen hat die UN-Generalversammlung, wie aus Nr. 4 der Resolution 3458 B (XXX) hervorgeht, von dem Abkommen von Madrid und dem Bestehen der vorläufigen Verwaltung nur insoweit Kenntnis genommen, als diese Verwaltung alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen sollte, um der Bevölkerung der Westsahara die Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts zu ermöglichen. In diesem Sinne erkennen selbst die Staaten, die dieser Resolution zugestimmt haben, darunter insbesondere die Vereinigten Staaten, dem Königreich Marokko nicht die Eigenschaft der Verwaltungsmacht zu, sondern erkennen an, dass das Königreich Marokko die Westsahara seiner Verwaltungskontrolle („administrative control“) unterstellt hat ( 195 ). Der Abschluss völkerrechtlicher Abkommen, vor allem solcher zur Ausbeutung natürlicher Ressourcen der Westsahara wie des Fischereiabkommens, überschreitet bei Weitem das Mandat, selbst in seiner extensivsten Auslegung, das der vorläufigen Verwaltung der Westsahara unter Beteiligung des Königreichs Marokko übertragen worden war.

226.

Auf jeden Fall ist es allein Sache der UN-Generalversammlung, ein Gebiet als ein solches ohne Selbstregierung anzuerkennen und deshalb seine Verwaltungsmacht zu bestimmen ( 196 ).

227.

Die beiden von der Kommission genannten Beispiele – die Kokosinseln (Keeling) und West-Neuguinea ( 197 ) – bestätigen diese Vorrangstellung der UN‑Generalversammlung. Die Kokosinseln (Keeling) hatte das Vereinigte Königreich aus der Kolonie Singapur herausgelöst und dem Herrschaftsbereich Australiens unterstellt ( 198 ). Zwar hatte die UN-Generalversammlung diesem Übergang nicht vorab zugestimmt; Australien setzte jedoch die Praxis des Vereinigten Königreichs fort und übermittelte der UNO ab 1957 die in Art. 73 Buchst. e der Charta der Vereinten Nationen vorgesehenen Informationen ( 199 ), woraufhin die Generalversammlung den Übergang genehmigte und Australien als Verwaltungsmacht der Kokosinseln (Keeling) in ihre Liste der Hoheitsgebiete ohne Selbstregierung aufnahm ( 200 ).

228.

Was West-Neuguinea betrifft, dessen Verwaltungsmacht das Königreich der Niederlande war, so erfolgte die Übertragung dieses Gebiets durch das Königreich der Niederlande auf die Vorübergehende Verwaltungsbehörde der Vereinten Nationen und von dieser auf die Republik Indonesien im Wege eines internationalen Vertrags, der entgegen dem Vorbringen der Kommission erst nach seiner Genehmigung durch die UN-Generalversammlung in Kraft trat ( 201 ).

229.

Im vorliegenden Fall hat die UN-Generalversammlung die Westsahara zwar bereits 1960 als Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung anerkannt ( 202 ), dem Königreich Marokko jedoch nie die Stellung einer Verwaltungsmacht (de iure oder de facto) zugesprochen; als solche führt sie das Königreich Spanien sogar heute noch in ihrer Liste der Hoheitsgebiete ohne Selbstregierung und der Verwaltungsmächte ( 203 ).

230.

Diese Schlussfolgerung wird durch das Schreiben des UN‑Untergeneralsekretär für Rechtsangelegenheiten und Rechtsberaters, Hans Corell, vom 29. Januar 2002 an den Präsidenten des Sicherheitsrats bekräftigt, wonach „[d]as Abkommen von Madrid … keinen Übergang der Souveränität auf das Gebiet vor[sah] und … keinem der Vertragsstaaten die Stellung einer Verwaltungsmacht [übertrug], die zudem von Spanien nicht einseitig übertragen werden konnte“ ( 204 ). Außerdem hat er trotz der Bemerkung, dass „Marokko seit [1976] das Gebiet der Westsahara allein verwaltet“, was unbestritten ist, darauf hingewiesen, dass „Marokko jedoch nicht als Verwaltungsmacht des Gebiets in der UNO-Liste der Hoheitsgebiete ohne Selbstregierung geführt wird und daher auch keine Informationen über das Gebiet gemäß Art. 73 Buchst. e der Charta der Vereinten Nationen übermittelt“ ( 205 ).

231.

Im Übrigen hat der Untergeneralsekretär für Rechtsangelegenheiten die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen, die die marokkanischen Behörden in Bezug auf das Angebot und die Unterzeichnung von Verträgen zur Erkundung der Bodenschätze der Westsahara mit ausländischen privaten Firmen angeblich getroffen hatten, auf der Grundlage der Prinzipien entsprechend geprüft, die für die Befugnisse und Verantwortlichkeiten der Verwaltungsmächte bei Aktivitäten gelten, die die Bodenschätze von Hoheitsgebieten ohne Selbstregierung betreffen ( 206 ). Diese Analogie mit der rechtlichen Regelung für Verwaltungsmächte hat er damit gerechtfertigt, dass die Westsahara ein Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung sei und diese Regelung zugunsten seiner Bevölkerung bestehe, weshalb das Königreich Marokko zumindest denselben Verpflichtungen wie eine Verwaltungsmacht nachkommen müsse.

232.

Dieses Schreiben könnte aber unter keinen Umständen herangezogen werden, um zu begründen, dass es im Völkerrecht den Begriff der „De‑facto‑Verwaltungsmacht“ vor allem im Hinblick auf die Frage des Abschlusses internationaler Verträge gibt, die im Gegensatz zu der Unterzeichnung von Verträgen mit privaten Firmen „ein Merkmal der Hoheitsgewalt“ ( 207 ) ist.

233.

Schließlich ist zu beachten, dass die Fähigkeit der Verwaltungsmacht, für das Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung geltende internationale Übereinkünfte abzuschließen, die sich auf wesentliche völkerrechtliche Elemente wie das Selbstbestimmungsrecht und den Grundsatz der dauerhaften Souveränität über die natürlichen Ressourcen beziehen, beschränkt, sobald „[d]ie Aktion [einer nationalen Befreiungsbewegung] eine Bedeutung auf internationaler Ebene erlangt hat“ ( 208 ). Selbst wenn dem Königreich Marokko also die Eigenschaft einer Verwaltungsmacht zuerkannt würde, wäre seine Fähigkeit, für die Westsahara geltende internationale Übereinkünfte abzuschließen, „beschränkt“ gewesen ( 209 ).

ii) Das Königreich Marokko als Besatzungsmacht der Westsahara

234.

Das vorlegende Gericht und WSC sind der Ansicht, das Königreich Marokko habe die Westsahara besetzt. Anders als das vorlegende Gericht nimmt WSC aber an, als Besatzungsmacht könne das Königreich Marokko kein für die Westsahara und die daran angrenzenden Gewässer geltendes völkerrechtliches Abkommen mit der Union abschließen.

235.

Auf Seiten der Organe der Union besteht eine bedeutende Meinungsverschiedenheit zwischen dem Rat und der Kommission: Der Rat schließt die Anwendung der völkerrechtlichen Regeln betreffend militärische Besetzungen auf die Westsahara kategorisch aus, während die Kommission dies nicht tut, sondern die Auffassung vertritt, die rechtlichen Regeln für Verwaltungsmächte und die für Besatzungsmächte schlössen sich nicht gegenseitig aus.

236.

Ich teile die Ansicht von WSC nicht, denn eine Besatzungsmacht kann unter bestimmten Voraussetzungen völkerrechtliche Abkommen abschließen, die für das besetzte Gebiet gelten. Ist dies hier der Fall?

– Zur Anwendbarkeit des humanitären Völkerrechts auf die Westsahara

237.

Die für die folgende Analyse relevanten Bestimmungen des humanitären Völkerrechts (oder des Rechts der bewaffneten Konflikte) sind die Art. 42 und 43 der Haager Landkriegsordnung von 1907, die Art. 2 und 64 des Genfer Abkommens IV und Art. 1 Abs. 4 des ersten Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 zum Schutz von Opfern internationaler bewaffneter Konflikte ( 210 ) (im Folgenden: Zusatzprotokoll I) ( 211 ).

238.

Vorab ist festzuhalten, dass, wie der Internationale Gerichtshof entschieden hat, „[die Grundregeln des humanitären Völkerrechts, zu denen die Haager Landkriegsordnung von 1907 gehört] im Übrigen für alle Staaten verbindlich sind, unabhängig davon, ob sie die diese Regeln enthaltenden Übereinkünfte ratifiziert haben, denn diese Regeln stellen unantastbare völkergewohnheitsrechtliche Grundsätze dar“ ( 212 ) und „beinhalten Verpflichtungen, die ihrem Wesen nach Erga‑omnes-Wirkungen entfalten“ ( 213 ).

239.

In der Tat enthält Art. 1 des Genfer Abkommens IV die in allen vier Genfer Abkommen identische Bestimmung, wonach „[d]ie Hohen Vertragsparteien … sich [verpflichten], das vorliegende Abkommen unter allen Umständen einzuhalten und seine Einhaltung durchzusetzen“ ( 214 ).

240.

Dem Internationalen Gerichtshof zufolge „ergibt sich aus dieser Bestimmung die Pflicht eines jeden Vertragsstaats dieses Abkommens, unabhängig davon, ob er an einem bestimmten Konflikt beteiligt ist, die Einhaltung der Vorschriften der betroffenen Übereinkünfte durchzusetzen“ ( 215 ).

241.

Deshalb ist die Union nach Art. 3 Abs. 5 EUV verpflichtet, in strikter Einhaltung des Völkerrechts keine aus einer Verletzung dieser Regeln resultierende rechtswidrige Situation anzuerkennen und keine Hilfe oder Unterstützung bei der Aufrechterhaltung dieser Situation zu leisten ( 216 ).

242.

Das Genfer Abkommen IV findet Anwendung, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: Es liegt ein bewaffneter Konflikt vor (unabhängig davon, ob der Kriegszustand anerkannt wurde), und dieser Konflikt ist zwischen zwei Vertragsparteien entstanden ( 217 ). Wie der Internationale Gerichtshof entschieden hat, „soll durch Art. 2 Abs. 2 nicht der durch Abs. 1 auf diese Weise festgelegte Geltungsbereich des Abkommens eingeschränkt werden, indem Gebiete, die nicht der Hoheitsgewalt einer der Vertragsparteien unterstehen, von diesem Geltungsbereich ausgenommen würden. Dadurch soll nur klargestellt werden, dass das Abkommen anwendbar bleibt, selbst wenn die im Laufe des Konflikts erfolgte Besetzung auf keinen bewaffneten Widerstand gestoßen ist.“ ( 218 )

243.

Überdies erstreckt Art. 1 Abs. 4 des Zusatzprotokolls I die Anwendung der vier Genfer Abkommen von 1949 auf „die bewaffneten Konflikte, in denen Völker gegen koloniale Herrschaft und ausländische Besetzung … in Ausübung des Selbstbestimmungsrechts der Völker kämpfen“ ( 219 ). Dies ist bei der Bevölkerung der Westsahara der Fall, die dieses Recht noch nicht ausgeübt hat und sich in einem Prozess der Entkolonialisierung befindet ( 220 ).

244.

Daher ist der bewaffnete Konflikt, der zwischen 1976 und 1988 in der Westsahara stattgefunden hat, ein internationaler bewaffneter Konflikt, mit der Folge, dass die Haager Landkriegsordnung von 1907 auf die Westsahara Anwendung findet.

– Zum Vorliegen einer militärischen Besetzung der Westsahara

245.

In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob die Präsenz des Königreichs Marokko in der Westsahara eine Besetzung im Sinne von Art. 42 der Haager Landkriegsordnung von 1907 ist, die die Union nicht anerkennen und bei der sie auch keine Hilfe oder Unterstützung leisten darf. Nach dieser Bestimmung gilt „[e]in Gebiet … als besetzt, wenn es sich tatsächlich in der Gewalt des feindlichen Heeres befindet“.

246.

Dazu ist zunächst zu bemerken, dass es sich beim Vorliegen einer Besetzung um eine Tatfrage handelt ( 221 ). Das vorlegende Gericht sowie die britische Finanzverwaltung und der Minister für Umwelt, Ernährung und Angelegenheiten des ländlichen Raums sind der Ansicht, die Westsahara werde von Marokko besetzt ( 222 ), was die Resolution 34/37 der UN-Generalversammlung bestätigt ( 223 ), auf die der Gerichtshof in den Rn. 35 und 105 seines Urteils vom 21. Dezember 2016, Rat/Front Polisario (C‑104/16 P, EU:C:2016:973), verwiesen hat.

247.

Dass die Westsahara von Marokko besetzt ist, wird außerdem allgemein anerkannt ( 224 ), und zwar auch von Hans Corell ( 225 ), der als UN‑Untergeneralsekretär für Rechtsangelegenheiten und Rechtsberater die Rechtmäßigkeit der angeblich von den marokkanischen Behörden getroffenen Entscheidung, Verträge zur Erkundung der Bodenschätze der Westsahara mit ausländischen Firmen abzuschließen, überprüft hatte ( 226 ).

248.

Schließlich muss dem Internationalen Gerichtshof zufolge für die Feststellung, ob „ein Staat, dessen Streitkräfte sich aufgrund einer Intervention im Hoheitsgebiet eines anderen Staates befinden, eine ‚Besatzungsmacht’ im Sinne des ius in bello ist, [geprüft werden,] ob es ausreichende Beweise dafür gibt, dass die Herrschaft [der feindlichen Armee] in den fraglichen Gebieten von dem Staat, der die Intervention unternommen hatte, effektiv errichtet und ausgeübt wurde“ ( 227 ).

249.

Dies trifft eindeutig für den größten Teil der Westsahara zu, der westlich des von der marokkanischen Armee errichteten und überwachten Sandwalls liegt und sich seit seiner Annexion in zwei Etappen (1976 und 1979 ( 228 )) unter der Herrschaft des Königreichs Marokko befindet. Er ist seitdem vom Königreich Marokko strukturiert verwaltet worden ( 229 ), ohne dass die Bevölkerung der Westsahara, die noch nicht ihr Selbstbestimmungsrecht ausgeübt hat, dem zugestimmt hätte ( 230 ).

250.

Im Übrigen ist eine Besetzung nicht auf das Festland beschränkt, sondern sie erstreckt sich auch auf die Binnengewässer und das Küstenmeer ( 231 ). Da die Souveränität des Küstenstaats nicht bis zur AWZ reicht, erstreckt sich auch eine Besetzung nicht auf Letztere; die Besatzungsmacht der Küstenregion – hier das Königreich Marokko -kann jedoch in der AWZ die Befugnisse wahrnehmen, die das Seerecht an die Küstenregion anknüpft ( 232 ).

– Zur Fähigkeit der Besatzungsmacht, für das besetzte Gebiet geltende völkerrechtliche Abkommen zu schließen, und zu den Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen, denen der Abschluss solcher Abkommen unterliegt

251.

Was die Fähigkeit einer Besatzungsmacht anbelangt, für das besetzte Gebiet geltende völkerrechtliche Abkommen zu schließen, so geht aus Art. 43 der Haager Landkriegsordnung von 1907 ( 233 ) und aus Art. 64 Abs. 2 des Genfer Abkommens IV ( 234 ) hervor, dass die Besatzungsmacht Gesetze erlassen darf, um das öffentliche Leben und die ordnungsgemäße Verwaltung des besetzten Gebiets sicherzustellen ( 235 ). Wie die Kommission bemerkt hat, gehört zu dieser gesetzgebenden Gewalt, über die die Besatzungsmacht in dem besetzten Gebiet verfügt, die Fähigkeit, für dieses Gebiet geltende völkerrechtliche Abkommen abzuschließen ( 236 ). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Internationale Gerichtshof es nicht von vornherein ausgeschlossen hat, dass für ein besetztes Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung geltende völkerrechtliche Abkommen von Dritten nur mit der Verwaltungsmacht, die ihre Aufgabe wegen der Militärintervention nicht mehr erfüllt, abgeschlossen werden können ( 237 ).

252.

Beim Abschluss eines für das besetzte Gebiet geltenden völkerrechtlichen Abkommens muss die Besatzungsmacht jedoch in ihrer Eigenschaft als Besatzungsmacht, nicht aber als Souverän des besetzten Gebiets handeln ( 238 ), da die Annexion eines besetzten Gebiets streng verboten ist ( 239 ).

253.

So hat z. B. die Schweizerische Eidgenossenschaft mit der ausdrücklich im Namen der Republik Irak handelnden Coalition Provisional Authority (Provisorische Behörde der Koalition) ( 240 ) ein Abkommen über die Absicherung von Exportrisiken ( 241 ) abgeschlossen, wobei sie die Ansicht vertrat, dass „ein Besatzungsstaat in dem von ihm besetzten Land über die gesetzgebende Gewalt verfügt (Art. 43 der Haager Landkriegsordnung von 1907), [was] insbesondere bedeutet, dass die Besatzungsmacht im Namen des besetzten Staates Gesetze verabschieden oder völkerrechtliche Abkommen abschließen kann“ ( 242 ). Diese Praxis stützte sich auf die Resolutionen 1483 (2003) ( 243 ) und 1511 (2003) ( 244 ) des UN-Sicherheitsrats vom 23. Mai 2003 bzw. 16. Oktober 2003.

254.

Aus dem Wortlaut dieses Rahmenabkommens geht eindeutig hervor, dass es nicht mit den Besatzungsmächten der Republik Irak, sondern mit der Provisorischen Behörde der Koalition abgeschlossen wurde, die „nach den Gesetzen und Gebräuchen des Krieges … vorübergehend die Regierungsgewalt im Irak ausübt[e]“ ( 245 ). Es stellte sich also nicht die Frage der Anerkennung einer aus einer Verletzung unantastbarer völkergewohnheitsrechtlicher Normen mit Erga-omnes-Verpflichtungen resultierenden rechtswidrigen Situation durch die Schweizerische Eidgenossenschaft.

255.

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Wortlaut des Fischereiabkommens und des Protokolls von 2013 nicht ausdrücklich, dass beide mit dem Königreich Marokko in seiner Eigenschaft als Besatzungsmacht der Westsahara abgeschlossen worden wären. Allem Anschein nach hat das Königreich Marokko diese Abkommen vielmehr als der Souverän der Westsahara abgeschlossen. Folglich rechtfertigen, anders als die Kommission in Rn. 139 ihrer Erklärungen geltend macht, Art. 43 der Haager Landkriegsordnung von 1907 und Art. 64 Abs. 2 des Genfer Abkommens IV den Abschluss des Fischereiabkommens und des Protokolls von 2013 in der Form und auf die Weise, wie dies geschehen ist, selbst dann nicht, wenn das Königreich Marokko als Besatzungsmacht der Westsahara angesehen werden sollte.

b)   Zur Wahrung des Grundsatzes der dauerhaften Souveränität über die natürlichen Ressourcen und der auf die Nutzung natürlicher Ressourcen des besetzten Gebiets anwendbaren Regeln des humanitären Völkerrechts durch die streitigen Rechtsakte

1) Der Grundsatz der dauerhaften Souveränität über die natürlichen Ressourcen

256.

Die Westsahara ist ein Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung, das im Prozess der Entkolonialisierung begriffen ist. Daher bestimmt sich die Nutzung ihrer natürlichen Ressourcen nach Art. 73 der Charta der Vereinten Nationen und nach dem gewohnheitsrechtlichen Grundsatz der dauerhaften Souveränität über die natürlichen Ressourcen ( 246 ). Ferner sieht das SRÜ in der Resolution III, die der Schlussakte der Dritten Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen beigefügt ist, vor, dass „im Fall eines Gebiets, dessen Bevölkerung nicht die volle Unabhängigkeit oder ein anderes von den Vereinten Nationen anerkanntes Autonomiestatut erlangt hat, oder im Fall eines Gebiets unter kolonialer Herrschaft die Vorschriften [des SRÜ] über Rechte oder Interessen … zugunsten der Bevölkerung dieses Gebiets angewendet [werden], um deren Wohlstand und Entwicklung zu fördern“.

257.

In diesem Zusammenhang muss die Nutzung natürlicher Ressourcen eines Hoheitsgebiets ohne Selbstregierung, einschließlich der Ausbeutung der Fischereigründe in den an dieses Gebiet angrenzenden Gewässern, dessen Bevölkerung zugutekommen ( 247 ).

2) Art. 55 der Haager Landkriegsordnung von 1907

258.

Das Königreich Marokko ist als Besatzungsmacht der Westsahara ( 248 ), was die Nutzung des öffentlichen Eigentums des besetzten Landes betrifft, an Art. 55 der Haager Landkriegsordnung von 1907 gebunden. Nach diesem Artikel hat sich „[d]er besetzende Staat … nur als Verwalter und Nutznießer der öffentlichen Gebäude, Liegenschaften, Wälder und landwirtschaftlichen Betriebe zu betrachten, die dem feindlichen Staat gehören und sich in dem besetzten Gebiet befinden. Er soll den Bestand dieser Güter erhalten und sie nach den Regeln des Nießbrauchs verwalten.“

259.

Ebenso wie die Kommission bin ich der Auffassung, dass Art. 55 der Haager Landkriegsordnung von 1907 auch auf die Nutzung der Fischbestände von Meeresgebieten vor den Küsten des besetzten Gebiets angewandt werden kann.

260.

Der Nießbrauch ist das Recht, fremde Sachen zu nutzen (ius utendi) und daraus die Früchte zu ziehen (ius fruendi), ohne sie in ihrer Substanz zu verändern ( 249 ). Dies bedeutet, dass die Besatzungsmacht über die öffentlichen Güter des besetzten Landes zwar nicht verfügen darf, aber die Befugnis hat, diese Güter zu nutzen, daraus die Früchte zu ziehen und zu veräußern sowie die Gewinne aus der Verwertung dieser Früchte zu vereinnahmen, ohne dass diese Nutzung jedoch zu einer Verschwendung, Aufgabe oder Zerstörung des wirtschaftlichen Wertes der betreffenden Güter führen oder das notwendige oder gewöhnliche Maß übersteigen darf ( 250 ).

261.

Nach dem Wortlaut des Art. 55 unterliegt die Verwertung der aus der Nutzung des öffentlichen Eigentums gezogenen Früchte keiner besonderen Beschränkung ( 251 ). Es wurde jedoch bereits entschieden, dass „aus den das öffentliche Eigentum betreffenden Art. 53, 55 und 56 [der Haager Landkriegsordnung von 1907] klar hervorgeht, dass die Wirtschaft eines besetzten Landes nach den Gesetzen des Krieges [nur] die Kosten der Besatzung zu tragen hat …; sie braucht für diese auch nur insoweit aufzukommen, als sie ihr vernünftigerweise zugemutet werden können“ ( 252 ).

262.

Außerdem gestattet Art. 55 der Haager Landkriegsordnung von 1907 eine Nutzung des öffentlichen Eigentums zur Befriedigung der Bedürfnisse der Bevölkerung des besetzten Gebiets, und zwar vor allem im Rahmen einer länger anhaltenden Besetzung ( 253 ).

263.

So akzeptierten die Vereinigten Staaten von Amerika, das Vereinigte Königreich und die Mitglieder der Koalition bei der Besetzung des Irak sofort, dass „das Erdöl des Irak geschützt und zum Nutzen des irakischen Volkes verwendet“ wurde ( 254 ), und richteten im Einklang mit Nr. 20 der Resolution 1483 (2003) des UN-Sicherheitsrats den Entwicklungsfonds für den Irak ein ( 255 ), um in diesen alle Erlöse aus den Exportverkäufen von Erdöl, Erdölprodukten und Erdgas aus dem Irak bis zur Bildung einer repräsentativen, international anerkannten Regierung Iraks einzuzahlen.

3) Zur Wahrung des Grundsatzes der dauerhaften Souveränität über die natürlichen Ressourcen sowie des Art. 55 der Haager Landkriegsordnung von 1907 durch die streitigen Rechtsakte

264.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das humanitäre Völkerrecht, zu dem Art. 55 der Haager Landkriegsordnung von 1907 zählt, lex specialis gegenüber den übrigen Regeln des Völkerrechts, einschließlich der Menschenrechte, darstellt, die ebenfalls auf denselben Sachverhalt Anwendung finden können ( 256 ).

265.

Zwar hat der Internationale Gerichtshof in Bezug auf den Grundsatz der dauerhaften Souveränität über die natürlichen Ressourcen entschieden, dass „nichts … darauf hindeutet, dass er auf den speziellen Fall der Plünderung und der Ausbeutung bestimmter natürlichen Ressourcen durch Angehörige der Armee eines Staates anwendbar wäre, der im Rahmen einer Militärintervention in das Gebiet eines anderen Staates eingedrungen ist“ ( 257 ).

266.

Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht um die Plünderung und Ausbeutung natürlicher Ressourcen durch einzelne Armeeangehörige, sondern um eine offizielle und systematische Politik der Nutzung von Fischbeständen ( 258 ), die vom Königreich Marokko und von der Union gemeinsam festgelegt wurde.

267.

Es ist somit möglich, dass bestimmte Situationen ausschließlich nach dem humanitären Völkerrecht zu beurteilen sind, während andere ausschließlich den Rechtsvorschriften über die Nutzung der natürlichen Ressourcen von Hoheitsgebieten ohne Selbstregierung unterliegen; wieder andere schließlich können in beide Bereiche des Völkerrechts gleichzeitig fallen ( 259 ).

268.

Wie die Kommission in Rn. 43 ihrer Antworten auf die schriftlichen Fragen des Gerichtshofs dargelegt hat, schließen sich die auf Hoheitsgebiete ohne Selbstregierung und die auf besetzte Gebiete anwendbaren rechtlichen Regelungen nicht gegenseitig aus. Im vorliegenden Fall stimmen außerdem der Grundsatz der dauerhaften Souveränität über die natürlichen Ressourcen und Art. 55 der Haager Landkriegsordnung von 1907 in einem Punkt überein: Die Nutzung der natürlichen Ressourcen der Westsahara (als Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung und besetztes Gebiet) darf nicht zum wirtschaftlichen Vorteil des Königreichs Marokko (abgesehen von den Besatzungskosten, soweit die Westsahara dafür vernünftigerweise aufkommen kann) erfolgen, sondern muss der Bevölkerung der Westsahara zugutekommen.

269.

In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass sich der Rat und die Kommission darüber einig sind, dass die Nutzung der Fischereizonen vor den Küsten der Westsahara der Bevölkerung dieses Gebiets zugutekommen muss, wobei sie meinen, die Bestimmungen des Fischereiabkommens und des Protokolls von 2013 seien so gestaltet, dass dies gewährleistet sei.

270.

Diese Auffassung teile ich aus den folgenden Gründen nicht.

271.

Das Fischereiabkommen sieht eine nachhaltige Bewirtschaftung (englisch „sustainable exploitation“) der Fischereiressourcen vor ( 260 ) und führt daher nicht zur Erschöpfung dieser Ressourcen. Insoweit scheint das Fischereiabkommen auf den ersten Blick sowohl mit den Regeln des Nießbrauchs, auf die Art. 55 der Haager Landkriegsordnung von 1907 verweist ( 261 ), als auch mit dem Grundsatz der dauerhaften Souveränität über die natürlichen Ressourcen im Einklang zu stehen. In der Tat könnte bei einer Nutzung der an die Westsahara angrenzenden Gewässer, die eine Erschöpfung der Fischereiressourcen zur Folge hätte, nicht davon ausgegangen werden, dass sie der Bevölkerung dieses Gebiets zugutekäme.

272.

Aus Art. 2 der Verordnung Nr. 764/2006, aus den technischen Datenblättern für die Fischereizonen Nrn. 3 bis 6 ( 262 ) und aus den Auskünften, die die Kommission in der mündlichen Verhandlung erteilt hat ( 263 ), geht jedoch hervor, dass der Großteil der in diesem Abkommen und seinem Protokoll vorgesehenen Nutzung fast ausschließlich in den an die Westsahara angrenzenden Gewässern stattfindet. Die Fangmenge allein in der Fischereizone Nr. 6 (die nur aus den an die Westsahara angrenzenden Gewässern besteht) macht nämlich rund 91,5 % der Gesamtmenge der Fänge aus, die im Rahmen der durch das Fischereiabkommen und das Protokoll von 2013 eingeführten Nutzung der Fischbestände getätigt werden.

273.

Wenn das Fischereiabkommen also fast ausschließlich auf die Westsahara und auf die daran angrenzenden Gewässer Anwendung findet, müsste die von der Union dem Königreich Marokko nach Art. 7 des Fischereiabkommens gewährte finanzielle Gegenleistung folgerichtig, was Rat und Kommission einräumen, ebenfalls fast ausschließlich der Bevölkerung der Westsahara zugutekommen (es sei denn, sie wird zur Deckung der Besatzungskosten verwendet, soweit die Westsahara dafür vernünftigerweise aufkommen kann ( 264 )).

274.

Nach Art. 3 Abs. 1 des Protokolls von 2013 setzt sich die jährliche finanzielle Gegenleistung in Höhe von 40 Mio. Euro jedoch aus zwei Teilen zusammen: zum einen aus 30 Mio. Euro, die nach Art. 7 des Fischereiabkommens gewährt werden (16 Mio. Euro als finanzieller Ausgleich für den Zugang zu den Ressourcen und 14 Mio. Euro zur Förderung der Fischereipolitik in Marokko); zum anderen aus geschätzten 10 Mio. Euro für die von den europäischen Reedern zu zahlenden Gebühren für die gemäß Art. 6 des Fischereiabkommens ausgestellten Lizenzen.

275.

Nach Art. 3 Abs. 4 des Protokolls von 2013 wird diese Gegenleistung auf ein bei der Trésorerie Générale du Royaume du Maroc (Allgemeines Schatzamt des Königreichs Marokko) geführtes Konto des Leiters dieses Amtes überwiesen (während im Fall der Besetzung des Irak die Erlöse aus den Erdölverkäufen an den Entwicklungsfonds für den Irak gezahlt wurden).

276.

Gemäß Art. 3 Abs. 5 und Art. 6 Abs. 1 des Protokolls von 2013 unterliegt die jährliche finanzielle Gegenleistung in Höhe von 40 Mio. Euro der ausschließlichen Zuständigkeit der marokkanischen Behörden; in Bezug auf die 14 Mio. Euro (Förderung der Fischereipolitik in Marokko) gibt es jedoch einen Mechanismus, kraft dessen die Union innerhalb eines gemischten Ausschusses die Verwendung der Gelder durch die marokkanischen Behörden beaufsichtigt und kontrolliert.

277.

Gemäß Art. 5 Abs. 6 des Protokolls von 2013 erlaubt dieser Mechanismus aber nur die allgemeine Kontrolle der „erwarteten wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen [des Fischereiabkommens], insbesondere der Auswirkungen auf Beschäftigung und Investitionen sowie aller quantifizierbaren Auswirkungen der durchgeführten Maßnahmen und ihrer geografischen Verteilung“.

278.

Die Kommission hat erklärt, anhand dieses Kontrollmechanismus habe sie sich für die Geltungsdauer des Protokolls von 2013 (2014–2018) davon überzeugen können, dass 54 Mio. Euro für die Errichtung von modernen Hallen, Räumlichkeiten für Fischer sowie ausgebauten Anlandungsplätzen und Aquakulturanlagen verwendet worden seien bzw. würden und dass es sich bei rund 80 % der mit dieser Subvention finanzierten Vorhaben um solche in der Westsahara handle.

279.

Dies zeigt meines Erachtens, dass weder das Fischereiabkommen noch das Protokoll von 2013 die notwendigen rechtlichen Garantien dafür bietet, dass die Nutzung der Fischbestände die Voraussetzungen für das Kriterium des Vorteils für die Bevölkerung der Westsahara erfüllt.

280.

Erstens enthält das Protokoll von 2013 keine Verpflichtung des Königreichs Marokko, die von der Union gewährte finanzielle Gegenleistung der Bevölkerung der Westsahara proportional zu den Fangmengen zugutekommen zu lassen, die auf die an die Westsahara angrenzenden Gewässer entfallen. Im Gegenteil: Obwohl 91,5 % der Fangmengen allein auf die Fischereizone Nr. 6 (die nur aus den an die Westsahara angrenzenden Gewässern besteht) entfallen, werden nur 35 % der finanziellen Gegenleistung (14 von 40 Mio. Euro) von dem Kontrollmechanismus gemäß Art. 6 des Protokolls von 2013 erfasst.

281.

Zweitens ist es nicht erwiesen, dass die 14 Mio. Euro wirklich zum Nutzen der Bevölkerung der Westsahara verwendet werden. Aus den Angaben der Kommission geht vielmehr hervor, dass von den während eines Zeitraums von vier Jahren (2014–2018) zu zahlenden 160 Mio. Euro nur 54 Mio. Euro (d. h. 33,75 %) für die Entwicklung der Vorhaben verwendet wurden, die sich zu 80 % in der Westsahara befanden.

282.

Drittens besagt der Umstand, dass sich 80 % der Vorhaben, denen diese 54 Mio. Euro zugutekommen, in der Westsahara befinden, für sich allein nichts. Entscheidend ist die Information, wie viel von diesen 54 Mio. Euro auf die Finanzierung der in der Westsahara befindlichen Vorhaben entfällt; diese Auskunft ist die Kommission aber schuldig geblieben.

283.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Besatzungsmacht nach Art. 49 Abs. 6 des Genfer Abkommens IV „nicht Teile ihrer eigenen Zivilbevölkerung in das von ihr besetzte Gebiet … umsiedeln [darf]“ ( 265 ). Das Fischereiabkommen und das Protokoll von 2013 enthalten jedoch keine Bestimmung, nach der das Königreich Marokko verpflichtet wäre, den auf die Nutzung der Fanggründe in den Fischereizonen vor den Küsten der Westsahara entfallenden Teil der finanziellen Gegenleistung dergestalt zu verwenden, dass er vor allem den „aus dem Gebiet stammenden Sahrauis“ ( 266 ) oder den „aus dem Gebiet stammenden saharauischen Bevölkerungsgruppen“ ( 267 ) zugutekäme.

284.

Zum Beispiel sieht das technische Datenblatt für die Fischereizone Nr. 6 (industrielle pelagische Fischerei) für die Schiffe der Union die Verpflichtung vor, je nach Schiffstonnage zwei bis 16 „marokkanische Seeleute“ anzuheuern ( 268 ), während diese Fischereizone ausschließlich aus den an die Westsahara angrenzenden Gewässern besteht.

285.

Das Fischereiabkommen und das Protokoll von 2013 bieten deshalb nach meiner Ansicht keine Gewähr dafür, dass die Nutzung der Fanggründe in den an die Westsahara angrenzenden Gewässern der Bevölkerung dieses Gebiets zugutekommt. Die streitigen Rechtsakte genügen mithin weder dem Grundsatz der dauerhaften Souveränität über die natürlichen Ressourcen ( 269 ) noch Art. 55 der Haager Landkriegsordnung von 1907, noch der Verpflichtung der Union, keine aus deren Verletzung resultierende rechtswidrige Situation anzuerkennen und keine Hilfe oder Unterstützung bei der Aufrechterhaltung dieser Situation zu leisten.

286.

Daraus folgt, dass das Fischereiabkommen und das Protokoll, soweit sie für das Gebiet der Westsahara und die daran angrenzenden Gewässer gelten, mit Art. 3 Abs. 5 EUV, Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 EUV, Art. 21 Abs. 2 Buchst. b und c EUV, Art. 23 EUV und Art. 205 AEUV unvereinbar sind, wonach die Union bei ihrem auswärtigen Handeln das Völkerrecht strikt einzuhalten hat.

287.

Die Verordnung Nr. 764/2006, der Beschluss 2013/785 und die Verordnung Nr. 1270/2013 laufen insoweit Art. 3 Abs. 5 EUV, Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 EUV, Art. 21 Abs. 2 Buchst. b und c EUV, Art. 23 EUV und Art. 205 AEUV zuwider, als mit ihnen die Anwendung des Fischereiabkommens und des Protokolls von 2013 auf das Gebiet der Westsahara und auf die daran angrenzenden Gewässer genehmigt und umgesetzt wird.

c)   Zu den Beschränkungen der Pflicht zur Nichtanerkennung

288.

In diesem Zusammenhang haben Comader und die Kommission in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, die Pflicht, eine rechtswidrige Situation nicht anzuerkennen, die aus einer Verletzung völkerrechtlicher Erga-omnes-Regeln sowie der Verpflichtung, keine Hilfe oder Unterstützung bei der Aufrechterhaltung dieser Situation zu leisten, resultiere, könne nicht zu einem Verbot des Abschlusses völkerrechtlicher Abkommen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung der Bevölkerung der Westsahara führen, da sich ein solches Verbot letztlich zu deren Nachteil auswirken würde.

289.

Sie berufen sich dafür auf Rn. 125 des Gutachtens zu Namibia ( 270 ), in der der Internationale Gerichtshof entschieden hatte, dass „[d]ie Nichtanerkennung der Verwaltung des Gebiets durch Südafrika … ganz allgemein nicht dazu führen [darf], dass der Bevölkerung Namibias die Vorteile entzogen werden, die sich aus der internationalen Zusammenarbeit ergeben“ ( 271 ).

290.

Nach meiner Meinung ist diese Beschränkung der Pflicht zur Nichtanerkennung für die vorliegende Rechtssache bedeutungslos.

291.

Erstens hat Kommission schon einmal versucht, unter Hinweis auf diese Rn. 125 des Gutachtens zu Namibia zu rechtfertigen, dass der britische Zoll Verkehrsbescheinigungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse mit Ursprung in dem besetzten Gebiet Zyperns anerkannt hatte, die von der „Türkischen Republik Nordzypern“, einem von der Union und ihren Mitgliedstaaten nicht anerkannten Gebilde, ausgestellt worden waren ( 272 ). Der Gerichtshof wies diese Argumentation aber zurück, da die Verhältnisse in Namibia nach seiner Auffassung mit der fortdauernden militärischen Besetzung Nordzyperns nicht vergleichbar waren ( 273 ). Dies gilt meines Erachtens auch für den vorliegenden Fall.

292.

Zweitens könnte die Beschränkung der Pflicht zur Nichtanerkennung, die der Internationale Gerichtshof in Rn. 125 seines Gutachtens zu Namibia vorgenommen hat, um der Bevölkerung Namibias nicht die ihr aus der internationalen Zusammenarbeit resultierenden Vorteile zu entziehen, nicht den Abschluss internationaler Handelsabkommen rechtfertigen. Zum einen wurde der Abschluss derartiger Abkommen von der Pflicht zur Nichtanerkennung erfasst ( 274 ). Zum anderen schlossen die Vorteile, die der Bevölkerung Namibias weiterhin zugutekommen sollten, bei Weitem keine internationalen Handelsabkommen ein. Die vom Internationalen Gerichtshof angeführten Beispiele betreffen nämlich die Registrierung von Geburten, Eheschließungen oder Todesfällen, „deren Nichtberücksichtigung sich nur zum Nachteil der Einwohner des Gebiets auswirken könnte“ ( 275 ).

4.   Zusammenfassung

293.

Infolgedessen verletzen die streitigen Rechtsakte, die für das Gebiet der Westsahara und die daran angrenzenden Gewässer gelten, da diese der Hoheit oder der Gerichtsbarkeit des Königreichs Marokko unterstehen, die Verpflichtung der Union, das Selbstbestimmungsrecht der Bevölkerung dieses Gebiets zu wahren, sowie ihre Pflicht, eine aus der Verletzung dieses Rechts resultierende rechtswidrige Situation nicht anzuerkennen und keine Hilfe oder Unterstützung bei der Aufrechterhaltung dieser Situation zu leisten. Außerdem sehen die streitigen Rechtsakte in Bezug auf die Nutzung natürlicher Ressourcen der Westsahara nicht die erforderlichen Garantien vor, um sicherzustellen, dass diese Nutzung der Bevölkerung dieses Gebiets zugutekommt.

VI. Zum Antrag des Rates auf zeitliche Begrenzung der Wirkungen einer Ungültigerklärung

294.

Der Rat hat den Gerichtshof gebeten, „die Wirkungen einer Ungültigerklärung [der Verordnung Nr. 764/2006, des Beschlusses 2013/785 und der Verordnung Nr. 1270/2013] zeitlich so zu begrenzen, dass die Union die Maßnahmen ergreifen kann, die sie nach ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen zu treffen hat“ ( 276 ).

295.

Ohne seinen Antrag weiter zu begründen, möchte der Rat auf diese Weise erreichen, dass die Wirkungen der streitigen Rechtsakte während eines begrenzten Zeitraums aufrechterhalten werden, wie dies z. B. im Urteil vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission (C‑402/05 P und C‑415/05 P, EU:C:2008:461) ( 277 ), vorgenommen wurde. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass das Protokoll von 2013, das Bestandteil des Fischereiabkommens ist ( 278 ) und eine unerlässliche Bedingung für dessen Umsetzung darstellt, am 14. Juli 2018 außer Kraft treten wird ( 279 ). Da der Zeitraum zwischen der Urteilsverkündung im Jahr 2018 und dem Außerkrafttreten dieses Protokolls besonders kurz sein wird, bin ich nicht davon überzeugt, dass eine Aufrechterhaltung der Wirkungen der streitigen Rechtsakte sinnvoll wäre. Jedenfalls sind die Gründe, mit denen im Urteil vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission (C‑402/05 P und C‑415/05 P, EU:C:2008:461), die Aufrechterhaltung der Wirkungen des streitigen Rechtsakts für drei Monate gerechtfertigt wurde ( 280 ), im vorliegenden Fall nicht gegeben.

VII. Ergebnis

296.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, zunächst die vierte und dann die dritte Frage des High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Administrative Court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Abteilung Queen’s Bench [Verwaltungsgericht], Vereinigtes Königreich) wie folgt zu beantworten:

1.

a)

Im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle der von der Europäischen Union abgeschlossenen völkerrechtlichen Abkommen und der Unionsrechtsakte, mit denen derartige Abkommen genehmigt oder umgesetzt werden, können die Regeln des Völkerrechts unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einer oder mehreren Quellen des Völkerrechts unter den folgenden Voraussetzungen geltend gemacht werden: Die Union muss an die geltend gemachte Norm gebunden sein, diese muss inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sein, und schließlich dürfen Art und Struktur der Norm einer gerichtlichen Kontrolle des beanstandeten Rechtsakts nicht entgegenstehen.

b)

Der vom Internationalen Gerichtshof in dem Fall Monetary Gold Removed from Rome von 1943 aufgestellte Grundsatz, wonach jener Gerichtshof nicht die Befugnis hat, seine Gerichtsbarkeit gegenüber einem Staat, der an dem vor ihm anhängigen Verfahren nicht beteiligt ist, ohne dessen Zustimmung auszuüben, findet keine Anwendung auf die gerichtliche Kontrolle der von der Union abgeschlossenen völkerrechtlichen Abkommen und der Unionsrechtsakte, mit denen derartige Abkommen genehmigt oder umgesetzt werden.

2.

a)

Das partnerschaftliche Fischereiabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Marokko sowie das Protokoll zwischen der Europäischen Union und dem Königreich Marokko zur Festlegung der Fangmöglichkeiten und der finanziellen Gegenleistung nach diesem Abkommen sind insoweit, als sie für das Gebiet der Westsahara und die daran angrenzenden Gewässer gelten, mit Art. 3 Abs. 5 EUV, Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 EUV, Art. 21 Abs. 2 Buchst. b und c EUV, Art. 23 EUV und Art. 205 AEUV unvereinbar.

b)

Die Verordnung (EG) Nr. 764/2006 des Rates vom 22. Mai 2006 über den Abschluss des partnerschaftlichen Fischereiabkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Marokko, der Beschluss 2013/785/EU des Rates vom 16. Dezember 2013 über den Abschluss, im Namen der Europäischen Union, des Protokolls zwischen der Europäischen Union und dem Königreich Marokko zur Festlegung der Fangmöglichkeiten und der finanziellen Gegenleistung nach dem partnerschaftlichen Fischereiabkommen zwischen der Europäischen Union und dem Königreich Marokko sowie die Verordnung (EU) Nr. 1270/2013 des Rates vom 15. November 2013 über die Aufteilung der Fangmöglichkeiten nach dem zwischen der Europäischen Union und dem Königreich Marokko vereinbarten Protokoll zur Festlegung der Fangmöglichkeiten und der finanziellen Gegenleistung nach dem partnerschaftlichen Fischereiabkommen zwischen der Europäischen Union und dem Königreich Marokko sind ungültig.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) Die vorliegende Sprachfassung ist in Nr. 32 gegenüber der ursprünglich online gestellten Fassung geändert worden.

( 3 ) ABl. 2006, L 141, S. 4. Der Abschluss dieses Abkommens wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 764/2006 des Rates vom 22. Mai 2006 über den Abschluss des partnerschaftlichen Fischereiabkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Marokko (ABl. 2006, L 141, S. 1) genehmigt.

( 4 ) ABl. 2013, L 328, S. 2. Der Abschluss dieses Protokolls wurde durch den Beschluss 2013/785/EU des Rates vom 16. Dezember 2013 über den Abschluss, im Namen der Europäischen Union, des Protokolls zwischen der Europäischen Union und dem Königreich Marokko zur Festlegung der Fangmöglichkeiten und der finanziellen Gegenleistung nach dem Fischereiabkommen zwischen der Europäischen Union und dem Königreich Marokko (ABl. 2013, L 349, S. 1) genehmigt.

( 5 ) ABl. 2013, L 328, S. 40.

( 6 ) Rechtliche Konsequenzen des Baus einer Mauer in den besetzten palästinensischen Gebieten, Gutachten (I.C.J. Reports 2004, S. 136, Rn. 41).

( 7 ) Vgl. ABl. 2007, L 78, S. 31.

( 8 ) Vgl. Art. 1 Abs. 1 des Protokolls zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Marokko zur Festlegung der Fangmöglichkeiten und der finanziellen Gegenleistung nach dem partnerschaftlichen Fischereiabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Marokko (ABl. 2006, L 141, S. 9).

( 9 ) ABl. 2014, L 228, S. 1.

( 10 ) Vgl. Urteil vom 19. Oktober 2015 in der Rechtssache Western Sahara Campaign UK, R (on the application of) v HM Revenue and Customs [2015] EWHC 2898 (Admin), Rn. 39. Es handelt sich um das Urteil des vorlegenden Gerichts, auf das dieses sein Vorabentscheidungsersuchen gestützt hat.

( 11 ) Vgl. Urteil vom 19. Oktober 2015 in der Rechtssache Western Sahara Campaign UK, R (on the application of) v HM Revenue and Customs [2015] EWHC 2898 (Admin), Rn. 40, 43, 48 und 49.

( 12 ) Der französischen Regierung wurde eine Fristverlängerung um eine Woche gewährt.

( 13 ) Urteil vom 30. April 1974, Haegeman (181/73, EU:C:1974:41, Rn. 4). Vgl. in diesem Sinne auch Urteile vom 30. September 1987, Demirel (12/86, EU:C:1987:400, Rn. 7), vom 15. Juni 1999, Andersson und Wåkerås-Andersson (C‑321/97, EU:C:1999:307, Rn. 26), und vom 25. Februar 2010, Brita (C‑386/08, EU:C:2010:91, Rn. 39).

( 14 ) Vgl. in jüngerer Zeit Urteil vom 28. März 2017, Rosneft (C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 108 bis 117).

( 15 ) Vgl. Urteil vom 9. Oktober 2014, Ahlström u. a. (C‑565/13, EU:C:2014:2273).

( 16 ) Vgl. Urteil vom 13. Dezember 1989, Grimaldi (C‑322/88, EU:C:1989:646, Rn. 8). Vgl. in diesem Sinne auch Urteile vom 11. Mai 2006, Friesland Coberco Dairy Foods (C‑11/05, EU:C:2006:312, Rn. 36), und vom 13. Juni 2017, Florescu u. a. (C‑258/14, EU:C:2017:448, Rn. 30).

( 17 ) Urteil vom 28. März 2017, Rosneft (C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung) (Hervorhebung nur hier).

( 18 ) United Nations Treaty Series, Bd. 1155, S. 331.

( 19 ) Vgl. Gutachten 1/15 (PNR-Abkommen EU–Kanada) vom 26. Juli 2017 (EU:C:2017:592, Rn. 67).

( 20 ) Gutachten 1/75 (OECD-Vereinbarung – Norm für die lokalen Kosten) vom 11. November 1975 (EU:C:1975:145).

( 21 ) Gutachten 1/15 (PNR-Abkommen EU–Kanada) vom 26. Juli 2017 (EU:C:2017:592, Rn. 70).

( 22 ) Vgl. Urteil vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission (C‑402/05 P und C‑415/05 P, EU:C:2008:461, Rn. 309), und Art. 218 Abs. 11 AEUV.

( 23 ) Ich spreche von „Vereinbarkeit“ und nicht von „Gültigkeit“, um eine Verwechslung mit den in den Art. 46 bis 53 des Wiener Vertragsrechtsübereinkommens abschließend aufgezählten Ungültigkeitsgründen zu vermeiden.

( 24 ) Vgl. Urteil vom 9. August 1994, Frankreich/Kommission (C‑327/91, EU:C:1994:305, Rn. 13 bis 17), in dem der Gerichtshof entschieden hat, die von der Französischen Republik erhobene Nichtigkeitsklage müsse sich gegen den Rechtsakt richten, mit dem die Kommission den Abschluss des fraglichen völkerrechtlichen Abkommens genehmigt habe, nicht aber gegen dieses Abkommen selbst.

( 25 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission (C‑402/05 P und C‑415/05 P, EU:C:2008:461, Rn. 289), das auf das Urteil vom 10. März 1998, Deutschland/Rat (C‑122/95, EU:C:1998:94), verweist.

( 26 ) Vgl. Urteil vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission (C‑402/05 P und C‑415/05 P, EU:C:2008:461, Rn. 283, 284, 289, 304, 308, 316 und 326).

( 27 ) Vgl. Art. 3 Abs. 5 EUV und Urteil vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a. (C‑366/10, EU:C:2011:864, Rn. 101 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 28 ) Vgl. Etienne, J., „L’accord de pêche CE-Maroc: quels remèdes juridictionnels européens à quelle illicéité internationale?“, Revue belge de droit international, 2010, S. 77 bis 107 (104 und 105).

( 29 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Dezember 2008, Régie Networks (C‑333/07, EU:C:2008:764, Rn. 124 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 30 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. September 1999, Kommission/Belgien (C‑170/98, EU:C:1999:411, Rn. 42), und vom 4. Juli 2000, Kommission/Portugal (C‑84/98, EU:C:2000:359, Rn. 40).

( 31 ) Dieses Verfahren sieht die Notifizierung einer Urkunde vor, in der die Kündigung des Vertrags oder der Rücktritt vom Vertrag erklärt wird. Erhebt die Gegenpartei Einspruch und erzielen die Vertragsparteien keine Lösung, kann der Streitfall vor den Internationalen Gerichtshof oder ein Ad-hoc-Schiedsgericht gebracht werden. Gleiches gilt für das am 21. März 1986 in Wien unterzeichnete Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen oder zwischen internationalen Organisationen, das jedoch noch nicht in Kraft getreten ist (vgl. seine Art. 65 bis 68). Da internationale Organisationen sich nicht an den Internationalen Gerichtshof wenden können, sieht dieses Übereinkommen dessen Anrufung im Wege des Gutachtenverfahrens nach Art. 96 der Charta der Vereinten Nationen vor. Lehnt die UN-Generalversammlung oder der UN-Sicherheitsrat den Antrag auf Einleitung dieses Verfahrens ab, kann der Streitfall einem Schiedsverfahren unterworfen werden.

( 32 ) I.C.J. Reports 1954, S. 19.

( 33 ) Wie der Internationale Gerichtshof entschieden hat, besteht „eines der Grundprinzipien [seines] Statuts … darin, dass er über einen Rechtsstreit zwischen Staaten nicht entscheiden kann, wenn diese sich seiner Gerichtsbarkeit nicht unterworfen haben“ (Osttimor [Portugal/Australien], Urteil, I.C.J. Reports 1995, S. 90, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 34 ) Vgl. erster Erwägungsgrund und Art. 1 der Verordnung Nr. 764/2006.

( 35 ) Vgl. zweiter Erwägungsgrund und Art. 1 des Beschlusses 2013/785.

( 36 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2016, Rat/Front Polisario (C‑104/16 P, EU:C:2016:973).

( 37 ) Vgl. auch erster Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 764/2006.

( 38 ) Vgl. Anlage 2 zum Anhang des Protokolls von 2013.

( 39 ) Vgl. Anlage 4 des Anhangs des Protokolls von 2013.

( 40 ) Vgl. Bennafla, K., „Illusion cartographique au Nord, barrière de sable à l’Est: les frontières mouvantes du Sahara occidental“, L’Espace politique, 2013, Rn. 212, abrufbar über die Website http://espacepolitique.revues.org/2644.

( 41 ) Der Kommission zufolge verteilen sich die Fangmengen auf die nach dem Fischereiabkommen und dem Protokoll von 2013 errichteten sechs Fischereizonen wie folgt: 1138 t auf die Fischereizone Nr. 1, 406 t auf die Fischereizone Nr. 2, 191 t auf die Fischereizone Nr. 3, 5035 t auf die Fischereizone Nr. 4, 234 t auf die Fischereizone Nr. 5 und 75686 t auf die Fischereizone Nr. 6. Obwohl die Tonnen an gefangenem Fisch nicht alle denselben Wert haben, ist es offensichtlich. dass das Fischereiabkommen und das Protokoll von 2013 fast ausschließlich auf die an die Westsahara angrenzenden Gewässer Anwendung finden.

( 42 ) Dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Fischereiabkommen und den zwischen dem Königreich Spanien und dem Königreich Marokko geschlossenen Fischereiabkommen besteht, wird durch die Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und die Anpassungen der Verträge (ABl. 1985, L 302, S. 23) bestätigt, deren „Artikel 167 Absatz 3 und 354 Absatz 3 … durch ihre Bezugnahme auf die Fischereitätigkeiten den Rat verpflichten, die Fischereitätigkeiten aufrechtzuerhalten, denen Spanien und Portugal aufgrund der Fischereiabkommen nachgingen, die sie vor ihrem Beitritt zu [der Union] geschlossenen hatten“ (Urteil vom 8. März 1995, Hansa-Fisch/Kommission, T‑493/93, EU:T:1995:47, Rn. 37).

( 43 ) Vgl. Abkommen zwischen der Regierung des Königreichs Spanien und der Regierung des Königreichs Marokko über die Zusammenarbeit in der Seefischerei, unterzeichnet in Rabat am 17. Februar 1977 (das nie in Kraft getreten ist), und Protokoll zum Übergangsabkommen auf dem Gebiet der Seefischerei, unterzeichnet in Rabat am 29. Juni 1979 (BOE Nr. 253 vom 22. Oktober 1979, S. 24551), in denen von der Fischereizone südlich des Kap Nun (dieses Kap befindet sich auf dem Breitengrad 29°N, was der Basislinie für die Fischereizonen Nrn. 4 und 6 des Fischereiabkommens entspricht) die Rede ist und dieses Meeresgebiet als Gewässer unter marokkanischer Gerichtsbarkeit bezeichnet wird („aguas bajo jurisdicción marroquí“). Vgl. auch Abkommen zwischen dem Königreich Spanien und dem Königreich Marokko vom 1. August 1983 über die Zusammenarbeit in der Seefischerei (BOE Nr. 243 vom 11. Oktober 1983, S. 27588), dessen Art. 1 sich auf die Gewässer unter marokkanischer Gerichtsbarkeit („aguas bajo jurisdicción marroquí“) bezieht. Seine Anlage II unterscheidet auch zwischen zwei Fischereizonen, einer nördlich und einer südlich des Kap Nun. Die südliche Zone umfasste die an die Westsahara angrenzenden Gewässer.

( 44 ) Vgl. Urteil vom 9. Oktober 2014, Ahlström u. a. (C‑565/13, EU:C:2014:2273, Rn. 17). Vgl. auch Beschluss vom 30. April 1999, Pescados Congelados Jogamar/Kommission (T‑311/97, EU:T:1999:89, Rn. 6), betreffend ein Fischereifahrzeug eines spanischen Reeders, das von einem marokkanischen Patrouillenboot aufgebracht und in den Hafen der Stadt El Aaiun in der Westsahara umgeleitet worden war.

( 45 ) Vgl. Dahir (gesetzesvertretendes Dekret) Nr. 1-76-468 vom 6. August 1976 zur Änderung des Dahir Nr. 1‑59‑351 vom 2. Dezember 1959 über die administrative Gliederung des Königreichs, Bulletin officiel du Royaume du Maroc, Nr. 3328, S. 914.

( 46 ) Vgl. Übereinkommen über den Verlauf der Staatsgrenze zwischen der Islamischen Republik Mauretanien und dem Königreich Marokko, unterzeichnet in Rabat am 14. April 1976, Annuaire de l’Afrique du Nord, 1976, Bd. 15, S. 848 und 849, sowie Dahir Nr. 1‑76‑380 vom 16. April 1976 zur Ratifizierung und Veröffentlichung dieses Übereinkommens, Bulletin officiel du Royaume du Maroc, Nr. 3311‑bis, S. 499.

( 47 ) Vgl. Dahir Nr. 2-79-430 vom 14. August 1979 zur Änderung und Ergänzung der Art. 1 und 2 des Dahir Nr. 1‑59‑351 vom 2. Dezember 1959 über die administrative Gliederung des Königreichs, Bulletin officiel du Royaume du Maroc, Nr. 3485, S. 489.

( 48 ) Abrufbar über die Website des Rates http://register.consilium.europa.eu/doc/srv?l=EN&f=ST%2015723%202013%20ADD%201.

( 49 ) Das Königreich der Niederlande hat erklärt: „Das Protokoll von 2013 bezieht sich nicht ausdrücklich auf die Westsahara, erlaubt aber seine Anwendung auf die an die Westsahara angrenzenden Gewässer, die weder der Hoheit noch der Gerichtsbarkeit des Königreichs Marokko unterstehen“ („The protocol does not explicitly refer to … Western Sahara, but allows for its application to maritime areas adjacent to … Western Sahara that are not under the sovereignty or jurisdiction of Morocco“). Vgl. Erklärung des Königreichs der Niederlande, enthalten im Dokument des Rates 15723/13 Add 1 vom 14. November 2013, abrufbar über die Website des Rates (http://register.consilium.europa.eu/doc/srv?l=EN&f=ST%2015723%202013%20ADD%201) (Hervorhebung nur hier).

( 50 ) Vgl. die Erklärungen, enthalten im Dokument des Rates 15723/13 Add 1 vom 14. November 2013, abrufbar über die Website des Rates (http://register.consilium.europa.eu/doc/srv?l=EN&f=ST%2015723%202013%20ADD%201).

( 51 ) Vgl. Rn. 48, 74, 84 und 102 des Urteils vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a. (C‑366/10, EU:C:2011:864), wo der Gerichtshof von der „Rechtmäßigkeit“, der „Ungültigkeit“ bzw. der „Gültigkeit eines Rechtsakts der Union wie der Richtlinie 2008/101“ spricht (Hervorhebung nur hier).

( 52 ) Vgl. Rn. 23 und 24 ihrer Antworten auf die schriftlichen Fragen des Gerichtshofs.

( 53 ) Vgl. in diesem Sinne die Unterscheidung zwischen der Gültigkeitskontrolle der von der Union abgeschlossenen völkerrechtlichen Abkommen (auch im Hinblick auf das Völkerrecht, auf das Art. 3 Abs. 5 EUV verweist) und der Gültigkeitskontrolle der internen Unionsrechtsakte im Hinblick auf das Völkerrecht, wie sie in Lenaerts, K., Maselis, I., und Gutman, K., EU Procedural Law, Oxford University Press, Oxford, 2014, Abs. 10.05 und 10.08, getroffen wird.

( 54 ) Vgl. Art. 3 bis 6 der Charta der Vereinten Nationen.

( 55 ) Wegen des Begriffs der Erga-omnes-Verpflichtungen vgl. Gutachten vom 9. Juli 2004 zu den rechtlichen Konsequenzen des Baus einer Mauer in den besetzten palästinensischen Gebieten (I.C.J. Reports 2004, S. 136, Rn. 155). Diesen Begriff hat auch der Gerichtshof in Rn. 88 des Urteils vom 21. Dezember 2016, Rat/Front Polisario (C‑104/16 P, EU:C:2016:973), anerkannt.

( 56 ) Gutachten 2/15 (Freihandelsabkommen mit Singapur) vom 16. Mai 2017 (EU:C:2017:376, Rn. 298 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 57 ) Vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 30. April 1999, Pescados Congelados Jogamar/Kommission (T‑311/97, EU:T:1999:89, Rn. 12): „Mit Schreiben vom 29. Juli 1997 sowie bei einem Treffen am gleichen Tag zwischen dem Beauftragten der Delegation der Kommission in Rabat Gallimore und dem Generalsekretär des Ministeriums Rhanmi haben die [Unions]behörden gemäß Artikel 10 des [Fischereiabkommens EU–Marokko von 1996] eine außerordentliche Sitzung des Gemischten Ausschusses einberufen. Diese Aufforderung wurde mehrfach wiederholt. Die marokkanischen Behörden haben die Aufforderung jedes Mal zurückgewiesen, da keine Verletzung des Abkommens vorliege“ (Hervorhebung nur hier).

( 58 ) Art. 3 Abs. 5 EUV (Hervorhebung nur hier). Vgl. auch Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 EUV, Art. 21 Abs. 2 Buchst. b und c EUV, Art. 23 EUV und Art. 205 AEUV. Der Gerichtshof hat entschieden, nach diesen Bestimmungen, die keineswegs nur programmatischer Natur seien, habe „jede Maßnahme der Union … auch im Bereich der GASP“ u. a. die Menschenrechte und das Völkerrecht zu achten (vgl. Urteil vom 14. Juni 2016, Parlament/Rat, C‑263/14, EU:C:2016:435, Rn. 47).

( 59 ) Urteil vom 9. August 1994, Frankreich/Kommission (C‑327/91, EU:C:1994:305, Rn. 16).

( 60 ) Vgl. Völkerrechtskonformität der einseitigen Unabhängigkeitserklärung in Bezug auf den Kosovo, Gutachten (I.C.J. Reports 2010, S. 403, Rn. 79).

( 61 ) Für eine sehr flexible Lesart dieses Kriteriums, die im Text der Rn. 107 dieses Urteils aber keine wirkliche Stütze findet, vgl. Lenaerts, K., „Direct applicability and direct effect of international law in the EU legal order“, in Govaere, I., Lannon, E., van Elsuwege, P., und Adam, S. (Hrsg.), The European Union in the World: Essays in Honour of Marc Maresceau, Brill, Leyden, 2013, S. 45 bis 64 (61).

( 62 ) Das Kriterium ähnelt stark der Klagebefugnis und dem Rechtsschutzinteresse, die im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens meines Erachtens nur anhand des nationalen Rechts beurteilt werden sollten.

( 63 ) Urteil vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a. (C‑366/10, EU:C:2011:864, Rn. 110).

( 64 ) Urteil vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a. (C‑366/10, EU:C:2011:864, Rn. 110).

( 65 ) Urteil vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission (C‑402/05 P und C‑415/05 P, EU:C:2008:461, Rn. 283 und die dort angeführte Rechtsprechung) (Hervorhebung nur hier). Der Umstand, dass die Charta der Grundrechte der Europäischen Union 2009 rechtsverbindlich geworden ist, macht den Hinweis auf die für alle Mitgliedstaaten bindenden völkerrechtlichen Instrumente nicht irrelevant.

( 66 ) UNTS Bd. 993, S. 3.

( 67 ) UNTS Bd. 999, S. 171.

( 68 ) Hervorhebung nur hier.

( 69 ) Vgl. Nr. 1 der durch die Resolution 1514 (XV) der UN-Generalversammlung vom 20. Dezember 1960 angenommenen Erklärung über die Gewährung der Unabhängigkeit an koloniale Länder und Völker; Gutachten Nr. 2 des Schiedsausschusses der Europäischen Konferenz für einen Frieden in Jugoslawien (bestehend aus Robert Badinter, Präsident des Conseil constitutionnel [französisches Verfassungsgericht], Roman Herzog, Präsident des Bundesverfassungsgerichts [Deutschland], Aldo Corasaniti, Präsident der Corte costituzionale [italienisches Verfassungsgericht], Francisco Tomás y Valiente, Präsident des Tribunal Constitucional [spanisches Verfassungsgericht], und Irène Petry, Präsidentin des belgischen Schiedshofs), 1993, International Law Reports, Bd. 92, S. 168 und 169, Nrn. 2 und 3; Gros-Espiell, H., Le droit à l’autodétermination: Application des résolutions de l’ONU, 1980, E/CN.4/Sub.2/405/Rev. I., Rn. 57; Doehring, K., „Self-Determination“, in Simma, B. (Hrsg.), The Charter of the United Nations: A Commentary, 2. Aufl., Oxford University Press, Oxford, 2002, Bd. 1, S. 48 bis 53; Dobelle, J.‑F., „Article 1, paragraphe 2“, in Cot, J.‑P., Pellet, A., und Forteau, M., La Charte des Nations Unies: commentaire article par article, 3. Aufl., Economica, Paris, 2005, S. 337 bis 356 (340 und 341); Dinstein, Y., The International Law of Belligerent Occupation, Cambridge University Press, Cambridge, 2009, S. 51; Saxer, U., Die internationale Steuerung der Selbstbestimmung und der Staatsentstehung, Springer, Heidelberg, 2010, S. 238 bis 249; Oeter, S., „Self-Determination“, in Simma, B., Khan, D.‑E., Nolte, G., und Paulus, A. (Hrsg.), The Charter of the United Nations: A Commentary, 3. Aufl., Oxford University Press, Oxford, 2012, Bd. I, S. 313 bis 333 (322); Crawford, J., „Third Party Obligations with respect to Israeli Settlements in the Occupied Palestinian Territories“, Rechtsgutachten vom 24. Januar 2012, Nr. 26, abrufbar über die Website (https://www.tuc.org.uk/sites/default/files/tucfiles/LegalOpinionIsraeliSettlements.pdf).

( 70 ) „Subjugation“ in der englischen Fassung.

( 71 ) Vgl. Völkerrechtskonformität der einseitigen Unabhängigkeitserklärung in Bezug auf den Kosovo, Gutachten (I.C.J. Reports 2010, S. 403, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 72 ) Vgl. Völkerrechtskonformität der einseitigen Unabhängigkeitserklärung in Bezug auf den Kosovo, Gutachten (I.C.J. Reports 2010, S. 403, Rn. 79).

( 73 ) Vgl. Osttimor (Portugal/Australien), Urteil (I.C.J. Reports 1995, S. 90, Rn. 29), und Rechtliche Konsequenzen des Baus einer Mauer in den besetzten palästinensischen Gebieten, Gutachten (I.C.J. Reports 2004, S. 136, Rn. 88 und 156).

( 74 ) Vgl. etwa Art. 1 Abs. 2 der Charta der Vereinten Nationen und die gleichlautenden Art. 1 des IPwskR und des IPbpR.

( 75 ) Rn. 88 dieses Urteils.

( 76 ) Rn. 89 dieses Urteils.

( 77 ) „Die Vereinten Nationen setzen sich folgende Ziele: … freundschaftliche, auf der Achtung vor dem Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker beruhende Beziehungen zwischen den Nationen zu entwickeln und andere geeignete Maßnahmen zur Festigung des Weltfriedens zu treffen …“ (Hervorhebung nur hier).

( 78 ) Hervorhebung nur hier. Die Verwendung des Partizips „gebunden“ ist bezeichnend, da die Union keine Vertragspartei der Charta der Vereinten Nationen ist.

( 79 ) Vgl. Überschrift des Kapitels VIII: „Gleichberechtigung und Selbstbestimmungsrecht der Völker“.

( 80 ) Vgl. Rechtliche Konsequenzen des Baus einer Mauer in den besetzten palästinensischen Gebieten, Gutachten (I.C.J. Reports 2004, S. 136, Rn. 121 und 122).

( 81 ) Vgl. Völkerrechtskonformität der einseitigen Unabhängigkeitserklärung in Bezug auf den Kosovo, Gutachten (I.C.J. Reports 2010, S. 403, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 82 ) Siehe Nrn. 102 und 103 der vorliegenden Schlussanträge und Rechtliche Konsequenzen des Baus einer Mauer in den besetzten palästinensischen Gebieten, Gutachten (I.C.J. Reports 2004, S. 136, Rn. 88).

( 83 ) Vgl. Rechtliche Konsequenzen, die sich für die Staaten aus der fortdauernden Präsenz Südafrikas in Namibia (Südwestafrika) trotz der Resolution 276 (1970) des Sicherheitsrats ergeben, Gutachten (I.C.J. Reports 1971, S. 16, Rn. 52), Westsahara, Gutachten (I.C.J. Reports 1975, S. 12, Rn. 55 bis 58), und Rechtliche Konsequenzen des Baus einer Mauer in den besetzten palästinensischen Gebieten, Gutachten (I.C.J. Reports 2004, S. 136, Rn. 88). Vgl. in diesem Sinne auch Oeter, S., „Self-Determination“, in Simma, B., Khan, D.‑E., Nolte, G., und Paulus, A., (Hrsg.), The Charter of the United Nations: A Commentary, 3. Aufl., Oxford University Press, Oxford, 2012, Bd. I, S. 313 bis 333 (320 und 321), und Dobelle, J.‑F., „Article 1, paragraphe 2“, in Cot, J.‑P., Pellet, A., und Forteau, M., La Charte des Nations Unies: commentaire article par article, 3. Aufl., Economica, Paris, 2005, S. 337 bis 356.

( 84 ) Vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 21. Dezember 2016, Rat/Front Polisario (C‑104/16 P, EU:C:2016:973, Rn. 90 bis 92).

( 85 ) Vgl. Westsahara, Gutachten (I.C.J. Reports 1975, S. 12), und Urteil vom 21. Dezember 2016, Rat/Front Polisario (C‑104/16 P, EU:C:2016:973).

( 86 ) Vgl. Osttimor (Portugal/Australien), Urteil (I.C.J. Reports 1995, S. 90, Rn. 29), und Rechtliche Konsequenzen des Baus einer Mauer in den besetzten palästinensischen Gebieten, Gutachten (I.C.J. Reports 2004, S. 136, Rn. 88 und 156).

( 87 ) Rechtliche Konsequenzen des Baus einer Mauer in den besetzten palästinensischen Gebieten, Gutachten (I.C.J. Reports 2004, S. 136, Rn. 155). Vgl. in diesem Sinne auch Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited, zweite Phase, Urteil (I.C.J. Reports 1970, S. 32, Rn. 33).

( 88 ) Rechtliche Konsequenzen des Baus einer Mauer in den besetzten palästinensischen Gebieten, Gutachten (I.C.J. Reports 2004, S. 136, Rn. 159). Meines Erachtens ist diese Verpflichtung zur Nichtanerkennung als solche ein Grundsatz des Völkerrechts, der die in Nr. 96 der vorliegenden Schlussanträge genannten Kriterien dafür erfüllt, vor Gericht geltend gemacht werden zu können.

( 89 ) Vgl. Urteil Nr. 1981 der Corte suprema di cassazione (Kassationshof, Italien) vom 25. Juni 1985 in der Rechtssache Yasser Arafat, Rivista di Diritto Internazionale, 1986, S. 885 bis 889; Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (Deutschland) vom 26. Oktober 2004, 2 BvR 955/00, 1038/01, Rn. 97; persönliche Meinung von Herrn Ammoun, Vizepräsident, Rechtliche Konsequenzen, die sich für die Staaten aus der fortdauernden Präsenz Südafrikas in Namibia (Südwestafrika) trotz der Resolution 276 (1970) des Sicherheitsrats ergeben, Gutachten (I.C.J. Reports 1971, S. 16, S. 77 und 78); Völkerrechtskommission, „Projet d’articles sur le droit des traités et commentaires“, Annuaire de la Commission du droit international, 1966, Bd. II, S. 270 (S. 248 in der englischen Fassung); Völkerrechtskommission, „Projet d’articles sur la responsabilité de l’État pour fait internationalement illicite et commentaires“, Annuaire de la Commission du droit international, 2001, Bd. II, zweiter Teil, S. 91 (S. 85 in der englischen Fassung); Nr. 3.2 des Schriftsatzes des Königreichs der Niederlande, Völkerrechtskonformität der einseitigen Unabhängigkeitserklärung in Bezug auf den Kosovo, Gutachten (I.C.J. Reports 2010, S. 403); Cassese, A., Self-Determination of Peoples: A Legal Reappraisal, Cambridge University Press, Cambridge, 2005, S. 133 und 136; Raič, D., Statehood and the Law of Self-Determination, Kluwer Law International, Alphen aan den Rijn, 2012, S. 218 und 219; Oeter, S., „Self-Determination“, in Simma, B., Khan, D.‑E., Nolte, G., und Paulus, A. (Hrsg.), The Charter of the United Nations: A Commentary, 3. Aufl., Oxford University Press, Oxford, 2012, Bd. I, S. 313 bis 333 (316).

( 90 ) Vgl. ICJ Pleadings, Westsahara, Bd. I, S. 207, Rn. 344.

( 91 ) Vgl. ICJ Pleadings, Westsahara, Bd. V, S. 179. Das Königreich Marokko hat seinen Anspruch auf das Gebiet der Westsahara mit dem nachdrücklichen Hinweis auf die Integrität seines Hoheitsgebiets begründet; der Internationale Gerichtshof hat diese Auffassung jedoch zurückgewiesen und entschieden, der Bevölkerung der Westsahara stehe in vollem Umfang das Recht auf Selbstbestimmung zu.

( 92 ) In der in Nr. 127 der vorliegenden Schlussanträge zitierten Rechtsprechung nimmt der Internationale Gerichtshof auch Bezug auf die Verpflichtung der Staaten, für die Beseitigung der Hemmnisse zu sorgen, die ein Volk an der Ausübung seines Selbstbestimmungsrechts hindern. Darauf brauche ich hier nicht einzugehen.

( 93 ) Vgl. Resolution 1803 (XVII) der UN-Generalversammlung.

( 94 ) Vgl. Bewaffnete Tätigkeiten auf dem Gebiet des Kongo (Demokratische Republik Kongo/Uganda), Urteil (I.C.J. Reports 2005, S. 168, Rn. 244).

( 95 ) S/2002/161, Rn. 14.

( 96 ) S/2002/161, Rn. 14

( 97 ) S/2002/161, Rn. 24.

( 98 ) S/2002/161, Rn. 25.

( 99 ) Vgl. Rn. 27, 44.1 und 47.4 des Vorabentscheidungsersuchens sowie Rn. 40, 43, 48 und 49 des Urteils vom 19. Oktober 2015 in der Rechtssache Western Sahara Campaign UK, R (on the application of) v HM Revenue and Customs [2015] EWHC 2898 (Admin).

( 100 ) Siehe Nrn. 234 bis 255 der vorliegenden Schlussanträge.

( 101 ) Siehe Nr. 238 der vorliegenden Schlussanträge.

( 102 ) Siehe Nr. 127 der vorliegenden Schlussanträge.

( 103 ) Vgl. Rn. 87, 92, 93, 97, 106 bis 108, 114, 116, 123 und 125.

( 104 ) Siehe Nrn. 60 bis 74 der vorliegenden Schlussanträge.

( 105 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Oktober 2014, Ahlström u. a. (C‑565/13, EU:C:2014:2273, Rn. 33).

( 106 ) Vgl. die gleichlautenden Art. 1 des IPwskR und des IPbpR, Nr. 2 der Resolution 1514 (XV) der UN-Generalversammlung und Kapitel VIII der Schlussakte von Helsinki von 1975.

( 107 ) Vgl. Rechtliche Konsequenzen des Baus einer Mauer in den besetzten palästinensischen Gebieten, Gutachten (I.C.J. Reports 2004, S. 136, Rn. 159).

( 108 ) Wegen einer vollständigen Darstellung der Fakten vgl. „Rapport du Comité spécial chargé d’étudier la situation en ce qui concerne l’application de la déclaration sur l’octroi de l’indépendance aux pays et aux peuples coloniaux“ (Bericht des Sonderausschusses für die Überprüfung der Lage bei der Umsetzung der Erklärung über die Gewährung der Unabhängigkeit an koloniale Länder und Völker) (A/31/23/Rev.1), Documents officiels de l’Assemblée générale, 1977, Bd. II, S. 203 bis 225; „Rapport du Comité spécial chargé d’étudier la situation en ce qui concerne l’application de la déclaration sur l’octroi de l’indépendance aux pays et aux peuples coloniaux“ (A/31/23/Rev.1), Documents officiels de l’Assemblée générale, 1980, Bd. II, S. 105 bis 117.

( 109 ) Vgl. Rn. 12 bis 18 des Urteils vom 19. Oktober 2015 in der Rechtssache Western Sahara Campaign UK, R (on the application of) v HM Revenue and Customs [2015] EWHC 2898 (Admin).

( 110 ) Die Überlegung, ein Referendum durchzuführen, stieß im Königreich Marokko auf kein begeistertes Echo. Bei einer privaten Unterredung mit dem Außenminister der Vereinigten Staaten, Henry Kissinger, erklärte der König von Marokko, Hassan II.: „Ich habe [dem spanischen Außenminister] gesagt, dass ich einverstanden bin, wenn Spanien dableibt, aber dass ich nicht damit einverstanden bin, dass die Westsahara unabhängig wird. Ich ziehe die Präsenz Spaniens der Selbstbestimmung für 30000 Leute vor.“ Kissinger antwortete: „[Der algerische Präsident] hat mich gestern gefragt, was ich davon halte, und ich habe gesagt: Selbstbestimmung für 30‑40 000 Leute, die nicht einmal wissen, wo sie wohnen?“ Vgl. Gesprächsaufzeichnung (Rabat, 15. Oktober 1974, 13.15 Uhr), in Burton, M. F., Foreign Relations of the United States, 1969-1976, United States Government Printing Office, Washington, 2014, Bd. E‑9, Teil 1 (Dokumente zu Nordafrika, 1973-1976), S. 258 bis 261 (258).

( 111 ) Vgl. Bericht der Mission de visite des Nations unies au Sahara espagnol (UN‑Kontrollmission in Spanisch-Sahara) vom 10. Oktober 1975, veröffentlicht in dem „Rapport du Comité spécial chargé d’étudier la situation en ce qui concerne l’application de la déclaration sur l’octroi de l’indépendance aux pays et aux peuples coloniaux“ (Bericht des Sonderausschusses für die Überprüfung der Lage bei der Umsetzung der Erklärung über die Gewährung der Unabhängigkeit an koloniale Länder und Völker) (A/10023/Rev.1), Documents officiels de l’Assemblée générale, 1977, Bd. III, S. 12 bis 133, Rn. 229.

( 112 ) Vgl. Westsahara, Gutachten (I.C.J. Reports 1975, S. 12, Rn. 162).

( 113 ) Vgl. Westsahara, Gutachten (I.C.J. Reports 1975, S. 12, Rn. 162).

( 114 ) Vgl. Rn. 30 des Urteils vom 21. Dezember 2016, Rat/Front Polisario (C‑104/16 P, EU:C:2016:973).

( 115 ) Vgl. Resolution 379 (1975) des UN-Sicherheitsrats vom 2. November 1975.

( 116 ) Die von der spanischen Verwaltung 1967 errichtete Djemââ war ein beratendes Gremium, das aus 103 Mitgliedern bestand, zu denen die Bürgermeister wichtiger Städte, 40 Stammesführer (Scheichs), 40 Vertreter von Familienverbänden und 16 Vertreter von Berufsgruppen zählten. Vgl. Bericht der Mission de visite des Nations unies au Sahara espagnol (UN-Kontrollmission in Spanisch-Sahara) vom 10. Oktober 1975, veröffentlicht im „Rapport du Comité spécial chargé d’étudier la situation en ce qui concerne l’application de la déclaration sur l’octroi de l’indépendance aux pays et aux peuples coloniaux“ (Bericht des Sonderausschusses für die Überprüfung der Lage bei der Umsetzung der Erklärung über die Gewährung der Unabhängigkeit an koloniale Länder und Völker) (A/10023/Rev.1), Documents officiels de l’Assemblée générale, 1977, Bd. III, S. 12 bis 133, Rn. 126 bis 142.

( 117 ) Vgl. Bericht des Generalsekretärs vom 8. November 1975 aufgrund der Resolution 379 (1975) über die Situation betreffend die Westsahara (S/11874), Rn. 17. Vgl. auch Protokoll der 1854. Sitzung des Sicherheitsrats vom 6. November 1975 (S/PV.1854), Nrn. 47 und 48.

( 118 ) UNTS, Bd. 988, S. 259.

( 119 ) Diesen Vereinbarungen zufolge verständigten sich die spanische, die marokkanische und die mauretanische Delegation darauf, Fischereirechte in den an die Westsahara angrenzenden Gewässern zugunsten von 800 spanischen Schiffen für die Dauer von 20 Jahren nach denselben Bedingungen anzuerkennen, wie sie am 14. November 1975 bestanden. Vgl. Cortes, Diario de sesiones del Congreso de los diputados, 1978, Nr. 15, S. 498 (Rede von Manuel Marín González, Abgeordneter des Partido Socialista Obrero Español, später Vizepräsident und Interimspräsident der Europäischen Kommission). Vgl. in diesem Sinne auch Dessaints, J., „Chronique politique Maroc“, Annuaire de l’Afrique du Nord, 1975, Bd. 14, S. 457 bis 476 (463); Alemany Torres, F., „Acuerdo de pesca con Marruecos“, El País, 8. Februar 1978.

( 120 ) Vgl. Cortes, Diario de sesiones del Congreso de los diputados, 1978, Nr. 15, S. 522 und 546.

( 121 ) Vgl. Cortes, Diario de sesiones del Congreso de los diputados, 1978, Nr. 15, S. 546.

( 122 ) Vgl. Drahtbericht 1975MADRID08029 von Botschafter W. Stabler vom 15. November 1975 an Minister H. Kissinger („[Minister Esteban] Herrera hat auch gesagt, dass ‚Rahmen-Vereinbarungen‘ mit Marokko und Mauretanien über andere relevante Themen erarbeitet worden sind: … und die Fischereirechte“); Drahtbericht 1975STATE276309 von Minister H. Kissinger vom 21. November 1975 an die Ständige Vertretung der Vereinigten Staaten von Amerika bei der UNO („[Dem marokkanischen Botschafter Abdelhadi Boutaleb zufolge] wird eine Kopie des Abkommens von den Unterzeichnerstaaten bei Generalsekretär [der UNO] K. Waldheim hinterlegt werden; die hinterlegte Fassung wird jedoch nicht die Nebenvereinbarungen enthalten, die Spanien Fischereirechte in den Gewässern der Westsahara und eine 35%ige spanische Beteiligung an den Phosphatminen gewähren“). Die Drahtberichte sind abrufbar über die Website https://wikileaks.org/.

( 123 ) Vgl. das dem Schreiben des Ständigen Vertreters Algeriens bei der UNO vom 9. Dezember 1975 an den Generalsekretär der UNO beigefügte „Historische Dokument von El Guelta (Westsahara), unterzeichnet am 28. November 1975 von 67 Mitgliedern der saharauischen Generalversammlung, von drei saharauischen Mitgliedern der Cortes (spanisches Parlament), von den Vertretern der übrigen Mitglieder der Djemââ und von mehr als 60 Scheichs und Würdenträgern der saharauischen Stämme“ (S/11902).

( 124 ) Vgl. Resolutionen 3458 A und B (XXX) vom 10. Dezember 1975.

( 125 ) Vgl. Nr. 8 dieser Resolution.

( 126 ) Vgl. Nr. 1 dieser Resolution.

( 127 ) Vgl. Nr. 3 dieser Resolution.

( 128 ) Vgl. Nr. 4 dieser Resolution.

( 129 ) Die damaligen neun Mitgliedstaaten sowie das Königreich Spanien und die Republik Malta.

( 130 ) Die Republik Bulgarien, die Republik Zypern, die Republik Polen, die Tschechische Republik und die Slowakische Republik (damals zusammen die Tschechoslowakei), die Republik Slowenien und die Republik Kroatien (als Bundesstaaten von Jugoslawien) sowie die Republik Estland, die Republik Lettland und die Republik Litauen (als Bundesstaaten der UdSSR).

( 131 ) Die Hellenische Republik, Ungarn, die Republik Österreich, die Portugiesische Republik, die Republik Finnland und das Königreich Schweden.

( 132 ) Rumänien.

( 133 ) Nr. 1 der Resolution 3458 A (XXX). Vgl. in diesem Sinne auch Nr. 2 der Resolution 3458 B (XXX).

( 134 ) Vgl. Nr. 7 der Resolution 3458 A (XXX) und Nr. 4 der Resolution 3458 B (XXX).

( 135 ) Vgl. Nrn. 7 und 8 dieser Resolution.

( 136 ) Vgl. Nr. 4 dieser Resolution.

( 137 ) Vgl. „Rapport du Comité spécial chargé d’étudier la situation en ce qui concerne l’application de la déclaration sur l’octroi de l’indépendance aux pays et aux peuples coloniaux“ (Bericht des Sonderausschusses für die Überprüfung der Lage bei der Umsetzung der Erklärung über die Gewährung der Unabhängigkeit an koloniale Länder und Völker) (A/31/23/Rev.1), Documents officiels de l’Assemblée générale, 1977, Bd. II, S. 203 bis 225, Rn. 44; Dessaints, J., „Chronique politique Maroc“, Annuaire de l’Afrique du Nord, 1975, Bd. 14, S. 457 bis 476 (464).

( 138 ) Vgl. Keesing’s Record of World Events, 13. Februar 1976, S. 27746.

( 139 ) „Rapport du Comité spécial chargé d’étudier la situation en ce qui concerne l’application de la déclaration sur l’octroi de l’indépendance aux pays et aux peuples coloniaux“ (Bericht des Sonderausschusses für die Überprüfung der Lage bei der Umsetzung der Erklärung über die Gewährung der Unabhängigkeit an koloniale Länder und Völker) (A/31/23/Rev.1), Documents officiels de l’Assemblée générale, 1977, Bd. II, S. 203 bis 225, Rn. 45.

( 140 ) Dies trifft nicht ganz zu. Das Königreich Spanien verwaltet nämlich weiterhin den Luftraum der Westsahara, der zum Sektor „OCE“ der „Fluginformationsregion“ (Flight Information Region [FIR]) der Kanarischen Inseln gehört. Vgl. die auf der Website der ENAIRE (http://www.enaire.es/csee/ccurl/130/603/fir_canarias.swf) veröffentlichten Karten.

( 141 ) Schreiben des Ständigen Vertreters Spaniens bei der UNO an den Generalsekretär vom 26. Februar 1976 (S/11997).

( 142 ) Von der Djemââ angenommener Antrag vom 27. Februar 1976, Annuaire de l’Afrique du Nord, 1976, Bd. 15, S. 847 und 848. Der Präsident der Djemââ, Khatri Ould Said a Ould El Jomaini, teilte dem Generalsekretär der UNO nachrichtlich mit: „Die saharauische Djemââ hat auf ihrer außerordentlichen Tagung von heute, Donnerstag, dem 26. Februar 1976, in El Aaiun einstimmig die Rückkehr des Gebiets der Sahara nach Marokko und nach Mauretanien gemäß den historischen Realitäten und der traditionellen Verbundenheit zwischen der saharauischen Bevölkerung und diesen beiden Ländern gebilligt“. Vgl. „Rapport du Comité spécial chargé d’étudier la situation en ce qui concerne l’application de la déclaration sur l’octroi de l’indépendance aux pays et aux peuples coloniaux“ (Bericht des Sonderausschusses für die Überprüfung der Lage bei der Umsetzung der Erklärung über die Gewährung der Unabhängigkeit an koloniale Länder und Völker) (A/31/23/Rev.1), Documents officiels de l’Assemblée générale, 1977, Bd. II, S. 203 bis 225, Rn. 51.

( 143 ) Dem Außenminister der Vereinigten Staaten, Cyrus Vance, zufolge hat „Waldheim [mir] gesagt, dass … König Hassan das Problem als gelöst und das Kriterium der Selbstbestimmung durch die Konsultation der saharauischen Versammlung als erfüllt ansieht. Das wird jedoch weder von Spanien noch von Algerien anerkannt, die darauf hinweisen, dass [König] Hassan nur eine Rumpfversammlung, bestehend aus marokkanischen Handlangern, konsultiert habe [(‚a rump assembly consisting of Moroccan stooges‘)]“. Vgl. Telegramm des Außenministers Vance an die Botschaft der Vereinigten Staaten in Marokko vom 20. Mai 1977, in Burton, M. F., Foreign Relations of the United States, 1977-1980, United States Government Printing Office, Washington, 2017, Bd. XVII, Teil 3 (Dokumente zu Nordafrika), S. 507 und 508 (508).

( 144 ) Diese Frage wurde erneut im spanischen Parlament bei der Debatte über die Ratifizierung des Fischereiabkommens zwischen dem Königreich Spanien und dem Königreich Marokko von 1977 aufgeworfen, in deren Verlauf der spanische Außenminister, Oreja Aguirre, erklärte, dass Spanien die Souveränität des Königreichs Marokko über die Westsahara nicht anerkenne und dass der Prozess der Entkolonialisierung der Westsahara erst abgeschlossen sein werde, wenn die einheimische Bevölkerung dieses Gebiets ihr Selbstbestimmungsrecht gemäß der Resolution 1514 (XV) der UN-Generalversammlung ausüben werde. Vgl. Cortes, Diario de sesiones del Congreso de los diputados, 1978, Nr. 15, S. 522 und 523. Vgl. in diesem Sinne auch „Contestacíon del Gobierno a la pregunta formulada por don Gregorio López Raimundo, del Grupo Parlamentario Mixto, sobre política espanola hacia el Sahara“, Boletin oficial de las Cortes generales, Serie D, 23. September 1983, S. 223 und 224.

( 145 ) „Rapport du Comité spécial chargé d’étudier la situation en ce qui concerne l’application de la déclaration sur l’octroi de l’indépendance aux pays et aux peuples coloniaux“ (Bericht des Sonderausschusses für die Überprüfung der Lage bei der Umsetzung der Erklärung über die Gewährung der Unabhängigkeit an koloniale Länder und Völker) (A/31/23/Rev.1), Documents officiels de l’Assemblée générale, 1977, Bd. II, S. 203 bis 225, Rn. 46.

( 146 ) Vgl. Übereinkommen über den Verlauf der Staatsgrenze zwischen der Islamischen Republik Mauretanien und dem Königreich Marokko, unterzeichnet in Rabat am 14. April 1976, Annuaire de l’Afrique du Nord, 1976, Bd. 15, S. 848 und 849.

( 147 ) Siehe Nr. 73 der vorliegenden Schlussanträge und die dort angeführten Dokumente. Am 14. April 1976 unterzeichneten das Königreich Marokko und die Islamische Republik Mauretanien das Kooperationsabkommen zur Erschließung der wiedergewonnenen Saharagebiete (Annuaire de l’Afrique du Nord, 1976, Bd. 15, S. 849 und 850), das die Beteiligung der Islamischen Republik Mauretanien am Gesellschaftskapital der Société Fos Bucraâ (die die Phosphatvorkommen der Westsahara ausbeutete) und eine Zusammenarbeit im Fischereisektor vorsah.

( 148 ) Vgl. Schreiben des kommissarischen Geschäftsträgers der Ständigen Vertretung Mauretaniens bei der UNO vom 23. Mai 1979 an deren Generalsekretär (A/34/276).

( 149 ) „Rapport du Comité spécial chargé d’étudier la situation en ce qui concerne l’application de la déclaration sur l’octroi de l’indépendance aux pays et aux peuples coloniaux“ (Bericht des Sonderausschusses für die Überprüfung der Lage bei der Umsetzung der Erklärung über die Gewährung der Unabhängigkeit an koloniale Länder und Völker) (A/34/23/Rev.1), Documents officiels de l’Assemblée générale, 1977, Bd. II, S. 105 bis 117, Rn. 32. Nach diesem Bericht hat „König Hassan II. … erklärt, dass ‚die in Betracht gezogene Friedensregelung [nicht] … die Gründung eines fremden Staates zwischen Marokko und Mauretanien zur Folge haben darf‘“ (Rn. 32).

( 150 ) Vgl. mauretanisch-saharauisches Abkommen, unterzeichnet in Algier am 10. August 1979, als Anlage dem Schreiben des Ständigen Vertreters der Islamischen Republik Mauretanien vom 18. August 1979 an den Generalsekretär der UNO beigefügt (A/34/427).

( 151 ) Vgl. Hodges, T., „The Western Sahara“, Chicago Review Press, Chicago, 1984, S. 12.

( 152 ) Siehe Nr. 73 der vorliegenden Schlussanträge und die dort angeführten Dokumente.

( 153 ) 85 Staaten stimmten dafür, sechs dagegen, 41 enthielten sich der Stimme, 20 nahmen an der Abstimmung nicht teil. Die gegenwärtigen Mitgliedstaaten der Union stimmten dafür oder enthielten sich der Stimme. Vgl. in diesem Sinne auch Nr. 3 der Resolution 35/19 der UN-Generalversammlung (88 Staaten stimmten dafür, acht dagegen, 43 enthielten sich der Stimme, 15 nahmen an der Abstimmung nicht teil).

( 154 ) Vgl. Resolution 621 (1988) des UN-Sicherheitsrats vom 20. September 1988 und Resolution 43/33 der UN-Generalversammlung vom 22. November 1988.

( 155 ) Bericht des UN-Generalsekretärs vom 10. April 2017 über die Lage betreffend die Westsahara (S/2017/307), Rn. 82.

( 156 ) Ich nehme mit Interesse zur Kenntnis, dass der niederländische Botschafter und UN-Sonderbeauftragte für die Westsahara (2005–2008), Peter van Walsum, nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst anerkannt hat, dass „dem Front Polisario auf der Grundlage des Gutachtens des Internationalen Gerichtshofs völkerrechtlich die stärkste Stellung zukommt“. Vgl. van Walsum, P., „The question of Western Sahara“, 16. Dezember 2012, und „The question of Western Sahara (II)“, 7. Februar 2013, veröffentlicht auf seiner Website http://www.petervanwalsum.com/the-question-of-western-sahara/.

( 157 ) Vgl. Grundsatz VI der Resolution 1541 (XV) der UN-Generalversammlung.

( 158 ) Vgl. Nrn. 3 und 4 der Resolution 1514 (XV) der UN-Generalversammlung; Bedjaoui, M., „Article 73“, in Cot, J.‑P., Pellet, A., und Forteau, M., La Charte des Nations Unies: commentaire article par article, 3. Aufl., Economica, Paris, 2005, S. 1751 bis 1767 (1761); Fastenrath, U., „Chapter XI Declaration Regarding Non‑self-governing Territories“, in Simma, B., Khan, D.‑E., Nolte, G., und Paulus, A. (Hrsg.), The Charter of the United Nations: A Commentary, 3. Aufl., Oxford University Press, Oxford, 2012, Bd. II, S. 1829 bis 1839 (1834 und 1835).

( 159 ) Vgl. Resolution 2351 (2017) des UN-Sicherheitsrats, der „unter erneutem Hinweis auf alle früheren Resolutionen über die Westsahara … beschließt, das Mandat der [Mission der Vereinten Nationen für das Referendum in der Westsahara (MINURSO)] zu verlängern“. Vgl. in diesem Sinne auch Nrn. 4 und 5 der Resolution 2229 (XXI) der UN-Generalversammlung vom 20. Dezember 1966, Nr. 2 der Resolution 621 (1988) des UN-Sicherheitsrats vom 20. September 1988 und Resolution 43/33 der UN-Generalversammlung vom 22. November 1988.

( 160 ) Vgl. Crawford, J., „Third Party Obligations with respect to Israeli Settlements in the Occupied Palestinian Territories“, Gutachten vom 24. Januar 2012, Rn. 131, abrufbar über die Website https://www.tuc.org.uk/sites/default/files/tucfiles/LegalOpinionIsraeliSettlements.pdf.

( 161 ) Vgl. Rechtliche Konsequenzen des Baus einer Mauer in den besetzten palästinensischen Gebieten, Gutachten (I.C.J. Reports 2004, S. 136, Rn. 159).

( 162 ) Fall der S.S. Wimbledon (Vereinigtes Königreich u. a./Deutschland), Urteil vom 17. August 1923 (PCIJ Series A Nr. 1, S. 25).

( 163 ) Verlauf der Seegrenze und territoriale Fragen zwischen Katar und Bahrain, Begründetheit, Urteil (I.C.J. Reports 2001, S. 40, Rn. 185). Vgl. in diesem Sinne auch Festlandsockel der Nordsee, Urteil (I.C.J. Reports 1969, S. 3, Rn. 96), Festlandsockel der Ägäis, Urteil (I.C.J. Reports 1978, S. 3, Rn. 86), Verlauf der Seegrenze im Schwarzen Meer (Rumänien/Ukraine), Urteil (I.C.J. Reports 2009, S. 61, Rn. 77), und Gebiets- und seerechtliche Streitigkeit (Nicaragua/Kolumbien), Urteil (I.C.J. Reports 2012, S. 624, Rn. 140).

( 164 ) Gebiets- und seerechtliche Streitigkeit (Nicaragua/Kolumbien), Urteil (I.C.J. Reports 2012, S. 624, Rn. 140 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 165 ) Siehe in diesem Sinne Nr. 73 der vorliegenden Schlussanträge und die angeführte marokkanische Gesetzgebung.

( 166 ) Ansprache Seiner Hoheit des Königs Mohammed VI. anlässlich des 39. Jahrestages des Grünen Marsches, 6. November 2014, abrufbar über die Website http://www.sahara.gov.ma/blog/messages-royaux/discours-de-sa-majeste-le-roi-mohammed-vi-a-loccasion-du-39eme-anniversaire-de-la-marche-verte/.

( 167 ) In der Bedeutung, die dieser Begriff im Kontext der Ausübung des Selbstbestimmungsrechts hat. Vgl. Grundsätze VI, VIII und IX der durch die Resolution 1541 (XV) der UN‑Generalversammlung gebilligten Prinzipien, von denen sich die Mitgliedstaaten der UNO leiten lassen müssen, um zu bestimmen, ob sie der in Art. 73 Buchst. e der Charta der Vereinten Nationen vorgesehenen Pflicht zu Übermittlung von Informationen unterliegen (siehe Nrn. 117 und 118 der vorliegenden Schlussanträge).

( 168 ) Vgl. Osttimor (Portugal/Australien), Urteil (I.C.J. Reports 1995, S. 90, Rn. 17) (Hervorhebung nur hier). Vgl. auch Rn. 69 der in jenem Fall eingereichten Klagebeantwortung Australiens. Der Internationale Gerichtshof hat nicht in der Sache entschieden, da er in der fehlenden Beteiligung der Republik Indonesien an dem Rechtsstreit ein Hindernis für die Ausübung seiner Zuständigkeit sah.

( 169 ) Vgl. Westsahara, Gutachten (I.C.J. Reports 1975, S. 12, Rn. 108 bis 127 und insbesondere Rn. 109, 110, 113 und 121).

( 170 ) Vgl. Rechtliche Konsequenzen des Baus einer Mauer in den besetzten palästinensischen Gebieten, Gutachten (I.C.J. Reports 2004, S. 136, Rn. 121 und 122).

( 171 ) Siehe Nr. 71 der vorliegenden Schlussanträge.

( 172 ) Art. 11 des Fischereiabkommens.

( 173 ) Vgl. Cortes, Diario de sesiones del Congreso de los diputados, 1978, Nr. 15, S. 523, 546 und 547 (Rede des Außenministers Oreja Aguirre) zu dem am 17. Februar 1977 in Rabat unterzeichneten Kooperationsabkommen zwischen der Regierung des Königreichs Marokko und der Regierung des Königreichs Spanien über die Seefischerei und „Contestacíon del Gobierno a la pregunta formulada por don Gregorio Lopez Raimundo, del Grupo Parlamentario Mixto, sobre política espanola hacia el Sahara“, Boletin oficial de las Cortes generales, Serie D, 23. September 1983, S. 224, zu allen bis zu diesem Zeitpunkt zwischen dem Königreich Spanien und dem Königreich Marokko geschlossenen Fischereiabkommen.

( 174 ) UNTS, Bd. 1834, S. 3.

( 175 ) Vgl. Beschluss 98/392/EG des Rates vom 23. März 1998 (ABl. 1998, L 179, S. 1).

( 176 ) Vgl. Art. 311 Abs. 1 SRÜ. Die Genfer Seerechtsübereinkommen sind: das Übereinkommen über das Küstenmeer und die Anschlusszone, unterzeichnet in Genf am 29. April 1958 (UNTS, Bd. 516, S. 205), das Übereinkommen über die Hohe See, unterzeichnet in Genf am 29. April 1958 (UNTS, Bd. 450, S. 11), das Übereinkommen über die Fischerei und die Erhaltung der biologischen Reichtümer der Hohen See, unterzeichnet in Genf am 29. April 1958 (UNTS, Bd. 559, S. 258), und das Übereinkommen über den Festlandsockel, unterzeichnet in Genf am 29. April 1958 (UNTS, Bd. 499, S. 311).

( 177 ) „GESTÜTZT AUF die Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen“.

( 178 ) Vgl. Art. 2 Abs. 1 SRÜ, wonach sich „[d]ie Souveränität eines Küstenstaats … jenseits seines Landgebiets und seiner inneren Gewässer sowie im Fall eines Archipelstaats jenseits seiner Archipelgewässer auf einen angrenzenden Meeresstreifen [erstreckt], der als Küstenmeer bezeichnet wird“.

( 179 ) Vgl. Art. 55 SRÜ, wonach die AWZ „ein jenseits des Küstenmeers gelegenes und an dieses angrenzendes Gebiet [ist], das der in [den Art. 55 bis 75 dieses Übereinkommens] festgelegten besonderen Rechtsordnung unterliegt, nach der die Rechte und Hoheitsbefugnisse des Küstenstaats und die Rechte und Freiheiten anderer Staaten durch die diesbezüglichen Bestimmungen dieses Übereinkommens geregelt werden“ (Hervorhebung nur hier).

( 180 ) Vgl. Art. 8 und 9 des Dahir Nr. 1-81-179 vom 8. April 1981 zur Verkündung des Gesetzes Nr. 1‑81 zur Schaffung einer ausschließlichen Wirtschaftszone von 200 Seemeilen vor den Küsten Marokkos, Bulletin officiel du Royaume du Maroc, Nr. 3575, S. 232, und Art. 4 des Dekrets Nr. 2-75-311 vom 21. Juli 1975 zur Festlegung der die Buchten an den marokkanischen Küsten abschließenden Linien und der geografischen Koordinaten der Grenze der marokkanischen Küstengewässer und der marokkanischen ausschließlichen Wirtschaftszone, Bulletin officiel du Royaume du Maroc, Nr. 3276, S. 996. Nach diesen Bestimmungen reicht die marokkanische AWZ nicht bis in das Gebiet südlich des Kap Juby/Stafford-Punkt, was der Grenze zwischen dem Königreich Marokko und der Westsahara entspricht.

( 181 ) Vgl. „Domaine maritime: Le Conseil de gouvernement adopte deux projets de lois“, Huffington Post Maroc, 7. Juli 2017, abrufbar über die Website http://www.huffpostmaghreb.com/2017/07/07/loi-domaine-maritime-_n_17422798.html. Dem Minister für auswärtige Angelegenheiten und internationale Zusammenarbeit des Königreichs Marokko zufolge war die Schaffung einer AWZ vor der Küste der Westsahara notwendig, um „die Herrschaftsrechte Marokkos über diese Gewässer zu festigen und alle Ansprüche abzuwehren, mit denen die Souveränität des Königreichs über dieses Gebiet in Frage gestellt werden soll“.

( 182 ) Vgl. Art. 5 Abs. 4 des Fischereiabkommens.

( 183 ) Siehe Fn. 179.

( 184 ) Deshalb ist es mir unbegreiflich, warum die Union dem Königreich Marokko mehrere Millionen Euro pro Jahr als finanzielle Gegenleistung zahlt, um in den an die Westsahara angrenzenden Gewässern fischen zu dürfen, für die das Königreich Marokko weder ein Meeresgebiet noch eine AWZ eingerichtet hat, wo doch die an die Westsahara angrenzenden Gewässer laut den von ihm bei der UNO nach Art. 75 Abs. 2 SRÜ hinterlegten Urkunden nicht zu den marokkanischen Seegebieten gehören.

( 185 ) Vgl. Art. 56 Abs. 1 Buchst. a SRÜ: „In der [AWZ] hat der Küstenstaat … souveräne Rechte zum Zweck der Erforschung und Ausbeutung, Erhaltung und Bewirtschaftung der lebenden und nicht lebenden natürlichen Ressourcen der Gewässer über dem Meeresboden, des Meeresbodens und seines Untergrunds …“ (Hervorhebung nur hier).

( 186 ) Vgl. etwa Art. 5 Abs. 4 des partnerschaftlichen Fischereiabkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Seychellen (ABl. 2006, L 290, S. 2), Art. 2 Buchst. a und Art. 11 des partnerschaftlichen Fischereiabkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Islamischen Republik Mauretanien (ABl. 2006, L 343, S. 4), Art. 2 Buchst. a und Art. 11 des partnerschaftlichen Fischereiabkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Guinea-Bissau für die Zeit vom 16. Juni 2007 bis zum 15. Juni 2011 (ABl. 2007, L 342, S. 5), Art. 2 Buchst. c des partnerschaftlichen Fischereiabkommens zwischen der Republik Côte d’Ivoire und der Europäischen Gemeinschaft (ABl. 2008, L 48, S. 41) sowie Art. 1 Buchst. f des partnerschaftlichen Abkommens über nachhaltige Fischerei zwischen der Europäischen Union und der Republik Senegal (ABl. 2014, L 304, S. 3).

( 187 ) Vgl. Art. 7 des Fischereiabkommens und Art. 3 Abs. 1, 4 und 5 sowie Art. 6 des Protokolls von 2013. Durch diese Bestimmungen wird nicht sichergestellt, dass die finanzielle Gegenleistung der Bevölkerung der Westsahara proportional zu den auf die Gewässer der Westsahara entfallenden Fangmengen zugutekommt. Siehe Nrn. 271 bis 285 der vorliegenden Schlussanträge.

( 188 ) Vgl. Milano, E., „The New Fisheries Partnership Agreement between the EC and Morocco: Fishing too South?“, Anuario español de derecho internacional, 2006, Bd. 22, S. 413 bis 457 (442 bis 447), und Dawidowicz, M., „Trading Fish or Human Rights in Western Sahara? Self-Determination, Non-Recognition and the EC‑Morocco Fisheries Agreement“, in French, D. (Hrsg.), Statehood, Self‑Determination and Minorities: Reconciling Tradition and Modernity in International Law, Cambridge University Press, Cambridge, 2013, S. 250 bis 276.

( 189 ) Das vorlegende Gericht teilt diese Auffassung. Dies gilt auch für die britische Finanz- und Zollverwaltung und den Minister für Umwelt, Ernährung und Angelegenheiten des ländlichen Raums. Vgl. Rn. 27, 44.1 und 47.4 des Vorabentscheidungsersuchens sowie Rn. 40, 43, 48 und 49 des Urteils vom 19. Oktober 2015 in der Rechtssache Western Sahara Campaign UK, R (on the application of) v HM Revenue and Customs [2015] EWHC 2898 (Admin). Die Kommission schließt nicht aus, dass das Königreich Marokko als Besatzungsmacht der Westsahara angesehen werden könnte. Vgl. Rn. 43 ihrer Antworten auf die schriftlichen Fragen des Gerichtshofs.

( 190 ) Siehe Nr. 192 der vorliegenden Schlussanträge. Vgl. Milano, E., „The New Fisheries Partnership Agreement between the EC and Morocco: Fishing too South?“, Anuario español de derecho internacional, 2006, Bd. 22, S. 413 bis 457 (430).

( 191 ) ABl. 2011, C 286 E, S. 1. Laut dieser Antwort wird „[n]ach dem Standpunkt der Vereinten Nationen in dieser Angelegenheit, dem sich die EU anschließt, … die Westsahara als ein ‚Gebiet ohne Selbstregierung‘ angesehen, und ist Marokko de facto seine Verwaltungsmacht“.

( 192 ) Vgl. Osttimor (Portugal/Australien), Urteil (I.C.J. Reports 1995, S. 90, Rn. 13). In diesem Fall hatte die Portugiesische Republik vorgetragen, trotz der Besetzung Osttimors durch die Republik Indonesien habe Australien ein auf Osttimor anwendbares völkerrechtliches Abkommen nur mit der Portugiesischen Republik abschließen können, da Letztere die Verwaltungsmacht dieses Gebiets sei. Es ist daher nicht weiter verwunderlich, dass die portugiesische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen in der vorliegenden Rechtssache keine Stellung zur Gültigkeit der streitigen Rechtsakte genommen, sondern sich auf den Hinweis beschränkt hat, ihre Gültigkeit könne nicht an Art. 3 Abs. 5 EUV gemessen werden und die völkerrechtlichen Regeln, auf die sich WSC berufe, könnten nicht vor Gericht geltend gemacht werden. Sie hat auch die ihr vom Gerichtshof gestellten Fragen unbeantwortet gelassen und ist der mündlichen Verhandlung ferngeblieben.

( 193 ) Vgl. Urteil vom 19. Oktober 2015 in der Rechtssache Western Sahara Campaign UK, R (on the application of) v HM Revenue and Customs [2015] EWHC 2898 (Admin), Rn. 40, und Resolution 3458 A (XXX) der UN-Generalversammlung, die dieses Abkommen nicht erwähnt und auf das Königreich Spanien als Verwaltungsmacht verweist. Vgl. in diesem Sinne auch Brownlie, I., African Boundaries: a Legal and Diplomatic Encyclopaedia, C. Hurst & Company, London, 1979, S. 149 bis 158: „1976 übergab Spanien das Gebiet von Spanisch‑Sahara an Marokko und Mauretanien, und eine Aufteilung wurde vorgenommen … Da die Legitimität der Teilungsvereinbarung zweifelhaft ist und es an einer Rechtsgrundlage fehlt, müssen die Grenzen der Westsahara geprüft werden“ (S. 149) („In 1976 Spain transferred the territory of Spanish Sahara to Morocco and Mauritania and a partition was arranged … Since the legitimacy of the partition arrangement is in question and lacks a legal basis, the frontiers of Western Sahara merit examination“). Nach demselben Autor ist es „heikel, das von Spanien, Marokko und Mauretanien geschaffene Fait accompli (wenn es ein solches ist) bis zu einer Weiterentwicklung der politischen Lage zu akzeptieren. Für die Nichtanerkennung dieses Ergebnisses durch die anderen Staaten gibt es eine Grundlage im Völkerrecht“ (S. 157) („Until the political situation evolves further, it is unsafe to accept the fait accompli [if that is what it is] arranged by Spain, Morocco and Mauritania. Non-recognition of the outcome by other States has a basis in International Law“). Vgl. schließlich Soroeta Liceras, J., „La posicíon de la Unión Europea en el conflicto del Sahara Occidental, una muestra palpable (más) de la primacía de sus intereses económicos y políticos sobre la promoción de la democracia y de los derechos humanos“, Revista de Derecho Comunitario Europeo, 2009, Bd. 34, S. 823 bis 864 (832), und Saul, B., „The Status of Western Sahara as Occupied Territory under International Humanitarian Law and the Exploitation of Natural Resources“, Sydney Law School Legal Studies Research Paper, Nr. 15/81 (September 2015), S. 18.

( 194 ) Siehe Nr. 163 der vorliegenden Schlussanträge. Für die Resolution 3458 A (XXX), die das Abkommen von Madrid nicht anerkannte, stimmten demgegenüber 88 Staaten, und es gab keine Gegenstimme; die gegenwärtigen Mitgliedstaaten der Union stimmten für diese Resolution außer dem Königreich Spanien und der Portugiesischen Republik, die sich der Stimme enthielten, und der Republik Malta, die an der Abstimmung nicht teilnahm.

( 195 ) Vgl. etwa Burton, M. F., Foreign Relations of the United States, 1977-1980, United States Government Printing Office, Washington, 2017, Bd. XVII, Teil 3 (Dokumente zu Nordafrika), S. 90, 371, 372 und 575.

( 196 ) Vgl. Bedjaoui, M., „Article 73“, in Cot, J.-P., Pellet, A., und Forteau, M., La Charte des Nations Unies: commentaire article par article, 3. Aufl., Economica, Paris, 2005, S. 1751 bis 1767 (1763); Fastenrath, U., „Chapter XI Declaration Regarding Non-self-governing Territories“, in Simma, B., Khan, D.‑E., Nolte, G., und Paulus, A. (Hrsg.), The Charter of the United Nations: A Commentary, 3. Aufl., Oxford University Press, Oxford, 2012, Bd. II, S. 1829 bis 1839 (1836). Vgl. in diesem Sinne auch Nr. 3 der Resolution 742 (VIII) der UN‑Generalversammlung vom 27. November 1953.

( 197 ) Vgl. Rn. 57 der Antworten der Kommission auf die schriftlichen Fragen des Gerichtshofs.

( 198 ) Vgl. Gesetz von 1955 über die Kokosinseln (Cocos Islands Act 1955) und Regierungsverordnung von 1955 über die Kokosinseln (Cocos Islands Order in Council 1955, SI 1955/1642). Vgl. in diesem Sinne Kerr, A., A Federation in These Seas, Attorney General’s Department of the Commonwealth of Australia, 2009, S. 271 bis 273 und 308 bis 310; Spagnolo, B., The Continuity of Legal Systems in Theory and Practice, Hart Publishing, Oxford, 2015, S. 62.

( 199 ) Vgl. Repertory of the Practice of United Nations Organs, Ergänzungsband Nr. 2 (1955-1959), Bd. 3, Rn. 6.

( 200 ) Vgl. Repertory of the Practice of United Nations Organs, Ergänzungsband Nr. 3 (1959-1966), Bd. 3, Rn. 215. Vgl. in diesem Sinne auch Resolution 39/30 der UN‑Generalversammlung, die Australien als Verwaltungsmacht erwähnt.

( 201 ) Vgl. Art. I und XXVII des Abkommens zwischen der Republik Indonesien und dem Königreich der Niederlande über West-Neuguinea (West-Irian), unterzeichnet am Sitz der UNO in New York am 15. August 1962, UNTS, Bd. 437, S. 274. Vgl. in diesem Sinne auch Resolution 1752 (XVII) der UN-Generalversammlung.

( 202 ) Vgl. Repertory of the Practice of United Nations Organs, Ergänzungsband Nr. 3 (1959-1966), Bd. 3, Rn. 52 bis 55.

( 203 ) Vgl. Bericht des UN-Generalsekretärs vom 3. Februar 2017 über die nach Art. 73 der Charta der Vereinten Nationen übermittelten Informationen über die Hoheitsgebiete ohne Selbstregierung, Punkt e (A72/62).

( 204 ) S/2002/161, Rn. 6.

( 205 ) S/2002/161, Rn. 7.

( 206 ) S/2002/161, Rn. 8 und 21.

( 207 ) Fall der S.S. Wimbledon (Vereinigtes Königreich u. a./Deutschland), Urteil vom 17. August 1923 (PCIJ Series A, Nr. 1, S. 25).

( 208 ) Vgl. Rechtssache betreffend den Verlauf der Seegrenze zwischen Guinea-Bissau und dem Senegal, Schiedsspruch vom 31. Juli 1989 (RIAA [Reports of International Arbitral Awards], Bd. XX, S. 119 bis 213, Rn. 51 und 52). Die Gültigkeit dieses Schiedsspruchs wurde vom Internationalen Gerichtshof bestätigt (vgl. Schiedsspruch vom 31. Juli 1989, Urteil, I.C.J. Reports 1991, S. 53). Dem Schiedsgericht zufolge erlangen die Aktionen einer nationalen Befreiungsbewegung „Bedeutung auf internationaler Ebene, sobald sie im institutionellen Leben des Territorialstaats ein anormales Ereignis darstellen, das diesen Staat zwingt, außergewöhnliche Maßnahmen zu ergreifen, d. h., wenn er sich, um der Ereignisse Herr zu werden oder dies zu versuchen, gezwungen sieht, auf Mittel zurückzugreifen, wie sie bei gelegentlichen Unruhen normalerweise nicht eingesetzt werden“. Wegen des Ausbruchs eines bewaffneten Konflikts zwischen dem Front Polisario und den marokkanischen und mauretanischen Streitkräften sah das Schiedsgericht dieses Kriterium erfüllt.

( 209 ) Vgl. Rechtssache betreffend den Verlauf der Seegrenze zwischen Guinea-Bissau und dem Senegal, Schiedsspruch vom 31. Juli 1989 (RIAA, Bd. XX, S. 119 bis 213, Rn. 52).

( 210 ) UNTS, Bd. 1125, S. 3.

( 211 ) Jedenfalls erfüllen diese Regeln die in Nr. 96 der vorliegenden Schlussanträge erwähnten Voraussetzungen, um vor Gericht geltend gemacht werden zu können, aus denselben Gründen, wie sie in Nr. 139 der vorliegenden Schlussanträge dargelegt wurden.

( 212 ) Legalität der Androhung oder des Einsatzes von Nuklearwaffen, Gutachten (I.C.J. Reports 1996, S. 226, Rn. 79). Vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Internationalen Militärgerichtshofs von Nürnberg vom 1. Oktober 1946 in dem Prozess Vereinigte Staaten von Amerika u. a./Goering u. a., veröffentlicht in Trial of the Major War Criminals before the International Military Tribunal (Nuremberg, 14 November 1945-1 October 1946), 1947, S. 171 bis 341 (253 und 254); Rechtliche Konsequenzen des Baus einer Mauer in den besetzten palästinensischen Gebieten, Gutachten (I.C.J. Reports 2004, S. 136, Rn. 89 und 157).

( 213 ) Rechtliche Konsequenzen des Baus einer Mauer in den besetzten palästinensischen Gebieten, Gutachten (I.C.J. Reports 2004, S. 136, Rn. 157).

( 214 ) Hervorhebung nur hier. Alle Mitgliedstaaten der Union und das Königreich Marokko sind Vertragsstaaten dieser Abkommen sowie des Zusatzprotokolls I. Ferner hat sich der Front Polisario durch eine beim Schweizerischen Bundesrat als Depositar der Genfer Abkommen hinterlegte einseitige Erklärung vom 23. Juni 2015, die den Vertragsstaaten dieser Abkommen notifiziert wurde, verpflichtet, die vier Genfer Abkommen von 1949 und das Zusatzprotokoll I von 1977 in dem Konflikt mit dem Königreich Marokko anzuwenden.

( 215 ) Rechtliche Konsequenzen des Baus einer Mauer in den besetzten palästinensischen Gebieten, Gutachten (I.C.J. Reports 2004, S. 136, Rn. 158).

( 216 ) Siehe Nr. 127 der vorliegenden Schlussanträge.

( 217 ) Vgl. Art. 2 dieses Abkommens und Rechtliche Konsequenzen des Baus einer Mauer in den besetzten palästinensischen Gebieten, Gutachten (I.C.J. Reports 2004, S. 136, Rn. 95).

( 218 ) Rechtliche Konsequenzen des Baus einer Mauer in den besetzten palästinensischen Gebieten, Gutachten (I.C.J. Reports 2004, S. 136, Rn. 95).

( 219 ) Art. 1 Abs. 4 des Zusatzprotokolls I und Commentaires du Comité international de la Croix-Rouge (CIRC) (Bemerkungen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz [IKRK]) von 1987, Rn. 114. Vgl. in diesem Sinne auch Roberts, A., „What is military occupation?“, British Yearbook of International Law, 1985, Bd. 55, S. 249 bis 305 (254 und 255).

( 220 ) Vgl. David, É., Principes de droit des conflits armés, 5. Aufl., Bruylant, Brüssel, 2012, S. 189 und 190; Milanovic, M., „The Applicability of the Conventions to ‚Transnational‘ and ‚Mixed‘ Conflicts“, in Clapham, A., Gaeta, P., und Sassòli, M. (Hrsg.), The 1949 Geneva Conventions: A commentary, Oxford University Press, Oxford, 2015, S. 27 bis 50, Rn. 43; Saul, B., „The Status of Western Sahara as Occupied Territory under International Humanitarian Law and the Exploitation of Natural Resources“, Sydney Law School Legal Studies Research Paper, Nr. 15/81, September 2015, S. 5 und 6.

( 221 ) Vgl. Urteil der Strafkammer des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien vom 31. März 2003 in dem Strafverfahren gegen Mladen Naletilić und Vinko Martinović (Nr. IT‑98-34-T), Rn. 211; Stato maggiore de la difesa, Manuale di diritto umanitario, 1991, Bd. I, Rn. 32; Federal Ministry of Defence of the Federal Republic of Germany, Humanitarian Law in Armed Conflicts Manual, 1992, Rn. 526; Kabinett des Richters‑Generalanwalts von Kanada, Law of Armed Conflict, 2001, Rn. 1203(1); UK Ministry of Defence, The Manual of the Law of Armed Conflict, Oxford University Press, Oxford, 2004, Nr. 11.2; Ministerio de defensa, El derecho de los conflictos armados, 2. Aufl., Centro Geográfico del Ejército, Madrid, 2007, Bd. I, S. 2-20; U.S. Department of Defense, Law of War Manual, 2015, S. 744; Dinstein, Y., The International Law of Belligerent Occupation, Cambridge University Press, Cambridge, 2009, S. 42, Rn. 96; Sassòli, M., „The Concept and the Beginning of Occupation“, in Clapham, A., Gaeta, P., und Sassòli, M. (Hrsg.), The 1949 Geneva Conventions: A commentary, Oxford University Press, Oxford, 2015, S. 1389 bis 1419, Rn. 8.

( 222 ) Vgl. Rn. 27, 44.1 und 47.4 des Vorabentscheidungsersuchens sowie Rn. 40, 43, 48 und 49 des Urteils vom 19. Oktober 2015 in der Rechtssache Western Sahara Campaign UK, R (on the application of) v HM Revenue and Customs [2015] EWHC 2898 (Admin).

( 223 ) Vgl. Nrn. 5 und 6. 85 Staaten stimmten dafür, sechs dagegen, 41 enthielten sich der Stimme, und 20 blieben der Abstimmung fern. Die gegenwärtigen Mitgliedstaaten der Union stimmten dafür oder enthielten sich der Stimme. Vgl. in diesem Sinne auch Resolution 35/19 der UN‑Generalversammlung.

( 224 ) Vgl. u. a. Roberts, A., „What is military occupation?“, British Yearbook of International Law, 1985, Bd. 55, S. 249 bis 305 (280 und 281); Gasser, H. P., „The Conflict in Western Sahara – An Unresolved Issue from the Decolonization Period“, Yearbook of International Humanitarian Law, 2002, Bd. 5, S. 375 bis 380 (379); Arai-Takahashi, Y., The Law of Occupation: Continuity and Change of International Humanitarian Law, and its Interaction with International Human Rights Law, Martinus Nijhoff, Den Haag, 2009, S. 140; Chinkin, C., „Laws of occupation“, in Botha, N., Olivier, M., und van Tonder, D. (Hrsg.), Multilateralism and International Law with Western Sahara as a Case Study, VerLoren van Themaat Centre, Pretoria, 2010, S. 197 bis 221 (197 bis 200); Benvenisti, E., The International Law of Occupation, 2. Aufl., Oxford University Press, Oxford, 2012, S. 171; Fastenrath, U., „Chapter XI Declaration Regarding Non-self-governing Territories“, in Simma, B., Khan, D.‑E., Nolte, G., und Paulus, A. (Hrsg.), The Charter of the United Nations: A Commentary, 3. Aufl., Oxford University Press, Oxford, 2012, Bd. II, S. 1829 bis 1839 (1837); Koutroulis, V., „The application of international humanitarian law and international human rights law in prolonged occupation: only a matter of time?“, International Review of the Red Cross, 2012, Bd. 94, S. 165 bis 205 (171); David, É., Principes de droit des conflits armés, 5. Aufl., Bruylant, Brüssel, 2012, S. 192; Ruiz Miguel, C., „La responsabilité internationale et les droits de l’homme: le cas du Sahara occidental“, Cahiers de la recherche sur les droits fondamentaux, 2013, Bd. 11, S. 105 bis 130 (107); Dawidowicz, M., „Trading Fish or Human Rights in Western Sahara? Self-Determination, Non-Recognition and the EC‑Morocco Fisheries Agreement“, in French, D. (Hrsg.), Statehood, Self-Determination and Minorities: Reconciling Tradition and Modernity in International Law, Cambridge University Press, Cambridge, 2013, S. 250 bis 276; Bothe, M., „The Administration of Occupied Territory“, in Clapham, A., Gaeta, P., und Sassòli, M. (Hrsg.), The 1949 Geneva Conventions: A commentary, Oxford University Press, Oxford, 2015, S. 1455 bis 1484 (1459); Kontorovich, E., „Economic Dealings with Occupied Territories“, Columbia Journal of Transnational Law, 2015, Bd. 53, S. 584 bis 637 (611 und 612); Saul, B. „The Status of Western Sahara as Occupied Territory under International Humanitarian Law and the Exploitation of Natural Resources“, Sydney Law School Legal Studies Research Paper, Nr. 15/81 (September 2015). Vgl. auch Urteil des High Court of South Africa (Hoher Gerichtshof von Südafrika) vom 15. Juni 2017 in der Rechtssache Nr. 1487/17, The Saharawi Arab Democratic Republic and Front Polisario v The Owner and charterers of the MV „NM Cherry Blossom“, Rn. 29.

( 225 ) Vgl. Corell, H., „Western Sahara – status and resources“, New Routes, 2010, Bd. 15, S. 10 bis 13 (11).

( 226 ) Vgl. Schreiben des Untergeneralsekretärs für Rechtsangelegenheiten und Rechtsberaters vom 29. Januar 2002 an den Präsidenten des Sicherheitsrats (S/2002/161).

( 227 ) Bewaffnete Tätigkeiten im Gebiet des Kongo (Demokratische Republik Kongo/Uganda), Urteil (I.C.J. Reports 2005, S. 168, Rn. 173). Nach Art. 1 Abs. 4 des Zusatzprotokolls I findet derselbe Grundsatz auf die Besetzung von Hoheitsgebieten ohne Selbstregierung Anwendung.

( 228 ) Ich erinnere daran, dass sich die Islamische Republik Mauretanien nach dem Abschluss eines Friedensabkommens mit dem Front Polisario am 14. August 1979 aus der Westsahara zurückgezogen hat. Noch am selben Tag annektierte das Königreich Marokko den Teil der Westsahara, den ursprünglich die Islamische Republik Mauretanien besetzt hatte. Letztere erkannte diese „gewaltsame Besetzung“ durch die Erklärung ihres Premierministers vom 14. August 1979 an, die dem Schreiben vom 18. August 1979 beigefügt ist, das der Ständige Vertreter der Islamischen Republik Mauretanien bei der UNO an deren Generalsekretär gerichtet hat (A/34/427).

( 229 ) Wegen eines detaillierten Berichts zur Unterstellung der Westsahara unter die marokkanische Herrschaft vgl. Dessaints, J., „Chronique politique Maroc“, Annuaire de l’Afrique du Nord, 1975, Bd. 14, S. 457 bis 476 (463 bis 465); Santucci, J.‑C., „Chronique politique Maroc“, Annuaire de l’Afrique du Nord, 1976, Bd. 15, S. 357 bis 379 (359 bis 361).

( 230 ) Ich weise auch darauf hin, dass das Abkommen von Madrid, selbst wenn es für gültig erachtet würde, keineswegs eine marokkanische Militärpräsenz im Gebiet der Westsahara ohne die – nie erteilte – Zustimmung ihrer Bevölkerung gestattete.

( 231 ) Vgl. Dinstein, Y., The International Law of Belligerent Occupation, Cambridge University Press, Cambridge, 2009, S. 47 und 48; Benvenisti, E., The International Law of Occupation, 2. Aufl., Oxford University Press, Oxford, 2012, S. 55; Sassòli, M., „The Concept and the Beginning of Occupation“, in Clapham, A., Gaeta, P., und Sassòli, M. (Hrsg.), The 1949 Geneva Conventions: A commentary, Oxford University Press, Oxford, 2015, S. 1389 bis 1419, Rn. 15.

( 232 ) Vgl. Benvenisti, E., The International Law of Occupation, 2. Aufl., Oxford University Press, Oxford, 2012, S. 55.

(

233

)

„Nachdem die gesetzgebende Gewalt tatsächlich in die Hände des Besatzers übergegangen ist, hat dieser alle unter seinem Einfluss stehenden Vorkehrungen zu treffen, um nach Möglichkeit die öffentliche Ordnung und das öffentliche Leben wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten, und zwar, soweit kein zwingendes Hindernis besteht, unter Beachtung der Landesgesetze.“

(

234

)

„Die Besatzungsmacht kann die Bevölkerung des besetzten Gebiets jedoch Bestimmungen unterwerfen, die unerlässlich sind zur Erfüllung der ihr durch das vorliegende Abkommen auferlegten Verpflichtungen, zur Aufrechterhaltung einer ordnungsgemäßen Verwaltung des Gebiets und zur Gewährleistung der Sicherheit sowohl der Besatzungsmacht als auch der Mitglieder und des Eigentums der Besatzungsstreitkräfte oder ‑verwaltung sowie der durch sie benutzten Anlagen und Verbindungslinien.“

( 235 ) Vgl. Sassòli, M., „Legislation and Maintenance of Public Order and Civil Life by Occupying Powers“, European Journal of International Law, 2005, Bd. 16, S. 661 bis 694; Dinstein, Y., The International Law of Belligerent Occupation, Cambridge University Press, Cambridge, 2009, S. 115 und 116; Arai-Takahashi, Y., The Law of Occupation: Continuity and Change of International Humanitarian Law, and its Interaction with International Human Rights Law, Martinus Nijhoff, Den Haag, 2009, S. 120 und 121.

( 236 ) Vgl. Benvenisti, E., The International Law of Occupation, 2. Aufl., Oxford University Press, Oxford, 2012, S. 83 bis 86; Bothe, M., „The Administration of Occupied Territory“, in Clapham, A., Gaeta, P. und Sassòli, M. (Hrsg.), The 1949 Geneva Conventions: A commentary, Oxford University Press, Oxford, 2015, S. 1455 bis 1484, Rn. 98.

( 237 ) Vgl. Osttimor (Portugal/Australien), Urteil (I.C.J. Reports 1995, S. 90, Rn. 13 und 32). Der Gerichtshof hat in dieser Rechtssache seine Zuständigkeit nicht ausgeübt, da er sich andernfalls zur Rechtmäßigkeit der Eingliederung Osttimors in die Republik Indonesien hätte äußern müssen. Dies hat ihn aber nicht daran gehindert, die indonesische Militärintervention als Besetzung zu qualifizieren (vgl. Rn. 13 des Urteils), was im Übrigen eine Tatfrage ist (siehe Nr. 246 der vorliegenden Schlussanträge).

( 238 ) Vgl. Benvenisti, E., The International Law of Occupation, 2. Aufl., Oxford University Press, Oxford, 2012, S. 85; Bothe, M., „The Administration of Occupied Territory“, in Clapham, A., Gaeta, P., und Sassòli, M. (Hrsg.), The 1949 Geneva Conventions: A commentary, Oxford University Press, Oxford, 2015, S. 1455 bis 1484, Rn. 98.

( 239 ) Vgl. Art. 4 des Zusatzprotokolls I; Art. 47 des Genfer Abkommens IV; Schiedsspruch vom 18. April 1925 im Fall der Osmanischen Staatsschulden (Bulgarien, Irak, Palästina, Transjordanien, Griechenland, Italien und Türkei), RIAA, Bd. 1, S. 529 bis 614 (555); Urteil des Militärgerichts Nr. I vom 10. März 1948 in dem RuSHA-Prozess (Vereinigte Staaten von Amerika/Greifelt u. a.), Trials of War Criminals before the Nuernberg Military Tribunals, U. S. Government Printing Office, Washington, 1950, Bd. V, S. 154; Oppenheim, L., „The Legal Relations between an Occupying Power and the Inhabitants“, Law Quarterly Review, 1917, Bd. 33, S. 363 (364); Dinstein, Y., The International Law of Belligerent Occupation, Cambridge University Press, Cambridge, 2009, S. 49 bis 51; David, É., Principes de droit des conflits armés, 5. Aufl., Bruylant, Brüssel, 2012, S. 582 und 583; Benvenisti, E., The International Law of Occupation, 2. Aufl., Oxford University Press, Oxford, 2012, S. 85; Bothe, M., „The Administration of Occupied Territory“, in Clapham, A., Gaeta, P., und Sassòli, M. (Hrsg.), The 1949 Geneva Conventions: A commentary, Oxford University Press, Oxford, 2015, S. 1455 bis 1484, Rn. 10.

( 240 ) Es handelt sich um die Besatzungsbehörde, die die Vereinigten Staaten von Amerika und ihre Koalition im Irak eingerichtet hatten, um das Land 2003 und 2004 zu regieren.

( 241 ) Vgl. Rahmenabkommen zwischen der Coalition Provisional Authority („CPA“), die nach den Gesetzen und Gebräuchen des Krieges und in Übereinstimmung mit den einschlägigen Resolutionen des UN-Sicherheitsrats, insbesondere der Resolution 1483 (2003), vorübergehend die Regierungsgewalt im Irak ausübt, der aufgrund der Verfügung Nr. 20 der CPA gegründeten Irakischen Handelsbank (Trade Bank of Iraq [TBI]) und der Geschäftsstelle für die Exportrisikogarantie („ERG“), die für die Schweizerische Eidgenossenschaft handelt, unterzeichnet in Rom am 5. Dezember 2003, Systematische Sammlung des Bundesrechts, 0.946.144.32.

( 242 ) Note der Direktion für Völkerrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 15. Dezember 2003, wiedergegeben in Ferraro, T. (Hrsg.), Rapport des experts du CIRC (Bericht der Experten des IKRK), „Occupation and other forms of administration of foreign territory“, 2012, S. 59. Vgl. in diesem Sinne auch Caflisch, L., „La pratique suisse en matière de droit international public 2003“, Revue suisse de droit international et de droit européen, 2004, Bd. 5, S. 661 bis 719 (663 und 664).

( 243 ) Vgl. Nr. 4, wonach der Sicherheitsrat „die [Provisorische] Behörde [der Koalition] auf[gefordert hat], im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen und anderen einschlägigen Regeln des Völkerrechts das Wohl des irakischen Volkes durch die wirksame Verwaltung des Hoheitsgebiets zu fördern, indem sie insbesondere auf die Wiederherstellung von Bedingungen der Sicherheit und Stabilität sowie auf die Schaffung von Bedingungen hinarbeitet, in denen das irakische Volk seine eigene politische Zukunft frei bestimmen kann“ (Hervorhebung nur hier).

( 244 ) Vgl. Nr. 1, wonach der Sicherheitsrat „die Souveränität und territoriale Unversehrtheit Iraks [bekräftigt hat] und … in diesem Zusammenhang den vorübergehenden Charakter der Ausübung der in Resolution 1483 (2003) anerkannten und festgelegten spezifischen Verantwortlichkeiten, Befugnisse und Verpflichtungen nach dem anwendbaren Völkerrecht durch die Provisorische Behörde der Koalition (Behörde) [unterstrichen hat], die erlöschen werden, sobald eine vom Volk Iraks eingesetzte international anerkannte, repräsentative Regierung vereidigt wird und die Verantwortlichkeiten der Behörde übernimmt“ (Hervorhebung nur hier).

( 245 ) Vgl. Titel des Rahmenabkommens (Systematische Sammlung des Bundesrechts, 0.946.144.32).

( 246 ) Vgl. Bewaffnete Tätigkeiten auf dem Gebiet des Kongo (Demokratische Republik Kongo/Uganda), Urteil (I.C.J. Reports 2005, S. 168, Rn. 244).

( 247 ) Siehe Nrn. 130 bis 134 der vorliegenden Schlussanträge.

( 248 ) Siehe Nrn. 245 bis 249 der vorliegenden Schlussanträge.

( 249 ) Vgl. „Iustiniani Institutiones“, Buch II, Kapitel IV „(De usu fructu), principium“, in Krueger, P. (Hrsg.), Corpus Iuris Civilis, Weidmann, Berlin, 1889, Bd. I; U.S. Department of State, „Memorandum of Law on Israel’s right to develop new oil fields in Sinai and the Gulf of Suez“, 1. Oktober 1976, International Law Materials, 1977, Bd. 16, S. 733 bis 753 (736); Ministry of Foreign Affairs of Israel, „Memorandum of Law on the Right to develop new oil fields in Sinai and the Gulf of Suez“, 1. August 1977, International Law Materials, 1978, Bd. 17, S. 432 bis 444, Rn. 2; Dinstein, Y., The International Law of Belligerent Occupation, Cambridge University Press, Cambridge, 2009, S. 214; Van Engeland, A., „Protection of Public Property“, in Clapham, A., Gaeta, P., und Sassòli, M. (Hrsg.), The 1949 Geneva Conventions: A commentary, Oxford University Press, Oxford, 2015, S. 1535 bis 1550, Rn. 20 bis 22.

( 250 ) Vgl. Dinstein, Y., The International Law of Belligerent Occupation, Cambridge University Press, Cambridge, 2009, S. 215; Kabinett des Richters-Generalanwalts von Kanada, Law of Armed Conflict, 2001, Rn. 1243; UK Ministry of Defence, The Manual of the Law of Armed Conflict, Oxford University Press, Oxford, 2004, Nr. 11.86; U.S. Department of Defense, Law of War Manual, 2015, S. 793.

( 251 ) Vgl. Ministry of Foreign Affairs of Israel, „Memorandum of Law on the Right to develop new oil fields in Sinai and the Gulf of Suez“, 1. August 1977, International Law Materials, 1978, Bd. 17, S. 432 bis 444, Rn. 12; Cassese, A., „Powers and Duties of an Occupant in Relation to Land and Natural Resources“, in Cassese, A., Gaeta, P., und Zappalà, S. (Hrsg.), The Human Dimension of International Law: Selected Papers of Antonio Cassese, Oxford University Press, Oxford, 2008, S. 250 bis 271 (258); Dinstein, Y., The International Law of Belligerent Occupation, Cambridge University Press, Cambridge, 2009, S. 217.

( 252 ) Urteil des Internationalen Militärgerichtshofs von Nürnberg vom 1. Oktober 1946 in dem Prozess Vereinigte Staaten von Amerika u. a./Goering u. a., veröffentlicht in Trial of the Major War Criminals before the International Military Tribunal (Nuremberg, 14 November 1945-1 October 1946), 1947, S. 171 bis 341 (239). Vgl. in diesem Sinne auch U.S. Department of State, „Memorandum of Law on Israel’s right to develop new oil field in Sinai and the Gulf of Suez“, 1. Oktober 1976, International Law Materials, 1977, Bd. 16, S. 733 bis 753 (743); Ministry of Foreign Affairs of Israel, „Memorandum of Law on the Right to develop new oil fields in Sinai and the Gulf of Suez“, 1. August 1977, International Law Materials, 1978, Bd. 17, S. 432 bis 444 (437).

( 253 ) Vgl. U.S. Department of State, „Memorandum of Law on Israel’s right to develop new oil field in Sinai and the Gulf of Suez“, 1. Oktober 1976, International Law Materials, 1977, Bd. 16, S. 733 bis 753 (743 bis 745); Cassese, A., „Powers and Duties of an Occupant in Relation to Land and Natural Resources“, in Cassese, A., Gaeta, P., und Zappalà, S. (Hrsg.), The Human Dimension of International Law: Selected Papers of Antonio Cassese, Oxford University Press, Oxford, 2008, S. 250 bis 271 (257 und 261); Benvenisti, E., The International Law of Occupation, 2. Aufl., Oxford University Press, Oxford, 2012, S. 82.

( 254 ) Vgl. Schreiben der Ständigen Vertreter der Vereinigten Staaten von Amerika und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland bei der Organisation der Vereinten Nationen vom 8. Mai 2003 an den Präsidenten des UN‑Sicherheitsrats (S/2003/538).

( 255 ) Vgl. Verfügung Nr. 2 der Provisorischen Behörde der Koalition vom 15. Juni 2003 über den Entwicklungsfonds für den Irak.

( 256 ) Vgl. Legalität der Androhung oder des Einsatzes von Nuklearwaffen, Gutachten (I.C.J. Reports 1996, S. 226, Rn. 25); Rechtliche Konsequenzen des Baus einer Mauer in den besetzten palästinensischen Gebieten, Gutachten (I.C.J. Reports 2004, S. 136, Rn. 105 und 106).

( 257 ) Bewaffnete Tätigkeiten auf dem Gebiet des Kongo (Demokratische Republik Kongo/Uganda), Urteil (I.C.J. Reports 2005, S. 168, Rn. 244).

( 258 ) Vgl. in diesem Sinne Dinstein, Y., The International Law of Belligerent Occupation, Cambridge University Press, Cambridge, 2009, S. 219 und 220.

( 259 ) Vgl. Rechtliche Konsequenzen des Baus einer Mauer in den besetzten palästinensischen Gebieten, Gutachten (I.C.J. Reports 2004, S. 136, Rn. 106); Bewaffnete Tätigkeiten auf dem Gebiet des Kongo (Demokratische Republik Kongo/Uganda), Urteil (I.C.J. Reports 2005, S. 168, Rn. 216, 217 und 220).

( 260 ) Vgl. Präambel sowie Art. 1, Art. 3 Abs. 1 sowie die Art. 4, 8 und 9 des Fischereiabkommens. Vgl. in diesem Sinne auch die Art. 4 und 5 des Protokolls von 2013.

( 261 ) Siehe Nrn. 258 und 260 der vorliegenden Schlussanträge.

( 262 ) Diese Datenblätter finden sich in Anlage 2 des Anhangs zum Fischereiabkommen. Nach Art. 16 des Fischereiabkommens ist der Anhang mit seinen Anlagen Bestandteil des Abkommens.

( 263 ) Siehe Nr. 70 der vorliegenden Schlussanträge.

( 264 ) Siehe Nr. 261 der vorliegenden Schlussanträge. In den Akten findet sich dafür kein Anhaltspunkt, da die Unionsorgane das Königreich Marokko für die „De‑facto-Verwaltungsmacht“ der Westsahara halten und sich die Frage daher nicht gestellt haben.

( 265 ) Eine solche Umsiedlung ist ein schwerer Verstoß gegen das Zusatzprotokoll I (vgl. Art. 85 Abs. 4 Buchst. a dieses Protokolls) und ein Kriegsverbrechen (Art. 8 Abs. 2 Buchst. b Ziff. viii des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs, UNTS, Bd. 2187, S. 3). Das Königreich Marokko hat das Römische Statut unterzeichnet, aber nicht ratifiziert.

( 266 ) Vgl. Nr. 7 der Resolution 3458 A (XXX) der UN-Generalversammlung.

( 267 ) Vgl. Nrn. 2 und 4 der Resolution 3458 B (XXX) der UN-Generalversammlung.

( 268 ) Vgl. Anlage 2 zum Anhang des Protokolls von 2013.

( 269 ) Vgl. Milano, E., „The New Fisheries Partnership Agreement between the EC and Morocco: Fishing too South?“, Anuario español de derecho internacional, 2006, Bd. 22, S. 413 bis 457 (435 bis 442); Soroeta Liceras, J., „La posicíon de la Unión Europea en el conflicto del Sahara Occidental, una muestra palpable (más) de la primacía de sus intereses económicos y políticos sobre la promoción de la democracia y de los derechos humanos“, Revista de Derecho Comunitario Europeo, 2009, Bd. 34, S. 823 bis 864 (829 bis 837 und 844 bis 847); Corell, H., „The legality of exploring and exploiting natural resources in Western Sahara“, in Botha, N., Olivier, M., und van Tonder, D. (Hrsg.), Multilateralism and International Law with Western Sahara as a Case Study, VerLoren van Themaat Centre, Pretoria, 2010, S. 231 bis 247 (242); Etienne, J., „L’accord de pêche CE‑Maroc: quels remèdes juridictionnels européens à quelle illicéité internationale“, Revue belge de droit international, 2010, S. 77 bis 107 (86 bis 88); Saul, B. „The Status of Western Sahara as Occupied Territory under International Humanitarian Law and the Exploitation of Natural Resources“, Sydney Law School Legal Studies Research Paper, Nr. 15/81 (September 2015), S. 29 bis 31. Vgl. in diesem Sinne auch das dem Schreiben des Ständigen Vertreters Zimbabwes bei der UNO vom 9. Oktober 2015 an den Präsidenten des UN-Sicherheitsrats beigefügte Gutachten „Avis juridique du bureau du conseiller juridique de l’Union africaine sur la légalité au regard du droit international, notamment des résolutions de l’ONU et des décisions de l’Organisation de l’unité africaine et de l’Union africaine, des décisions qu’auraient prises les autorités marocaines ou tout autre État, groupe d’États, entreprise étrangère ou autre entité concernant l’exploration ou exploitation de ressources naturelles renouvelables ou non ou toute autre activité économique au Sahara occidental“ (S/2015/786).

( 270 ) 1970 hatte Südafrika seine Verwaltung aus Namibia noch nicht zurückgezogen, obwohl die UN-Generalversammlung das ihm vom Völkerbund übertragene Mandat über dieses Gebiet beendet, die Verantwortung für die Verwaltung Namibias unmittelbar selbst übernommen und der UN-Sicherheitsrat Südafrika aufgefordert hatte, seine Verwaltung unverzüglich aus Namibia zurückzuziehen. Wie in seinem eigenen Hoheitsgebiet hatte Südafrika in Namibia das Apartheidsregime eingeführt. Aus diesen Gründen erklärte der Sicherheitsrat in seiner Resolution 276 (1970), dass „die fortdauernde Präsenz der südafrikanischen Behörden in Namibia rechtswidrig ist, so dass alle Maßnahmen, die die südafrikanische Regierung im Namen von oder betreffend Namibia getroffen hat, nach der Beendigung des Mandats rechtswidrig sind“ (Nr. 2). Er forderte auch „alle Staaten, vor allem solche, die wirtschaftliche oder andere Interessen in Namibia verfolgen, [auf], sich sämtlicher Beziehungen mit der südafrikanischen Regierung zu enthalten, die mit Nr. 2 dieser Resolution unvereinbar wären“ (Nr. 5). Der Sicherheitsrat ersuchte den Internationalen Gerichtshof sodann, zu den Konsequenzen Stellung zu nehmen, die sich für die Staaten aus der fortdauernden Präsenz Südafrikas in Namibia trotz seiner Resolution 276 (1970) ergaben.

( 271 ) Rechtliche Konsequenzen, die sich für die Staaten aus der fortdauernden Präsenz Südafrikas in Namibia (Südwestafrika) trotz der Resolution 276 (1970) des Sicherheitsrats ergeben, Gutachten (I.C.J. Reports 1971, S. 16).

( 272 ) Vgl. Urteil vom 5. Juli 1994, Anastasiou u. a. (C‑432/92, EU:C:1994:277, Rn. 35).

( 273 ) Vgl. Urteil vom 5. Juli 1994, Anastasiou u. a. (C‑432/92, EU:C:1994:277, Rn. 49).

( 274 ) Vgl. Rechtliche Konsequenzen, die sich für die Staaten aus der fortdauernden Präsenz Südafrikas in Namibia (Südwestafrika) trotz der Resolution 276 (1970) des Sicherheitsrats ergeben, Gutachten (I.C.J. Reports 1971, S. 16, Rn. 125).

( 275 ) Vgl. Rechtliche Konsequenzen, die sich für die Staaten aus der fortdauernden Präsenz Südafrikas in Namibia (Südwestafrika) trotz der Resolution 276 (1970) des Sicherheitsrats ergeben, Gutachten (I.C.J. Reports 1971, S. 16, Rn. 124).

( 276 ) Vgl. Rn. 59 seiner schriftlichen Erklärungen.

( 277 ) Vgl. Rn. 373 bis 376 dieses Urteils.

( 278 ) Vgl. Art. 16 des Fischereiabkommens und Art. 1 Abs. 1 des Protokolls von 2013.

( 279 ) Vgl. Art. 2 Abs. 1 des Protokolls von 2013.

( 280 ) Vgl. Rn. 373 und 374 dieses Urteils. Der Gerichtshof verwies auf das Risiko, dass die Personen, denen restriktive Maßnahmen auferlegt wurden, Vorkehrungen treffen könnten, um ein erneutes Einfrieren ihrer Gelder zu verhindern, sowie auf die Möglichkeit, dass sich die Anordnung restriktiver Maßnahmen gegenüber den Klägern trotz der in dem Urteil festgestellten Verfahrensfehler als gerechtfertigt erweisen könne.

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