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Document 52016AE5508

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu „Inseln in der EU: vom strukturell benachteiligten zum integrativen Gebiet“ (Sondierungsstellungnahme)

    ABl. C 209 vom 30.6.2017, p. 9–14 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    30.6.2017   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 209/9


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu „Inseln in der EU: vom strukturell benachteiligten zum integrativen Gebiet“

    (Sondierungsstellungnahme)

    (2017/C 209/02)

    Berichterstatter:

    Stefano MALLIA

    Befassung

    Sondierungsstellungnahme (maltesischer Ratsvorsitz), 16.9.2016

    Rechtsgrundlage

    Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

    Zuständige Fachgruppe

    Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt

    Annahme in der Fachgruppe

    8.3.2017

    Verabschiedung auf der Plenartagung

    29.3.2017

    Plenartagung Nr.

    524

    Ergebnis der Abstimmung

    (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

    163/1/3

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1.

    Seitens der EU müssen größere Anstrengungen zur Anerkennung der einzigartigen Herausforderungen unternommen werden, mit denen Inseln konfrontiert sind. Diese Herausforderungen können nicht allein im Rahmen der Kohäsionspolitik angegangen werden.

    1.2.

    Inseln sind in vielfacher Hinsicht strukturell benachteiligt, was häufig zu erschwerten Bedingungen für die Ausübung von Wirtschaftstätigkeiten führt. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) ist der festen Überzeugung, dass die Politik in zentralen Bereichen wie Binnenmarkt, Wettbewerb, Verkehr, ländliche Entwicklung und Fischerei sowie die EU-Initiativen und -Programme zur Flankierung der Maßnahmen in den Bereichen allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport in Bezug auf die Volkswirtschaften der Inseln flexibler umgesetzt werden müssen.

    1.3.

    Nach Ansicht des EWSA sollten die von Eurostat verwendeten Kriterien zur Definition einer Inselregion überprüft und angemessenere Kriterien angewandt werden (siehe Ziffern 2.4 bis 2.6).

    1.4.

    Besondere Aufmerksamkeit muss Menschen mit Behinderungen und generell benachteiligten Bevölkerungsgruppen geschenkt werden, da sie die Folgen der Probleme, mit denen Inseln konfrontiert sind, in der Regel stärker zu spüren bekommen als andere.

    1.5.

    Der EWSA hält es für wichtig, bei den Bemühungen zur Unterstützung der Inseln die Gewährleistung des Zugangs zu öffentlichen Dienstleistungen, die Ankurbelung eines nachhaltigen Wachstums sowie die Förderung von Vollbeschäftigung, Wettbewerbsfähigkeit und Zusammenhalt auf den europäischen Inseln in den Vordergrund zu stellen.

    1.6.

    Inseln und Inselregionen bieten häufig einzigartige Möglichkeiten für saubere Energielösungen. Der EWSA befürwortet alle in diese Richtung gehenden Anstrengungen der Kommission und unterstützt insbesondere den Übergang zu 100 % sauberen Energielösungen auf Inseln.

    1.7.

    Der EWSA unterstützt die vom Europäischen Parlament an die Kommission gerichtete Forderung, eine eingehende Studie über die den europäischen Inseln entstehenden Mehrkosten in Auftrag zu geben.

    1.8.

    Der EWSA fordert die Kommission und den Rat auf, alle Inselregionen bzw. Inseln der Mitgliedstaaten im Rahmen der Kohäsionspolitik nach 2020 im Bereich Infrastruktur als förderfähig einzustufen. Daher sollten alle Mittel, die 2014-2020 zum Abmilderung der besonderen Einschränkungen für Inseln gewährt wurden, einer Ex-post-Bewertung hinsichtlich ihrer Wirksamkeit unterzogen werden.

    1.9.

    Der EWSA ruft die Kommission zur Festlegung eines geeigneteren Rechtsrahmens betreffend die Anwendung der Beihilferegeln auf Inseln sowie in Inselregionen und Inselmitgliedstaaten auf.

    1.10.

    Der EWSA fordert die Kommission auf, die Koordinierung über die dienststellenübergreifende Arbeitsgruppe für territoriale und städtische Entwicklung zu verstärken und das Instrument der territorialen Folgenabschätzungen zu nutzen, um wichtige Rechtsvorschriften zu überprüfen und zu ermitteln, wo Bestimmungen betreffend die Insellage eingefügt werden könnten.

    2.   Insellage und Europa: allgemeiner Überblick

    Eingrenzung der Thematik

    2.1.

    Auf den europäischen Inseln leben mehr als 21 Mio. Menschen. Dies entspricht ungefähr 4 % der Gesamtbevölkerung der EU-28. Wenn man die Bevölkerung aller EU-Inseln zusammennimmt (ausgenommen die Inseln, bei denen es sich um Staaten handelt, namentlich Großbritannien, Irland, Zypern und Malta), entspräche dies dem bevölkerungsmäßig elftgrößten Land Europas (1). Die Annahme eines integrierten politischen Rahmens, mit dem die Probleme der europäischen Inseln mit Blick auf den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt angegangen werden, ist daher dringend erforderlich.

    2.2.

    Die EU muss die einzigartigen Herausforderungen, mit denen Inseln konfrontiert sind, anerkennen. In diesem Zusammenhang bedarf es Anstrengungen sowohl auf EU-Ebene als auch der Mitgliedstaaten, um das Potenzial der Inseln in der EU bestmöglich auszuschöpfen.

    2.3.

    Diese Stellungnahme soll dazu dienen, die auf EU-Ebene geführte Debatte über die Berücksichtigung der Insellage in der EU-Politik neu anzustoßen, insbesondere mit Blick auf die Kohäsionspolitik nach 2020 und die Förderung eines von der Basis ausgehenden Ansatzes mit konkreterer Beteiligung der Zivilgesellschaft und der Sozialpartner am Beschlussfassungsprozess, um Maßnahmen und Programme für die tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen zu entwickeln. Die Partnerschaft und Steuerung auf mehreren Ebenen im Sinne der Dachverordnung (2) müssen im Zeitraum nach 2020 weiter gestärkt werden.

    2.3.1.

    Ein weiteres Ziel dieser Stellungnahme ist die Formulierung geeigneter politischer Empfehlungen zur Charakterisierung des Konzepts der „integrativen Inseln“, die die Grundsätze der „Effizienz“ und „Gerechtigkeit“ als Säulen zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit und des sozialen Zusammenhalts aller Inseln in Europa in die Praxis umsetzen:

    „Effizienz“ — es gilt zu gewährleisten, dass alle Inseln sich in ihrer Entwicklung voll entfalten können;

    „Gerechtigkeit“ — es ist sicherzustellen, dass alle Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von dem Gebiet, in dem sie leben, Chancen und Zugang zu Dienstleistungen haben.

    Definition der Begriffe „Insel“ und „Insellage“

    2.4.

    Nach der Definition von Eurostat (3) ist eine Insel ein Gebiet, das folgende fünf Kriterien erfüllt: 1) Sie muss mindestens 1 km2 groß sein; 2) vom Festland mindestens 1 km entfernt liegen; 3) mindestens 50 ständige Einwohner haben; 4) es darf keine feste Verbindung zum Festland bestehen; 5) auf der Insel darf keine EU-Hauptstadt liegen.

    2.5.

    Die Inseln Europas können auch nach geografischen Gesichtspunkten, anhand der NUTS-Klassifikation (Systematik der Gebietseinheiten für die Statistik) und nach ihrer Größe eingeteilt werden.

    2.6.

    Die Insellage wird anhand von drei Dimensionen definiert: 1) geringe Größe, 2) Abgelegenheit und 3) Anfälligkeit (4).

    2.7.

    Der Umgang der EU mit der Inselproblematik ist mit dem EU-Beitritt zweier kleiner Inselstaaten, Zypern und Malta, stärker ins Blickfeld gerückt.

    2.7.1.

    2008 wurde im Grünbuch zum territorialen Zusammenhalt  (5) eine Definition des territorialen Zusammenhalts vorgeschlagen: „Es geht […] darum, die Vielfalt als Vorteil zu begreifen, der zu einer nachhaltigen Entwicklung der gesamten EU beitragen kann.“ Von dieser Warte aus kann die Insellage als Vorteil und potenzielle Entwicklungsquelle betrachtet werden.

    2.8.

    Die Kohäsionspolitik der EU für den Zeitraum 2014-2020 bildet die Grundlage für die Anpassung der EU-Programme an die Bedürfnisse benachteiligter Gebiete wie Inseln, insbesondere mit Blick auf die im Gemeinsamen Strategischen Rahmen beschriebenen territorialen Herausforderungen. Neue Instrumente zur Unterstützung integrierter territorialer Entwicklungsstrategien, die für den Zeitraum 2014-2020 eingeführt wurden, wie z. B. integrierte territoriale Investitionen und von der örtlichen Bevölkerung betriebene lokale Entwicklung müssen im Zuge der Vorarbeiten für die Kohäsionspolitik nach 2020 aus der Perspektive der Inseln weiter analysiert werden.

    2.9.

    Mit Blick auf die EWSA-Stellungnahmen Besondere Probleme der Inselgebiete und Intelligente Inseln  (6) sowie anhand der Halbzeitbewertung der Europa-2020-Strategie (7) wird deutlich, dass die kohäsionspolitischen Fördermittel in Bezug auf Inseln nicht die erwartete Wirkung gezeitigt haben. Ein Umdenken ist eindeutig erforderlich.

    2.10.

    Mit der Entschließung zu der besonderen Situation von Inseln  (8) legte das Europäische Parlament eine Grundlage für die Überarbeitung bestehender EU-Maßnahmen.

    3.   Hauptprobleme der europäischen Inseln

    3.1.

    Den Schlussfolgerungen der ESPON-Studie Euroislands  (9) zufolge ist eine kurze Beschreibung der „Stärken und Schwächen“ sowie der „Chancen und Bedrohungen“ von Nutzen, bevor die Probleme der europäischen Inseln analysiert werden, um die Herausforderungen, vor denen die Inseln in den kommenden Jahren stehen werden, besser im Zusammenhang betrachten zu können.

    3.1.1.

    Was die „Stärken“ angeht, sind die Lebensqualität, das reiche Natur- und Kulturerbe und eine starke kulturelle Identität greifbare Einflussfaktoren, die zur Schaffung neuen Wohlstands und neuer Beschäftigung auf den Inseln genutzt werden sollten.

    3.1.2.

    Was die „Schwächen“ betrifft, beeinträchtigt die Insellage unmittelbar und dauerhaft auf einige der wichtigsten Parameter für die Attraktivität der Inseln, wie z. B. Zugänglichkeit, Dienste von öffentlichem Interesse, private Dienstleistungen und Netze, größenbedingte Vorteile und Marktorganisation.

    3.1.3.

    Als „Chancen“ können die Nachfrage nach Lebensqualität, hochwertige und sichere Lebensmittel, auf bestimmte Interessen ausgerichteter Tourismus und Dienstleistungen im Wohnungswesen genannt werden. Diese Faktoren sollten genutzt und in Stärken verwandelt werden, um den wesentlichen durch die Insellage bedingten Nachteilen im Zusammenhang mit der geringen Größe, der Abgelegenheit und der Anfälligkeit zu begegnen.

    3.1.4.

    „Bedrohungen“ ergeben sich mit Blick auf den Klimawandel, die Globalisierung, Wirtschaftskrisen, steigende Energiepreise, Wasserknappheit, die Verschlechterung der Bodenqualität und die Erschöpfung der Fischbestände.

    3.2.

    Auch wenn die Probleme der europäischen Inseln aufgrund spezifischer Faktoren (10) sehr unterschiedliche Auswirkungen haben, können sie in drei Hauptkategorien aufgegliedert werden: 1) Wirtschaft der Inseln; 2) soziale Gerechtigkeit und 3) Umweltschutz.

    3.3.

    Wirtschaft der Inseln: Das Pro-Kopf-BIP liegt auf den Inseln unter dem Durchschnitt der EU-28 (11). Der Prozess der wirtschaftlichen Annäherung geht in der Regel langsamer vonstatten als in den übrigen EU-Regionen. Im Falle vieler Inseln basieren das Pro-Kopf-BIP und die Beschäftigung auf dem Tourismus und einem großen öffentlichen Sektor, was eine geringe wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit signalisiert.

    3.3.1.

    Ein großes Problem für Inselgebiete sind die hohen Transportkosten und die mangelnden Verbindungen zu anderen Gebieten. Dieses Problem muss anerkannt werden und flexibel angegangen werden, damit die Volkswirtschaften der Inseln überleben und gedeihen können. Der Rechtsrahmen, namentlich die Verordnung (EWG) Nr. 3577/92, gestattet es den Mitgliedstaaten zwar, öffentliche Dienste zur Gewährleistung regelmäßiger Verbindungen zu den Inseln bereitzustellen, doch sollte überprüft werden, wie sich diese Maßnahme tatsächlich ausgewirkt hat.

    3.3.2.

    Ein weiterer Faktor, der sich negativ auf die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit einiger Inseln auswirkt, ist der Aspekt der „Monokultur-Wirtschaft“, da einige Inselwirtschaften in einer oder nur wenigen Branchen (z. B. Tourismus) spezialisiert sind oder aufgrund ihrer geringen Größe nur begrenzt wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben können.

    3.3.3.

    Der EWSA unterstützt die vom Europäischen Parlament an die Kommission gerichtete Forderung, eine eingehende Studie/Analyse der Mehrkosten vorzunehmen, die den europäischen Inseln in Bezug auf die Systeme für den Transport von Menschen und Gütern, die Energieversorgung und den Zugang zu Märkten, insbesondere für KMU entstehen.

    3.4.

    Soziale Gerechtigkeit: In den letzten zehn Jahren haben sich aufgrund verschiedener interner und externer Faktoren (Verkehr, wirtschaftlicher Wandel, Veränderungen in Bezug auf Lebensgewohnheiten, Kulturen und Ansprüche) tiefgreifende Veränderungen hinsichtlich der sozialen Gerechtigkeit auf den europäischen Inseln ergeben. Die Wirtschaftskrise hat sich negativ auf die soziale Gerechtigkeit ausgewirkt.

    3.4.1.

    Die am wenigsten entwickelten Inseln, die tendenziell stärker unter der Bevölkerungsalterung leiden, verzeichnen einen demografischen Rückgang.

    3.4.2.

    In bestimmten Inselregionen (z. B. Inseln im Mittelmeer) hat sich die Flüchtlingsmigration auf die Standards der sozialen Gerechtigkeit ausgewirkt. In jüngster Zeit gab es auf einigen Inseln einen großen Zustrom von Migranten, die zuweilen zahlreicher waren als die einheimische Bevölkerung, die ihrerseits nicht in der Lage ist, die erforderliche Unterstützung und Hilfe zu leisten. Der EWSA fordert die Kommission auf, weiterhin die Synergien zwischen dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) und den europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESI-Fonds) zu stärken, und ermutigt die Mitgliedstaaten und Regionen, ESI-Mittel zur Unterstützung wirksamer integrationspolitischer Maßnahmen in den Bereichen Bildung, Beschäftigung, Wohnungswesen und Diskriminierungsbekämpfung zu nutzen.

    3.4.3.

    Im Rahmen der EU-Initiativen und -Programme zur Flankierung der Maßnahmen in den Bereichen allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport (z. B. Erasmus+) sollte die isolierte Lage der Inseln ebenso berücksichtigt werden wie der zuweilen bestehende Mangel an Sachverstand und Fachwissen, um eine angemessene Finanzierung und Funktionsweise des internationalen Austauschs und Zusammenwirkens zu gewährleisten.

    3.4.4.

    Menschen mit Behinderungen und generell alle benachteiligten Bevölkerungsgruppen bekommen die Folgen der oben genannten Probleme stärker zu spüren als andere. Das positive Beispiel der Kohäsionspolitik, in der zur Auflage gemacht wird, dass die Endbegünstigten dafür sorgen müssen, dass die mit Mitteln aus den ESI-Fonds finanzierten Projekte für Menschen mit Benachteiligungen zugänglich sind, sollte als Vorbild für alle EU-Politikbereiche gelten.

    3.5.

    Umweltschutz: Europäische Inseln liegen oft in Regionen, die aufgrund ihrer biologischen Vielfalt als einzigartige Orte betrachtet werden.

    3.5.1.

    Einer der Gründe hierfür sind stark fragmentierte Lebensräume. Der Artenreichtum der Land- und Meeresökosysteme vieler Inseln wird als besonders groß angesehen. Dies spiegelt sich in der Regel darin wider, dass es auf den meisten Inseln Schutzgebiete gibt.

    3.5.2.

    Die europäischen Inseln weisen einzigartige natürliche Gegebenheiten auf, doch ihre Ökosysteme sind sehr fragil und reagieren empfindlich auf menschliches Einwirken und sonstigen Druck von außen. Weitere Merkmale können wenig Ackerfläche, Dürren, steigende Meeresspiegel und Bodenerosion sein.

    3.5.3.

    Alle Inseln haben mehr oder weniger schwerwiegende Probleme im Zusammenhang mit Meeresverschmutzung, insbesondere durch den in unseren Meeren verbreiteten Plastikmüll und die davon ausgehenden Gefahren (hauptsächlich verursacht durch nicht von den Inseln ausgehende Aktivitäten), Wüstenbildung und Landschaftsschädigung, Süßwasserknappheit, Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, Abfall- und Abwasserwirtschaft.

    4.   Auf dem Weg zu „integrativen Inseln“: nächste Schritte

    4.1.

    Der Weg nach vorn zur nutzbringenden Umwandlung dieser Herausforderungen besteht in der Herstellung eines harmonischen und besseren Gleichgewichts zwischen wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit, indem ein „ganzheitlicher Ansatz“ verfolgt wird, der auf die Umsetzung der Konzepte „Inseln der Qualität“, „grüne Inseln“ und „Inseln der Chancengleichheit“ ausgerichtet ist.

    „Inseln der Qualität“ — Verbesserung von Wettbewerbsfähigkeit, Wohlstand und Zusammenhalt der europäischen Inseln

    4.2.

    Der EWSA hält es für wesentlich, ein nachhaltiges Wachstum (in wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Hinsicht) zu fördern und Vollbeschäftigung, Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und Zusammenhalt auf den europäischen Inseln zu unterstützen, um im Sinne der Förderung einer wechselseitigen Solidarität unter den Inseln sowie zwischen den Inseln und dem Festland bestimmte Wirtschaftstätigkeiten zu festigen und zu diversifizieren.

    4.2.1.

    Trotz der Beeinträchtigungen durch Größe und Insellage können die Produkte der Inseln, die ausgehend von örtlichen Ressourcen und lokalem Wissen hergestellt wurden, wettbewerbsfähig sein. Neues Wissen, Innovation und qualifizierte Humanressourcen sind die Voraussetzung für den Erfolg einer solchen Strategie, die „nischenorientiert“ sein muss.

    4.3.

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) ist der festen Überzeugung, dass die Politik in zentralen Bereichen wie Binnenmarkt, Wettbewerb, Verkehr, ländliche Entwicklung und Fischerei in Bezug auf die Volkswirtschaften der Inseln flexibler umgesetzt werden muss. Wir dürfen uns nicht ausschließlich auf die Kohäsionspolitik verlassen, um die erforderlichen Ziele zu erreichen.

    4.3.1.

    Ein vorrangiger Ansatz, den es bei der Förderung von „Inseln der Qualität“ mit Blick auf die oben genannten Politikbereiche zu berücksichtigen gilt, steht mit der Nutzung der „offenen und sozialen Innovation“ für die Schaffung neuer Beschäftigungsmöglichkeiten und Unternehmen in Zusammenhang. Auf diese Weise könnte die Attraktivität der Inseln für ihre Bewohner gesteigert werden.

    „Grüne Inseln“ — Gewährleistung von Nachhaltigkeit auf den europäischen Inseln

    4.4.

    Es ist wichtig, dass die Mitgliedstaaten das Engagement für eine nachhaltige Bewirtschaftung und Bewahrung der Umwelt durch die Nutzung der ESI-Fonds untermauern und dass die Vorzüge der Inselgebiete gestärkt werden. Wichtig ist auch die Umsetzung von Strategien für eine geringere Nutzung von Ressourcen wie Wasser, Land und Energie sowie für das Recycling von Abfällen der Wirtschaft und der örtlichen Bevölkerung.

    4.5.

    Der EWSA sieht die „Kreislaufwirtschaft“ als vorrangiges Thema für die europäischen Inseln an. Die Entwicklung eines Kreislaufwirtschaftsmodells für die europäischen Inseln wird dazu beitragen, die Volkswirtschaften der Inseln vor Risiken im Zusammenhang mit der Ressourcenversorgung und schwankenden Rohstoffpreisen zu schützen.

    4.6.

    Inseln und Inselregionen bieten häufig einzigartige Möglichkeiten für saubere Energielösungen. Die Europäische Kommission hat dies erkannt und zugesagt, die Entwicklung und Einführung der besten verfügbaren Technologien auf den Inseln und in den Inselregionen der EU zu unterstützen, u. a. durch den Austausch bewährter Verfahren in den Bereichen Finanzierung sowie Rechts- und Regulierungsrahmen (12). Der EWSA ermutigt die Kommission, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und den Inselbehörden in diese Richtung gehende Anstrengungen zu unternehmen, und bietet seine volle Unterstützung für die Umsetzung eines umfassenden Rechtsrahmens an, mit dem ein Übergang der europäischen Inseln zu 100 % saubere Energielösungen unterstützt wird.

    „Inseln der Chancengleichheit“ — Gewährleistung von Erreichbarkeit und Konnektivität für alle Bewohner

    4.7.

    Der EWSA befürwortet die Förderung einer territorialen Entwicklung auf der Grundlage eines gleichberechtigten Zugangs aller Bürgerinnen und Bürger der Inseln zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (DAI), der Zusammenarbeit zwischen den Systemen der Inseln und auf dem Festland, einer besseren Zugänglichkeit von Dienstleistungen, einer nachhaltigen Mobilität sowie der Modernisierung der Verkehrsträger und Kommunikationsinfrastrukturen.

    4.8.

    Es ist von wesentlicher Bedeutung, Umschulung und berufliche Weiterbildung zu fördern, um die vor Ort vorhandenen Humanressourcen optimal zu nutzen, gleiche Bedingungen und Chancen für Menschen mit Behinderung zu gewährleisten und das aktive Altern als strategische lokale Ressource zu unterstützen. Außerdem müssen auf den Inseln lebende junge Menschen dazu ermutigt werden, die EU-Programme zur Förderung der Mobilität für Ausbildungs- und Qualifikationszwecke wie „Erasmus +“ stärker in Anspruch zu nehmen.

    4.9.

    Die Herausforderungen, die in den nächsten Jahren von den Inseln der EU zu bewältigen sind, erfordern neben einer starken politischen Unterstützung eine intensivere Beteiligung der Zivilgesellschaft und der Sozialpartner an der Entwicklung einer „neuen Strategie für die Inseln“ sowie ein unternehmerisches System, das durch Maßnahmen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von KMU flankiert wird.

    4.9.1.

    Deshalb muss den öffentlichen und privaten Wirtschaftsakteuren, den Sozialpartnern und den verschiedenen Akteuren der organisierten Zivilgesellschaft durch Ad-hoc-Schulungsprogramme sowie organisatorische und technische Unterstützung Fachwissen über die Maßnahmen, Programme und Finanzierungsmöglichkeiten der EU vermittelt werden.

    4.10.

    Der EWSA betont, dass digitale Kapazität ein entscheidender Aspekt ist, um die Nachteile der europäischen Inseln in puncto Konnektivität auszugleichen. Es sind weitere Investitionen in IKT-Infrastrukturen und Technologien erforderlich, um eine ausreichende Verfügbarkeit öffentlicher Dienstleistungen zu gewährleisten und den Bedürfnissen aller in Inselgebieten lebenden Menschen gerecht zu werden.

    5.   Besondere Bemerkungen und Vorschläge

    5.1.

    Nach Auffassung des EWSA sollten die von Eurostat verwendeten Kriterien zur Definition von Inseln auf ihre Eignung hin überprüft werden.

    5.2.

    Der EWSA begrüßt, dass die Mitgliedstaaten nach dem Gemeinsamen Strategischen Rahmen 2014-2020 (13) dazu angehalten sind, geografische und demografische Gegebenheiten zu berücksichtigen und Maßnahmen zu ergreifen, um den besonderen territorialen Herausforderungen der einzelnen Regionen im Hinblick auf die Freisetzung ihres Entwicklungspotenzials gerecht zu werden. Dadurch leisten sie ihnen u. a. dabei Hilfestellung, möglichst wirksam ein intelligentes, nachhaltiges und breitenwirksames Wachstum zu erreichen. In diese Richtung gehende Anstrengungen müssen verstärkt werden, um konkretere Ergebnisse zu erzielen.

    5.3.

    Die größte Herausforderung für die Unterstützung der Wettbewerbsfähigkeit und des Zusammenhalts der europäischen Inseln besteht darin, ihre Attraktivität zu steigern. Den Schlussfolgerungen der Studie Euroislands  (14) zufolge müssen bei der Planung der Entwicklungsprozesse in Richtung eines intelligenten, nachhaltigen und breitenwirksamen Wachstums der europäischen Inseln zwei Hauptfaktoren in Betracht gezogen werden: die Attraktivität für Bewohner und die Attraktivität für Unternehmen.

    5.4.

    Unter Berücksichtigung der Entschließung des Europäischen Parlaments zu der besonderen Situation von Inseln und mit Blick auf die Entschließungen der Konferenz der peripheren Küstenregionen Europas (KPKR) schlägt der EWSA folgende Schritte zur Steigerung der Attraktivität vor:

    Einstufung aller Inselregionen und Inselmitgliedstaaten als weniger entwickelte Gebiete im Rahmen der Kohäsionspolitik nach 2020;

    Definition neuer und geeigneterer Kriterien für „staatliche Beihilfen“;

    Einrichtung eines mit der Inselthematik befassten Referats in der GD Regio sowie eines spezifischen Arbeitsprogramms für Inseln;

    Aufnahme von die Insellage betreffenden Bestimmungen in die wichtigsten EU-Rechtsvorschriften (soweit erforderlich).

    5.5.

    Der EWSA unterstützt den AdR in seiner Forderung nach einer intensiveren und gezielteren Unterstützung durch die Kohäsionspolitik und andere EU-Politikbereiche im Hinblick auf eine Wiederbelebung der Hafenstädte und -gebiete, einschließlich der Inseln, wobei die durch die Territoriale Agenda, die Städteagenda, die Charta von Leipzig und den Pakt von Amsterdam geschaffenen Möglichkeiten genutzt werden sollten (15).

    5.6.

    Die meisten kohäsionspolitischen Fördermittel werden vornehmlich in weniger entwickelten Regionen eingesetzt. Die Klassifizierung der Regionen im Rahmen der Kohäsionspolitik stützt sich weitgehend auf das regionale BIP, das aus einer Reihe von Gründen kein optimaler Indikator ist.

    5.6.1.

    In Anbetracht der Schlussfolgerungen des EWSA zur „Halbzeitbewertung der Strategie Europa 2020“ sollten zusätzliche Indikatoren zur Ergänzung des BIP bei der Vergabe von Strukturfondsmitteln ins Auge gefasst werden. Dies sollte im Ergebnis zu einer Aufstockung der Mittel für Inselgebiete führen. Der EWSA fordert die Kommission auf, weitere, über das BIP hinausgehende Indikatoren zu entwickeln, die der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Anfälligkeit der Inseln Rechnung tragen.

    5.6.2.

    Im Rahmen eines über das BIP hinausgehenden Ansatz könnten die europäischen Inseln als „weniger entwickelte Gebiete“ eingestuft werden. So könnten alle europäischen Inseln kohäsionspolitische Fördermittel für die Einrichtung und Umsetzung strategischer Infrastrukturen nutzen. Ferner könnte der Umfang der Hilfen für Unternehmen zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit und des Zusammenhalts dieser Gebiete aufgestockt und entsprechend ihres Attraktivitätsniveaus angepasst werden.

    5.6.3.

    Die Kommission sollte untersuchen, welchen Mehrwert ein innovatives Maßnahmenprogramm für Inseln erbringen kann, und innovative Lösungen für eine nachhaltige Entwicklung der Inseln nach 2020 ermitteln und erproben.

    5.6.4.

    Angesichts der geomorphologischen und wirtschaftlichen Merkmale einiger europäischer Inseln (Küstengebiete, Binnen- und Bergregionen) ist die Umsetzung eines innovativen Ansatzes möglich, der darauf ausgerichtet ist, die Komplementarität zwischen den ESI-Fonds sowie Synergien zwischen den Strategien zur Unterstützung von „blauem Wachstum“ und „ländlicher Entwicklung“ zu fördern.

    Brüssel, den 29. März 2017

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Georges DASSIS


    (1)  https://europeansmallislands.com/2017/02/11/the-11th-nation/.

    (2)  Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013.

    (3)  Portrait of Islands, Europäische Kommission, Eurostat, 1994.

    (4)  Insularity and economic development: a survey, Manuela Deidda, CRENOS 2014.

    (5)  Europäische Kommission, COM(2008) 616 endgültig — Brüssel, 6. Oktober 2008.

    (6)  ABl. C 181 vom 21.6.2012, S. 7, ABl. C 268 vom 14.8.2015, S. 8,

    http://www.eesc.europa.eu/?i=portal.en.ten-opinions&itemCode=40697.

    (7)  Siehe EWSA-Stellungnahme Bestandsaufnahme der Strategie Europa 2020 (ABl. C 12 vom 15.1.2015, S. 105).

    (8)  Europäisches Parlament — Straßburg, 4. Februar 2016.

    (9)  The Development of the Islands — European Islands and Cohesion Policy (EUROISLANDS) (liegt nur auf Englisch vor), EU-Programm ESPON 2013.

    (10)  Geografische Lage, Nähe zum/Entfernung vom Festland bzw. zu/von wirtschaftlichen Zentren, Klima, touristische Attraktivität, Bevölkerungszahl, Perspektiven für Landwirtschaft und Fischerei sowie allgemeiner Entwicklungsstand.

    (11)  Eurostat-Statistiken, im März 2016 erhobene Daten.

    (12)  Mitteilung Saubere Energie für alle Europäer.

    (13)  Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 („Dachverordnung“), Artikel 10 und Anhang I.

    (14)  The Development of the Islands — European Islands and Cohesion Policy (EUROISLANDS) (liegt nur auf Englisch vor), Programm ESPON 2013.

    (15)  http://cor.europa.eu/de/activities/opinions/Pages/opinions-and-resolutions.aspx.


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