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Document 52022DC0636

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT Schengen durch vollständige Einbeziehung Bulgariens, Kroatiens und Rumäniens in den Raum ohne Binnengrenzen-Kontrollen stärken

COM/2022/636 final

Brüssel, den 16.11.2022

COM(2022) 636 final

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

Schengen durch vollständige Einbeziehung Bulgariens, Kroatiens und Rumäniens in den Raum ohne Binnengrenzen-Kontrollen stärken














I.Einleitung

Der Schengen-Raum ohne Kontrollen an den Binnengrenzen (im Folgenden „Schengen-Raum“) gehört zu den symbolträchtigsten Errungenschaften der europäischen Integration und ist eine der greifbarsten Ausprägungen der europäischen Lebensweise. Er kurbelt die Wirtschaft an und vereint die Europäer über die Binnengrenzen hinweg.

Was 1985 als zwischenstaatliches Projekt zwischen fünf Mitgliedstaaten – Frankreich, Deutschland, Belgien, Niederlande und Luxemburg – begann, hat sich schrittweise in sieben Erweiterungsphasen zum heute größten Freizügigkeitsraum der Welt entwickelt. Die Vorteile der Abschaffung der Binnengrenzen sind heute ebenso offensichtlich wie 1985. Schengen ist für Millionen von Menschen Alltag: rund 3,5 Millionen von ihnen überqueren täglich eine Binnengrenze als Berufspendler, Schüler oder Student oder zu privaten Zwecken. Schengen hat unsere kollektive Sicherheit verbessert und die Behörden der Mitgliedstaaten in die Lage versetzt, eng zusammenzuarbeiten. Darüber hinaus soll der Schengen-Raum das Fundament der Europäischen Union und ihres Binnenmarkts insgesamt bilden. Im derzeitigen schwierigen geopolitischen und wirtschaftlichen Kontext ist ein voll funktionsfähiger und vollendeter Schengen-Raum von entscheidender Bedeutung für Stabilität, Krisenfestigkeit und wirtschaftliche Erholung.

Heute umfasst der Schengen-Raum 26 Länder und erstreckt sich über 4 Millionen Quadratkilometer mit fast 420 Millionen Einwohnern. 22 EU-Mitgliedstaaten beteiligen sich am Schengen-Raum. Von den übrigen Mitgliedstaaten sind alle bis auf einen verpflichtet, dem Schengen-Raum beizutreten, sobald sie die Voraussetzungen erfüllen, und sollten dementsprechend auch zugelassen werden. Vier der fünf verbleibenden Mitgliedstaaten, nämlich Bulgarien, Kroatien, Rumänien und Zypern, sind bereits teilweise an den Schengen-Besitzstand gebunden, doch wurden die Kontrollen an den Binnengrenzen zu diesen Mitgliedstaaten noch nicht aufgehoben. Irland beteiligt sich derzeit an einigen wichtigen Teilen der Schengen-Architektur, mit Ausnahme des Besitzstands in Bezug auf die Außengrenzen und die Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen. Ferner sind vier Nicht-EU-Mitgliedstaaten Mitglieder des Schengen-Raums. Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz haben jeweils Abkommen mit der Union über die Assoziierung bei der Anwendung des Schengen-Besitzstands unterzeichnet. Sobald Bulgarien, Rumänien und Kroatien den Schengen-Besitzstand vollständig anwenden, wird der Schengen-Raum auf 450 Millionen Einwohner und 4,5 Millionen Quadratkilometer anwachsen.

Der Schengen-Besitzstand ist integraler Bestandteil des EU-Rechts mit erheblichen Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten, die alle neuen Beitrittskandidaten in vollem Umfang akzeptieren müssen. 1 Insbesondere müssen sie vorbereitet sein und in der Lage sein, die Außengrenzen im Namen aller anderen Schengen-Staaten wirksam zu verwalten und einheitliche Schengen-Visa auszustellen. Sie müssen in der Lage sein, effizient mit Strafverfolgungsbehörden in anderen Staaten zusammenzuarbeiten, sich mit den einschlägigen Informationssystemen wie dem Schengener Informationssystem zu vernetzen und diese zu nutzen, um auch bei Wegfall der Kontrollen an den Binnengrenzen ein hohes Sicherheitsniveau aufrechtzuerhalten. Schließlich müssen sie den Grundrechts- und den Datenschutz bei diesen Tätigkeiten gewährleisten.

Diese Anforderungen zu erfüllen reicht jedoch nicht. Bevor der Schengen-Besitzstand vollständig gilt, müssen jene anderen Mitgliedstaaten, die den Schengen-Besitzstand bereits in vollem Umfang anwenden, einstimmig zustimmen. In dieser Hinsicht wurden erhebliche Fortschritte erzielt und in jüngster Zeit wichtige politische Schritte unternommen, um die vollständige Geltung des Schengen-Besitzstands in Bulgarien, Kroatien und Rumänien zu unterstützen. Dies wird vom Europäischen Parlament nachdrücklich befürwortet und ist eine der wichtigsten Prioritäten des tschechischen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union.

Für Zypern ist der Schengen-Evaluierungsprozess, in dem bewertet wird, ob ein Land reif für den Beitritt zum Schengen-Raum ist, im Gange. 2 Das Schengener Informationssystem wird in Zypern bald in Betrieb genommen, und für 2023 ist eine spezifische Schengen-Evaluierung angesetzt.

In dieser Mitteilung wird Bilanz gezogen, inwieweit Bulgarien, Kroatien und Rumänien alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen haben, um sicherzustellen, dass die notwendigen Voraussetzungen für die Anwendung aller einschlägigen Teile des Schengen-Besitzstands gemäß ihren jeweiligen Beitrittsakten von 2005 und 2011 erfüllt sind. Der Rat wird aufgefordert, unverzüglich die erforderlichen Beschlüsse zu fassen, damit diese drei Länder, die noch nicht vollständig dem Raum ohne Kontrollen an den Binnengrenzen angehören, beitreten können.

Es besteht kein Zweifel, dass die Union für eine solche historische Entscheidung bereit ist. Die gemeinsamen Anstrengungen der letzten Jahre haben Schengen gestärkt und widerstandsfähiger gemacht. Der kürzlich eingeführte Schengen-Steuerungszyklus bietet alle Instrumente, die erforderlich sind, um den Stand des Schengen-Raums regelmäßig zu bewerten. Mit ihm geht die Union von einem reinen Verwaltungsrahmen zu einer gemeinsamen politischen Steuerung und Verantwortung über. Der Schengen-Rat und das Schengen-Forum erleichtern einen transparenten und konstruktiven Dialog zwischen den EU-Organen und den Mitgliedstaaten. Dank des neuen und verstärkten Schengen-Evaluierungs- und Überwachungsmechanismus, dem Bulgarien, Kroatien und Rumänien unmittelbar nach Beschließen der vollständigen Geltung des Schengen-Besitzstands unterliegen würden, können etwaige Mängel und Abhilfemaßnahmen rechtzeitig festgestellt werden.

Diese achte Erweiterung des Schengen-Raums würde sowohl das gegenseitige Vertrauen und die Einheit zwischen den Mitgliedstaaten, auf denen Schengen beruht, bestätigen und stärken als auch dazu beitragen, dieses elementare Projekt kontinuierlich anzupassen und voranzubringen.

II.Gute Erfolgsbilanz Bulgariens, Kroatiens und Rumäniens

Seit 2011 hat die Kommission stets die Auffassung vertreten, dass Bulgarien und Rumänien bereit sind, dem Schengen-Raum ohne Kontrollen an den Binnengrenzen beizutreten. Im Falle Kroatiens war das seit 2019 der Fall. Die Kommission sich gegenüber dem Rat aktiv dafür eingesetzt, die Beschlüsse zu fassen, damit Bulgarien, Kroatien und Rumänien dem Raum ohne Binnenkontrollen beitreten können. 3 Auch das Europäische Parlament hat sich mehrfach dafür ausgesprochen. 4

Seit Jahren haben diese Mitgliedstaaten erheblich zum reibungslosen Funktionieren des Schengen-Raums beigetragen, auch während der Migrationskrisen, der pandemiebedingten Beschränkungen und in jüngster Zeit angesichts der beispiellosen Folgen des Krieges in der Ukraine. Da sie alle Schengen-Evaluierungen erfolgreich abschließen konnten, bestehen seitens Bulgariens, Kroatiens und Rumäniens berechtigte Erwartungen, den Beitritt zum Schengen-Raum ohne Kontrollen an den Binnengrenzen zu vollenden. Die jüngste freiwillige Informationsreise nach Bulgarien und Rumänien sowie der letzte erneute Besuch in Kroatien und die dabei eingeholten positiven Beobachtungen über die Überwachung der Wahrung der Grundrechte an den Außengrenzen bestätigen entschieden, dass diese Länder die strengen Schengen-Standards weiterhin wirksam einhalten und nachweislich über eine beispielhafte Erfolgsbilanz bei der Umsetzung verfügen. Obwohl diese Mitgliedstaaten den Großteil des Schengen-Besitzstands aktiv umsetzen 5 , profitieren sie nicht in vollem Umfang von den Vorteilen, die sich daraus ergeben, Teil des Schengen-Raums ohne Kontrollen an den Binnengrenzen zu sein.

Bulgarien, Kroatien und Rumänien befinden sich in einer strategischen geografischen Lage und spielen eine Schlüsselrolle bei der Sicherung unserer gemeinsamen Außengrenzen; sie tragen wirksam zu einem hohen Maß an Sicherheit und Wohlstand bei, wie die jüngsten Krisen gezeigt haben. Alle erforderlichen Instrumente, Strukturen und Verfahren sind vorhanden, um den Personen- und Warenverkehr über die Außengrenzen sowie mögliche Sicherheitsbedrohungen an diesen Grenzen effizient zu bewältigen und so zur Bekämpfung schwerer Kriminalität mit grenzüberschreitender Dimension beizutragen. Diese Länder haben intensiv an einer wirksamen Reaktion auf den Migrationsdruck und die damit verbundenen Herausforderungen beigetragen und eine enge Zusammenarbeit mit ihren nahen Nachbarn entwickelt. Darüber hinaus werden im Einklang mit der neuen Verordnung über den Schengen-Evaluierungsmechanismus 6 die Mitgliedstaaten, zu denen der Rat einen Beschluss über die vollständige Geltung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands erlassen hat, spätestens ein Jahr nach dem Tag der vollständigen Geltung des Schengen-Besitzstands in diesen Mitgliedstaaten evaluiert. 7 Dies würde nach der Annahme der entsprechenden Beschlüsse auch für Bulgarien, Kroatien und Rumänien gelten.

Bulgarien und Rumänien haben den Schengen-Evaluierungsprozess gemäß Artikel 4 Absatz 2 der Beitrittsakte von 2005 8 im Jahr 2011 erfolgreich abgeschlossen. Der Evaluierungsprozess begann 2009, und alle relevanten Teile des Besitzstands wurden im Einklang mit den geltenden Verfahren eingehend geprüft. Der Rat hat den Abschluss des Evaluierungsprozesses in zwei gesonderten Schlussfolgerungen des Rates vom 9. Juni 2011 9 anerkannt. Das Europäische Parlament hat am 8. Juni 2011 eine positive Stellungnahme zu dem Entwurf eines Beschlusses des Rates über die vollständige Anwendung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands in der Republik Bulgarien und Rumänien 10 abgegeben. Trotz des positiven Ergebnisses und des Abschlusses des Schengen-Evaluierungsprozesses wurde in nun mehr als elf Jahren kein Ratsbeschluss über die vollständige Anwendung des Schengen-Besitzstands in Bulgarien und Rumänien sowie die Aufhebung der Kontrollen an ihren Binnengrenzen gefasst.

Da die Evaluierungsprozesse für Bulgarien und Rumänien 2011 abgeschlossen wurden und die Verordnung über den Schengen-Evaluierungs- und -Überwachungsmechanismus keine erneute förmliche Evaluierung Bulgariens und Rumäniens ermöglicht, haben beide Länder im Hinblick auf die Stärkung des gegenseitigen Vertrauens und in Anbetracht der Tatsache, dass sich der der Schengen-Besitzstands zwischenzeitlich weiterentwickelt hat, am 2. März 2022 eine gemeinsame Erklärung abgegeben, in der sie auf freiwilliger Basis ein von der Kommission koordiniertes Team zu dem Zweck einladen, unter anderem die Umsetzung der jüngsten Entwicklungen des Schengen-Besitzstands seit der Evaluierung mit Schwerpunkt auf dem Außengrenzenmanagement und der polizeilichen Zusammenarbeit sicherzustellen.

Im Einvernehmen mit Bulgarien und Rumänien, die beide Flexibilität und Engagement zeigten, und auf Ersuchen der Mitgliedstaaten wurde der Umfang der Mission erheblich ausgeweitet, sodass er schließlich alle relevanten Elemente des Schengen-Besitzstands einschließlich der jüngsten Entwicklungen seit 2011 umfasste, wobei der Schwerpunkt auf den Außengrenzen und der polizeilichen Zusammenarbeit lag. Auch der Bereich Rückkehr/Rückführung, das Schengener Informationssystem und das Visa-Informationssystem sowie die Entwicklungen im Bereich der Visapolitik wurden untersucht. Geprüft wurden die Achtung der Grundrechte, einschließlich des Datenschutzes, und die Arbeitsweise der Behörden, die die einschlägigen Teile des Schengen-Besitzstands anwenden. Die Besuche fanden in Rumänien (9.–11. Oktober 2022) und Bulgarien (12.–14. Oktober 2022) statt. Die Mehrheit der Mitgliedstaaten beteiligte sich an der Mission, und das Team setzte sich aus 17 Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten zusammen. Neben den fünf Sachverständigen der Kommission nahmen Beobachter der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache („Frontex“), von Europol und der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte an der Informationsreise teil.

Die freiwillige Informationsreise bestätigte die Schlussfolgerungen des abgeschlossenen Evaluierungsprozesses von 2011 und zeigte, dass Bulgarien und Rumänien nicht nur den neuen Besitzstand und die neuen Instrumente fortlaufend umgesetzt haben, sondern dass sie auch insgesamt die Anwendung des Schengen-Besitzstands in all seinen Dimensionen erheblich verstärkt haben.

Bulgarien, das an die Türkei angrenzt, spielt eine entscheidende Rolle dabei, die EU-Außengrenzen zu schützen und ein hohes Maß an innerer Sicherheit aufrechtzuerhalten. Zu diesem Zweck hat Bulgarien ein solides Grenzmanagement eingeführt, das eine hochwertige Grenzüberwachung und systematische Grenzkontrollen gewährleistet. Wie aus dem Untersuchungsbericht hervorgeht, wird Bulgarien aufgefordert, das nationale Lagebild durch die vollständige Umsetzung des gemeinsamen integrierten Risikoanalysemodells weiter zu verbessern. Trotz bestehender externer Herausforderungen verfolgt Bulgarien ein kohärentes Konzept für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen ohne Aufenthaltsrecht und die Verhinderung unerlaubter Sekundärmigration. Der Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität wird Priorität eingeräumt, indem aktive Instrumente der internationalen polizeilichen Zusammenarbeit, unter anderem durch und mit Europol, zur Verfügung stehen und operative Abkommen zwischen Bulgarien und Nachbarländern geschlossen wurden, die eine grenzüberschreitende Überwachung und Nacheile ermöglichen. Das Schengener Informationssystem ist gut etabliert. Was die Arbeitsweise der Behörden betrifft, so wird die nationale Strategie Bulgariens zur Verhütung und Bekämpfung von Korruption auf allen Ebenen umgesetzt und durch Präventivmaßnahmen und strenge Disziplinarverfahren gestärkt. Bulgarien hat ferner nachgewiesen, dass es über die erforderlichen Strukturen verfügt, um die Achtung der Grundrechte zu gewährleisten, den Zugang zu internationalem Schutz sicherzustellen und den Grundsatz der Nichtzurückweisung zu achten sowie die Datenschutzanforderungen für die Anwendung des Schengener Informationssystems und die polizeiliche Zusammenarbeit zu erfüllen.

Rumänien, das an Serbien, die Ukraine und die Republik Moldau angrenzt, spielt eine sehr wichtige Rolle, wenn es darum geht, zum reibungslosen Funktionieren des Schengen-Raums beizutragen. So gibt es ein hochwertiges und starkes Grenzmanagement, einschließlich Grenzüberwachung und systematischer Grenzkontrollen, und die internationale polizeiliche Zusammenarbeit mit den Nachbarländern funktioniert gut, ebenso wie die sehr aktive Zusammenarbeit mit Frontex. Es wird ein ganzheitlicher Ansatz für die Migrationssteuerung mit Maßnahmen, die auch in Drittländern umgesetzt werden, sichergestellt. Rückführungen werden als vorrangige Maßnahme zur Bekämpfung der irregulären Migration und der unerlaubten Sekundärmigration umgesetzt, was einen kohärenten Ansatz für Rückkehr und Rückübernahme ergibt. Rumänien verfügt über einen nationalen Notfall- und Einsatzplan für Ausnahmesituationen, den Rumänien als Reaktion auf die Krise in der Ukraine erfolgreich aktiviert hat. Darüber hinaus beteiligt sich Rumänien wirksam und aktiv an der internationalen polizeilichen Zusammenarbeit, insbesondere mit Europol. Die Bekämpfung der illegalen Migration und des Menschenhandels sind zwei Prioritäten, bei denen Rumänien besonders aktiv ist. Das Schengener Informationssystem ist gut etabliert, und nun sind weitere Anstrengungen erforderlich, um für die notwendige Automatisierung des SIRENE-Arbeitsablaufs zu sorgen. Rumänien verfügt über eine nationale Antikorruptionsstrategie, und auf allen Ebenen der rumänischen Strafverfolgung wurden Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung eingeführt. Was die Achtung der Grundrechte anbelangt, so verfügt Rumänien über wirksame Strukturen, um den Zugang zu internationalem Schutz zu gewährleisten und für die Einhaltung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung zu sorgen, und weist auch die notwendigen Strukturen zur Einhaltung der Datenschutzanforderungen für die Anwendung des Schengener Informationssystems und die polizeiliche Zusammenarbeit auf.

Das Sachverständigenteam vor Ort hat den Bericht über die Mission 11 in der Sitzung der Gruppe „Schengen-Angelegenheiten“ des Rates vom 26. Oktober 2022 vorgelegt und ist zu dem Schluss gelangt, dass es keine Probleme im Zusammenhang mit der Anwendung der jüngsten Entwicklungen des Schengen-Besitzstands durch Bulgarien und Rumänien festgestellt hat und dass beide Mitgliedstaaten nach wie vor die Voraussetzungen für die vollständige Anwendung aller einschlägigen Teile des Schengen-Besitzstands erfüllen. Bulgarien und Rumänien sind bereit, den Visakodex vollständig umzusetzen und ab dem Zeitpunkt des Beitritts Schengen-Visa auszustellen. Die Kommission begrüßt die Entscheidung Bulgariens und Rumäniens, das erforderliche Personal von der Grenzpolizei an den Binnengrenzen an die Außengrenzen zu verlagern, sobald die Kontrollen an den Binnengrenzen aufgehoben sind, um einem möglichen Anstieg der irregulären Migration entgegenzuwirken.

Kroatien, das an Serbien, Bosnien und Herzegowina sowie Montenegro angrenzt, spielt eine ebenso wichtige Rolle beim Schutz der EU-Außengrenzen und beim reibungslosen Funktionieren des Schengen-Raums. Im Anschluss an die „Bereitschaftserklärung“ Kroatiens, den Schengen-Evaluierungsprozess im Hinblick auf einen Beschluss des Rates über die vollständige Anwendung des Schengen-Besitzstands einzuleiten, wurde der Evaluierungsprozess im Zeitraum 2016-2020 durchgeführt.

Am 22. Oktober 2019 nahm die Kommission eine Mitteilung an, in der sie zu dem Schluss kam, dass Kroatien die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um sicherzustellen, dass die Voraussetzungen für die Anwendung aller einschlägigen Teile des Schengen-Besitzstands erfüllt sind, und in der sie bestätigt, dass Kroatien weiterhin den mit dem Schengen-Besitzstand verbundenen Verpflichtungen nachkommt, die das Land bei den Beitrittsverhandlungen eingegangen ist 12 . Ferner wurde darauf hingewiesen, dass Kroatien weiterhin konsequent an der Umsetzung aller laufenden Maßnahmen, insbesondere im Bereich des Außengrenzenmanagements, arbeiten muss, um sicherzustellen, dass diese Bedingungen weiterhin erfüllt werden.

Um die Durchführung dieser Maßnahmen im Bereich des Außengrenzenmanagements zu überwachen und zu überprüfen, organisierte die Kommission vom 23. bis 27. November 2020 einen gezielten Kontrollbesuch in Kroatien. Der Besuch ergab, dass Kroatien die meisten Maßnahmen umgesetzt hat. Auf der Grundlage der Ergebnisse des Besuchs und des jüngsten Fortschrittsberichts Kroatiens über die Umsetzung des Aktionsplans für die Außengrenzen schloss die Kommission den Aktionsplan am 2. Februar 2021 ab.

Der Rat (Justiz und Inneres) hat auf seiner Tagung im Dezember 2021 die in ihrer Mitteilung vom 22. Oktober 2019 dargelegte Schlussfolgerung der Kommission bestätigt, dass Kroatien die erforderlichen Voraussetzungen für die Anwendung aller Teile des Schengen-Besitzstands 13 erfüllt. Ferner wurde Kroatien durch den Rat ersucht, weiterhin konsequent an der Umsetzung des Schengen-Besitzstands und der damit verbundenen Verpflichtungen zu arbeiten. Am 29. Juni 2022 hat der Rat das Europäische Parlament zu dem Entwurf eines Beschlusses über die vollständige Anwendung des Schengen-Besitzstands in der Republik Kroatien konsultiert. Am 10. November 2022 gab das Europäische Parlament eine positive Stellungnahme zu dem Entwurf eines Beschlusses des Rates ab. 

Kroatien hat erhebliche Anstrengungen unternommen, um sicherzustellen, dass die Kontrollen an den Außengrenzen mit den Grundrechtsverpflichtungen im Einklang stehen, und hat sich zu Nulltoleranz gegenüber Gewalt jeglicher Art verpflichtet. Die Kommission begrüßt, dass Kroatien im Juni 2021 als erster Mitgliedstaat einen unabhängigen Überwachungsmechanismus eingerichtet hat 14 wie im Migrations- und Asylpaket 15 vorgeschlagen. Dieser Mechanismus ist ein einzigartiges Forum, um die Praxis der Grenzschutzbeamten und der Polizei unabhängig zu beobachten, mutmaßlichen Grundrechtsverletzungen an der Grenze nachzugehen, das Bewusstsein für die geltenden Rechtsvorschriften und die Grundrechtsgarantien zu schärfen – auch durch Fortbildungen für Grenzschutz- und Polizeibeamte – und für Verbesserungen der internen Verfahren zu sorgen. Die relevanten kroatischen Interessenträger sind unmittelbar in den Mechanismus eingebunden, und er wird von einem unabhängigen Beirat beaufsichtigt, dem unter anderem zwei Ombudsleute (darunter ein Ombudsmann für Kinder), Vertreter der Europäischen Kommission und der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte sowie Vertreter zwischenstaatlicher Organisationen angehören.

Nach einjähriger Anwendung des Mechanismus hat das Koordinierungsgremium des unabhängigen Überwachungsmechanismus im Juli 2022 einen Abschlussbericht vorgelegt. Auf dieser Grundlage würdigte der Beirat am 27. Oktober 2022 die Aktivitäten des unabhängigen Überwachungsmechanismus, insbesondere die Einrichtung eines fruchtbaren fachlichen Dialogs mit den kroatischen Behörden im Nachgang zu den Schlussfolgerungen des Mechanismus sowie die Durchführung von 20 Beobachtungsmissionen vor Ort. Zudem nahm der Beirat Empfehlungen für mögliche weitere Verbesserungen an, die sich bezogen auf ein umfassenderes Mandat, das auch unangekündigte Beobachtungen (vor allem an der grünen Grenze) ermöglicht, auf den Zugang zu Informationen des Innenministeriums und auf die Notwendigkeit, eine kontinuierliche Umsetzung des unabhängigen Überwachungsmechanismus sicherzustellen.

Die Kommission begrüßt die Zusage der kroatischen Regierung, den unabhängigen Überwachungsmechanismus beizubehalten und seine Umsetzung fortzuführen, und nimmt positiv zur Kenntnis, dass die Empfehlungen des Beirats in der neuen Vereinbarung zur Verlängerung des unabhängigen Überwachungsmechanismus, die am 4. November 2022 unterzeichnet wurde, in vollem Umfang berücksichtigt werden. Insbesondere ist in der neuen Vereinbarung festgelegt, dass der Mechanismus mit einer stillschweigend verlängerbaren Laufzeit von 18 Monaten eingerichtet wird, wodurch sichergestellt ist, dass die angestrebten Ziele dauerhaft und nachhaltig erreicht werden, und die Vereinbarung sieht vor, dass jederzeit unangekündigte Beobachtungen an jedem Ort, auch an der grünen Grenze, durchgeführt werden können. Zudem kann der Mechanismus gemäß der neuen Vereinbarung die Einleitung amtlicher Untersuchungen durch die zuständigen staatlichen Stellen verlangen, wenn Unregelmäßigkeiten und mögliche Grundrechtsverletzungen festgestellt werden. Darüber hinaus sieht die Vereinbarung spezifische Mechanismen vor, um die Effizienz und die Transparenz zu verbessern, einschließlich Maßnahmen, um die Kommunikation mit der interessierten Öffentlichkeit zu erleichtern. Außerdem steht in der Vereinbarung die fortlaufende Überwachung der Achtung der Grundrechte stärker im Vordergrund; zu diesem Zweck wird klargestellt, dass der Mechanismus die Achtung der Grundrechte unter allen Umständen überwacht, wobei besonderes Augenmerk auf das Recht auf effektiven Zugang zum Asylverfahren und zum internationalen Schutz, auf die Achtung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung sowie auf das Verbot von Kollektivausweisungen und von Folter und anderen Formen der Misshandlung gerichtet wird.

III.Gute Erfolgsbilanz bei der Stärkung des Schengen-Raums

Die gute Erfolgsbilanz Bulgariens, Rumäniens und Kroatiens entspricht derjenigen, die schrittweise im gesamten Schengen-Raum erzielt wurde. Der Schengen-Raum entwickelt sich ständig weiter und passt sich an neue Herausforderungen und Prioritäten an. Unser Schengen-Raum ist heute robust und für diese neue Erweiterung bereit: Sie wird dazu beitragen, die Widerstandsfähigkeit des Schengen-Raums weiter zu erhöhen, insbesondere angesichts neuer geopolitischer Herausforderungen. Um den Raum ohne Kontrollen an den Binnengrenzen besser schützen zu können, wurden in den vergangenen 37 Jahren nach und nach ein umfassender Rechtsrahmen und gemeinsame operative Instrumente entwickelt.

Das kürzlich eingeführte Schengen-Governance-System sorgt für eine verstärkte Rechenschaftspflicht und schafft eine gemeinsame Verantwortung, die Umsetzung von Strukturreformen zu fördern. Der von der Kommission vorgeschlagene Schengen-Zyklus sieht Strukturen für ein koordiniertes Vorgehen bei gemeinsamen Herausforderungen und für einen verstärkten politischen Dialog vor.

Die Schengen-Architektur wird fortlaufend erneuert. Der Rechtsrahmen wurde kontinuierlich ausgebaut und bietet bereits heute eine solide Grundlage für das effiziente Management der Außengrenzen und gewährleistet zugleich, dass Kontrollen an den Binnengrenzen das letzte Mittel bleiben. Die anstehende Überarbeitung des Schengener Grenzkodex 16 wird die Vorschriften weiter stärken und eine intensivere Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten sowie eine umfassende Koordinierung auf Unionsebene gewährleisten. Darüber hinaus begrüßt die Kommission, dass die Mitgliedstaaten zunehmend die Notwendigkeit sehen und sich entschlossener zeigen, das Problem der dauerhaften Kontrollen an den Binnengrenzen nachhaltig anzugehen.

In den vergangenen Jahren hat die EU intensiv daran gearbeitet, eines der technologisch fortschrittlichsten Grenzmanagementsysteme der Welt einzurichten, das sich bereits jetzt in der Praxis als nützlich erweist. Wenn Anfang 2023 das verbesserte Schengener Informationssystem und im Mai 2023 das Einreise-/Ausreisesystem in Betrieb gehen werden, wird dies die Sicherheit beim Management der Außengrenzen und innerhalb des Schengen-Raums zusätzlich erhöhen. Die Einrichtung der gesamten neuen IT-Architektur einschließlich des Europäischen Reiseinformations- und ‑genehmigungssystems (ETIAS) soll bis Ende 2023 abgeschlossen sein; durch die so entstandene Interoperabilität werden die europäischen Systeme für Grenzen, Migration und Sicherheit miteinander verbunden. Nach der Einrichtung werden allen zuständigen nationalen Behörden die benötigten Informationen in vollständiger, zuverlässiger und genauer Form zur Verfügung stehen, und zwar unter uneingeschränkter Wahrung der Datenschutzanforderungen.

Der Visakodex, der 2010-2011 in Kraft trat, wurde 2020 überarbeitet; er sieht nun schnellere und klarere Verfahren für Reisende vor, und zugleich stehen mehr Instrumente zur Bewältigung der Herausforderungen im Zusammenhang mit irregulärer Migration zur Verfügung. Die neue Möglichkeit, den Visa-Hebelmechanismus zu nutzen, wenn die Zusammenarbeit bei der Rückübernahme mit einem Drittland unzureichend ist, hat bereits positive Ergebnisse 17 gezeigt. Das kürzlich reformierte Visa-Informationssystem mit seinen neuen Funktionen (z. B. Integration von Visa für einen längerfristigen Aufenthalt und von Aufenthaltstiteln) unterstützt die Behörden der Mitgliedstaaten wirksam und ermöglicht bessere Kontrollen bei Visumantragstellern, um die Personen zu ermitteln, von denen eine Sicherheitsgefahr ausgehen könnte oder die möglicherweise Einwanderungsvorschriften missbrauchen könnten. Darüber hinaus hat die Union weiter daran gearbeitet, den Schengen-Raum attraktiver zu machen, indem sie neue Drittländer in die Liste der Länder aufgenommen hat, deren Staatsangehörige visumfrei in die EU einreisen können, und indem sie Visaerleichterungsabkommen mit Drittländern geschlossen hat. Durch die anstehende Digitalisierung der Visumverfahren 18 wird das derzeit noch papiergestützte Visumantragsverfahren in ein digitales Verfahren umgewandelt, wodurch der Prozess schneller und sicherer wird. Durch die zentrale Online-Plattform erhält das Visumverfahren ein EU-Gesicht, und es wird eine einzige Anlaufstelle für Visumantragsteller weltweit geschaffen, was die EU als Reiseziel attraktiver macht.

Ein solides Management der Außengrenzen ist als Ausgleich für die Abschaffung der Binnengrenzkontrollen von zentraler Bedeutung und sorgt für gegenseitiges Vertrauen. Die Union und die Mitgliedstaaten arbeiten gezielt daran, in der Praxis ein reibungslos funktionierendes integriertes europäisches Grenzmanagement zu gewährleisten 19 , u. a. im Rahmen von Maßnahmen für eine wirksamere Rückkehr von Drittstaatsangehörigen ohne Aufenthaltsrecht 20 . Ferner hat die Union mit der Einrichtung der Europäischen Grenz- und Küstenwache und der praktischen Umsetzung ihres erweiterten Mandats 21 wegweisende Beschlüsse erlassen, um den Anforderungen von Schengen in vollem Umfang zu genügen. Auch die wirksame Umsetzung des Zollkodex der Union in enger Zusammenarbeit mit den europäischen Grenz- und Küstenwachebehörden trägt zur Sicherheit und zum Funktionieren des Schengen-Raums bei. Diese Zusammenarbeit gewährleistet, dass die Warenkontrolle umfassend in dieselben Sicherheitsprozesse eingebettet ist.

Ein stärkerer Schengen-Raum trägt auch dazu bei, die Herausforderungen im Bereich der inneren Sicherheit besser zu bewältigen. Die Abschaffung von Grenzkontrollen hat es den Mitgliedstaaten ermöglicht, Polizeiressourcen gezielter zur Bekämpfung von Kriminalität und nationalem Terrorismus einzusetzen. Ferner sind die Strafverfolgungsbehörden 22 der Mitgliedstaaten dank der zunehmenden Nutzung von EU-Tools und -Instrumenten in der Lage, Informationen effizienter auszutauschen und Ermittlungsmaßnahmen besser zu koordinieren. Auch bei den legislativen Arbeiten des Europäischen Parlaments und des Rates zur weiteren Verbesserung des Informationsaustauschs, die auf den Legislativvorschlägen der Kommission vom Dezember 2021 basieren, sind Fortschritte zu verzeichnen. Die Kommission fordert das Europäische Parlament und den Rat auf, rasch eine Einigung über den Vorschlag für eine Richtlinie über den Informationsaustausch zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten 23 zu erzielen. Darüber hinaus wird die Kommission bis Ende des Jahres einen Legislativvorschlag für eine Verordnung über die Erhebung und Übermittlung von API-Daten (vorab zu übermittelnde Passagierdaten) zur Bekämpfung von schwerer Kriminalität und Terrorismus, u. a. bei ausgewählten Flügen innerhalb der EU, vorlegen.

Da Maßnahmen auf nationaler Ebene allein nicht ausreichen, um grenzüberschreitende Sicherheitsprobleme zu bewältigen, greifen die Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung von schwerer Kriminalität und Terrorismus zunehmend auf die Unterstützung und das Fachwissen von Europol, der Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung, zurück. Dank seines kürzlich erweiterten Mandats kann Europol die Mitgliedstaaten noch gezielter bei ihren Ermittlungen zu grenzüberschreitender schwerer Kriminalität und Terrorismus unterstützen, beispielsweise durch die Verarbeitung von Big Data, die Zusammenarbeit mit privaten Parteien oder Maßnahmen in den Bereichen Innovation und künstliche Intelligenz zur Unterstützung der Strafverfolgung. 24 Darüber hinaus unterstützt Europol die Mitgliedstaaten mit seinem Europäischen Zentrum zur Terrorismusbekämpfung verstärkt bei der Terrorismusbekämpfung. Die Mitgliedstaaten beteiligen sich zudem aktiv an der Europäischen multidisziplinären Plattform gegen kriminelle Bedrohungen (EMPACT), die den allgemeinen Rahmen für die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der organisierten und schweren Kriminalität, von denen die EU betroffen ist, bildet 25 ; in diesem Zusammenhang erhalten sie eine verstärkte finanzielle Unterstützung durch die Union.

Im Rahmen der Umsetzung der Empfehlung des Rates vom 9. Juni 2022 über die operative Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung verstärken die Mitgliedstaaten ihre operative Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität und nutzen dazu Mittel wie die grenzüberschreitende Nacheile und Überwachung, gemeinsame Aktionen oder gemeinsame Patrouillen. 26 Die Kommission unterstützt die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der in der Empfehlung genannten Maßnahmen, u. a. mit Mitteln aus dem Fonds für die innere Sicherheit. Im Einklang mit der Empfehlung der Kommission zu verhältnismäßigen Polizeikontrollen und zur polizeilichen Zusammenarbeit im Schengen-Raum 27 arbeiten die Mitgliedstaaten auch im Wege gemeinsamer Polizeikontrollen in Grenzgebieten zusammen.

Schließlich erfordert ein starker und gut funktionierender Schengen-Raum nicht nur eine ordnungsgemäße Umsetzung des Schengen-Besitzstands, sondern auch eine enge Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten bei weiteren ergänzenden Maßnahmen, u. a. im Bereich Migration und Asyl. Es wurde und es wird viel getan, um migrationsbedingten Herausforderungen wirksam zu begegnen. Im Nachgang zu der im Juni vereinbarten Erklärung über einen freiwilligen Solidaritätsmechanismus unterstützt die Kommission die Mitgliedstaaten dabei, gemeinsame Lösungen für das Problem der unerlaubten Sekundärmigration zu finden. So haben die Mitgliedstaaten, die Kommission und die Asylagentur der Europäischen Union (EUAA) im Anschluss an die Erörterungen zur Dublin-III-Verordnung im Kontaktausschuss vom 24. Juni 2022 die Ausarbeitung eines Fahrplans vereinbart, um eine bessere und effektive Durchführung von Überstellungen im Rahmen dieser Verordnung in allen Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Die Zusammenarbeit auf der Grundlage der in diesem Fahrplan gemeinsam ermittelten Maßnahmen wird dazu beitragen, das Dublin-System deutlich zu verbessern und somit weiter Vertrauen aufzubauen.

Gleichzeitig bedarf es entscheidender Fortschritte bei der Annahme des Migrations- und Asylpakets, da dieses Lösungen enthält, die für ein wirksames Migrationsmanagement, eine engere Zusammenarbeit und eine Lastenteilung zwischen den Mitgliedstaaten von zentraler Bedeutung sind. Dies wird zu einem stärkeren gegenseitigen Vertrauen und letztendlich zu einem starken Schengen-Raum beitragen.

IV.Das Potenzial des Schengen-Raums umfassend ausschöpfen

Der Beitritt Bulgariens, Rumäniens und Kroatiens zum Schengen-Raum ist ein europäisches Versprechen und trägt auch der berechtigten Erwartung Rechnung, dass diese Länder Mitglieder werden, wenn sie alle vereinbarten Bedingungen nachweislich erfüllen. Die überwältigende Mehrheit der Europäerinnen und Europäer 28 unterstützt den Schengen-Raum, und weitere Verzögerungen, die verhindern, dass bulgarische, rumänische und kroatische Bürgerinnen und Bürger ihre Rechte wahrnehmen können, sollten vermieden werden. Das Europäische Parlament, der Vorsitz des Rates und die Europäische Kommission haben sich unermüdlich für den Beitritt dieser Länder zu einem Schengen-Raum ohne Kontrollen an den Binnengrenzen eingesetzt und diesen Prozess auf politischer und technischer Ebene umfassend und kontinuierlich unterstützt.

Bulgarien, Rumänien und Kroatien sind bereit für die vollständige Umsetzung des Schengen-Besitzstands und den Beitritt zum Schengen-Raum. Ihr Beitritt ist von zentraler Bedeutung für ein anhaltendes und stärkeres gegenseitiges Vertrauen in den Schengen-Raum. Er wird auch dazu beitragen, Hindernisse im Binnenmarkt zu beseitigen und insbesondere Verkehrsströme zu erleichtern, sowie die Wettbewerbsfähigkeit und das Wachstumspotenzial der EU zu fördern. Bulgarien, Rumänien und Kroatien werden mit ihren hoch qualifizierten und engagierten Fachkräften, ihrer modernen Infrastruktur und ihrem Know-how das gemeinsame Instrumentarium für das Management des Schengen-Raums ergänzen und so das Grenzmanagement und die Sicherheit in der EU insgesamt verbessern. Im Gegenzug werden die neuen Schengen-Mitglieder dann auch in der Lage sein, alle verfügbaren Instrumente, z. B. im Zusammenhang mit dem Visa-Informationssystem und der Interoperabilität von IT-Großsystemen, voll auszuschöpfen. Dies wird auch ein umfassenderes und gezielteres Migrationsmanagement mit Drittländern, insbesondere in der europäischen Nachbarschaft, an unseren Außengrenzen und zwischen den Mitgliedstaaten ermöglichen.

Ein erweiterter Schengen-Raum wird die EU als Union sowohl intern als auch weltweit stärken. Er wird die Union stärker machen – durch einen besseren Schutz unserer gemeinsamen Außengrenzen und eine wirksame polizeiliche Zusammenarbeit; er wird ihr mehr Wohlstand bringen – durch die Vermeidung von Zeitverlusten an den Grenzen und einfachere Kontakte zwischen den Menschen und Unternehmen; und er wird sie attraktiver machen – durch eine erhebliche Erweiterung des weltweit größten gemeinsamen Raums ohne Kontrollen an den Binnengrenzen.

Der Schengen-Rat hat nun die Gelegenheit, im Dezember einen historischen Beschluss zu fassen. Die Kommission fordert alle Mitgliedstaaten auf, den tschechischen Vorsitz im Einklang mit den Beitrittsakten Bulgariens und Rumäniens von 2005 und Kroatiens von 2011 im letzten Abschnitt auf dieser Zielgeraden uneingeschränkt zu unterstützen.

(1)

   Artikel 7 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokolls 19.

(2)

     Gemäß Artikel 3 Absätze 1 und 2 der Beitrittsakte von 2003 sind einige Bestimmungen des Schengen-Besitzstands in Zypern bereits seit dem Tag des Beitritts anwendbar. Am 28. Mai 2019 hat sich Zypern bereit erklärt und verpflichtet, alle Teile des Schengen-Besitzstands anzuwenden und sich Schengen-Evaluierungen zu unterziehen, soweit dies angesichts der besonderen Umstände Zyperns, die im Protokoll Nr. 10 zur Beitrittsakte 2003 anerkannt sind, möglich ist.

(3)

   Z. B. im Schengen-Statusbericht 2022.

(4)

   Siehe Entschließung 2018/2092(INI) des Europäischen Parlaments vom 11.12.2018 und die jüngste Entschließung 2022/2852 (RSP) vom 18.10.2022 und das Votum des Europäischen Parlaments vom 10.11.2022 für den Schengen-Beitritt Kroatiens.

(5)

   Gemäß Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Beitrittsakte von 2005 wenden Bulgarien und Rumänien die in den Rahmen der Europäischen Union einbezogenen Bestimmungen des Schengen-Besitzstands und die darauf aufbauenden oder anderweitig damit zusammenhängenden Rechtsakte, die nicht Teil des Protokolls Nr. 17 über den in den Rahmen der Europäischen Union einbezogenen Schengen-Besitzstand sind, und die darauf aufbauenden oder anderweitig damit zusammenhängenden Rechtsakte, die in Anhang II aufgeführt sind, noch nicht an. Seit Abschluss der Evaluierungen im Jahr 2011 haben sich Bulgarien und Rumänien jedoch aktiv an der Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands beteiligt.

(6)

   Verordnung (EU) 2022/922 des Rates vom 9. Juni 2022 über die Einführung und Anwendung eines Evaluierungs- und Überwachungsmechanismus für die Überprüfung der Anwendung des Schengen-Besitzstands und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1053/2013 (ABl. L 160 vom 15.6.2022, S. 1).

(7)

   Verordnung (EU) 2022/922 des Rates vom 9. Juni 2022 über die Einführung und Anwendung eines Evaluierungs- und Überwachungsmechanismus für die Überprüfung der Anwendung des Schengen-Besitzstands und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1053/2013, Artikel 23 Absatz 6.

(8)

   Auf der Grundlage von Artikel 4 Absatz 2 der Beitrittsakte von 2005 sowie der Bereitschaftserklärungen Bulgariens und Rumäniens in den Jahren 2007 und 2008 im Hinblick auf den Beginn des Schengen-Evaluierungsprozesses (Rumänien: Ratsdokument 10611/07 vom 8. Juni 2007; Bulgarien: Ratsdokument 6145/08 vom 25. Januar 2008).

(9)

   Schlussfolgerungen des Rates über den Abschluss der Bewertung des Stands der Vorbereitung Rumäniens in Bezug auf die Umsetzung aller Bestimmungen des Schengen-Besitzstands (Ratsdokument 9166/11 vom 9. Juni 2011) und Schlussfolgerungen des Rates über den Abschluss der Bewertung des Stands der Vorbereitung Bulgariens in Bezug auf die Umsetzung aller Bestimmungen des Schengen-Besitzstands (Ratsdokument 9167/11 vom 9. Juni 2011).

(10)

   Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Juni 2011 zum Entwurf eines Beschlusses des Rates über die vollständige Anwendung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands in der Republik Bulgarien und Rumänien (Dok. 14142/2010 – C7-0369/2010 – 2010/0820(NLE)).

(11)

    https://home-affairs.ec.europa.eu/bulgaria-and-romania-fact-finding-mission-report_en

(12)

   Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Überprüfung der vollständigen Anwendung des Schengen-Besitzstands durch Kroatien (COM(2019) 497 final vom 22. Oktober 2019).

(13)

   Schlussfolgerungen des Rates zur Erfüllung der erforderlichen Voraussetzungen für die vollständige Anwendung des Schengen-Besitzstands in Kroatien (Ratsdokument 14883/21 vom 9. Dezember 2021).

(14)

   Der Mechanismus trat am 8. Juni 2021 auf Grundlage einer Vereinbarung zwischen den kroatischen Behörden und den kroatischen Interessenträgern in Kraft.

(15)

   Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung des Screenings von Drittstaatsangehörigen an den Außengrenzen und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 767/2008, (EU) 2017/2226, (EU) 2018/1240 und (EU) 2019/817 (COM(2020) 612 final).

(16)

   Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) 2016/399 über einen Unionskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (COM(2021) 891 final vom 14. Dezember 2021).

(17)

   Im Juli 2021 schlug die Kommission vor, gegen drei Länder restriktive Maßnahmen im Visumbereich zu ergreifen: Bangladesch, Gambia und Irak. Entsprechend dem Vorschlag der Kommission beschloss der Rat im Oktober Visamaßnahmen gegen Gambia. Da sich die Zusammenarbeit mit Bangladesch in der Zwischenzeit verbesserte, beschloss der Rat im November, dem Vorschlag der Kommission in Bezug auf dieses Land nicht Folge zu leisten. Im Falle Iraks wurden infolge der bis Dezember fortgesetzten Gespräche keine Maßnahmen ergriffen, da dies angesichts der konstruktiven Zusammenarbeit mit dem Irak im Zusammenhang mit den Entwicklungen an der Grenze zwischen der EU und Belarus nicht als der geeignete Zeitpunkt angesehen wurde.

(18)

   Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 767/2008, (EG) Nr. 810/2009 und (EU) 2017/2226 des Europäischen Parlaments und des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1683/95, (EG) Nr. 333/2002, (EG) Nr. 693/2003 und (EG) Nr. 694/2003 des Rates und des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen in Hinblick auf die Digitalisierung des Visumverfahrens (COM(2022) 658 final vom 27. April 2022).

(19)

   Am 24. Mai 2022 legte die Kommission gemäß Artikel 8 Absatz 4 der Verordnung (EU) 2019/1896 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2019 über die Europäische Grenz- und Küstenwache ein Strategiepapier zur Ausarbeitung einer mehrjährigen strategischen Politik für ein integriertes europäisches Grenzmanagement vor. Basierend auf den Beiträgen des Rates und des Europäischen Parlaments wird die Kommission die Mitteilung über die mehrjährige strategische Politik annehmen, die die Richtschnur für die Umsetzung des integrierten europäischen Grenzmanagements im Rahmen des fünfjährigen Politikzyklus bilden wird.

(20)

   Der im vergangenen Juni ernannte Rückkehrkoordinator leitet ein hochrangiges Netz, dem Vertreter der Mitgliedstaaten und Frontex angehören. Ziel ist es, Hindernisse, die Rückkehrmaßnahmen im Wege stehen, zu beseitigen, die nationalen Kapazitäten zu stärken und die Kohärenz der EU-Maßnahmen zu verbessern.

(21)

   Beispielsweise unterstützt die Agentur die Mitgliedstaaten im Rahmen ihres neuen Mandats verstärkt in allen Phasen des Rückkehrprozesses (u. a. bei der freiwilligen Rückkehr und der Wiedereingliederung) und fungiert mittlerweile als operativer Arm der EU im Bereich der Rückkehr. Im Jahr 2021 hat die Agentur die Rückkehr von mehr als 17 000 Menschen unterstützt.

(22)

   Die zuständigen Behörden im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 AEUV.

(23)

   Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Informationsaustausch zwischen Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2006/960/JI des Rates (COM(2021) 782 final vom 8. Dezember 2021).

(24)

   Verordnung (EU) 2022/991 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2022 zur Änderung der Verordnung (EU) 2016/794 in Bezug auf die Zusammenarbeit von Europol mit privaten Parteien, die Verarbeitung personenbezogener Daten durch Europol zur Unterstützung strafrechtlicher Ermittlungen und die Rolle von Europol in Forschung und Innovation.

(25)

   Beispielsweise sind die Strafverfolgungsbehörden während der gemeinsamen EMPACT-Aktionstage (26. bis 29. Oktober) koordiniert gegen den unerlaubten Handel mit Feuerwaffen, den Drogenhandel, die Schleusung von Migranten und den Menschenhandel vorgegangen. Die operativen Maßnahmen, an denen sich 28 Länder in ganz Europa beteiligten, wurden auch von Eurojust, Frontex, Interpol, SELEC und anderen internationalen Organisationen unterstützt. Die gemeinsamen EMPACT-Aktionstage wurden auf der Grundlage eines erkenntnisgestützten Ansatzes geplant, an dem fast 16 000 Beamte mitwirkten. 382 Verdächtige wurden festgenommen, 2476 illegale Einreisen entdeckt und 130 neue Ermittlungen eingeleitet. https://www.europol.europa.eu/media-press/newsroom/news/382-arrests-during-joint-actions-against-traffickers-using-balkan-route?mtm_campaign=newsletter

(26)

   Empfehlung (EU) 2022/915 des Rates vom 9. Juni 2022 zur operativen Zusammenarbeit im Bereich der Strafverfolgung.

(27)

   Empfehlung (EU) 2017/820 der Kommission vom 12. Mai 2017 zu verhältnismäßigen Polizeikontrollen und zur polizeilichen Zusammenarbeit im Schengen-Raum.

(28)

   Eurobarometer Winter 2021/2022.

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