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Document 52021AE0022

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Binnenmarkt für digitale Dienste (Gesetz über digitale Dienste) und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG“ (COM(2020) 825 final — 2020/0361(COD))

    EESC 2021/00022

    ABl. C 286 vom 16.7.2021, p. 70–75 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    16.7.2021   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 286/70


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Binnenmarkt für digitale Dienste (Gesetz über digitale Dienste) und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG“

    (COM(2020) 825 final — 2020/0361(COD))

    (2021/C 286/13)

    Berichterstatter:

    Gonçalo LOBO XAVIER

    Befassung

    Rat der Europäischen Union, 11.2.2021

    Europäisches Parlament, 8.2.2021

    Rechtsgrundlage

    Artikel 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

    Zuständige Fachgruppe

    Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

    Annahme in der Fachgruppe

    31.3.2021

    Verabschiedung auf der Plenartagung

    27.4.2021

    Plenartagung Nr.

    560

    Ergebnis der Abstimmung

    (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

    235/3/5

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1.

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt den Vorschlag für einen Binnenmarkt für digitale Dienste (Gesetz über digitale Dienste) in einer Zeit, in der neue und innovative (digitale) Dienste der Informationsgesellschaft entstanden sind, die das tägliche Leben der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger und die Art und Weise, wie sie miteinander kommunizieren, in Verbindung treten, konsumieren und Geschäfte tätigen, prägen und verändern. Diese Dienste haben den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel in der EU und weltweit maßgeblich geprägt, und durch die COVID-19-Krise hat sich gezeigt, wie wichtig sie für den Aufbau einer besseren Gesellschaft sind.

    1.2.

    Der EWSA unterstützt die Anstrengungen der Kommission, eine Fragmentierung des Binnenmarkts durch zu viele nationale Vorschriften und Regelungen zu verhindern. Dadurch würde das System geschwächt, und möglicherweise könnten nicht alle europäischen Unternehmen von einem starken Binnenmarkt profitieren. Daher fordert der EWSA eine klare Aussage zum allumfassenden Charakter des Gesetzes über digitale Dienste. Nach Ansicht des EWSA bietet sich in diesem Rahmen die Gelegenheit, globale Standards für die digitalen Märkte festzulegen, die Europa in dieses neue Zeitalter führen und für die Verbraucher ein hohes Maß an Sicherheit und Schutz im Internet gewährleisten können.

    1.3.

    Der EWSA ist sich darüber im Klaren, dass die Debatte über das Gesetz über digitale Dienste einige Zeit dauern wird und dass langfristig Kompromisse nötig sein werden. Gleichwohl fordert der EWSA die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, einen geeigneten Zeitplan für die Debatte und eine inklusive öffentliche Konsultation sowie für die Umsetzung der Verordnung und der Strategie aufzustellen. Die Sozialpartner und Organisationen der Zivilgesellschaft müssen in diesem Prozess unbedingt eine Rolle spielen, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Akteure zu erreichen, unabhängig davon, ob sie in der Europäischen Union niedergelassen sind.

    1.4.

    Ferner ist der EWSA der Auffassung, dass aufgrund der Bedeutung digitaler Technologien neue Vorschriften und Regelungen zur Bewältigung der mit diesen Technologien verbundenen Probleme und Herausforderungen zu einer Priorität geworden sind. Eine neue Wirtschaft braucht neue Konzepte.

    1.5.

    Der EWSA begrüßt die verstärkte Transparenz in Bezug auf Empfehlungssysteme und Werbung. Empfehlungssysteme sollten jedoch nicht dämonisiert werden. Vielmehr sollte sichergestellt sein, dass die Verbraucher nur die von ihnen gewünschte Werbung erhalten. Daher sollte bei Regelungen der Schwerpunkt auf die individuelle Autonomie gelegt werden. In diesem Zusammenhang ist der EWSA der Ansicht, dass mit den Artikeln 29 und 30 der Verordnung daher für ein angemessenes Gleichgewicht gesorgt werden sollte.

    1.6.

    Der EWSA stellt fest, dass das Herkunftslandprinzip zahlreiche Mängel aufweist und fordert, vor allem in Steuer-, Arbeits- und Verbraucherfragen sorgfältig alternative Methoden wie das Bestimmungslandprinzip zu erwägen, sofern es keine strengeren Vorschriften auf EU-Ebene gibt, um einen fairen Wettbewerb und ein höchstmögliches Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten. Es sollte sichergestellt, dass für Plattformbeschäftigte die gleichen arbeitsrechtlichen Bestimmungen gelten wie in dem Land, in dem die Dienstleistung erbracht wird, da schlechte Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer einen fairen Wettbewerb erheblich erschweren. Das übergeordnete Ziel ist die Durchsetzung und Stärkung des Binnenmarkts durch Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen für alle Akteure.

    1.7.

    Die Verpflichtungen zur Transparenz dürfen technologischen Fortschritten nicht im Wege stehen, insbesondere nicht im Bereich der künstlichen Intelligenz und der Computerwissenschaften. KI nach dem Black-Box-Modell mag zwar Risiken bergen, kann allerdings auch bedeutende Vorteile bieten. Der EWSA betont, dass das Gesetz präzise abgestimmt werden muss und den technischen Fortschritt — unter Wahrung des höchstmöglichen Schutzniveaus für Verbraucher und Arbeitnehmer — nicht behindern darf. Er plädiert für die Entwicklung eines geeigneten Rahmens, der es Unternehmen ermöglicht, Fairness, Zuverlässigkeit und Sicherheit ihrer KI-Systeme zu gewährleisten.

    1.8.

    Die Haftungsfreistellung für Anbieter von Hosting-Diensten sollte nur dann wegfallen, wenn Inhalte eindeutig illegal sind oder dies durch einen richterlichen Beschluss festgestellt wurde. Der EWSA empfiehlt die Einführung einer positiven Haftungsregelung für Online-Marktplätze, die unter bestimmten Umständen anzuwenden ist.

    1.9.

    Die Begriffsbestimmungen sollten gestrafft und soweit möglich an die einschlägigen Rechtstexte wie das Gesetz über digitale Märkte, die Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt und die Verordnung zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten angeglichen werden.

    1.10.

    Das Gesetz über digitale Dienste ist Teil eines umfassenderen Regulierungsansatzes für die Plattformwirtschaft, der auch die Besteuerung, die Arbeitnehmerrechte (einschließlich Sozialschutz, Gesundheit und Sicherheit, Vereinigungsrecht und Tarifautonomie), Vermögensverteilung, Nachhaltigkeit und die Produktsicherheit betreffen muss. Nach Ansicht des EWSA liegt eine enorme Aufgabe darin, für eine angemessene Abstimmung zwischen allen einschlägigen Instrumenten und Initiativen zu sorgen. Dies betrifft insbesondere die Bereiche geistiges Eigentum, Telekommunikation, Daten und Datenschutz, Produkthaftung, den audiovisuellen Sektor und natürlich die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr. Um zu klären, wie diese verschiedenen Aspekte, die das Gesetz über digitale Dienste berühren, in Einklang gebracht werden können, bedarf es eines genauen Überblicks.

    1.11.

    Der EWSA wird den Aspekten Besteuerung, Daten-Governance, Beschäftigungsstatus, Arbeitsbedingungen und Verbraucherschutz weiterhin besondere Aufmerksamkeit widmen, da sie mitunter wichtige Faktoren des unlauteren Wettbewerbs in der digitalen Wirtschaft sind. Der Ausschuss betont, dass diese Herausforderungen im Lichte der Ziele für nachhaltige Entwicklung, der Digitalen Agenda, der Charta der Grundrechte und der europäischen Säule sozialer Rechte angegangen werden müssen.

    2.   Allgemeine Bemerkungen

    2.1.

    Digitale Technologien können für unser tägliches Leben enorm wichtig sein. Sie können für die Gesellschaft und die Wirtschaft von großem Nutzen sein, und mittlerweile wird allgemein anerkannt, dass sie für die Funktionsweise des Marktes und unsere Beziehungen zueinander unerlässlich sind und für die Gemeinschaft insgesamt echte Vorteile bieten. Digitale Dienste stellen jedoch sowohl den einzelnen Nutzer als auch die Gesellschaft und den Markt vor erhebliche Herausforderungen. Im Hinblick auf mehr Fairness in Europa muss dafür Sorge getragen werden, dass der digitale Sektor angemessen reguliert, die Vorteile richtig verteilt und alle Marktteilnehmer (Bürger, Verbraucher, Arbeitnehmer und Unternehmen jeder Größe) angemessen geschützt werden.

    2.2.

    Die Reaktionen und die Antworten der Kommission auf eine Reihe von Dokumenten, Entwicklungen in der Rechtsprechung und Forderungen nach einerseits ehrgeizigen Reformen des bestehenden EU-Rechtsrahmens für den elektronischen Geschäftsverkehr unter Wahrung der Kernprinzipien seiner Haftungsregelung, des Verbots allgemeiner Überwachung und der Binnenmarkt-Schutzklausel und andererseits einem modernisierten, faireren und wettbewerbsfähigen digitalen Markt richten sich auf zwei Hauptbereiche: das Gesetz über digitale Dienste und das Gesetz über digitale Märkte.

    2.3.

    Mit dem Gesetz über digitale Dienste sollte ein hohes Maß an europäischem Verbraucherschutz für mehrere Aspekte der digitalen Wirtschaft, insbesondere auf digitalen Online-Plattformen, gewährleistet werden. Zu den wichtigsten und umstrittensten Aspekten dieses Vorschlags gehören die Bekämpfung von illegalen Inhalten und mehr Transparenz bei Werbung, die sich an die breite Öffentlichkeit richtet.

    2.4.

    Mit dem Gesetz über digitale Märkte zielt die Kommission auf die Funktionsweise des digitalen Marktes in der EU ab und versucht gleichzeitig, ihn durch die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer ausgewogener, wettbewerbsorientierter und innovativer zu gestalten, damit die Menschen mehr und bessere Dienste erhalten.

    2.5.

    Daher begrüßt der EWSA die Anstrengungen der Kommission, die digitale Wirtschaft umfassender zu regulieren und sie für Gesellschaft und Wirtschaft gleichermaßen zuverlässig zu gestalten. Die Bürger, Arbeitnehmer und Wirtschaftsteilnehmer, insbesondere KMU und schutzbedürftige Menschen, sind im Umgang mit digitalen Plattformen auf Schutzvorkehrungen angewiesen. Bei allen Abläufen, sei es im Hinblick auf Inhalte, wirtschaftliche Transaktionen oder auch auf die Rechte des geistigen Eigentums, muss für Sicherheit gesorgt werden.

    2.6.

    Die Cyberspace-Vorschriften der EU werden immer komplexer und fragmentierter. Es sollten Anstrengungen unternommen werden, sie verständlicher und kohärenter zu machen. Übermäßig komplexe Vorschriften können Unternehmen wie Bürger beinträchtigen, weil dadurch Innovationen unterdrückt werden, die Kosten steigen und den Menschen die Wahrnehmung ihrer Rechte erschwert wird. Der EWSA begrüßt daher die Absicht der Kommission, die Verfahrensaspekte der Durchsetzungsvorschriften in den Mitgliedstaaten zu koordinieren und zu straffen, und befürwortet die Wahl eines unmittelbar anwendbaren Rechtsinstruments.

    2.7.

    Der EWSA betont, dass das Gesetz über digitale Dienste mit dem potenziellen Rechtsrahmen für andere wichtige Fragen mit Bezug zur Plattformwirtschaft im Einklang stehen sollte, etwa in den Bereichen Arbeitnehmerrechte (einschließlich Sozialschutz, Gesundheit und Sicherheit bei der Arbeit, Vereinigungsfreiheit und Recht auf Tarifverhandlungen) (1), Steuern und Vermögensverteilung sowie Nachhaltigkeit. Zudem betont er, dass diese Herausforderungen auf europäischer Ebene sowie mit Blick auf die Ziele für nachhaltige Entwicklung, die digitale Agenda, die Charta der Grundrechte und die europäische Säule sozialer Rechte angegangen werden müssen. Mit Blick auf die künftigen Initiativen der Kommission wird der EWSA in Bezug auf Besteuerung, Daten-Governance, Beschäftigungsstatus, Arbeitsbedingungen und Verbraucherschutz besondere Wachsamkeit walten lassen, da sie wichtige Faktoren des mitunter unlauteren Wettbewerbs in der digitalen Wirtschaft sind.

    2.8.

    Die Regulierung des Cyberspace sollte möglichst zukunftssicher und technologieneutral erfolgen. Auf diese Weise werden für alle Akteure, die sich vorrangig mit dem Schutz und der Sicherheit der Verbraucher befassen, Rechtsklarheit und Marktchancen geschaffen.

    2.9.

    Es ist wichtig, dass die Kommission im Bereich der Besteuerung der digitalen Wirtschaft Initiativen im Rahmen internationaler Gespräche vorlegt und dabei Grundsätze wie Gerechtigkeit, Transparenz, Verteilung des Wohlstands und Nachhaltigkeit vorschlägt. Sie betont, dass diese Herausforderungen auf europäischer Ebene sowie im Einklang mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung, der Digitalen Agenda, der Charta der Grundrechte und der europäischen Säule sozialer Rechte angegangen werden müssen.

    3.   Besondere Bemerkungen

    3.1.

    Bessere und effizientere Rechtsetzung, unter anderem zur Vermeidung von unlauterem Wettbewerb, ist eine der Hauptfragen der neuen Wirtschaft. Die Kommission ist der — vom EWSA geteilten -Auffassung, dass eindeutig neue Mittel und Konzepte benötigt werden, um einen Markt zu regulieren, für den die alten Instrumente und die gewohnten Abläufe nicht mehr geeignet sind. Der „normale“ wettbewerbsrechtliche Regelungsrahmen reicht de facto nicht aus, um den Herausforderungen und Schwierigkeiten, die durch die großen Technologiekonzerne verursacht werden, effizient zu begegnen.

    3.2.

    Der EWSA fordert klarere Regeln, wie sie die Kommission z. B. auf der Grundlage eines vereinfachten und beschleunigten Regelungsrahmens für den Binnenmarkt in der digitalen Welt untersuchen möchte. Die EU muss ihr Rechtsinstrumentarium aktualisieren, um neben den Fragen der Gatekeeper-Plattformen auch die Problematik der digitalen Märkte wirksam anzugehen. Die neue Wirtschaft erfordert verschiedenste Maßnahmen, weshalb der EWSA auch die Initiative für ein Gesetz über digitale Märkte begrüßt (2).

    3.3.

    Bei allen Regulierungsmaßnahmen muss die digitale Souveränität der EU berücksichtigt werden, um die Unternehmen, aber auch die Arbeitnehmer, Verbraucher und Bürger zu schützen. Mit der COVID-19-Krise haben auf digitalen Plattformen angebotene unsichere Produkte, gefälschte Bewertungen, unlautere Geschäftspraktiken und andere Verstöße gegen das Verbraucherrecht, Produktpiraterie und Nachahmungen ein nicht hinnehmbares Ausmaß erreicht. Daran wird deutlich, wie wertvoll die Initiative für das Gesetz über digitale Dienste ist und wie dringend gehandelt werden muss.

    3.4.

    Zudem ist es offensichtlich, dass die Durchsetzungsmechanismen für die Bekämpfung von Betrug und illegalen Aktivitäten in Verbindung mit digitalen Plattformen zwar eine Herausforderung darstellen, jedoch auch sicherstellen können, dass die Unternehmen, die am meisten von der digitalen Wirtschaft profitieren, auch mehr in die Verantwortung genommen werden. Der EWSA ist der Auffassung, dass dem Gesetz über digitale Dienste eine zentrale Rolle dabei zukommen muss, das Vertrauen an den Märkten wiederherzustellen und die Mitgliedstaaten dazu zu veranlassen, unter Berücksichtigung ihrer unterschiedlichen Gegebenheiten zügige und wirksame Durchsetzungsmechanismen festzulegen, die sich für alle Mitgliedstaaten in der EU eignen. Der EWSA begrüßt, dass die Durchsetzungsdefizite im Bereich der illegalen Online-Werbung mit dem Gesetz über digitale Dienste sehr wahrscheinlich verringert werden.

    3.5.

    Unabhängig von der Wahl der Durchsetzungssysteme und -mechanismen muss die Kommission ausreichende Finanzmittel bereitstellen und müssen die Mitgliedstaaten in Personal, Schulungssysteme, Software und Hardware investieren. Dies ist Voraussetzung, damit das Vertrauen an den Märkten und unter den Menschen gestärkt werden kann. Daher müssen vorrangig die anfallenden Kosten für die Durchführung des Gesetzes über digitale Dienste sowie die zu erwartenden gesellschaftlichen Kosten, wenn keine Maßnahmen ergriffen werden, ermittelt und angemessene Bedingungen sichergestellt werden, um alle Mitgliedstaaten für diese Sache zu gewinnen.

    3.6.

    Bezüglich des Geltungsbereichs des Gesetzes über digitale Dienste ist die Größe zu berücksichtigen: Um einen unfairen Wettbewerb zu vermeiden, in dem finanzkräftige Großunternehmen profitieren, sollten nicht alle Unternehmen in diesem Bereich gleich behandelt werden. Das vorgeschlagene Kriterium, nämlich die Anzahl der Arbeitnehmer, könnte sich allerdings als ungeeignet erweisen und leicht umgangen werden. Das ist besonders wichtig, weil wesentliche Teile der Verpflichtungen für Plattformen im Verordnungsvorschlag nicht für Kleinst- oder Kleinunternehmen gelten, etwa in Bezug auf Beschwerdebehandlung, missbräuchliches Verhalten, Meldung von Straftaten, Transparenz der Werbung, unabhängige Prüfungen und vertrauenswürdige Hinweisgeber.

    3.7.

    Der EWSA betont jedoch, dass KMU, Kleinstunternehmen und sozialwirtschaftliche Unternehmen geschützt werden müssen. Diese können die Befolgungs- und Investitionskosten möglicherweise nicht aufbringen. Deshalb muss sichergestellt werden, dass sie durch die Umsetzung einer Verordnung, die eigentlich für fairen Wettbewerb sorgen soll, keine Nachteile erleiden. Daher fordert der EWSA, alternative Kriterien zur Bestimmung von Kleinst- und Kleinunternehmen (Artikel 16) zu finden, z. B. den Jahresumsatz, die Eigentumsverhältnisse oder Organisationsstruktur.

    3.8.

    Der EWSA begrüßt die Anpassungsfrist für Unternehmen, die in die Kategorie der sehr großen Online-Plattformen fallen (Artikel 25 Absatz 4). Diese Unternehmen wachsen häufig sehr schnell und sollten eine faire Chance erhalten, sich auf die im Vorschlag festgelegten strengeren Vorschriften und Pflichten einzustellen.

    3.9.

    Zwar wird in dem Vorschlag deutlich gemacht, dass er als lex generalis zu betrachten ist, allerdings werden im Rahmen verschiedener Instrumente viele ganz ähnliche Begriffe gebraucht. Daher könnte die Einhaltung der Vorschriften zu mühsam werden und mit zusätzlichen Kosten für Unternehmen sowie für Verbraucherinnen und Verbraucher verbunden sein. Zum Beispiel ist in dem Vorschlag der Begriff „Online-Plattform“ definiert, während in der Verordnung zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten (Verordnung (EU) 2019/1150 (3)) der Begriff „Plattform“ zwar nicht definiert ist, aber verwendet wird. In der Richtlinie über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt (Richtlinie (EU) 2019/790 (4)) wiederum wird der Begriff „Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten“ verwendet, und im Vorschlag für das Gesetz über digitale Märkte ist von „Gatekeepern“ und „zentralen Plattformdiensten“ die Rede.

    3.10.

    Mit dem Aufkommen der digitalen Dienste haben sich die Geschäftsmodelle weiterentwickelt und sind komplexer geworden, wobei die Grenzen zwischen den verschiedenen Akteuren verschwimmen. Angesichts der raschen Entwicklungen in dem Sektor, die die Regulierungsbehörden vor eine Herausforderung stellen, werden klare Begriffsbestimmungen benötigt. Der EWSA empfiehlt, die Begriffe „Plattformen“, „Nutzer“, „Verbraucher“ und „Arbeitnehmer“ im Zusammenhang mit der digitalen Wirtschaft klarer zu bestimmen.

    3.11.

    Nach dem aktuellen Vorschlag gelten die Vorschriften für die Nachverfolgbarkeit von Unternehmern nur, wenn „eine Online-Plattform Verbrauchern das Abschließen von Fernabsatzverträgen mit Unternehmern“ ermöglicht (Artikel 22). Eine andere Möglichkeit bestünde darin, solche Anbieter/Plattformen, die Verbrauchern das Abschließen von Fernabsatzverträgen mit Unternehmern ermöglichen, als „Marktplätze“ zu definieren und zu präzisieren, welche Vorschriften für diese Kategorie von Vermittlern gelten.

    3.12.

    Die Aufstellung von Verhaltenskodizes gemäß den Artikeln 35 und 36 sollte auf offene und partizipative Weise erfolgen. Dies impliziert die Einbeziehung der Organisationen zur Vertretung der Nutzer und Empfänger, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Sozialpartner und einschlägigen Behörden.

    3.13.

    Der EWSA stellt fest, dass das Herkunftslandprinzip zahlreiche Mängel aufweist und fordert, vor allem in Steuer-, Arbeits- und Verbraucherfragen sorgfältig alternative Methoden wie das Bestimmungslandprinzip zu erwägen, sofern es keine strengeren Vorschriften auf EU-Ebene gibt, um einen fairen Wettbewerb und ein höchstmögliches Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten. Es sollte sichergestellt, dass für Plattformbeschäftigte die gleichen arbeitsrechtlichen Bestimmungen gelten wie in dem Land, in dem die Dienstleistung erbracht wird, da schlechte Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer einen fairen Wettbewerb erheblich erschweren. Das übergeordnete Ziel ist die Durchsetzung und Stärkung des Binnenmarkts durch Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen für alle Akteure.

    3.14.

    Ferner sollte das in den Artikeln 8 und 9 des Vorschlags dargelegte System nicht als Alternative zur Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen betrachtet werden, und es sollte klargestellt werden, dass die Regelungen über die Verweigerung der Anerkennung und die Verweigerung der Vollstreckung gültig und anwendbar bleiben.

    3.15.

    Der EWSA begrüßt die Klarstellung, dass auch bei Untersuchungen auf Eigeninitiative Haftungsausschlüsse in Betracht kommen (Artikel 6), und dass der Grundsatz gewahrt wurde, dass keine allgemeine Verpflichtung zur Überwachung besteht (Artikel 7). Gleichwohl sollten diese Bestimmungen nicht die Verpflichtung der Online-Marktplätze berühren, regelmäßige Überprüfungen der Händler und der angebotenen Produkte und Dienstleistungen gemäß Artikel 22 durchzuführen.

    3.16.

    Außerdem sollte der erste Satz von Artikel 12 Absatz 1 dahingehend präzisiert werden, ob die Bestimmung auch für Informationen wie technische Daten gilt, die einem Softwareanbieter im Rahmen einer SaaS-Vereinbarung (über Software als Dienstleistung) bereitgestellt werden.

    3.17.

    Der EWSA begrüßt die ausführliche Regelung der Verfahren für Meldungen und interne Beschwerden sowie die mit dem Vorschlag eingeführten Schutzvorkehrungen. Der EWSA ist jedoch der Auffassung, dass der Anbieter nur dann haften sollte (Artikel 5), wenn Inhalte nach dem Recht des Herkunftslandes oder nach unmittelbar anwendbarem EU-Recht eindeutig illegal sind oder wenn durch einen richterlichen Beschluss festgestellt wurde, dass die Inhalte illegal sind. Andernfalls könnten Vermittler sich veranlasst sehen, Inhalte standardmäßig zu entfernen. Die rechtliche Beurteilung bestimmter Arten von Inhalten kann sehr komplex sein, und Vermittler sollten im Fall, dass sie sie nicht entfernen, nicht haftbar gemacht werden. Dies steht im Einklang mit der Pflicht zur Aussetzung nach Artikel 20, in dem auf offensichtlich illegale Inhalte Bezug genommen wird.

    3.18.

    Die Einrichtung digitaler Dienste beruht im Wesentlichen auf der Fähigkeit, Daten zu verwalten und darauf zuzugreifen. In diesem Zusammenhang sei auf die im Daten-Governance-Gesetz (COM(2020) 767 final) genannte Möglichkeit der Gründung von „Datengenossenschaften“ für Datenmanagement und -austausch hingewiesen. Solche Genossenschaften sind ein Instrument zur Förderung von Kleinunternehmen, Unternehmen und Einzelunternehmern, die allein möglicherweise nicht in der Lage sind, große Datenmengen abzurufen oder zu verarbeiten. Solche Konstrukte ermöglichen eine gemeinsame partizipative Governance bei der Verwaltung von Diensten für die Vermittlung, den Austausch oder die gemeinsame Nutzung von Daten zwischen Unternehmen sowie zwischen Firmen und Unternehmern, die Daten liefern, aber auch davon profitieren und diese nutzen könnten.

    4.   Umsetzungsstrategie — Die Dinge in Angriff nehmen

    4.1.

    Es wird festgestellt, dass in dem Bericht über die Folgenabschätzung die Zusammenhänge zwischen dem Gesetz über digitale Dienste und dem umfassenderen Rechtsrahmen geklärt wurden und dass darin nun ausführlichere Beschreibungen der Politikoptionen sowie eine detailliertere Analyse der zugrunde liegenden Erkenntnisse, auf die im überarbeiteten Bericht über die Folgenabschätzung eingegangen wird, enthalten sind. Das ist wichtig, bedeutet jedoch nicht, dass die Gesellschaft angesichts all der vorhandenen Unbekannten nicht weiterhin besorgt und vorsichtig sein wird. Die Bedeutung digitaler Dienste für unsere Wirtschaft und Gesellschaft, aber auch die damit verbundenen Risiken, werden weiter zunehmen.

    4.2.

    Mit Blick auf den Mehrwert bei den Durchsetzungsmaßnahmen führt die Initiative zu wesentlichen Effizienzgewinnen in der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten und bei der Bündelung einiger Ressourcen für die technische Hilfe auf EU-Ebene bezüglich der Inspektion und Prüfung von Moderationssystemen, Empfehlungssystemen und Online-Werbung auf sehr großen Plattformen. Dadurch werden wiederum Durchsetzungs- und Aufsichtsmaßnahmen wirksamer, da das derzeitige System weitgehend von der begrenzten Beaufsichtigungskapazität in einigen wenigen Mitgliedstaaten abhängt. Der Vorschlag muss jedoch verbessert werden, um sicherzustellen, dass Rechtsdurchsetzung und Rechtsschutz für Verbraucher wirksam und rasch erfolgen. Das Gesetz über digitale Dienste muss Abhilfemaßnahmen einschließlich Entschädigungen für Verbraucher vorsehen, wenn Unternehmen ihren Verpflichtungen aus diesem Gesetz nicht nachkommen.

    4.3.

    Es wird festgestellt, dass die Kommission ab dem Beginn der Anwendung dieses Rechtsinstruments einen umfassenden Rahmen zur kontinuierlichen Überwachung der Leistungen, Ergebnisse und Auswirkungen einrichten wird. Das Instrument soll innerhalb von fünf Jahren nach seinem Inkrafttreten auf der Grundlage des eingerichteten Überwachungsprogramms bewertet werden. Nach Auffassung des EWSA ist dies kein angemessener Zeitrahmen, um das Vertrauen des Marktes und der Bürger zu stärken und die Kohärenz mit der Überarbeitung der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr zu gewährleisten. Der Kommission sollte eine regelmäßige Bewertung der neuen Verordnung alle zwei Jahre vorsehen.

    4.4.

    Die Vorschriften sollten wirksam kommuniziert werden, und das Ansehen der EU sollte dadurch nicht beschädigt werden. Der Schutz der Unionsbürger und der Verbraucherschutz sollten einer der Hauptpunkte der künftigen Kommunikation und Durchsetzung sein. Die EU muss Unternehmen, Arbeitnehmern und Bürgern — auch aus Drittstaaten — auch in Zukunft offenstehen. Die Verordnung sollte nicht als Last oder Hindernis, sondern vielmehr als ein ausgewogenes Konzept für eine zukunftssichere Internet-Regulierung aufgenommen werden, mit dem Maßstäbe für eine bessere und fairere digitale Wirtschaft, einen sichereren Online-Raum und den Schutz lebendiger Demokratien gesetzt werden.

    5.   Grundrechte

    5.1.

    Die Rechte von Arbeitnehmern, ein hohes Verbraucherschutz- und Datenschutzniveau und die Grundfreiheiten, wie die unternehmerische Freiheit, die Dienstleistungsfreiheit, das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Gedankenfreiheit und die Meinungsfreiheit, müssen im Einklang mit den Rechtsvorschriften und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union angemessen gewährleistet und geschützt werden. In dem Vorschlag sollte versucht werden, dies alles ausgewogen zu berücksichtigen.

    5.2.

    Ein wichtiger Aspekt des Vorschlags ist die Verfahrensfairness. Das allein ist allerdings möglicherweise nicht ausreichend, um für eine tatsächliche, wirksame Fairness zu sorgen, wenn die Anreize nicht richtig aufeinander abgestimmt werden. Wird der Begriff „illegale Inhalte“ oder, wie manche vorgeschlagen haben, „schädliche Inhalte“ weit gefasst, könnten dadurch das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Meinungsfreiheit eingeschränkt werden.

    5.3.

    Die Würde des Menschen wird durch strikte und klare Bestimmungen über den Schutz der Bürger und Verbraucher geschützt. Diesen Aspekten kommt in dem Vorschlag eine hohe Bedeutung zu, daher sollten sie beibehalten werden.

    5.4.

    Der mit dem Gesetz über digitale Dienste vorgeschlagene Rahmen bietet den Behörden ein geeignetes Instrumentarium, um Manipulationen, Risiken der Diskriminierung und andere Formen des Missbrauchs zu verhindern, zu überwachen und darauf zu reagieren. Nach Auffassung des EWSA müssen die EU und ihre Mitgliedstaaten beträchtliche Mittel investieren und dafür sorgen, dass diese zum Wohle der gesamten Gesellschaft gereichen.

    5.5.

    Um die Gefahr von Diskriminierung zu mindern, fordert der EWSA die EU und die Mitgliedstaaten auf, ausreichende Mittel bereitzustellen, um die von den Plattformen verwendeten Algorithmen zu kontrollieren und zu überwachen. Der EWSA begrüßt den verbesserten Zugang zu Daten und Algorithmen und empfiehlt, den Behörden auf allen Ebenen sowie zugelassenen unabhängigen Forschern, auch der unabhängigen Zivilgesellschaft, die im öffentlichen Interesse tätig sind, Zugang zu gewährleisten.

    Brüssel, den 27. April 2021

    Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Christa SCHWENG


    (1)  Konsultation der Europäischen Kommission zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit.

    (2)  Stellungnahme des EWSA zum Gesetz über digitale Märkte (siehe Seite 64 dieses Amtsblatts).

    (3)  ABl. L 186 vom 11.7.2019, S. 57.

    (4)  ABl. L 130 vom 17.5.2019, S. 92.


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