Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52021AE0120

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 des Rates hinsichtlich der vorübergehenden Entlastung von den Vorschriften für die Nutzung von Zeitnischen an Flughäfen der Gemeinschaft aufgrund der COVID-19-Pandemie“ (COM(2020) 818 final — 2020/0358 (COD))

    EESC 2021/00120

    ABl. C 123 vom 9.4.2021, p. 37–41 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    9.4.2021   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 123/37


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 des Rates hinsichtlich der vorübergehenden Entlastung von den Vorschriften für die Nutzung von Zeitnischen an Flughäfen der Gemeinschaft aufgrund der COVID-19-Pandemie“

    (COM(2020) 818 final — 2020/0358 (COD))

    (2021/C 123/07)

    Hauptberichterstatter:

    Thomas KROPP

    Befassung

    Europäisches Parlament, 18.1.2021

    Rat, 21.1.2021

    Rechtsgrundlage

    Artikel 100 Absatz 2 und Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

    Zuständige Fachgruppe

    Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft

    Verabschiedung auf der Plenartagung

    27.1.2021

    Plenartagung Nr.

    557

    Ergebnis der Abstimmung

    (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

    225/1/4

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1.

    Am 16. Dezember 2020 legte die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine neue Änderungsverordnung (1) zur vorübergehenden Entlastung von der „Use-it-or-lose-it“-Regel für die Zeit nach dem 27. März 2021 vor. Die Kommission schlägt im Wesentlichen vor, dass die „Use-it-or-lose-it“-Regel wieder gelten soll, dass jedoch die Schwelle für die Zeitnischennutzung für einen begrenzten Zeitraum von 80 % auf 40 % gesenkt wird. Die Kommission schlägt auch vor, dass ihr die Befugnis übertragen werden soll, die Zeitnischen-Entlastung nach bestimmten Kriterien im Zusammenhang mit der Dauer und dem Ausmaß der Krise zu verlängern.

    1.2.

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt die Initiative der Kommission zur Verlängerung der vorübergehenden Entlastung von den Vorschriften der EG-Zeitnischenverordnung und unterstützt den Vorschlag, der Kommission die Befugnis zur Anpassung der Schwelle bis zur Winterflugplanperiode 2024/2025 zu übertragen.

    1.3.

    Im Interesse eines wirklich flexiblen Verfahrens sollte der Vorschlag allerdings auch vorsehen, dass die Luftfahrtunternehmen die Möglichkeit der Rückgabe einer vollen Abfolge von Zeitnischen in Verbindung mit einer variablen Nutzungsschwelle haben.

    1.4.

    Die Verlängerung ist gerechtfertigt, da die weltweite Wirtschaftskrise Anfang 2021 schwerer ist, als vor zwölf Monaten, im ersten Quartal 2020, erwartet. Entgegen den Erwartungen ist die COVID-19-Pandemie noch immer nicht eingedämmt. Vielmehr hatte die zweite Welle mit ihrem exponentiellen Anstieg der Infektionen im zweiten Halbjahr 2020 bisher noch schwerwiegendere gesundheitliche, soziale, wirtschaftliche und finanzielle Folgen als die erste Welle in ganz Europa. Zu den am schwersten betroffenen Branchen gehören Verkehr, Handel und Tourismus. Zudem verbreitet sich derzeit eine hochinfektiöse Mutation des Virus in Europa. Das Vereinigte Königreich hat kürzlich einen dritten Lockdown verhängt, um die dritte Welle einzudämmen.

    1.5.

    Der EWSA fordert die Kommission und die gesetzgebenden Organe nachdrücklich auf, den Vorschlag der Kommission unter dem Blickwinkel der Empfehlungen des World Airline Slot Board (WASB) erneut zu prüfen, dem Luftfahrtunternehmen, Flughäfen und Zeitnischenkoordinatoren angehören und das am 20. November 2020 seine Empfehlungen für die Zeitnischen-Entlastung für die Sommerflugplanperiode 2021 (2) veröffentlicht hat (IATA, A4E, ACI-Europe und EUACA unterstützen die Empfehlung des WASB). Die Empfehlungen umfassen eine Kombination aus i) der vollständigen Aussetzung der „Use-it-or-lose-it“-Regel für vollständige Abfolgen von Zeitnischen, die vor dem Beginn der Saison an den Pool zurückgegeben werden, und ii) einer Schwelle in Höhe von 50 % für die Nutzung von Abfolgen von Zeitnischen, die die Luftfahrtunternehmen behalten. Sie umfassen auch konkrete Bedingungen und Bestimmungen, wann es vor dem Hintergrund der COVID-19-Situation gerechtfertigt ist, Zeitnischen nicht zu nutzen.

    1.6.

    Der EWSA hält es für geboten, für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen folgenden drei Aspekten zu sorgen: erstens Vermeidung von Maßnahmen, die die Möglichkeit des Luftverkehrssektors, sich von der Krise zu erholen, beeinträchtigen, zweitens Sicherstellung des langfristigen Ziels der Luftfahrtunternehmen, teure Zeitnischen auf Flughäfen zu behalten, und drittens Aufrechterhaltung eines angemessenen Maßes an Wettbewerb um knappe Zeitnischen.

    1.7.

    Schließlich bedauert der EWSA, dass sich die Kommission offenbar vor allem mit der Entlastung von den EU-Regeln für die Zuweisung von Zeitnischen befasst, ohne zu bedenken, dass diese Maßnahmen weltweit ihren Niederschlag finden werden. Es wäre deshalb besser, Änderungen vorzunehmen, die durchführbar sind und auf weltweiter Ebene vereinbart werden, wie etwa die WASB-Empfehlungen.

    2.   Allgemeine Bemerkungen

    2.1.

    In der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 des Rates (3), teilweise geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 793/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (4), sind die Verfahren und Regeln für die Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen in der EU festgelegt. Gemäß Artikel 10 dieser Verordnung müssen Luftfahrtunternehmen mindestens 80 % der ihnen zugewiesenen Zeitnischen innerhalb einer bestimmten Flugplanperiode nutzen, um in der entsprechenden Flugplanperiode des darauffolgenden Jahres ihr Anrecht auf dieselbe Abfolge von Zeitnischen zu wahren („Use-it-or-lose-it“-Regel).

    2.2.

    Am 30. März 2020 verabschiedete die Europäische Union eine Änderung der Zeitnischenverordnung (5), mit der für die gesamte Sommerflugplanperiode 2020, die am 24. Oktober 2020 endete, die „Use-it-or-lose-it“-Regel ausgesetzt wurde. Mit dieser Änderung wurde die Kommission auch ermächtigt, den Zeitraum, für den die Ausnahme gilt, bis zum 4. April 2021 zu verlängern. Am 14. Oktober 2020 nahm die Kommission einen delegierten Rechtsakt (6) an, mit dem der Zeitraum der Aussetzung der „Use-it-or-lose-it“-Regel bis zum Ende der Winterflugplanperiode 2020/2021, d. h. bis zum 27. März 2021, verlängert wurde.

    2.3.

    Der EWSA hat die vorgeschlagene Aussetzung der EU-Vorschriften für die Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen in seinem am 25. März 2020 verabschiedeten Positionspapier befürwortet. Er sprach sich darin für Planungssicherheit für die Luftfahrtunternehmen sowie die Möglichkeit aus, rasch und flexibel auf Marktentwicklungen zu reagieren, ohne dass die Zeitnischen verloren gehen, die für die Wiederherstellung funktionierender Flugnetze unabdingbar sind.

    2.4.

    Unter Hinweis auf die Tatsache, dass es an der Zeit ist, einen Weg für die Rückkehr zu einer normalen Anwendung der „Use-it-or-lose-it“-Regel festzulegen, schlägt die Kommission deshalb vor, dass die in der Zeitnischenverordnung festgelegten Anforderungen an die Zeitnischennutzung ab Beginn der Sommerflugplanperiode 2021 wieder angewandt werden sollen, allerdings mit einer Schwelle von 40 % statt 80 %. Darüber hinaus würde der Kommission bis einschließlich der Winterflugplanperiode 2024/2025 die Befugnis übertragen, die Zeitnischen-Entlastung zu verlängern und dazu die Zeitnischennutzungsrate auf der Grundlage bestimmter Indikatoren wie der tatsächlichen und prognostizierten Luftverkehrsdaten, Auslastungsfaktoren und Flottennutzung weiter anzupassen. Der Vorschlag sieht ferner bestimmte Bedingungen unter anderem betreffend Ausnahmen für erstmals zugewiesene und getauschte Zeitnischen sowie Fristen für die Rückgabe von Zeitnischen vor.

    2.5.

    Das WASB, dem Luftfahrtunternehmen, Flughäfen und Zeitnischenkoordinatoren angehören, teilte am 20. November 2020 mit, dass es sich auf Empfehlungen für eine Zeitnischen-Entlastung für die Sommerflugplanperiode 2021 (7) geeinigt habe. Der IATA, A4E (8), ACI-Europe und der EUACA unterstützen die Empfehlung des WASB. Im Gegensatz zum Vorschlag der Kommission umfassen die Empfehlungen eine Kombination aus i) der vollständigen Aussetzung der „Use-it-or-lose-it“-Regel für vollständige Abfolgen von Zeitnischen, die ausreichend lange vor dem Beginn der Saison an den Pool zurückgegeben werden, und ii) einer Schwelle in Höhe von 50 % für die Nutzung der Abfolgen von Zeitnischen, die die Luftfahrtunternehmen behalten. Sie umfassen auch konkrete Bedingungen und Bestimmungen, wann es vor dem Hintergrund der COVID-19-Situation gerechtfertigt ist, Zeitnischen nicht zu nutzen.

    2.6.

    Der EWSA unterstützt eine anhaltende Entlastung von der „Use-it-or-lose-it“-Zeitnischen-Regel der EU für die Sommerflugplanperiode 2021. Er ist jedoch der Auffassung, dass der Vorschlag der Kommission neben der Senkung der Schwelle auch vorsehen sollte, dass vollständige Abfolgen von Zeitnischen zurückgegeben werden können. Der Konnektivität ist mittel- bis langfristig in der Tat mehr gedient, wenn die finanzielle Erholung der Luftfahrtunternehmen unterstützt wird und diese in der Lage sind, ihre Netze wieder zu betreiben, sobald der Verkehr wieder anzieht. Darüber hinaus ist die Aussetzung der Regelung für die Zeitnischennutzung in Drittstaaten oft nur bei Gegenseitigkeit möglich, weshalb ein weltweit kompatibler Ansatz erforderlich ist.

    2.7.

    Der EWSA unterstützt den Tenor der am 20. November 2020 veröffentlichten Empfehlungen des WASB, nach denen Luftfahrtunternehmen die Möglichkeit haben sollen, während der Krise vollständige Abfolgen von Zeitnischen zurückzugeben. Die Kommission befasst sich offenbar vor allem mit der Entlastung von den EU-Regeln für die Zuweisung von Zeitnischen, ohne zu bedenken, dass diese Maßnahmen weltweit ihren Niederschlag finden werden. Es wäre deshalb besser, Änderungen vorzunehmen, die durchführbar sind und auf weltweiter Ebene vereinbart werden. Der EWSA fordert die Kommission und die gesetzgebenden Organe nachdrücklich auf, den Vorschlag der Kommission unter dem Blickwinkel der Empfehlungen des WASB erneut zu prüfen.

    3.   Besondere Bemerkungen

    3.1.

    Infolge der COVID-19-Pandemie sind dem europäischen Flugverkehr bis 31. Dezember 2020 im Vergleich zum Vorjahr 6,1 Millionen Flüge bzw. 1,7 Milliarden Reisen entgangen (9).

    3.2.

    Um die Ausbreitung des Virus einzudämmen, haben die Regierungen strenge Beschränkungen für den internationalen Luftverkehr und die Mobilität ihrer Bürger verhängt. Die Luftfahrtunternehmen mussten ihre Kapazitäten erheblich zurückschrauben und ihre Flugzeuge am Boden behalten. In einigen Mitgliedstaaten mussten ganze Fluglinien ihren Flugbetrieb vorübergehend einstellen.

    3.3.

    An dieser Situation hat sich 2021 nichts geändert, was eine schwere Belastung für die finanzielle Überlebensfähigkeit aller Interessenträger der Luftfahrt bedeutet, insbesondere der Sozialpartner, die sich berechtigterweise Sorgen über die Zukunft ihrer Arbeitsplätze machen. Zwar wurden Impfstoffe entwickelt, die seit dem 27. Dezember in der EU verimpft werden, doch wird erst Ende 2021 bzw. sogar erst 2022 eine Impfrate erreicht sein, die die Aufhebung der allgemeinen Einschränkungen und der Maßnahmen zur Eindämmung der Infektionen zulässt (10). Nichts deutet darauf hin, dass die Nachfrage im Sommer 2021 auch nur annähernd wieder auf das Niveau der letzten Jahre ansteigen wird. Die gegenwärtig herrschende Unsicherheit wird bleiben und könnte angesichts des Auftretens neuer, noch infektiöserer oder noch tödlicherer Varianten des Virus sogar noch zunehmen. Nach Prognosen der Branche könnte die Phase der Erholung mindestens bis 2024 oder 2025 dauern (11).

    3.4.

    Zeitnischen sind wichtig für die Durchführung von Flügen zu oder von überlasteten Flughäfen und für Luftfahrtunternehmen, die Zugang zu knappen Flughafenkapazitäten erhalten wollen, um ihr Netz und die Konnektivität für ihre Kunden aufrecht zu erhalten. Die Luftfahrtunternehmen haben viele Jahre gebraucht, um ihre Netze aufzubauen und die erforderlichen Zeitnischen für den innereuropäischen, interkontinentalen und Zubringerverkehr zu erwerben. Um ihre Zeitnischen aufgrund des Fehlens einer Bestimmung zur Aussetzung der „Use-it-or-lose-it“-Regelung beizubehalten, müssten die Luftfahrtunternehmen weiterhin Flüge mit äußerst geringer Auslastung durchführen, wodurch sich ihr finanzieller Verlust weiter verschärfen und eine unnötige Umweltbelastung entstehen würde.

    3.5.

    Alle 2020 ergriffenen Maßnahmen sollten dazu dienen, einen Beitrag zur wirksamen Eindämmung der weiteren Ausbreitung des Virus innerhalb eines kurzen bzw. zumindest überschaubaren Zeitraums zu leisten. Diese Erwartungen haben sich bisher nicht erfüllt. Wie lange die Erholung von dieser beispiellosen Krise dauern wird, lässt sich nach wie vor nicht verlässlich vorhersagen.

    3.6.

    Die Nachfrage nach Luftverkehrsdiensten ist seit der ersten Aussetzung infolge von COVID-19 vom März 2020 durch die EU nicht nachhaltig gestiegen. Nach einem leichten Anstieg während der Sommermonate (auf - 51 % im Vergleich zum Vorjahr) ging der Verkehr nach dem Sommer 2020 wieder zurück, als die zweite Welle der Pandemie begann und die Mitgliedstaaten neue Lockdown-Maßnahmen ergriffen. Am 14. September 2020 korrigierte Eurocontrol seine Prognose erheblich nach unten. Allerdings stellt sich heraus, dass selbst das korrigierte Verkehrsszenario noch zu optimistisch ist. Nachdem Eurocontrol einen Einbruch für November bzw. Dezember von jeweils 58 % und 54 % vorhergesagt hatte, lag der Flugverkehr in diesen beiden Monaten letztlich 62 % bzw. 60 % unter den Vorjahreswerten. Für Januar und Februar 2021 geht Eurocontrol von einem Rückgang von 60 % bzw. 50 % aus (12).

    3.7.

    Aufgrund der anhaltenden und erneuten Verbreitung des Virus und der erheblichen Eindämmungsmaßnahmen, die die Regierungen ergriffen haben, ist die Nachfrage nach Luftverkehrsdiensten nach wie vor äußerst gering, was eine erhebliche, wenn nicht gar existenzbedrohende finanzielle Belastung für die Luftverkehrsbranche bedeutet. Nach Auffassung des EWSA ist eine Entlastung von der „Use-it-or-lose-it“-Regel deshalb gerechtfertigt und erforderlich.

    3.8.

    Der EWSA begrüßt, dass die Interessenträger (Luftfahrtunternehmen, Flughäfen und Zeitnischenkoordinatoren) gemeinsam im WASB eine Kompromisslösung erarbeitet haben. Der EWSA ist sich darüber im Klaren, dass die allgemeine Regelung für Zeitnischen ein strittiges Thema für sie ist. Nach Auffassung des EWSA dient die Empfehlung des WASB auf angemessene Weise der Verwirklichung der allgemeinen und konkreten Ziele der Kommission, die in der Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen (13) zu diesem Vorschlag dargelegt werden.

    3.9.

    Der EWSA unterstützt das allgemeine Ziel der Kommission, bestimmte Mängel und Herausforderungen im Zusammenhang mit einer Aussetzung für eine ganze Saison anzugehen, die Konnektivität zu fördern, den Wettbewerb anzukurbeln und das Auslaufen der Zeitnischenentlastung zu erleichtern. Der EWSA unterstützt auch die konkreten Ziele der Kommission, insbesondere die Minimierung der schädlichen Umweltauswirkungen infolge der Durchführung von Flügen mit sehr geringer Auslastung.

    3.10.

    In dem Vorschlag zur Einfügung eines neuen Absatzes 2a in Artikel 10a schlägt die Kommission lediglich vor, dass Luftfahrtunternehmen, denen für die Zeit vom 28. März 2021 bis zum 30. Oktober 2021 eine Zeitnischenabfolge zugewiesen worden war und die 40 % der Zeitnischen dieser Abfolge genutzt haben, in der entsprechenden darauffolgenden Flugplanperiode Anspruch auf dieselbe Abfolge von Zeitnischen haben. Das bedeutet, dass Luftfahrtunternehmen auch unrentable Flüge mit einer extrem geringen Auslastung bis mindestens 40 % durchführen müssen, anstatt diese Zeitnischen zurückgeben zu können, ohne dass sie Gefahr laufen, sie zu verlieren. Anreize für die Durchführung praktisch leerer Flüge zu setzen, steht jedoch nicht im Einklang mit dem erklärten Ziel der Kommission, die schädlichen Umweltauswirkungen zu minimieren. Dem ließe sich abhelfen, wenn die Luftfahrtunternehmen die Möglichkeit hätten, vollständige Zeitnischenabfolgen zurückzugeben, bei denen sie wissen, dass die Nachfrage gering sein wird (z. B. an Tagen mit geringem Verkehrsaufkommen oder außerhalb der Spitzenzeiten).

    3.11.

    Der Vorschlag der Kommission entspricht auch nicht ihrem erklärten Ziel, einen effizienten Flugbetrieb und eine effiziente Nutzung der Flughafenkapazitäten sicherzustellen. Wenn es nicht gestattet ist, vollständige Abfolgen von Zeitnischen zurückzugeben, haben die Luftfahrtunternehmen keinen Anreiz, Zeitnischen zu einem frühen Zeitpunkt zurückzugeben, was eine bessere Neuzuweisung von Zeitnischen und eine bessere Planung für Flughäfen, Luftfahrtunternehmen und Verbraucher ermöglichen würde. Die Möglichkeit, vollständige Abfolgen von Zeitnischen zurückzugeben, erlaubt den Flughäfen eine bessere Anpassung ihres eigenen Betriebs. Vor allem aber werden dadurch je nach Entwicklung der Nachfrage Zeitnischen für eine Neuzuweisung und Ad-hoc-Nutzung frei, etwa für Frachtflüge. Die vorgeschlagene Einfügung des Absatzes 7 in Artikel 10a der Verordnung, wonach Zeitnischen innerhalb einer Frist von drei Wochen zurückgegeben werden müssen, kann dies nicht bewirken (14). Statt dessen besteht die Gefahr, dass eine geringere Schwelle allein zu erheblich fragmentierten Flugplänen führt, was für die wenigen verbliebenen Fluggäste nachteilig ist.

    3.12.

    Der EWSA unterstützt die allgemeinen Ziele der Kommission, das heißt die Förderung der Konnektivität, die Ankurbelung des Wettbewerbs und ein reibungsloses Auslaufen der Zeitnischenentlastung, ist jedoch der Auffassung, dass eine längerfristige Perspektive angestrebt werden muss. Mittel- bis langfristig werden Konnektivität und Wettbewerb (insbesondere mit Luftfahrtunternehmen aus Drittstaaten) am besten unterstützt, wenn sichergestellt ist, dass an sich rentable Unternehmen die aktuelle Krise überleben, ohne Vermögenswerte einzubüßen, die sie benötigen, sobald der Verkehr wieder anzieht. Zugleich darf nicht in übertriebenem Maße reguliert werden, damit die Unternehmen nicht zu bequem werden und der Wettbewerb geschützt wird. Angesichts der ungewissen Entwicklung der Nachfrage in der Sommerflugplanperiode und der Annahme der Kommission, dass sich der Verkehr gegenüber 2019 halbieren wird (15), hält es der EWSA für verfrüht, die Bestimmungen für die Nutzung von Zeitnischen gemäß der Zeitnischenverordnung erneut anzuwenden, und sei es auch mit einer Schwelle von 40 %. Zugleich würde die Beibehaltung der vollständigen Aussetzung die Probleme nicht lösen und nicht zur Erreichung der zu Recht von der Kommission festgelegten Ziele beitragen. Nach Auffassung des EWSA ist die Empfehlung des WASB, die die entlastende Wirkung einer vollständigen Aussetzung mit der Kontrollwirkung einer Schwelle kombiniert, eine solide Grundlage, auf der eine Rückkehr zur normalen Anwendung der Regeln für die Nutzung der Zeitnischen erfolgen kann.

    3.13.

    Durch den in Artikel 10a Absatz 4 vorgeschlagenen delegierten Rechtsakt sollte der Kommission die Befugnis übertragen werden, nicht nur die in Artikel 10 Absatz 2a genannten Nutzungsraten zu ändern, sondern auch die Möglichkeit der Rückgabe einer vollständigen Zeitnischenabfolge zu Beginn der jeweiligen Flugplanperiode auszuweiten. Der Vorschlag der Kommission gestattet zwar eine vollständige Aussetzung der Nutzung von Zeitnischen (also 0 %), ermöglicht aber nicht die Kombination beider Elemente. Dabei wäre nur so ein wirklich flexibles Verfahren zu Bewältigung der Situation gegeben.

    3.14.

    Die Koordinierung von Zeitnischen ist eine globale Herausforderung. Eine EU-Verordnung über Zeitnischen muss deshalb mit den Regelungen der Drittstaaten vereinbar sein, was oftmals Gegenseitigkeit voraussetzt. Mit einer vollständigen Aussetzung wäre das kein Problem, da dies die weitestgehende Möglichkeit der Erleichterung der Bedingungen für die Nutzung von Zeitnischen ist. Die Empfehlung des WASB wird mit ähnlich hoher Wahrscheinlichkeit auf weltweite Zustimmung stoßen (16).

    3.15.

    Der EWSA ist der Auffassung, dass im Interesse der Resilienz und der intelligenten Regulierung die Einführung von Bestimmung erwogen werden sollte, die eine Entlastung in Bezug auf die Anwendung der Bestimmungen zur Zeitnischennutzung der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 ermöglichen, und zwar nicht nur im Zusammenhang mit COVID-19, sondern auch bei künftigen Vorkommnissen, die erhebliche Auswirkungen auf die Luftfahrtbranche haben. Änderungen der Vorschriften für die Zeitnischennutzung der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 sind angesichts der aktuellen Situation nicht zum ersten Mal erforderlich. Dies war auch der Fall

    im Jahr 2002 infolge der Terroranschläge vom 11. September (Verordnung (EG) Nr. 894/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates (17)),

    im Jahr 2003 infolge des SARS-Ausbruchs (Verordnung (EG) Nr. 1554/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates (18)),

    im Jahr 2009 infolge der weltweiten Finanzkrise (Verordnung (EG) Nr. 545/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates (19)).

    Entsprechende Bestimmungen sollten eine rasche Reaktion gestatten, ohne dass zusätzliche Vorschriften erforderlich sind, und ein flexibles Handeln ermöglichen, angefangen bei einer vollständigen Aussetzung und angepassten Schwellen bis hin zu einer Kombination aus einer frühzeitigen Rückgabe von Zeitnischen und Schwellen, wie das WASB für die Sommersaison 2021 vorgeschlagen hat.

    3.16.

    Der EWSA bekräftigt seine Bereitschaft, sich an der weiteren Debatte über die Frage zu beteiligen, wie die Überlebens- und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Luftfahrtbranche wiederhergestellt werden kann. Dafür sind ein umfassendes Konzept und Diskussionen mit allen Interessenträgern notwendig, insbesondere den Sozialpartnern, die von der COVID-19-Krise besonders betroffen sind. Ein derartiges umfassendes Konzept sollte auch eine Überarbeitung aller geltenden Vorschriften und Maßnahmen beinhalten, die der Luftfahrtbranche ungebührliche Lasten auferlegen.

    Brüssel, den 27. Januar 2021

    Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Christa SCHWENG


    (1)  COM(2020) 818 final.

    (2)  Empfehlung des WASB: Airport slot alleviation measures for Northern Summer 2021, https://www.iata.org/contentassets/4820c05b19f148e2855db91f2a579369/wasb-northern-summer-21-recommendation-for-slot-use-relief.pdf.

    (3)  Verordnung (EWG) Nr. 95/93 des Rates vom 18. Januar 1993 über gemeinsame Regeln für die Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen in der Gemeinschaft (ABl. L 14 vom 22.1.1993, S. 1).

    (4)  Verordnung (EG) Nr. 793/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 des Rates über gemeinsame Regeln für die Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen in der Gemeinschaft (ABl. L 138 vom 30.4.2004, S. 50).

    (5)  Verordnung (EU) 2020/459 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. März 2020 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 des Rates über gemeinsame Regeln für die Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen in der Gemeinschaft (ABl. L 99 vom 31.3.2020, S. 1).

    (6)  Delegierte Verordnung (EU) 2020/1477 der Kommission vom 14. Oktober 2020 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 des Rates im Hinblick auf die vorübergehende Verlängerung außergewöhnlicher Maßnahmen zur Bewältigung der Folgen der COVID-19-Pandemie (ABl. L 338 vom 15.10.2020, S. 4).

    (7)  Empfehlung des WASB: Airport slot alleviation measures for Northern Summer 2021, https://www.iata.org/contentassets/4820c05b19f148e2855db91f2a579369/wasb-northern-summer-21-recommendation-for-slot-use-relief.pdf.

    (8)  A4E-Mitglied Ryanair teilt diese Auffassung nicht und wird seinen Standpunkt getrennt mitteilen.

    (9)  Ebenda.

    (10)  Fragen und Antworten: Die Covid-19-Impfung in der EU, https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/qanda_20_2467.

    (11)  Aviation Round Table Report on the Recovery of European Aviation, November 2019, https://www.aci-europe.org/downloads/resources/Aviation%20Round%20Table%20DECLARATION%20FINAL%2016.11.2020.pdf.

    (12)  Eurocontrol, Think Paper #8: What COVID-19 did to European Aviation in 2020, und Outlook 2021, 1. Januar 2021. https://www.eurocontrol.int/publication/what-covid19-did-european-aviation-2020-outlook-2021.

    (13)  SWD(2020) 341 final.

    (14)  Diese Bestimmung ist zudem wirkungslos, da bei Nichteinhaltung keine Konsequenzen zu erwarten sind. Die Zuweisung der Zeitnischen in der kommenden Saison hängt davon ab, ob die Luftfahrtunternehmen die Schwellen erreichen, unabhängig davon, ob sie innerhalb der dreiwöchigen Frist Zeitnischen zurückgeben oder nicht.

    (15)  Siehe Fußnote 7, Erwägungsgrund 11.

    (16)  Zum Zeitpunkt der Erarbeitung des Berichts haben bereits Neuseeland, Malaysia und Kanada (Vancouver) den WASB-Vorschlag für die Sommersaison 2021 angenommen. Brasilien hat die derzeit geltende Befreiung von der Zeitnischenregel vom Winter 2020/2021 verlängert. Die US-Luftfahrtbehörde FAA hat eine Konsultation (nur) zu diesen beiden Optionen gestartet: Verlängerung der geltenden (vollständigen) Aussetzung und WASB-Vorschlag.

    (17)  ABl. L 142 vom 31.5.2002, S. 3.

    (18)  ABl. L 221 vom 4.9.2003, S. 1

    (19)  ABl. L 167 vom 29.6.2009, S. 24.


    Top