Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52017XX0112(01)

Zusammenfassung der Stellungnahme des Europäischen Datenschutzbeauftragten zum ersten Reformpaket zur Überarbeitung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (Eurodac-Verordnung, Verordnung zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen und Dublin-Verordnung)

ABl. C 9 vom 12.1.2017, p. 3–5 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

12.1.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 9/3


Zusammenfassung der Stellungnahme des Europäischen Datenschutzbeauftragten zum ersten Reformpaket zur Überarbeitung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (Eurodac-Verordnung, Verordnung zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen und Dublin-Verordnung)

(Der vollständige Text dieser Stellungnahme ist in englischer, französischer und deutscher Sprache auf der Internetpräsenz des EDSB unter www.edps.europa.eu erhältlich)

(2017/C 9/04)

Seit mehreren Jahren ist Europa mit einer akuten Migrations- und Flüchtlingskrise konfrontiert, deren Herausforderungen sich 2015 noch verstärkt haben. Aus diesem Grund hat die Kommission eine Reform der Dublin-Verordnung vorgeschlagen, um diese an die aktuelle Lage anzupassen. Diese Reform geht einher mit einem Vorschlag zur Schaffung einer Agentur der Europäischen Union für Asyl, die die Mitgliedstaaten bei der Erfüllung ihrer Pflichten bezüglich Asyl unterstützen soll.

Seit seiner Einrichtung hat Eurodac den Zweck, Fingerabdrücke zu erfassen, um zu bestimmen, welcher Mitgliedstaat für die Prüfung eines in der EU gestellten Asylantrags zuständig ist.

Eine Neufassung der Eurodac-Verordnung wurde ebenfalls von der Kommission vorgeschlagen. Die wichtigste Änderung in dieser Verordnung besteht in der Ausweitung des Geltungsbereichs von Eurodac, damit auch Drittstaatsangehörige, die sich illegal in Mitgliedstaaten aufhalten oder die in Verbindung mit dem illegalen Überschreiten der Außengrenze eines Mitgliedstaats aufgegriffen werden, in Eurodac erfasst werden können.

Der EDSB erkennt die Notwendigkeit einer effektiveren Steuerung von Migration und Asyl in der EU an. Jedoch empfiehlt er wichtige Verbesserungen, damit die legitimen Rechte und Interessen der Personen, die von der Verarbeitung personenbezogener Daten betroffen sein können, besser berücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere für sensible Personengruppen, die eines besonderen Schutzes bedürfen, wie dies bei Migranten und Flüchtlingen der Fall ist.

In diesem Sinne spricht der EDSB unter anderem folgende Hauptempfehlungen aus:

In die Dublin-Verordnung soll ein Hinweis darauf aufgenommen werden, dass die gesonderte Antragsnummer, die in die Dublin-Datenbank eingeführt wird, unter keinen Umständen für andere Zwecke als die in der Dublin-Verordnung beschriebenen Zwecke verwendet werden darf.

Im Hinblick auf den Vorschlag für eine Neufassung der Eurodac-Verordnung 2016 soll eine vollumfängliche Datenschutzfolgeabschätzung durchgeführt werden, um die Auswirkungen des neu vorgeschlagenen Textes und der Ausweitung des Geltungsbereichs der Eurodac-Datenbank auf den Datenschutz zu bemessen.

Es soll geprüft werden, ob es erforderlich ist, die Gesichtsbilder der Personengruppen zu verwenden, an die sich der Vorschlag für eine Neufassung der Eurodac-Verordnung 2016 wendet, und es soll deren Verhältnismäßigkeit beurteilt werden. Bei der Bewertung ist eine einheitliche Studie oder ein auf klare Fakten gestützter Ansatz zu verwenden.

Zusätzlich zur Begründung soll die Lage der Minderjährigen eingehend geprüft und zwischen den Risiken und Nachteilen der Abnahme von Fingerabdrücken von Minderjährigen und den Vorteilen, die sich für diese daraus ergeben, abgewogen werden.

Daneben werden in der Stellungnahme weitere Schwachpunkte der verschiedenen Vorschläge aufgezeigt und zusätzliche Empfehlungen zum Datenschutz und Schutz der Privatsphäre ausgesprochen, die in dem Gesetzgebungsverfahren berücksichtigt werden sollten.

I.   EINLEITUNG UND HINTERGRUND

1.

Die Kommission nahm im April 2016 eine Mitteilung mit dem Titel „Reformierung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und Erleichterung legaler Wege nach Europa“ an (1), in der sie ihre Prioritäten zur Verbesserung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) darlegte. In diesem Zusammenhang hat die Kommission als Teil eines ersten Reformpakets des GEAS am 4. Mai 2016 drei Vorschläge veröffentlicht:

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (nachstehend „Dublin-Vorschlag“) (2);

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Asylagentur der Europäischen Union und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 439/2010 (nachstehend „Vorschlag für eine EU-Asylagentur“) (3);

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 über die Einrichtung von Eurodac für den Abgleich von Fingerabdruckdaten zum Zwecke der effektiven Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, für die Feststellung der Identität illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser und über Anträge auf Abgleich mit Eurodac-Daten durch Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten und Europol zu Strafverfolgungszwecken (Neufassung 2016) (nachstehend „Vorschlag zur Neufassung der Eurodac-Verordnung 2016“) (4).

2.

Der EDSB wurde vor Veröffentlichung des Vorschlags für eine Neufassung der Eurodac-Verordnung und des Verordnungsvorschlags zur Umwandlung des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (European Asylum Support Office — EASO) in eine EU-Agentur informell konsultiert und hat gegenüber der Kommission informelle Stellungnahmen zu beiden Texten abgegeben.

3.

Der EDSB erkennt an, dass die EU den Herausforderungen der seit 2015 bestehenden Migrations- und Flüchtlingskrise begegnen muss und eine wirksame und harmonisierte EU-Politik zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung sowohl innerhalb der EU als auch in die EU benötigt. Unter uneingeschränkter Achtung der Rolle des Gesetzgebers bei der Bewertung der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der vorgeschlagenen Maßnahmen wird der EDSB unter Wahrnehmung seiner beratenden Funktion in dieser Stellungnahme einige Vorschläge zum Datenschutz und Schutz der Privatsphäre machen, um den Gesetzgeber dabei zu unterstützen, den Anforderungen der Charta der Grundrechte bezüglich des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Artikel 7) und des Rechts auf den Schutz personenbezogener Daten (Artikel 8) gerecht zu werden sowie die Anforderungen des Artikels 16 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU zu erfüllen.

4.

Der EDSB wird sich zunächst auf die Hauptempfehlungen zu den drei Vorschlägen konzentrieren. Diese Empfehlungen beziehen sich auf die wichtigsten Probleme, die der EDSB festgestellt hat, und die in jedem Fall im Gesetzgebungsverfahren gelöst werden müssen. Die ergänzenden Empfehlungen beziehen sich auf Punkte, die einer Klärung, zusätzlicher Informationen oder geringfügiger Änderungen bedürfen. Durch diese Unterscheidung soll es dem Gesetzgeber erleichtert werden, den in dieser Stellungnahme aufgegriffenen Hauptproblemen Priorität einzuräumen.

IV.   SCHLUSSFOLGERUNG

68.

Der EDSB begrüßt die Bemühungen, die in den verschiedenen Texten im Hinblick auf den Datenschutz gemacht werden. Er sieht, dass die Kultur des Datenschutzes Teil des Gesetzgebungsverfahrens wird und auch bei der Formulierung der Vorschläge zu beobachten ist.

69.

Unter uneingeschränkter Achtung der Rolle des Gesetzgebers bei der Bewertung der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der vorgeschlagenen Maßnahmen spricht der EDSB unter Wahrnehmung seiner beratenden Funktion in dieser Stellungnahme im Hinblick auf die drei analysierten Vorschläge einige Empfehlungen zum Datenschutz und Schutz der Privatsphäre aus.

70.

Was den Dublin-Vorschlag betrifft, so äußert der EDSB Bedenken, dass die gesonderte Antragsnummer unter Umständen zu anderen Zwecken verwendet wird, beispielsweise zur Identifizierung von Personen in anderen Datenbanken, da durch sie der Vergleich der Datenbanken vereinfacht wird. Der EDSB empfiehlt, festzulegen, dass alle sonstigen Verwendungen der gesonderten Antragsnummer verboten werden.

71.

Was den Vorschlag zur Neufassung der Eurodac-Verordnung betrifft, so vertritt der EDSB die Ansicht, dass die Ausweitung des Geltungsbereichs von Eurodac im Hinblick auf den Grundsatz der Zweckbindung, der in Artikel 7 der Charta der Grundrechte der EU verankert ist, Anlass zur Sorge gibt. Der EDSB empfiehlt auch, die Arten von Maßnahmen zu präzisieren, die neben der Abschiebung und der Rückführung von den Mitgliedstaaten auf Grundlage der Eurodac-Daten getroffen werden könnten. Daher empfiehlt der EDSB, dass die Kommission eine vollumfängliche Datenschutzfolgeabschätzung des Vorschlags zur Neufassung der Eurodac-Verordnung zur Verfügung stellt, um die Auswirkungen des vorgeschlagenen Textes auf den Datenschutz zu messen.

72.

Der EDSB hat auch Bedenken, was die Aufnahme von Gesichtsbildern betrifft: Die Verordnung enthält keinen Hinweis darauf, dass eine Prüfung erfolgen würde, ob die Verwendung von Gesichtsbildern der Personengruppen, an die sich der Vorschlag für eine Neufassung der Eurodac-Verordnung 2016 wendet, erforderlich ist. Daneben ist der EDSB der Ansicht, dass in dem Vorschlag klargestellt werden sollte, in welchen Fällen ein Abgleich von Fingerabdrücken bzw. Gesichtsbildern stattfinden darf, denn aus dem Entwurf des Vorschlags für eine Neufassung scheint hervorzugehen, dass ein solcher Abgleich systematisch stattfinden kann.

73.

Der EDSB empfiehlt auch, dass zusätzlich zu der Begründung eine eingehende Bewertung der Lage der Minderjährigen sowie eine Abwägung zwischen den Risiken und Nachteilen, die die Abnahme von Fingerabdrücken für Minderjährige darstellt, und den Vorteilen, die sich für diese daraus ergeben, zur Verfügung gestellt wird. In diesem Zusammenhang sollte in der Verordnung außerdem festgelegt werden (d. h. in einem Erwägungsgrund), was mit der Abnahme von Fingerabdrücken von Minderjährigen „auf kindgerechte Weise“ gemeint ist.

74.

Was die Datenspeicherfrist betrifft, die grundsätzlich fünf Jahre beträgt, so empfiehlt der EDSB, genauer auszuführen und zu erklären, warum ein solcher Fünfjahreszeitraum in diesem Zusammenhang zur Umsetzung der neuen Zwecke der Eurodac-Datenbank als erforderlich betrachtet wird. Daneben empfiehlt der EDSB, die Datenspeicherfrist auf die tatsächliche Dauer des gegenüber einer bestimmten Person verhängten Einreiseverbots zu reduzieren. Außerdem empfiehlt der EDSB, in dem Vorschlag festzulegen, dass die Datenspeicherfrist zu dem Zeitpunkt beginnt, an dem zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat Fingerabdrücke abgenommen wurden.

75.

Schließlich empfiehlt der EDSB, nach drei Jahren alle Daten für Gefahrenabwehr und Strafverfolgungszwecke zu sperren und diesbezüglich zwischen den verschiedenen Gruppen von Nicht-EU-Bürgern keinen Unterschied mehr zu machen.

76.

Neben den oben genannten wichtigsten Mängeln betreffen die Empfehlungen des EDSB in der vorliegenden Stellungnahme folgende Aspekte:

In Bezug auf den Vorschlag zur Neufassung der Eurodac-Verordnung:

Der EDSB empfiehlt, im Text des Vorschlags zu präzisieren, dass die abschließende Verantwortung für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten bei den Mitgliedstaaten liegt, die in Übereinstimmung mit der Richtlinie 95/46/EG als „Verantwortliche“ angesehen werden.

Artikel 37 sollte neu formuliert werden, um klarzustellen, in welchen Fällen die internationale Datenübermittlung erlaubt oder verboten ist, insbesondere was die Übermittlung an den Herkunftsstaat des Bewerbers betrifft.

In Artikel 38 Absatz 1 sollte erwähnt werden, dass nur die Daten, die zum Zweck der Rückführung unbedingt erforderlich sind, von den Mitgliedstaaten übermittelt werden können.

Der Zwang zur Abnahme von Fingerabdrücken von Personen sollte verboten werden. Dies sollte in der Eurodac-Verordnung genau geregelt werden.

In diesem Zusammenhang empfiehlt der EDSB, klarzustellen, dass die Gewahrsamnahme nicht als Sanktion angewandt werden darf, wenn sich eine Person der Abnahme ihrer Fingerabdrücke widersetzt.

Die Verwendung echter Daten durch die eu-LISA für Testzwecke gibt Anlass zu ernsthaften Bedenken und sollte von der Eurodac-Verordnung nicht erlaubt werden. Die Verwendung fiktiver Daten sollte vom Gesetzgeber als Alternative in Betracht gezogen und geprüft werden, wobei die Bedrohung der Privatsphäre der Betroffenen zu berücksichtigen ist. In jedem Fall sollte der Text nicht davon ausgehen, dass biometrische Daten anonymisiert werden können, da sich diese immer auf eine Person beziehen und daher als personenbezogene Daten betrachtet werden.

Bezüglich der Verarbeitung von Informationen durch die eu-LISA empfiehlt der EDSB, dass bezüglich des Zugriffs auf die Daten durch externe Aufragnehmer angemessene Schutzklauseln festgelegt werden müssen.

Schließlich begrüßt der EDSB die Anstrengungen, die unternommen werden, um sicherzustellen, dass der Zugriff durch Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden von einer unabhängigen Stelle geprüft wird. Um jedoch die Unabhängigkeit der Prüfstelle zu gewährleisten, sollten die benannten Behörden und die Prüfstellen nicht Teil derselben Organisation sein.

In Bezug auf den Vorschlag zur Schaffung einer Asylagentur der Europäischen Union:

Der EDSB empfiehlt, festzulegen, dass den Experten der Agentur der Zugang zu den Datenbanken nur im Rahmen der Rechtsakte, die diese Datenbanken regeln, und gemäß den Datenschutzbestimmungen, erlaubt ist.

Der EDSB empfiehlt daneben, zu präzisieren, was in Artikel 30 Absatz 3 mit „Verwaltungszwecke“ gemeint ist, da alle von der Verwaltung verfolgten Zwecke unter diese Formulierung fallen könnten.

Der EDSB empfiehlt, für alle Phasen des Lebenszyklus der Ausrüstungsgegenstände, also vom Erwerb über die Lagerung und den Einsatz bis schließlich zur Entsorgung, die Verantwortlichkeiten für die Gewährleistung der Sicherheit der von der Agentur verwendeten Ausrüstung klarzustellen.

Brüssel, 21. September 2016

Giovanni BUTTARELLI

Europäischer Datenschutzbeauftragter


(1)  COM(2016) 197 final.

(2)  COM(2016) 270 final.

(3)  COM(2016) 271 final.

(4)  COM(2016) 272 final.


Top