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Document 52018AE3954

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 767/2008, der Verordnung (EG) Nr. 810/2009, der Verordnung (EU) 2017/2226, der Verordnung (EU) 2016/399, der Verordnung (EU) 2018/… (Interoperabilitäts-Verordnung) und der Entscheidung 2004/512/EG sowie zur Aufhebung des Beschlusses 2008/633/JI des Rates“ (COM(2018) 302 final)

    EESC 2018/03954

    ABl. C 440 vom 6.12.2018, p. 154–157 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    6.12.2018   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 440/154


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 767/2008, der Verordnung (EG) Nr. 810/2009, der Verordnung (EU) 2017/2226, der Verordnung (EU) 2016/399, der Verordnung (EU) 2018/… (Interoperabilitäts-Verordnung) und der Entscheidung 2004/512/EG sowie zur Aufhebung des Beschlusses 2008/633/JI des Rates“

    (COM(2018) 302 final)

    (2018/C 440/26)

    Hauptberichterstatter:

    Ionuţ SIBIAN

    Befassung

    Europäisches Parlament, 2.7.2018

    Rechtsgrundlage

    Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

    Zuständige Fachgruppe

    Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft

    Beschluss des Präsidiums

    10.7.2018

    Verabschiedung im Plenum

    19.9.2018

    Plenartagung Nr.

    537

    Ergebnis der Abstimmung

    (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

    97/3/0

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1.

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) unterstützt eine Visumpolitik, die ein Instrument ist und auch bleiben sollte, um Tourismus und Geschäftsbeziehungen zu erleichtern und gleichzeitig Sicherheitsrisiken zu verhindern und das Risiko der irregulären Migration in die EU zu minimieren.

    1.2.

    Der EWSA befürwortet die Weiterentwicklung des Visa-Informationssystems (VIS) als beste technische Lösung, um das Verfahren für Visa für einen kurzfristigen Aufenthalt zu erleichtern und es den Visum-, Grenz-, Asyl- und Einwanderungsbehörden zu ermöglichen, schnell und wirksam die notwendigen Informationen über Drittstaatsangehörige, die ein Visum für die Einreise in die EU benötigen, zu prüfen.

    1.3.

    Ein wichtiges Ziel der Maßnahmen in diesem Bereich sollte nach Ansicht des EWSA die Harmonisierung der Verfahren, Praktiken und Ergebnisse der EU-Mitgliedstaaten in Bezug auf die Visumpolitik sein.

    1.4.

    Die Festlegung spezifischer Risikoindikatoren für die Visumbearbeitung kann der Auffassung des EWSA zufolge die Rechte der Antragsteller beschränken. Der EWSA fordert die EU-Organe und die Behörden der Mitgliedstaaten auf, das Personal vor Ort und die Führungskräfte angemessen zu informieren und zu schulen, um mögliches Profiling auf der Grundlage der Rasse, des Geschlechts, der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion, der sexuellen Ausrichtung und sonstiger persönlicher Merkmale zu vermeiden.

    1.5.

    Der EWSA unterstützt das Ziel, Vermisste leichter zu identifizieren. Die Herabsetzung des Alters für die Abnahme von Fingerabdrücken bei Kindern von 12 auf 6 Jahre kann jedoch problematisch sein. Da der Vorschlag keine Beiträge und Stellungnahmen von Kinderschutzeinrichtungen und -organisationen enthält, kann der EWSA keine umfassende Bewertung der Auswirkungen des Vorschlags auf Kinder und ihren Schutz vornehmen.

    1.6.

    Im Zusammenhang mit diesem Ziel ist zwar die Speicherung einer Kopie der Personaldatenseite des Reisedokuments der Antragsteller im VIS akzeptabel und erforderlich, doch ist es fragwürdig, ob der Aufbau dieses neuen Instruments für die Datenerhebung Rückführungsverfahren erleichtert, wie im Vorschlag angegeben. Der EWSA geht nicht davon aus, dass die vorgeschlagenen Änderungen zwangsläufig zur Rückführung von Drittstaatsangehörigen führen werden. Stattdessen sollte es ein Instrument sein, das die Mitgliedstaaten dazu anregt, bei ihrem Handeln sowohl die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts als auch das Interesse und Wohlergehen der betroffenen Personen gebührend zu berücksichtigen. Die Drittstaatsangehörigen sollten von den Behörden ermutigt und dabei unterstützt werden, ihren Aufenthalt zu legalisieren und die Rückkehr in ihr Heimatland in Erwägung zu ziehen.

    1.7.

    In Bezug auf das zusätzliche Ziel des Vorschlags, nationalen Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden sowie Europol unter strengen Auflagen den Zugang zu VIS-Daten zum Zwecke der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung zu gestatten, verweist der EWSA darauf, wie wichtig strenge Auflagen sind. Der Zugang sollte im Idealfall gerichtliche Entscheidungen erfordern, die sicherstellen würden, dass ein solcher Zugang eine notwendige Beschränkung des Grundsatzes des Schutzes personenbezogener Daten darstellt.

    1.8.

    Der EWSA begrüßt, dass im Zusammenhang mit diesem Vorschlag umfangreiche Konsultationen durchgeführt werden. Gleichwohl hätten der Ausschuss, andere Institutionen und die Öffentlichkeit erheblich davon profitiert, wenn mehr Beiträge und Erkenntnisse der konsultierten Parteien in den Vorschlag aufgenommen worden wären. Es ist nicht klar ersichtlich, welche Art von Beiträgen vorgelegt wurde und inwiefern diese Beiträge die endgültige Form des Vorschlags beeinflusst haben.

    1.9.

    Der EWSA begrüßt, dass die Europäische Kommission einen Schwerpunkt auf den Schutz der Grundrechte legt. Der Ausschuss empfiehlt, die Art und Weise, wie die Mitgliedstaaten die personenbezogenen Daten von Visumantragstellern verwenden, weiter zu beobachten. Wie bereits erwähnt, sind weitere Garantien gegen Praktiken erforderlich, die zur Diskriminierung von Drittstaatsangehörigen führen, die einen Antrag auf einen kurz- oder langfristigen Aufenthalt stellen.

    1.10.

    Der Vorschlag hätte von detaillierteren und spezifischeren Angaben zu nach Ländern aufgeschlüsselten Visa für einen Kurzaufenthalt wie auch zu einem längerfristigen Aufenthalt und zu Aufenthaltstiteln sowohl für EU-Mitgliedstaaten als auch für Drittstaaten profitiert. Weitere Informationen zu Überschreitungen der zulässigen Aufenthaltsdauer wären auch mit Blick auf den Kinderhandel sehr nützlich gewesen. Diese Informationen sind unverzichtbar, um die Art und Struktur der Mobilität zu bewerten und die Eignung der verwendeten Instrumente festzustellen.

    1.11.

    Daneben empfiehlt der EWSA ein nachdrücklicheres Bekenntnis zur Zusammenarbeit mit den Regierungen und der Zivilgesellschaft der Drittstaaten, um ihre Staatsangehörigen während des gesamten Verfahrens für die Beantragung von Visa zu informieren, vorzubereiten und zu unterstützen.

    2.   Allgemeine Bemerkungen

    2.1.

    Der EWSA unterstützt eine Visumpolitik, die ein Instrument ist und auch bleiben sollte, um Tourismus und Geschäftsbeziehungen zu erleichtern und gleichzeitig Sicherheitsrisiken zu verhindern und das Risiko der irregulären Migration in die EU zu minimieren.

    2.2.

    Der EWSA ist sich der migrations- und sicherheitspolitischen Herausforderungen der vergangenen Jahre bewusst, fordert die Mitgliedstaaten und die EU-Organe aber auf, einen konsensorientierten, ausgewogenen und verhältnismäßigen Ansatz zu verfolgen, um die EU so offen, verantwortungsbewusst, entgegenkommend und innovativ wie möglich zu halten.

    2.3.

    Der EWSA befürwortet die Weiterentwicklung des Visa-Informationssystems (VIS) als beste technische Lösung, um das Verfahren für Visa für einen kurzfristigen Aufenthalt zu erleichtern und es den Visum-, Grenz-, Asyl- und Einwanderungsbehörden zu ermöglichen, schnell und wirksam die notwendigen Informationen über Drittstaatsangehörige, die ein Visum für die Einreise in die EU benötigen, zu prüfen.

    2.4.

    Der EWSA unterstützt die allgemeinen Ziele dieser Initiative: die Sicherheit innerhalb der EU und an ihren Grenzen zu verbessern, legalen Reisenden das Überschreiten der Außengrenze, das freie Reisen und den Aufenthalt im Raum ohne Binnengrenzkontrollen zu erleichtern und das Management der Außengrenzen des Schengen-Raums zu vereinfachen.

    2.5.

    Der EWSA unterstützt die spezifischen Ziele dieser Initiative: das Visumantragsverfahren zu erleichtern, Kontrollen an den Außengrenzübergangsstellen und im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu erleichtern und zu verschärfen und durch einen einfacheren Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten über Drittstaatsangehörige, die Inhaber von Visa für einen längerfristigen Aufenthalt bzw. von Aufenthaltstiteln sind, die innere Sicherheit des Schengen-Raums zu erhöhen.

    2.6.

    Ferner befürwortet der EWSA das Schließen bestehender Informationslücken im Bereich Grenzen und Sicherheit, d. h. die Aufnahme von Langzeitvisa und Aufenthaltsdokumenten in das VIS.

    2.7.

    In Bezug auf erweiterte Kontrollmöglichkeiten bei der Visumbearbeitung durch die Nutzung der Interoperabilität hält der EWSA die Prüfung und Bewertung der von den Antragstellern vorgelegten Informationen und die automatische Abfrage jedes der verfügbaren Systeme durch das VIS bei jedem Antrag für eine mit Blick auf das Verfahren und die Technik willkommene Entwicklung.

    2.8.

    Die Festlegung spezifischer Risikoindikatoren für die Visumbearbeitung kann der Auffassung des EWSA zufolge die Rechte der Antragsteller beschränken. Die Risikoindikatoren würden zwar keine personenbezogenen Daten enthalten, aber auf statistischen Daten und Informationen der Mitgliedstaaten über Bedrohungen, ungewöhnliche Ablehnungsquoten oder die Überschreitung der zulässigen Aufenthaltsdauer bestimmter Kategorien von Drittstaatsangehörigen sowie Informationen zu Risiken für die öffentliche Gesundheit basieren. Es besteht die erhebliche Gefahr, dass diese Daten und Indikatoren von den Visabehörden dazu genutzt werden, Visumanträge aufgrund der in das System eingebauten Profile und nicht aufgrund der persönlichen Umstände des Antragstellers abzulehnen. Der EWSA fordert die EU-Organe und die Behörden der Mitgliedstaaten auf, das Personal vor Ort und die Führungskräfte angemessen zu informieren und zu schulen, um mögliches Profiling auf der Grundlage der Rasse, des Geschlechts, der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion, der sexuellen Ausrichtung und sonstiger persönlicher Eigenschaften zu vermeiden.

    2.9.

    Der EWSA unterstützt das Ziel, Vermisste leichter zu identifizieren. Die Herabsetzung des Alters für die Abnahme von Fingerabdrücken bei Kindern von 12 auf 6 Jahre kann jedoch problematisch sein. Da der Vorschlag keine Beiträge und Stellungnahmen von Kinderschutzeinrichtungen und -organisationen enthält, kann der EWSA keine umfassende Bewertung der Auswirkungen des Vorschlags auf Kinder und ihren Schutz vornehmen.

    2.10.

    Im Zusammenhang mit diesem Ziel ist zwar die Speicherung einer Kopie der Personaldatenseite des Reisedokuments der Antragsteller im VIS akzeptabel und erforderlich, doch ist es fragwürdig, ob der Aufbau dieses neuen Instruments für die Datenerhebung Rückführungsverfahren erleichtert, wie im Vorschlag angegeben. Der EWSA geht nicht davon aus, dass die vorgeschlagenen Änderungen zwangsläufig zur Rückführung von Drittstaatsangehörigen führen werden. Stattdessen sollte es ein Instrument sein, das die Mitgliedstaaten dazu anregt, bei ihrem Handeln sowohl die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts als auch das Interesse und Wohlergehen der betroffenen Personen gebührend zu berücksichtigen. Die Drittstaatsangehörigen sollten von den Behörden ermutigt und dabei unterstützt werden, ihren Aufenthalt zu legalisieren und die Rückkehr in ihr Heimatland in Erwägung zu ziehen.

    2.11.

    In Bezug auf das zusätzliche Ziel des Vorschlags, nationalen Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden sowie Europol unter strengen Auflagen den Zugang zu VIS-Daten zum Zwecke der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung zu gestatten, verweist der EWSA darauf, wie wichtig strenge Auflagen sind. Der Zugang sollte im Idealfall gerichtliche Entscheidungen erfordern, die sicherstellen würden, dass ein solcher Zugang eine notwendige Beschränkung des Grundsatzes des Schutzes personenbezogener Daten darstellt.

    2.12.

    Der EWSA begrüßt, dass die Kommission drei unabhängige Studien in Auftrag gegeben hat: eine Studie zur Durchführbarkeit, Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Herabsetzung des Alters für die Abnahme von Fingerabdrücken bei Kindern im Visumverfahren und zur Speicherung einer Kopie der Reisedokumente von Visumantragstellern im VIS sowie zwei Studien zur Durchführbarkeit, Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Aufnahme von Daten über Visa für den längerfristigen Aufenthalt und über Aufenthaltsdokumente in das VIS.

    2.13.

    Der EWSA ist erfreut über den Umfang dieser Konsultationen, an denen alle betroffenen Interessenträger beteiligt wurden, u. a. nationale Behörden, die berechtigt sind, Daten in das VIS einzugeben, diese zu ändern, zu löschen oder abzufragen, für Migration und Rückkehr/Rückführung zuständige nationale Behörden, Kinderschutzbehörden, die Polizei sowie die für die Bekämpfung von Menschenhandel zuständigen Behörden, Konsularstellen und für Kontrollen an den Außengrenzübergangsstellen zuständige nationale Behörden. Ebenfalls konsultiert wurden verschiedene Behörden außerhalb der EU und Nichtregierungsorganisationen, die sich für die Rechte von Kindern einsetzen. Gleichwohl hätten der Ausschuss, andere Institutionen und die Öffentlichkeit erheblich davon profitiert, wenn mehr Beiträge und Erkenntnisse der konsultierten Parteien in den Vorschlag aufgenommen worden wären. Es ist nicht klar ersichtlich, welche Art von Beiträgen vorgelegt wurde und inwiefern diese Beiträge die endgültige Form des Vorschlags beeinflusst haben.

    2.14.

    Der EWSA begrüßt, dass die Europäische Kommission einen Schwerpunkt auf den Schutz der Grundrechte legt. Der Ausschuss begrüßt die zusätzlichen Garantien, die mit diesem Vorschlag eingeführt werden, um im Rahmen der umfassenderen Bemühungen um den Schutz des Rechts von Einzelpersonen auf Auskunft, Berichtigung, Löschung und Regress den spezifischen Bedürfnissen hinsichtlich der neuen Datenkategorien, der Datenverarbeitung und der Datensubjekte, auf die das VIS Anwendung findet, Rechnung zu tragen. Der Ausschuss empfiehlt, die Art und Weise, wie die Mitgliedstaaten die personenbezogenen Daten von Visumantragstellern verwenden, weiter zu beobachten. Wie bereits erwähnt, sind weitere Garantien gegen Praktiken erforderlich, die zur Diskriminierung von Drittstaatsangehörigen führen, die einen Antrag auf einen kurz- oder langfristigen Aufenthalt stellen.

    2.15.

    Der Vorschlag hätte von detaillierteren und spezifischeren Angaben zu nach Ländern aufgeschlüsselten Visa für einen Kurzaufenthalt wie auch zu einem längerfristigen Aufenthalt und zu Aufenthaltstiteln sowohl für EU-Mitgliedstaaten als auch für Drittstaaten profitiert. Weitere Informationen zu Überschreitungen der zulässigen Aufenthaltsdauer wären auch mit Blick auf den Kinderhandel sehr nützlich gewesen. Diese Informationen sind unverzichtbar, um die Art und Struktur der Mobilität zu bewerten und die Eignung der verwendeten Instrumente festzustellen.

    2.16.

    Daneben empfiehlt der EWSA ein nachdrücklicheres Bekenntnis zur Zusammenarbeit mit den Regierungen und der Zivilgesellschaft der Drittstaaten, um ihre Staatsangehörigen im Verfahren für die Beantragung von Visa zu informieren, vorzubereiten und zu unterstützen.

    Brüssel, den 19. September 2018

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Luca JAHIER


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