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Document 52013AE1768

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Ermächtigung zu einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Finanztransaktionssteuer — COM(2013) 71 final — 2013/0045 (CNS)

ABl. C 271 vom 19.9.2013, p. 36–41 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

19.9.2013   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 271/36


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Ermächtigung zu einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Finanztransaktionssteuer

COM(2013) 71 final — 2013/0045 (CNS)

2013/C 271/06

Berichterstatter: Stefano PALMIERI

Der Rat beschloss am 28. Februar 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 113 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Ermächtigung zu einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Finanztransaktionssteuer

COM(2013) 71 final — 2013/0045 (CNS).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 24. April 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 490. Plenartagung am 22./23. Mai 2013 (Sitzung vom 23. Mai) mit 94 gegen 38 Stimmen bei 9 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt in Übereinstimmung mit den vom Europäischen Parlament (1), dem Ausschuss der Regionen (2) sowie von ihm zuvor in verschiedenen Stellungnahmen zum Ausdruck gebrachten Standpunkten (3) den Vorschlag der Kommission, die erste regionale Finanztransaktionssteuer der Welt einzuführen.

1.2

Der EWSA hätte zwar eine weltweite Finanztransaktionssteuer bevorzugt, ist aber der Ansicht, dass eine Anwendung auf regionaler Ebene (EU-11+) mittels Beteiligung von elf EU-Mitgliedstaaten (4) eine außerordentlich wichtige Gelegenheit ist, die zu einer künftig weltweiten Anwendung führen kann.

1.3

Der EWSA betont die Bedeutung der Verstärkten Zusammenarbeit als Mittel, das es den Mitgliedstaaten in einigen, in den Verträgen vorgesehenen Bereichen (5) ermöglicht, eine möglichst umfassende Vereinbarung zu treffen und die Blockade aufgrund erforderlicher Einstimmigkeit, die häufig zum politischen und wirtschaftlichen Stillstand in der EU geführt hat, zu überwinden.

1.4

Nach Auffassung des EWSA liegt eine der Stärken der vorgeschlagenen Finanztransaktionssteuer darin, dass es sich um eine Steuer mit einer breiten Besteuerungsgrundlage und zwei niedrigen Sätzen handelt, wodurch ihre negativen Verzerrungseffekte verringert werden. Er ist der Auffassung, dass die Einführung der Steuer im Gebiet der EU-11+ die Schaffung eines einheitlichen Finanzmarkts begünstigt und hält es deshalb für sinnvoll, die Steuer ab dem 1. Januar 2014 zu erheben. Jedwede stufenweise Einführung hält er für unangemessen.

1.5

Der EWSA betont, dass es im Sinne einer maximalen Wirkung der Steuer für das Wirtschaftswachstum sinnvoll ist, den Steuerertrag zur Finanzierung eines nationalen und europäischen Investitionsprogramms einzusetzen, das Wirtschaft und Beschäftigung zeitnah ankurbeln kann.

1.6

Der EWSA begrüßt insbesondere, dass die Kommission im neuen Vorschlag für die Finanztransaktionssteuer das „Ansässigkeitsprinzip“ oder „Territorialitätsprinzip“ (wie es in der ursprünglichen Fassung heißt) um das „Ausgabeprinzip“ ergänzt. Dies wurde vom Europäischen Parlament vorgeschlagen und vom EWSA in seiner diesbezüglichen Stellungnahme (6) unterstützt. Damit soll die Gefahr der Verlagerung in andere Steuergebiete beseitigt bzw. auf ein Mindestmaß reduziert werden. Der EWSA weist darauf hin, dass die kumulative Wirkung dieser Grundsätze zur Folge haben könnte, dass in bestimmten Fällen die Finanzinstitute der nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten ebenfalls der Steuer unterliegen. Deshalb hält es der EWSA für sinnvoll, diese Frage im Einklang mit den Vorschlägen des Europäischen Parlaments zu vertiefen und entsprechende Verhandlungen mit den Drittstaaten aufzunehmen, um die Erhebung der Finanztransaktionssteuer zu erleichtern.

1.7

Der EWSA hält es im Einklang mit dem Europäischen Parlament für sinnvoll, das Ansässigkeitsprinzip und das Ausgabeprinzip um das „Eigentümerprinzip“ zu erweitern. Mit diesem Prinzip kann die Umgehung der Finanztransaktionssteuer tatsächlich riskant und teuer werden, und es würde eine bessere Anwendung der Steuer gewährleisten.

1.8

Der EWSA begrüßt die von der Kommission eingefügten Änderungen, mit denen die Verwaltung der Steuer verbessert und Steuerumgehung und -hinterziehung unterbunden werden soll. Der EWSA begrüßt es, dass Primärmarkttransaktionen von Anteilen von Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) und alternative Investmentfonds (AIF) von der Steuer ausgenommen werden, um die Unternehmensfinanzierung nicht zu beeinträchtigen.

1.9

Der EWSA beklagt, dass die Bewertung der mikro- und makroökonomischen Auswirkungen der Finanztransaktionssteuer erst drei Jahre nach Inkrafttreten der betreffenden Vorschriften erfolgen soll. Er fordert, ständige Überwachungs- und Überprüfungstätigkeiten (jährliches Monitoring) seitens der Kommission durchzuführen. Dies ermöglicht eine unmittelbare Bewertung der Auswirkungen der Steuer, um ggf. erforderliche Korrekturen bei der Anwendung der Finanztransaktionssteuer rechtzeitig vornehmen zu können.

1.10

Der EWSA hatte die Folgenabschätzung, die den ursprünglichen Finanztransaktionssteuer-Vorschlag begleitete, als unzureichend kritisiert. Er begrüßt, dass die Europäische Kommission nun diesen Mangel zum Teil behoben hat Der EWSA betont, dass die Kommission ihre derzeit verfügbaren Modelle für die quantitative Bewertung der Auswirkungen des Vorschlags verbessern und sie auf die Bewertung der Annahmen alternativer Maßnahmen abstimmen muss. Insbesondere werden die Kommissionsdienststellen dazu aufgefordert, wenn möglich Schätzungen vorzunehmen, die sich auf die tatsächlichen Merkmale der konkreten Vorschläge beziehen.

1.11

Der EWSA bedauert, dass dem Eigenmittelsystem für den EU-Haushalt ein grundlegender Pfeiler fehlt, weil die Finanztransaktionssteuer nicht auf alle 27 Mitgliedstaaten angewandt wird. Dieses System sollte, wie ursprünglich in Artikel 201 des Vertrags von Rom vorgesehen, wieder die notwendige finanzielle Unabhängigkeit der EU gewährleisten.

1.12

Der EWSA betont, dass die Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten durch die erforderliche Koordinierung bei der Anwendung der Finanztransaktionssteuer die Gefahren der Steuerhinterziehung und -umgehung so gering wie möglich halten und die entsprechenden Verwaltungskosten senken müssen.

1.13

Der EWSA betont zwar, dass die Auswirkungen der Steuer auf die Pensionsfonds und die Altersversorgungsberechtigten sorgfältig überwacht werden müssen, fordert aber nicht, diese von der Finanztransaktionssteuer auszunehmen.

1.14

Der EWSA bekräftigt seine Verpflichtung, in seiner Funktion als beratende Einrichtung der Kommission, des Europäischen Parlaments und des Rates den Prozess der legislativen Umsetzung des Vorschlags der Kommission zur Einführung der Finanztransaktionssteuer kontinuierlich zu überwachen.

2.   Der Kommissionsvorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Umsetzung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Finanztransaktionssteuer

2.1

Die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Richtlinie (7) stützt sich auf den vorhergehenden Vorschlag vom September 2011 (8). Dieser Vorschlag wurde zwar im Rat nicht einstimmig angenommen, brachte indes elf EU-Mitgliedstaaten dazu, die Kommission am 28. September 2012 offiziell mit der Vorbereitung der Verstärkten Zusammenarbeit zur Anwendung einer Finanztransaktionssteuer zu beauftragen.

2.2

Nachdem die Kommission die Machbarkeit dieses Antrags untersucht und festgestellt hatte, dass eine Verstärkte Zusammenarbeit im Bereich der Finanztransaktionssteuer keine negativen Auswirkungen - weder für den Binnenmarkt, noch für die Pflichten, Rechte und Befugnisse der nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten - haben würde, fasste sie im Oktober 2012 einen Beschluss über die Genehmigung, der dem Europäischen Parlament im Dezember 2012 übermittelt und vom Rat (Wirtschaft und Finanzen) im Januar 2013 gebilligt worden ist.

2.3

Der Kommissionsvorschlag beruht im Wesentlichen auf dem ursprünglichen Vorschlag. Es wurden einige Veränderungen vorgenommen, um a) normative Klarheit zu schaffen, und b) die Vorschriften zur Bekämpfung von Missbrauch und Steuerumgehung, wie von den 11 Mitgliedstaaten gefordert, zu stärken.

2.3.1

Die drei ursprünglichen Ziele wurden bestätigt und verstärkt: a) Stärkung des Binnenmarkts mittels Angleichung unterschiedlicher nationaler Ausrichtungen; b) Gewährleistung eines angemessenen Beitrags der Finanzinstitute zu den Einnahmen der öffentlichen Hand, wie er von anderen Wirtschaftsbranchen auch geleistet wird; c) Förderung der Investitionen des Finanzsystems in die Realwirtschaft.

2.3.2

Wie im ursprünglichen Vorschlag sind eine breite Bemessungsgrundlage und niedrige Mindeststeuersätze vorgesehen: 0,1 % für Finanztransaktionen, bei denen es um Anteile, Anleihen, Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen, Geldmarktinstrumente, Wertpapierpensionsgeschäfte und Leihvereinbarungen geht; 0,01 % für Finanztransaktionen im Zusammenhang mit Derivatkontrakten.

2.3.3

Um Behinderungen des normalen Geschäftsbetriebs in der Realwirtschaft zu vermeiden, sind folgende Transaktionen von der Steuer nicht betroffen: a) laufende Finanztätigkeiten der Bürger und Unternehmen wie Kredite, Zahlungen, Versicherungsgeschäfte, Einlagen usw.; b) alle traditionellen Investmentbankaktivitäten im Zusammenhang mit der Ansammlung von Kapital oder Finanztransaktionen im Rahmen von Umstrukturierungen; c) Tätigkeiten im Bereich der Refinanzierung, der Währungspolitik und der Verwaltung öffentlicher Schulden; d) Primärmarkttransaktionen bezüglich Anteile an OGAW und Alternativen Investmentfonds (AIF). Daher werden Transaktionen mit der Europäischen Zentralbank, mit den Zentralbanken, mit der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität, dem Europäischen Stabilitätsmechanismus und Transaktionen mit der EU von der Steuer ausgenommen.

2.3.4

In dem Vorschlag wird das „Ansässigkeitsprinzip“ oder „Territorialitätsprinzip“ bestätigt, demzufolge eine Transaktion - unabhängig vom geografischen Ort, an dem die Transaktion durchgeführt wurde - der Steuer unterliegt, wenn das an der Transaktion beteiligte Finanzinstitut im Anwendungsbereich der Finanztransaktionssteuer ansässig ist bzw. im Auftrag einer dort ansässigen Einrichtung handelt.

2.3.5

Um den Versuch der Verlagerung aus den Steuergebieten für die Finanztransaktionssteuer zu unterbinden, wurde zusätzlich das „Ausgabeprinzip“ aufgenommen - wie vom Europäischen Parlament gefordert und vom EWSA unterstützt. Nach diesem Prinzip unterliegt die Transaktion der Steuer, wenn das Finanzinstrument, das Gegenstand der entsprechenden Transaktion ist, in einem der elf teilnehmenden Mitgliedstaaten ausgegeben worden ist, auch wenn die Transaktionsparteien außerhalb des Anwendungsgebiets der Finanztransaktionssteuer oder des Gebiets, an dem die Transaktion stattfindet, ansässig sind.

2.3.6

Die gleichzeitige Wirkung dieser beiden Prinzipien (das Ansässigkeitsprinzip und das Ausgabeprinzip) neutralisiert oder senkt zumindest erheblich das Risiko der Verlagerung aus dem Steuergebiet der Finanztransaktionssteuer zum Zweck der Steuerumgehung. Um die Steuer zu vermeiden, müsste ein Finanzinstitut auf seine im Finanztransaktionssteuergebiet ansässigen Kunden und den Handel mit allen in diesem Gebiet ausgegebenen Finanzinstrumenten verzichten. Es sei darauf hingewiesen, dass in diesem Gebiet immerhin zwei Drittel des BIP der Europäischen Union und 90 % des BIP des Euroraums erzeugt werden. Dadurch werden Strategien, die Interaktion mit diesem Markt zu vermeiden, hinfällig. Vielmehr ist die einheitliche Besteuerung der Finanzmärkte ein bedeutender Beitrag zur Verwirklichung des Binnenmarkts.

2.3.7

Die durch den Vorschlag erzeugten Einnahmen dürften sich Berechnungen der Kommission zufolge auf 30 bis 35 Mrd. EUR jährlich belaufen. Dies entspricht etwa 60 % der ursprünglich veranschlagten Einnahmen unter der Annahme, dass die Steuer in allen Mitgliedstaaten der EU angewendet wird (ursprüngliche Schätzung: 57 Mrd. EUR). Die Einnahmen würden sich folgendermaßen aufschlüsseln lassen: 13 Mrd. EUR würden auf Transaktionen mit Anteilen und Wertpapieren und 21 Mrd. EUR auf den Derivatehandel entfallen.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Im Laufe der letzten Jahre haben mehrere EU-Mitgliedstaaten der Einführung unterschiedlicher Arten der Besteuerung von Finanztransaktionen zugestimmt und dadurch den Gefahren einer für den Binnenmarkt schädlichen Steuervielfalt Vorschub geleistet (enge Steuerbemessungsgrundlagen und verschiedene Formen der Steuerbefreiung). Die Einführung einer übergreifenden regionalen Finanztransaktionssteuer fördert die Schaffung eines wirklich einheitlichen Finanzmarkts ohne Wettbewerbsverzerrungen und uneffiziente Steuersysteme.

3.1.1

Deshalb ist der EWSA der Auffassung, dass die Finanztransaktionssteuer gemäß den von der Kommission vorgesehenen Fristen in Kraft treten muss, und zwar am 1. Januar 2014. Formen einer stufenweisen Einführung sollten nicht vorgesehen werden, da diese aufgrund des bestehenden nationalen Rechts in den Mitgliedstaaten EU-11+ zu Verzögerungen und technischen Problemen führen könnten.

3.2

Die Einführung der Finanztransaktionssteuer auf Ebene der 27 EU-Mitgliedstaaten wäre zwar sinnvoll, erwies sich allerdings als nicht machbar. Deshalb ist ihre Einführung im Rahmen der Verstärkten Zusammenarbeit – ohne dabei negative Auswirkungen für die nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten zu haben – der notwendige Weg, um eine künftige Anwendung auf europäischer und globaler Ebene sicherzustellen.

3.3

Die Nichtanwendung der Steuer in einigen Mitgliedstaaten der EU kann mitunter zu einer Doppelbesteuerung in den nicht teilnehmenden Ländern führen. Dieses Problem betrifft nur einen kleinen Teil der Transaktionen, dem jedenfalls durch bilaterale Aufrechnungsvereinbarungen abgeholfen werden kann.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1

Der EWSA unterstreicht, dass die ursprüngliche Schätzung der langfristigen (40-jährigen) makroökonomischen Auswirkungen der Finanztransaktionssteuer auf die europäische Wirtschaft von den Dienststellen der Kommission erheblich geändert wurde. Ging man zunächst von einer negativen Auswirkung in der Größenordnung von – 1,76 % auf, so wird nun eine positive Wirkung von ca. + 1,0 % veranschlagt.

4.1.1

Die dem ursprünglichen Vorschlag beigefügte Schätzung wurde geändert, da bei der Bewertung sowohl die Wirkung der tatsächlich vorgeschlagenen Steuersätze als auch die „mildernden“ Effekte berücksichtigt wurden. Dadurch konnte die negative Auswirkung auf das BIP von – 1,76 % auf – 0,53 % sinken (9).

4.1.2

Anschließend hat die Kommission die Bewertung nochmals geändert, da die spezifischen Eigenschaften des Vorschlags nicht berücksichtigt worden waren und die Berechnung zudem auf unrealistischen Arbeitshypothesen basierte (z.B. auf der Annahme, dass alle neuen Investitionen der Unternehmen durch der Finanztransaktionssteuer unterliegende Finanzinstrumente finanziert würden). Mit dieser Korrektur wurde die konkrete langfristige Auswirkung auf das BIP weiter gesenkt und wurde nun auf – 0,28 % geschätzt. Im Rahmen dieser Untersuchung führte die Kommission eine weitere Folgenabschätzung durch, bei der auch die Wirkung im Zusammenhang mit der Verwendung der Einnahmen durch die Finanztransaktionssteuer sowohl als Ersatz für andere Formen der Besteuerung als auch als ein mögliches Instrument öffentlicher Investitionen berücksichtigt wurde. Bei dieser Bewertung, die von Einnahmen von 0,16 % des BIP ausging, ergab sich erstmals eine positive Auswirkung auf das BIP in der Größenordnung zwischen 0,2 % und 0,4 % (10).

4.1.3

Diese letzte Annahme ist jedoch immer noch als zu restriktiv anzusehen, da im Bereich der Gesamteinnahmen die Komponente der Einnahmen aus den Steuern auf Derivate nicht berücksichtigt wurden, die indes im Kommissionsvorschlag enthalten ist. Damit würden die Gesamteinnahmen von 0,16 % auf 0,4 % des BIP steigen, mit daraus resultierenden positiven Auswirkungen der Finanztransaktionssteuer auf das BIP in der Größenordnung von 1 % (11).

4.2

Aus den von der Kommission durchgeführten Untersuchungen geht hervor, dass die Wirksamkeit der Finanztransaktionssteuer für die Wirtschaft der EU am höchsten ist, wenn die Steuereinnahmen sowohl auf europäischer wie auf einzelstaatlicher Ebene für die Finanzierung eines öffentlichen Investitionsprogramms verwendet werden, mit dem Impulse für das Wirtschaftswachstums und die Beschäftigung sichergestellt werden können.

4.3

Der EWSA hat im Laufe der letzten fünf Jahre – die mit der Krise zusammenfallen – eine Reihe von Stellungnahmen vorgelegt, in denen er darauf hingewiesen hat, dass die makroökonomischen Maßnahmen auf europäischer Ebene neu austariert werden müssen, um wachstums- und beschäftigungsfreundliche Investitionen zu fördern (12). Würde die Empfehlung des EWSA befolgt, könnten die Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer mittels Finanzierung eines großen Investitionsprogramms auf nationaler und europäischer Ebene maximale Wirkung entfalten.

4.4

Nach Auffassung des EWSA liegt eine der Stärken der vorgeschlagenen Finanztransaktionssteuer darin, dass es sich um eine Steuer mit einer breiten Besteuerungsgrundlage und zwei niedrigen Sätzen handelt. Dadurch können die negativen Effekte der Steuer gering gehalten werden, die bei kleinerer Besteuerungsgrundlage und höheren Sätzen zu starken Verzerrungen auf den Märkten führen könnte. Der EWSA ist deshalb der Auffassung, dass zum einen die Ausnahmen von der Besteuerungsgrundlage und die Befreiungen von Steuerpflichtigen weitestgehend einzuschränken sind. Zum anderen fordert er die elf teilnehmenden Mitgliedstaaten dazu auf, mittels Anwendung der vorgeschlagenen Steuersätze einen Prozess einzuleiten, der zur echten und konkreten Verwirklichung des Binnenmarkts führt.

4.5

Der EWSA spricht sich für die Aufnahme des „Eigentümerprinzips“ aus. Dadurch wird eine Finanztransaktion, bei der die Finanztransaktionssteuer umgangen wird, rechtlich nicht durchsetzbar, und sie zieht keine Übertragung von Rechten an dem zugrunde liegenden Finanzinstrument nach sich.

4.6

Der EWSA ist mit der Vorgehensweise einverstanden, Transaktionen im Zusammenhang mit Anteilen an OGAW und AIF von der Bemessungsgrundlage auszunehmen, da diese Instrumente unmittelbar mit der Finanzierung der Unternehmen verbunden sind, und da dadurch den Anforderungen der Richtlinie 2008/7/EG Folge geleistet wird. Es wird betont, dass sich die voraussichtlichen Mindereinnahmen aufgrund dieser Ausnahme auf ca. 4 Mrd. EUR belaufen.

4.7

Der EWSA, dem durchaus bewusst ist, dass eventueller Druck auf die Zinssätze der öffentlichen Schulden unter Kontrolle gehalten werden muss, begrüßt den Vorschlag, die Ausnahme von der Steuer für auf dem Primärmarkt ausgegebene Staatsanleihen und die Besteuerung des Handels mit Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt beizubehalten. Er hält es für sinnvoll, diesbezügliche Transaktionen auf dem Sekundärmarkt nur dann von der Steuer auszunehmen, wenn sie von Instituten im Auftrag der staatlichen Behörden bei Vorgängen im Zusammenhang mit der Verwaltung der staatlichen Schulden durchgeführt werden.

4.8

Bezüglich der Pensionsfonds hat der EWSA bereits kundgetan, dass die Auswirkungen der Finanztransaktionssteuer auf die Pensionsfonds speziell überwacht werden müssen. Die Ausnahme von der Bemessungsgrundlage der Anteile an OGAW und AIF sowie die Ausnahme von Transaktionen mit Schuldtiteln der öffentlichen Hand auf dem Primärmarkt wirken sich angesichts der Portfoliostruktur von Pensionsfonds für diese sicherlich positiv aus.

4.9

Der EWSA betont zwar, dass die Auswirkungen der Steuer auf die Pensionsfonds und die Altersversorgungsberechtigten sorgfältig überwacht werden müssen, fordert aber nicht, diese von der Finanztransaktionssteuer auszunehmen.

4.10

Die Anwendung einer Finanztransaktionssteuer fördert langfristige Anlagestrategien für die Investitionen der Pensionsfonds, beeinträchtigt nicht die Liquidität des Systems und verringert destabilisierende Elemente wie den Hochfrequenzhandel bei Finanzgeschäften (13).

4.11

Bei der Anwendung der neuen Steuer ist insbesondere auf die Verwaltungsmodalitäten zu achten, um die Gefahren der Steuerhinterziehung und -umgehung und die entsprechenden Verwaltungskosten für die Mitgliedstaaten und die Steuerpflichtigen so niedrig wie möglich zu halten. Deshalb sollten sowohl die Mitgliedstaaten als auch die Kommission bei der Erarbeitung der entsprechenden Durchführungsbestimmungen für die Zahlungs- und Überprüfungsverfahren für die Steuer darauf achten, dass die Verwaltungskosten so gering wie möglich gehalten werden und ihre Entwicklung aufmerksam überprüft wird. Der EWSA fordert die Kommission auch auf, angesichts der Auswirkungen des Vorschlags Verfahren für die Verwaltungszusammenarbeit zwischen den Finanzinstituten der nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten und den Empfängermitgliedstaaten der Steuer vorzuschlagen.

4.12

Der EWSA hatte die dem ursprünglichen Finanztransaktionssteuer-Vorschlag beiliegende Folgenabschätzung als unzureichend kritisiert. Er begrüßt nun die Tatsache, dass die Kommission diesen Mangel behoben hat und den sieben ursprünglichen Erläuterungen zur Folgenabschätzung (14) nun eine Folgenabschätzung zum aktuellen Vorschlag (15) beigelegt hat. Der EWSA unterstreicht gleichwohl, dass die analytischen Unterlagen noch unzureichend sind, sowohl in Bezug auf die Erläuterungen der gegenwärtigen Lage der Besteuerung der Finanzmärkte als auch bezüglich der Einnahmen in den verschiedenen Staaten, insbesondere den EU11+. Vor allem wäre es sinnvoll, die möglichen Auswirkungen auf die Sparer und die Altersversorgungsberechtigten gründlicher zu bewerten. Dabei sollte den verschiedenen Annahmen bezüglich der Abwälzung der Steuer Rechnung getragen werden.

4.13

Der EWSA betont, dass die Kommission ihre derzeit verfügbaren Modelle für die quantitative Bewertung der Auswirkungen des Vorschlags verbessern und sie auf die Bewertung der Annahmen alternativer Maßnahmen abstimmen muss. Der EWSA fordert die Kommissionsdienststellen deshalb auf, wenn möglich Schätzungen vorzunehmen, die sich auf die tatsächlichen Merkmale der konkreten Vorschläge beziehen.

Brüssel, den 23. Mai 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  2010/2105(INI).

(2)  ABl. C 113 vom 18.4.2012, S. 7-10.

(3)  ABl. C 44 vom 11.2.2011, S. 81-89; ABl. C 248 vom 25.8.2011, S. 64-67; ABl. C 248 vom 25.8.2011, S. 75-80; ABl. C 181 vom 21.6.2012, S. 55-63.

(4)  Belgien, Deutschland, Estland, Griechenland, Spanien, Frankreich, Italien, Österreich, Portugal, Slowenien und Slowakei.

(5)  Der Rückgriff auf die Verstärkte Zusammenarbeit wird in Artikel 20 EUV und Artikel 326 bis 334 AEUV geregelt.

(6)  ABl. C 181 vom 21.6.2012, S. 55-63.

(7)  COM(2013) 71 final.

(8)  COM(2011) 594 final.

(9)  SEC(2011) 1102 final, Volume 1, S. 52.

(10)  Europäische Kommission, 2012, Technischer Anhang: Makroökonomische Auswirkungen.

(11)  Bewertung auf der Grundlage der Untersuchung in: Europäische Kommission, 2012, Quarterly Report on the Euro Area, Vol. 11 Nr. 3 (2012).

(12)  Um nur einige anzuführen: ABl C 133 vom 9.5.2013, S. 44, ABl. C 299 vom 4.10.2012, S. 60–71, ABl. C 181vom 21.6.2012, S. 45-51, ABl. C 248 vom 25.8.2011, S. 8-15, ABl. C 143 vom 22.5.2012, S. 10-16).

(13)  Network for Sustainable Financial Markets (Netz für tragfähige Finanzmärkte), 2012; No Exemption – The Financial Transaction Tax and Pension Funds (Keine Ausnahme – Finanztransaktionssteuer und Pensionsfonds), DIW, Dezember 2012; Financial Transaction Tax Contributes to More Sustainability in Financial Markets (Finanztransaktionssteuer – Beitrag zu tragfähigeren Finanzmärkten), Discussion Papers 1198.

(14)  Veröffentlicht am 4. Mai 2012 auf der entsprechenden Website.

(15)  SWD(2013) 28 final.


ANHANG

zu der Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Folgender abgelehnter Änderungsantrag erhielt mindestens ein Viertel der Stimmen (Artikel 54 Absatz 3 der Geschäftsordnung):

Neue Ziffer 4.7

Nach Ziffer 4.6 neue Ziffer einfügen:

Angesichts der ganz unterschiedlichen Ergebnisse, die sich bei den Analysen der Einführung einer FTS ergeben, empfiehlt der EWSA, sehr genau die Auswirkungen der Einführung dieser Steuer in denjenigen Ländern zu beobachten, die den Schritt bereits gemacht haben: Dabei gilt es zu berücksichtigen, welche Folgen eine verringerte Liquidität auf die Volatilität des Marktes mit Blick auf die Kosten spezifischer Produkte hat, die für Rückversicherungen oder aber für das Pensionssparen eingesetzt werden. Die Ausgewogenheit zwischen den tatsächlich erzielten Steuereinnahmen und den sich in Zeiten der Krise sowohl für die Unternehmen als auch für die Sparer verteuernden Finanzdienstleistungen sollte realistisch geprüft werden. Die Ergebnisse einer solchen Überprüfung sollten nach Ansicht des EWSA gründlich analysiert und weitere Schritte im Bedarfsfall rasch an die neuen Erkenntnisse angepasst werden.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen

:

64

Nein-Stimmen

:

94

Simmenthaltungen

:

25


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