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Document 52018AE5416

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Philanthropie in Europa: ein ungenutztes Potenzial“(Sondierungsstellungnahme auf Ersuchen des rumänischen Ratsvorsitzes)

EESC 2018/05416

ABl. C 240 vom 16.7.2019, p. 24–28 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

16.7.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 240/24


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Philanthropie in Europa: ein ungenutztes Potenzial“

(Sondierungsstellungnahme auf Ersuchen des rumänischen Ratsvorsitzes)

(2019/C 240/06)

Berichterstatter: Petru Sorin DANDEA

Sondierungsstellungnahmen auf Ersuchen des rumänischen EU-Ratsvorsitzes

Schreiben, 20.9.2018

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft

Annahme in der Fachgruppe

24.4.2019

Verabschiedung auf der Plenartagung

15.5.2019

Plenartagung Nr.

543

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

132/5/15

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der EWSA erkennt den komplementären und innovativen Mehrwert voll und ganz an, den die Philanthropie für den sozialen Zusammenhalt erbringen kann, indem sie gemeinsame Werte fördert und die Resilienz unserer Gesellschaft stärkt. Der Ausschuss empfiehlt den Mitgliedstaaten, die Philanthropie als eine Form des gesellschaftlichen Engagements anzuerkennen, Raum für die Philanthropie zu schaffen und die philanthropischen Akteure in entsprechende legislative und nichtlegislative Initiativen einzubeziehen.

1.2.

Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten auf, im Einklang mit den Grundfreiheiten und Grundrechten der EU für ein günstiges Umfeld für die Philanthropie zu sorgen, das philanthropische Betätigung und Bürgerbeteiligung, private Spenden für philanthropische Zwecke und die Gründung philanthropischer Organisationen fördert sowie sicherstellt, dass die sicherheitspolitischen Maßnahmen der Mitgliedstaaten und der EU den jeweiligen Risiken entsprechen sowie verhältnismäßig und faktengestützt sind, aber auch die Transparenz der philanthropischen Betätigung fördern.

1.3.

Der Sozialstaat und die soziale Sicherheit sind europäische Schöpfungen, um die Europa in der Welt beneidet wird. Der Ausschuss ist der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten den Sozialstaat, das europäische Sozialmodell und die Sozialschutzsysteme, die sich auf Steuergerechtigkeit und eine wirksame Beschäftigungspolitik stützen, stärken sollten. Hierdurch wird die Komplementarität der philanthropischen Organisationen verbessert und ihre Fähigkeit gesteigert, den wirklichen Bedürfnissen besonders schutzbedürftiger Bevölkerungsgruppen gerecht zu werden und Probleme zu lösen, die von den öffentlichen Einrichtungen oder dem privaten Sektor nicht umfassend angegangen werden.

1.4.

Da der freie Kapitalverkehr ein Herzstück des EU-Binnenmarkts ist, vertritt der EWSA die Auffassung, dass es für die EU und die Mitgliedstaaten eine Priorität sein sollte, die rechtliche und praktische Anwendung dieser Grundfreiheit in Verbindung mit dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung sicherzustellen, um grenzübergreifende philanthropische Spenden und Investitionen zu erleichtern. Um das philanthropische Engagement zu erleichtern, sollten auch supranationale Rechtsformen in Erwägung gezogen werden.

1.5.

Die EU könnte den Nutzen privater Ressourcen für das Gemeinwohl verstärken, indem sie Finanzierungsinstrumente (z. B. über das Programm InvestEU 2018) einführt, die als Katalysator für die gemeinsame Finanzierung von Projekten mit philanthropischen Organisationen dienen, die gemeinsame Investitionen und mehr Sozialinvestitionen fördern und die Garantieinstrumente vorsehen, um das finanzielle Risiko philanthropischer Organisationen bei der Vermögensanlage in soziale Investments zu verringern. Dies sollte das finanzielle Engagement im Bereich der sozialen Innovation erleichtern.

2.   Einleitung

2.1.

Im Großen wie im Kleinen hat die Philanthropie die Lebensbedingungen der Menschen in Europa und in der Welt verbessert. In ganz Europa tragen einzelne Bürgerinnen und Bürger, Familien, Sozialpartner, zivilgesellschaftliche Organisationen und Unternehmen zum Gemeinwohl bei, indem sie eine altehrwürdige Tradition pflegen, die unsere gemeinsame Menschlichkeit unter Beweis stellt und damit die Rolle des Staats ergänzt.

2.2.

Individuelle Spenden in all ihren Formen sind wahrscheinlich so alt wie das menschliche Miteinander selbst, während die Ursprünge organisierter Spenden (z. B. durch Stiftungen) in vielen europäischen Ländern bis ins Römische Reich zurückreichen. Zugleich ist Europa ein vielfältiger Kontinent, und die Philanthropie wird durch unterschiedliche Geschichte und Kultur, die unterschiedlichen wirtschaftlichen und politischen Bedingungen sowie die unterschiedlichen Gesetze geprägt.

2.3.

Die Philanthropie ist heute eine Form, soziales Engagement, Einsatz für das Gemeinwohl, Solidarität und Bürgersinn zu zeigen. Die einzelnen Menschen stehen im Zentrum der Philanthropie: Sie können ihre privaten Mittel für philanthropische Zwecke einsetzen und hierzu auch philanthropische Organisationen unterstützen oder gründen, die den Grundsätzen der Transparenz und der Rechenschaftspflicht verpflichtet sind.

2.4.

Philanthropische Geldflüsse stehen unter dem Schutz der Grundfreiheiten des EU-Vertrags. Die Charta der Grundrechte der EU und insbesondere die Vereinigungsfreiheit statten die Bürgerinnen und Bürger mit der Freiheit aus, Strukturen für die Philanthropie zu schaffen und zu organisieren. Viele von ihnen treten für die in Artikel 2 EU-Vertrag genannten Werte der EU ein, die die Achtung der Menschenwürde, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit umfassen.

2.5.

Die Philanthropie verfolgt das Ziel einer Gesellschaft, in deren Mittelpunkt der soziale Zusammenhalt, bürgerschaftliches Engagement, Selbstbestimmung und Chancengleichheit stehen. Das sind wichtige Werte für unsere Gesellschaft. Sie bilden die Grundlage für die Empörung über Ungerechtigkeit, die Sorge um die am meisten benachteiligten Personen, Mitgefühl, das Streben nach einer innovativen Zukunft und die Verantwortung für die Bewahrung wertvoller Natur und Kultur. Durch diese Werte motiviert, bieten zahlreiche Bürgerinnen und Bürger sowie philanthropische Organisationen Lösungen und konkrete Ergebnisse.

2.6.

Der europäische philanthropische Sektor umfasst vielfältige Typen von Gebern und philanthropischen Einrichtungen. Obgleich es keine einzelne, aktuelle und umfassende Studie über die europäische Philanthropie gibt, die alle EU-Mitgliedstaaten abdeckt, verfügen wir doch über einige aufschlussreiche Daten über den Sektor. Aus Daten, die vom Donors and Foundations Networks in Europe (DAFNE) im Jahr 2016 zusammengestellt und vom amerikanischen Foundation Center ausgewertet wurden, geht hervor, dass es in Europa mehr als 147 000 eingetragene philanthropische Stiftungen mit jährlichen Gesamtausgaben von fast 60 Mrd. EUR gibt. Diese Zahlen basieren auf den neuesten verfügbaren Daten aus 24 europäischen Ländern, darunter 18 EU-Mitgliedstaaten. Eine 2017 vom European Research Network on Philanthropy (1) veröffentlichte Studie bietet einen Überblick über die philanthropischen Spenden von Haushalten, Unternehmen, philanthropischen Stiftungen und Wohltätigkeitslotterien in 20 europäischen Ländern (19 EU-Mitgliedstaaten und der Schweiz) auf der Grundlage von Datenquellen aus dem Jahr 2013. Schätzungen zufolge belaufen sich die philanthropischen Beiträge dieser 20 Länder in Europa auf mindestens 87,5 Mrd. EUR jährlich (niedriger Schätzwert).

3.   Rolle und Wert

3.1.

philanthropische Initiativen sind auf gesellschaftliche Probleme auf lokaler, regionaler, nationaler, europäischer und internationaler Ebene ausgerichtet. philanthropische Spenden haben philanthropische Zielsetzungen, die von der Förderung der Ideenvielfalt und inklusiver Gesellschaften, der Integration von Menschen mit Behinderungen, Roma und Migranten, der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit bis zur Finanzierung von Forschung und Innovation, Umweltfragen, Kunst und Kultur, Projekte der sozialen Gerechtigkeit, Start-ups und sozialwirtschaftlichen Unternehmen auf allen für die EU relevanten Gebieten reichen.

3.2.

Dank seiner Vielfältigkeit kann der philanthropische Sektor Nischenbereiche ermitteln, besetzen und unterstützen, wenn dies wirtschaftlichen und staatlichen Akteuren schwerer fällt. (2) Oft wirken sie als Katalysator für Innovation und neue Ideen. Das philanthropische Handeln ist im Vorteil, wenn es darum geht, neue Wege zur Bewältigung gesellschaftlicher Probleme zu entdecken und zu erproben. Der philanthropische Sektor experimentiert und hat dabei oft Erfolg — und manchmal auch nicht. Immer jedoch lernt er dazu und teilt seine bewährten Verfahren.

3.3.

In vielen Fällen arbeiten öffentliche Akteure (z. B. nationale Regierungen und lokale Behörden) partnerschaftlich mit philanthropischen Akteuren zusammen, um einander bei Aktivitäten zu ergänzen, die die Stärke unserer Gesellschaft gewährleisten sollen. Philanthropie hat eine noch größere Wirkung, wenn sie von den öffentlichen Behörden unterstützt wird. Der EWSA ist sich bewusst, dass die Philanthropie zwar Menschen hilft, aber nicht Teil des „europäischen Sozialmodells“(solidarischer Sozialschutz, öffentliche Dienstleistungen, sozialer Dialog) ist und dieses auch nicht ersetzen kann. Er ist sich zudem bewusst, dass die Philanthropie auch nicht unbedingt den am stärksten Benachteiligten zugutekommt. Er empfiehlt, solidarische Sozialschutzsysteme zu erhalten und zu entwickeln, und erkennt die Unterstützung für diese Bevölkerungsgruppen durch philanthropische Organisationen an.

3.4.

Philanthropie steht jedem offen; jeder kann einen Beitrag leisten. Jedes Jahr engagieren sich bereits Millionen Einzelpersonen und Unternehmen in Europa, die Geld spenden. Es geht ihnen in erster Linie um Leidenschaft, Dankbarkeit und Engagement für gesellschaftliche Fragen als Ergänzung zu staatlichem Handeln. Privatpersonen und Organisationen, auch Unternehmen, können auf vielfältige Weise für philanthropische Zwecke spenden. Das Spektrum reicht von philanthropischen Spenden/Schenkungen und Sozialinvestitionen bis zur Einrichtung sog. donor-advised funds oder zur Gründung von unabhängigen privaten philanthropischen Organisationen mit einer langfristigen Vision.

3.5.

Philanthropie ist länderübergreifend, grenzüberschreitend und europäisch: Fragen von öffentlichem Interesse (wie Klimawandel und Gesundheitsrisiken) machen nicht vor Landesgrenzen halt, zumal die Europäerinnen und Europäer immer mobiler werden. Philanthropische Organisationen und Geber sind daher zunehmend grenzüberschreitend tätig und arbeiten — trotz rechtlicher Hemmnisse für die grenzüberschreitende Philanthropie — mit Partnern aus ganz Europa zusammen. philanthropische Akteure setzen sich überdies für globale Werte und Initiativen wie die Ziele für nachhaltige Entwicklung und das Klimaschutzübereinkommen ein und unterstützen deren Umsetzung auf lokaler, nationaler und EU-Ebene.

3.6.

Stiftungen und andere philanthropische Organisationen können auch als Kontaktbörsen fungieren, die die verschiedenen Interessenträger zusammenbringen, die erforderlich sind, um eine bestimmte Herausforderung zu meistern.

3.7.

Einige nationale Regierungen erlassen derzeit verschärfte Vorschriften bzw. ziehen die Einführung solcher Vorschriften in Erwägung, die den Handlungsspielraum für die Philanthropie einschränken, auch in Anbetracht des zunehmend negativen öffentlichen Diskurses über zivilgesellschaftliche Organisationen. (3) Mechanismen zur Förderung der Philanthropie und insgesamt förderliche Rahmenbedingungen sind jedoch wesentlich für die Schaffung einer Spendenkultur. Die Beschränkung des Handlungsspielraums könnte zu wachsendem öffentlichem Misstrauen gegenüber der wertvollen Rolle führen, die die Zivilgesellschaft bei der Förderung der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung spielt.

4.   Hemmnisse, die überwunden werden müssen, um das Potenzial der Philanthropie in Europa vollständig auszuschöpfen

4.1.

Damit sie ihr volles Potenzial entfalten kann, benötigt die Philanthropie ebenso wie ihre organisierten Formen ein günstiges Umfeld auf der Ebene der EU und der Mitgliedstaaten. Hierzu gehören eine positive soziale Kultur und rechtliche Rahmenbedingungen, die das philanthropische Engagement fördern. In der 2018 veröffentlichten Studie mit dem Titel „Enlarging the Space for European Philanthropy“von Oonagh Breen (4) wird aufgezeigt, dass Unternehmen ihre Gewinne im EU-Binnenmarkt ohne übermäßige Einschränkungen über die Grenzen hinweg bewegen können, dass dies jedoch noch nicht für philanthropische Organisationen und Geldflüsse aus dem philanthropischen Sektor gilt. Der Handlungsspielraum wird auch durch besorgniserregende Entwicklungen im Zusammenhang mit der Einführung von Beschränkungen der Auslandsfinanzierung in einigen EU-Ländern und weitere Anforderungen im Rahmen der Sicherheitsagenda beeinflusst.

4.2.

Philanthropische Organisationen sind wesentliche Partner im Dialog auf Bürgerebene, die weiter gestärkt werden müssen. (5) Philanthropische Organisationen und Geber sind zunehmend über die Landesgrenzen hinweg und in Zusammenarbeit mit Partnern tätig, werden jedoch durch vielfältige rechtliche, administrative und steuerliche Schranken behindert:

Erstens müssen sich philanthropische Organisationen in manchen Fällen registrieren, bevor sie in einem anderen Land tätig werden können. Die Rechtspersönlichkeit wird im Ausland nicht immer anerkannt.

Zweitens gibt es in den meisten Ländern keine rechtlichen Bestimmungen hinsichtlich der Verlegung des Hauptsitzes einer philanthropischen Organisation in ein anderes Land, sodass hiermit ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit verbunden ist.

Anders als Unternehmen können sich philanthropische Organisationen nicht über Grenzen hinweg zusammenschließen.

Die Regierungen sollten davon Abstand nehmen, Anreize für Schenkungen und Sponsoring zugunsten philanthropischer Organisationen wieder rückgängig zu machen. Dies gilt auch grenzüberschreitend, insbesondere im Falle von Organisationen, die Dienstleistungen erbringen, die nicht vom Markt oder öffentlichen Stellen angeboten werden.

Es gibt auch steuerliche und administrative Barrieren, die die philanthropische Betätigung, insbesondere über Grenzen hinweg, behindern, da der Grundsatz der steuerlichen Nichtdiskriminierung noch nicht von allen Mitgliedstaaten einheitlich und schlüssig auf die grenzüberschreitende Philanthropie angewendet wird. (6)

4.3.

Darüber hinaus bestehen Beschränkungen der Auslandsfinanzierung, während der Fluss philanthropischer Gelder nach dem EU-Grundsatz des freien Kapitalverkehrs keinen Behinderungen ausgesetzt sein sollte. Außerdem schränkt die Sicherheitspolitik auf nationaler und EU-Ebene den Handlungsspielraum ein. Die Sicherheitsagenda ist zwar von großer Bedeutung und ein gemeinsames Anliegen, doch ist Vorsicht geboten, was die möglichen unbeabsichtigten Folgen für den Sektor angeht. Politische Maßnahmen in diesem Bereich müssen risikobasiert und verhältnismäßig sein.

4.4.

Der philanthropische Sektor ist auch in den Bereichen Extremismusbekämpfung und humanitäre Hilfe tätig. Seine Kenntnisse und Erfahrungswerte sind bei der Bewältigung dieser Herausforderungen von Vorteil.

4.5.

Politisches Umfeld: Auf nationaler und insbesondere europäischer Ebene muss die Wahrnehmung der die staatlichen Maßnahmen ergänzenden Rolle der Philanthropie verbessert werden. Nach wie vor wird die Philanthropie in den europäischen Institutionen relativ wenig diskutiert.

5.   Wachstum und Potenzial der Philanthropie

5.1.

Der philanthropische Sektor wächst schnell. Im vergangenen Jahrzehnt hat eine steigende Zahl privater Initiativen gesellschaftliche Probleme in Angriff genommen, die von den Regierungen und Wirtschaftsakteuren allein nur schwer bewältigt werden können. Daher sind diese Initiativen eine wesentliche Stütze unserer Gesellschaft geworden. Der EWSA bedauert die negativen Auswirkungen infolge der verringerten Fähigkeit der Regierungen, ihren Bürgerinnen und Bürgern Schutz und soziale Dienstleistungen anzubieten. In diesem Zusammenhang ist die Verbesserung der Bedingungen, unter denen die Philanthropie gedeihen kann, ein hochaktuelles Thema. Die heutigen europäischen philanthropischen Organisationen sind jung. Die Zahl philanthropischer Stiftungen hat in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten rasch zugenommen. So hat sich beispielsweise die Zahl der französischen Stiftungen in der Zeit von 2001 bis 2014 mehr als verdoppelt. In Belgien wurde mehr als die Hälfte der 2012 bestehenden Stiftungen nach 1995 gegründet, und der Sektor ist im letzten Jahrzehnt schnell gewachsen. In Spanien wurden sogar mehr als 70 % der 2014 existierenden philanthropischen Stiftungen nach 1994 gegründet (7).

5.2.

Philanthropische Spenden und philanthropisches Engagement haben in mehreren europäischen Ländern, insbesondere während der letzten Jahre, stetig zugenommen. Barometer zur Philanthropie zeigen diesen Zuwachs in ganz Europa an.

5.3.

Gemeinschaftliches Engagement und lokale Philanthropie nehmen zu. Bürgerstiftungen in ganz Europa sind heute unverzichtbar für den sozialen Zusammenhalt.

5.4.

Die jüngere Generation setzt sich besonders für das Gemeinwohl ein und engagiert sich auf vielfältige neue Weisen. Forscher verweisen auf eine globale Bewegung, neue Werte und die positiven Auswirkungen technischer Entwicklungen (Crowdfunding, soziale Medien, globale grenzenlose Anliegen, aber auch lokale Bürgerinitiativen). Soziale Investitionen sind von entscheidender Bedeutung.

5.5.

Frauen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle in der Philanthropie in Europa. Ihr philanthropisches Engagement nimmt zu. Frauen neigen zu einem engagierteren und inklusiveren Spendenverhalten. Sie wollen die Menschen, die sie unterstützen, treffen, mit Gleichgesinnten zusammenarbeiten und selbst für die Sache tätig werden, die ihnen am Herzen liegt. Frauen spenden oft für Projekte, die sich auf komplexere Probleme wie etwa häuslicher Gewalt und Gesundheit beziehen.

5.6.

Unternehmen beginnen immer häufiger, etwas zurückzugeben. Philanthropisches Engagement ist Teil und Motor der CSR-Strategien von Unternehmen überall in Europa. Immer mehr Unternehmen jeder Größe setzen finanzielle Ressourcen, Produkte, Wissen und Zeit für das Gemeinwohl ein.

5.7.

Besondere Beachtung und Unterstützung verdient die Sozialwirtschaft mit ihren innovativen philanthropischen Aktivitäten. Eine wachsende Zahl von Menschen und Unternehmen wendet sich sozialwirtschaftlichen Geschäftsmodellen zu, die eine treibende Kraft der nachhaltigen Wirtschaft und der sozialen Entwicklung sind. (8)

6.   Förderung der Philanthropie in Europa

6.1.

Philanthropie anerkennen: Den Mehrwert anerkennen, den die Philanthropie für den sozialen Zusammenhalt darstellen kann, indem sie die gemeinsamen Werte fördert und die Resilienz unserer Gesellschaft erhöht. Philanthropie als eine Form, gesellschaftliches Engagement zu zeigen, fördern. Die philanthropischen Akteure einbeziehen und einen Raum für Rechtsetzung und Regulierung zur Förderung dieser Form des sozialen Engagements schaffen.

6.2.

Philanthropie ermöglichen und schützen: Die Mitgliedstaaten auffordern, ein günstiges Umfeld für die Philanthropie zu schaffen. Sicherstellen, dass die sicherheitspolitischen Maßnahmen der Mitgliedstaaten und der EU risikobasiert, verhältnismäßig und faktengestützt sind. Nicht von philanthropischem und bürgerschaftlichem Handeln abhalten. Im Zusammenhang mit Steuergerechtigkeit Anreize für private Spenden für philanthropische Zwecke schaffen.

6.3.

Die grenzüberschreitende Philanthropie erleichtern: Der freie Kapitalverkehr ist ein Herzstück des EU-Binnenmarkts. Die rechtliche und praktische Anwendung dieser Grundfreiheit in Verbindung mit dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung sicherstellen, um grenzübergreifende philanthropische Aktivitäten zu erleichtern. Grenzüberschreitende Investitionen durch philanthropische Organisationen sind von wesentlicher Bedeutung. Um das philanthropische Engagement zu erleichtern, sollten auch supranationale Rechtsformen in Erwägung gezogen werden.

6.4.

Gemeinsame Investitionen und gemeinsame Investments für das Gemeinwohl und für eine stärkere Zivilgesellschaft: Den Einsatz von Instrumenten für die soziale Innovation und den Aufbau strategischer Partnerschaften mit philanthropischen Akteuren erleichtern. Die EU könnte den Nutzen privater Ressourcen für das Gemeinwohl verstärken, indem sie Finanzierungsinstrumente einführt, die die gemeinsame Gewährung von Investitionen erleichtern und gemeinsame Investments durch philanthropische Organisationen fördern.

6.5.

Mut zur Innovation: Wir leben in einer aufregenden Zeit für die Philanthropie. Innovative Ansätze wie Sozialinvestitionen, Sozialanleihen, sozial verantwortliches Investieren und Risikokapital für wohltätige Zwecke bringen bahnbrechende Ergebnisse hervor und bewirken einen Wandel herkömmlicher Wohltätigkeitskonzepte und Geschäftsmethoden. Die neuen Technologien und sozialen Medien ermöglichen ein zeitnahes wirkungsvolles Engagement. Initiativen wie „Data for Good“und die Digitalisierung eröffnen neue Möglichkeiten für die Philanthropie in ganz Europa. Eine neue europäische grenzüberschreitende digitale Spendenplattform, über die Geber aus ganz Europa Organisationen überall in Europa unterstützen können, wird derzeit eingerichtet. Öffentliche und private Interessenträger sollten diese Initiativen zugunsten einer gezielteren und wirkungsvolleren Philanthropie fördern und ausbauen.

Brüssel, den 15. Mai 2019

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Luca JAHIER


(1)  www.ernop.eu

(2)  Siehe z. B. die belgische Nichtregierungsorganisation Kick Cancer, die die Entwicklung von Medikamente für krebskranke Kinder finanziert https://kickcancer.org/?locale=en

(3)  Siehe die Studie der EU-Agentur für Grundrechte über den Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft, in der in verschiedenen Mitgliedstaaten bestehende Herausforderungen für die Zivilgesellschaft, darunter philanthropische Organisationen, aufgeführt sind: https://fra.europa.eu/en/publication/2018/challenges-facing-civil-society-orgs-human-rights-eu.

(4)  Enlarging the space for European philanthropy.

(5)  Kontaktgruppe des EWSA zum Aktionsplan für die Umsetzung von Artikel 11 Absatz 1 und Artikel 11 Absatz 2 EUV.

(6)  Boosting cross-border philanthropy in Europe: towards a tax-effective environment (EFC-TGE-Studie) von Hanna Surmatz und Ludwig Forrest, Mai 2017.

(7)  http://www.fundaciones.org/EPORTAL_DOCS/GENERAL/AEF/DOC-cw585d042d56ecf/Aefsectorfundacional3erInforme3.pdf.

(8)  Förderung der Sozialwirtschaft als treibende Kraft der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in Europa – Rat der Europäischen Union, 7. Dezember 2015.


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