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Document 52012AR0747

Stellungnahme des Ausschusses der Regionen: „Weißbuch — eine Agenda für angemessene, sichere und nachhaltige Pensionen und Renten“

ABl. C 391 vom 18.12.2012, p. 7–10 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

18.12.2012   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 391/7


Stellungnahme des Ausschusses der Regionen: „Weißbuch — eine Agenda für angemessene, sichere und nachhaltige Pensionen und Renten“

2012/C 391/02

DER AUSSCHUSS DER REGIONEN

hebt hervor, dass alle Schlüsselakteure einschließlich der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, die Zusatzrenten- und -pensionssysteme für die Mehrheit der Beschäftigten im öffentlichen Dienst verwalten, am Konsultationsprozess bei der Überarbeitung der nationalen Vorsorgesysteme beteiligt werden sollten;

unterstreicht, dass sich mehrere Aspekte der Pensions- und Rentenpolitik der EU und der Europa-2020-Strategie gegenseitig verstärken. Das Erreichen einer höheren Erwerbsquote im Rahmen der Europa-2020-Strategie trägt zur allgemeinen Tragfähigkeit der Sozialschutz- sowie Pensions- und Rentensysteme bei. Angemessene Pensions- und Rentenleistungen wiederum sind eine wesentliche Voraussetzung dafür, das in der Strategie Europa 2020 genannte Ziel der Armutsverringerung zu erreichen, denn die Älteren in der EU sind weiterhin eine sozioökonomisch schwache Gruppe. Neben einer Reform der Altersversorgungssysteme ist dabei auch eine Reihe von arbeitsmarktpolitischen Begleitmaßnahmen erforderlich, um auch in Zukunft ein angemessenes Alterseinkommen zu gewährleisten;

würde angesichts der Bedenken hinsichtlich der Transparenz und Kosten- und Gebührenbelastung bei den verschiedenen Formen der privaten Altersvorsorge eine vergleichende Untersuchung im Hinblick auf eine EU-weite Anwendung bewährter Vorgehensweisen begrüßen.

Berichterstatter

Paul LINDQUIST (SE/EVP), Vorsitzender des Stadtrates von Lidingö

Referenzdokument

"Weißbuch - Eine Agenda für angemessene, sichere und nachhaltige Pensionen und Renten"

COM(2012) 55 final

I.   POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER AUSSCHUSS DER REGIONEN

Einleitung

1.

begrüßt das Bestreben der Kommission, die erheblichen Herausforderungen anzugehen, vor denen die Renten- und Pensionssysteme vieler Mitgliedstaaten stehen;

2.

misst der Sicherstellung einer langfristig finanzierbaren und angemessenen Altersvorsorge größte Bedeutung zu, nicht nur im Hinblick auf die europäischen Wachstumsaussichten, sondern auch auf das Gemeinwohl und das Wohlergehen der Unionsbürger;

3.

ist der Auffassung, dass die langfristige wirtschaftliche Tragfähigkeit der Renten- und Pensionssysteme eine Grundvoraussetzung für sichere und angemessene Renten und Pensionen ist;

4.

betont, dass die gesetzliche Rentenversicherung auch weiterhin eine wichtige Rolle dabei spielen wird, allen Ruheständlern eine angemessene Altersversorgung zu gewährleisten;

5.

vertritt die Ansicht, dass Renten- und Pensionssysteme, die auf angemessenen Lebenseinkommen beruhen, zur Gewährleistung einer langfristig tragfähigen Altersvorsorge beitragen;

6.

betont, dass sich die Renten- und Pensionssystemen über lange Zeit je nach den im jeweiligen Mitgliedstaat bestehenden Verhältnissen entwickelt haben. Die Ausgestaltung der gesetzlichen Rentenversicherung ist deshalb Aufgabe der einzelnen Mitgliedstaaten;

7.

hebt hervor, dass alle Schlüsselakteure einschließlich der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, die Zusatzrenten- und -pensionssysteme für die Mehrheit der Beschäftigten im öffentlichen Dienst verwalten, am Konsultationsprozess bei der Überarbeitung der nationalen Vorsorgesysteme beteiligt werden sollten;

8.

gibt zu bedenken, dass in mehreren Mitgliedstaaten die Sozialpartner für die Ausgestaltung der betrieblichen Rentenversicherung zuständig sind. In diesem Fall werden eventuelle Änderungen natürlich von den Sozialpartnern vorgenommen;

9.

stellt fest, dass das Weißbuch auf Artikel 153 AEUV beruht. In erster Linie sind die Mitgliedstaaten dafür zuständig, ihre Altersversorgungssysteme zu organisieren. Die EU kann jedoch die Aktivitäten der Mitgliedstaaten im Bereich Sozialschutz unterstützen und ergänzen. Das Weißbuch enthält keinerlei konkrete Legislativvorschläge und dürfte daher keinerlei Probleme in puncto Subsidiaritätsprinzip und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aufwerfen; möchte jedoch betonen, dass alle eventuellen künftigen Legislativvorschläge zu Renten und Pensionen mit Blick auf das Subsidiaritätsprinzip sorgfältig geprüft werden müssen;

10.

unterstreicht, dass sich mehrere Aspekte der Pensions- und Rentenpolitik der EU und der Europa-2020-Strategie gegenseitig verstärken. Das Erreichen einer höheren Erwerbsquote im Rahmen der Europa-2020-Strategie trägt zur allgemeinen Tragfähigkeit der Sozialschutz- sowie Pensions- und Rentensysteme bei. Angemessene Pensions- und Rentenleistungen wiederum sind eine wesentliche Voraussetzung dafür, das in der Strategie Europa 2020 genannte Ziel der Armutsverringerung zu erreichen, denn die Älteren in der EU sind weiterhin eine sozioökonomisch schwache Gruppe (1). Neben einer Reform der Altersversorgungssysteme ist dabei auch eine Reihe von arbeitsmarktpolitischen Begleitmaßnahmen erforderlich, um auch in Zukunft ein angemessenes Alterseinkommen zu gewährleisten;

Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeitsleben und Altersvorsorge

11.

unterstützt die Ziele der Kommission, das Ruhestandsalter ggf. in Koppelung an die gestiegene Lebenserwartung anzuheben. Dies kann zur finanziellen Tragfähigkeit der Renten- und Pensionssysteme beitragen. Dies macht unterschiedliche praktische Lösungen in den verschiedenen Mitgliedstaaten erforderlich;

12.

ist der Auffassung, dass ein flexibles Ruhestandsalter dazu führen kann, dass sich mehr Personen für einen späteren Austritt aus dem Arbeitsleben entscheiden, als dies bei einem genau festgelegten Ruhestandsalter möglich wäre. Je nach den individuellen Voraussetzungen wird dadurch ein längeres Berufsleben ermöglicht;

13.

betont die Bedeutung einer höheren Beteiligung älterer Arbeitnehmer (55- bis 64-Jährige) am Arbeitsmarkt. Eine beträchtliche Erhöhung der Beschäftigungsquote (2) würde sowohl mit Blick auf das Wirtschaftswachstum als auch die verbesserte Tragfähigkeit der Altersvorsorgesysteme große Vorteile bedeuten;

14.

stellt fest, dass es bei der Beschäftigung von Frauen, Jugendlichen und Migrantinnen und Migranten ein hohes Potenzial für Steigerungen gibt, und möchte deshalb unterstreichen, wie wichtig die Erhöhung der Beschäftigungsquote in allen Altersgruppen ist. Ebenfalls wichtig ist die Verbesserung der Voraussetzungen für einen früheren Eintritt von jungen Menschen und Migranten in den Arbeitsmarkt;

15.

fordert die Mitgliedstaaten und die Arbeitgeber auf, Maßnahmen zu ergreifen, die den Verbleib älterer Arbeitnehmer am Arbeitsmarkt erleichtern und fördern;

16.

würde, soweit machbar, eine häufigere Nutzung von Altersteilzeit, sprich den stufenweisen Übergang von der Vollzeitbeschäftigung in den vollen Ruhestand befürworten;

17.

gibt zu bedenken, dass mit zunehmendem Alter auch die Wahrscheinlichkeit eingeschränkter Arbeitsfähigkeit infolge anhaltender Gesundheitsprobleme oder Behinderungen erheblich zunimmt (3). Deshalb ist es besonders wichtig, dass wirksame Umstellungs- und Anpassungsmaßnahmen für Laufbahn- und Arbeitsplatzwechsel über das ganze Arbeitsleben hinweg bestehen und lebenslanges Lernen sowie ein aktives Altern in Gesundheit gesellschaftlich gefördert werden;

18.

ist der Auffassung, dass die Behörden und die Sozialpartner weitere Maßnahmen konzipieren und durchführen sollten, um die Weiterbeschäftigung älterer Arbeitnehmer zu fördern und zu unterstützen und um die zeitliche Diskrepanz zwischen dem tatsächlichen Pensionsantritts- bzw. Renteneintrittsalter und dem Regelpensions- bzw. -rentenalter abzubauen bzw. zu beseitigen;

Zusatzaltersvorsorge

19.

ist der Auffassung, dass die betriebliche Altersvorsorge eine wichtige Ergänzung der gesetzlichen Rentenversicherung sein kann. Die EU sollte deshalb die Verbreitung bewährter Verfahren fördern, um die Entwicklung betrieblicher Vorsorgesysteme in den Mitgliedstaaten voranzutreiben und ihren Beitrag zu einem auf mehreren Säulen basierenden Pensions- und Rentensystem auszubauen;

20.

fordert die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten auf, in stärkerem Maße zu berücksichtigen, dass die Beschäftigten kleiner und mittlerer Unternehmen sowie gering qualifizierte, atypische oder strukturell prekäre Arbeitnehmer bei der betrieblichen Altersvorsorge häufig nicht im gleichen Maße berücksichtigt werden wie andere;

21.

stellt fest, dass sich die berufliche Altersvorsorge von der privaten unterscheidet. Zwischen betrieblichen Rentensystemen und Versicherungsprodukten besteht im Übrigen ein großer Unterschied. Weitere Solvabilitätsvorschriften können zu steigenden Kosten der beruflichen Vorsorgesysteme führen, ohne dass dies mit verbesserten Renten- und Pensionsbedingungen für die Beschäftigten einhergehen würde;

22.

ist der Auffassung, dass die gesetzliche Rentenversicherung, möglicherweise in Verbindung mit der betrieblichen Altersvorsorge, so bemessen sein sollte, dass die Bürgerinnen und Bürgern einen angemessenen Lebensstandard im Ruhestand aufrechterhalten können; die private Vorsorge und die Altersvorsorge gemäß der dritten Säule sollten aber auch gefördert werden;

23.

verweist auf die Möglichkeit, die Beseitigung von Hemmnissen für eine höhere Erwerbsbeteiligung anzuregen. Altersabhängige Betriebsrentenzahlungen, wie sie leistungsorientierte Systeme kennen, machen die Einstellung und Weiterbeschäftigung älterer Beschäftigter relativ teuer;

24.

gibt zu bedenken, dass bei Betriebsrenten vielfach eine bestimmte Anstellungsdauer erforderlich ist, damit Beitragszeiträume angerechtet werden können. Dabei wechseln viele jüngere Arbeitnehmer relativ häufig den Arbeitsplatz und mitunter selbst das Land. Der Ausschuss hält es für wichtig, dass diesen Arbeitnehmern die geleisteten Beitragszahlungen angerechnet werden;

25.

begrüßt grundsätzlich die Übertragbarkeit von Ruhegehaltsansprüchen und ist gespannt auf die Vorschläge der Kommission. Die Frage ist jedoch sehr komplex, da der Vielfalt der Betriebsrentensysteme in den einzelnen Mitgliedstaaten Rechnung getragen werden muss. Insbesondere darf die Bereitschaft der Arbeitgeber, Betriebsrenten zu finanzieren, nicht beeinträchtigt werden. Außerdem sind steuerliche Auswirkungen, Rechtsvorschriften über die Teilung des gemeinschaftlichen Vermögens usw. stärker zu beachten;

26.

würde angesichts der Bedenken hinsichtlich der Transparenz und Kosten- und Gebührenbelastung bei den verschiedenen Formen der privaten Altersvorsorge eine vergleichende Untersuchung im Hinblick auf eine EU-weite Anwendung bewährter Vorgehensweisen begrüßen;

Gleichstellung der Geschlechter

27.

lobt die Kommission dafür, dass sie die Empfehlung des Ausschusses (4) aufgegriffen hat, die Gleichstellungsfrage stärker zu beachten. Dieser Aspekt ist für die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften von besonderer Bedeutung, da die Frauen hier in zahlreichen Beschäftigungsbereichen in der Mehrzahl sind (5);

28.

unterstützt die von der Kommission an die Mitgliedstaaten gerichtete Empfehlung, das gleiche Ruhestandsalter für Frauen und Männer einzuführen, um geschlechtsspezifische Unterschiede abzubauen und höhere Renten und Pensionen für Frauen zu ermöglichen;

29.

vertritt den Standpunkt, dass die großen Unterschiede in der Beschäftigungsquote von Frauen und Männern im Alter von 55-64 Jahren eine besondere Beachtung von Gleichstellungsaspekten in Bezug auf ein längeres Berufsleben und das aktive Altern erforderlich machen, z.B. mittels Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und familiärer Aufgaben;

30.

betont, dass der Mangel an anderweitigen Pflegemöglichkeiten hauptsächlich für Frauen in vielen Mitgliedstaaten weitere Beanspruchungen mit sich bringt, die häufig einen vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand zur Folge haben;

31.

unterstreicht, dass eine höhere Erwerbsquote von Frauen höhere Anforderungen an den Zugang zu hochwertiger Kinderbetreuung und Altenpflege nach sich zieht. Es ist wichtig, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften über angemessene Mittel verfügen, um dieser Aufgabe nachkommen zu können;

32.

stellt fest, dass in einigen Mitgliedstaaten Frauen stärker als Männer von anhaltenden chronischen Krankheiten oder Gebrechen betroffen sind, was mit verminderter Erwerbsfähigkeit einhergeht, in anderen Mitgliedstaaten wiederum eher Männer betroffen sind. Die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften sollten deshalb die besondere Verantwortung haben, für eine gute Arbeitsumgebung zu sorgen;

33.

macht darauf aufmerksam, dass die Möglichkeit von Teilzeitarbeit z.B. während der Betreuung von Kleinkindern für viele, nicht zuletzt für Frauen, eine wichtige Voraussetzung für den Verbleib auf dem Arbeitsmarkt sein kann. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass niemand in einer unerwünschten Teilzeitarbeit steckenbleibt, was sich auf die künftigen Ruhestandszahlungen negativ auswirkt;

34.

damit der gesetzliche Elternurlaub nicht zu Abstrichen bei Renten und Pensionen führt, sollten die Mitgliedstaaten aufgefordert werden, nach Möglichkeiten zu suchen, wie solche Zeiten für die Ruhegehaltsansprüche berücksichtigt werden können. Dies sollte auch für die Wehrpflicht gelten;

Informationen

35.

meint, dass die Reformen darauf abzielen müssen, Rentensysteme zu schaffen, die langfristig Stabilität gewährleisten. Diese Reformen werden nur dann Erfolg haben, wenn sie als gerecht empfunden werden, was voraussetzt, dass die Öffentlichkeit gut über die wirklichen Probleme und die diesbezüglichen Lösungsmöglichkeiten informiert ist;

36.

betont, dass umfassende Informationen über Renten und Pensionen wichtig sind, um den Bürgerinnen und Bürgern Entscheidungen bei der Planung der Altersvorsorge zu erleichtern. Die Freizügigkeit innerhalb der EU bringt es überdies mit sich, dass immer mehr Unionsbürger während ihres Arbeitslebens Renten- und Pensionsansprüche in unterschiedlichen Ländern erwerben, was den Bedarf an umfassenden Informationen weiter erhöht;

37.

legt deshalb der Kommission nahe, die Entwicklung einer gemeinsamen Online-Plattform für umfassende Informationen über Renten und Pensionen zu erwägen;

Verschiedenes

38.

betont, dass angemessene Renten- und Pensionssysteme wichtig für das Wohl der Bürger und von entscheidender Bedeutung dafür sind, eine finanzielle Überlastung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften zu vermeiden;

39.

ersucht die Kommission, ihre künftigen Maßnahmen in diesem Bereich mit geeigneten Folgenabschätzungen zu versehen, in denen insbesondere die Folgen für die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften untersucht werden;

40.

fordert die Kommission auf zu bewerten, ob in diesem Bereich eine Koordinierung im Rahmen der offenen Koordinierungsmethode erforderlich ist, um sowohl die individuelle Freizügigkeit als auch die Tragfähigkeit der Renten- und Pensionssysteme zu fördern.

Brüssel, den 10. Oktober 2012

Der Präsident des Ausschusses der Regionen

Ramón Luis VALCÁRCEL SISO


(1)  CdR 319/2010 fin.

(2)  Laut Eurostat liegt diese Quote, wie im Weißbuch zitiert wird, in mehreren Ländern unter 40 %.

(3)  Applica, CESEP und Alphametrics (2007), "Men and women with disabilities in the EU: Statistical analysis of the LFS ad hoc module and the EU-SILC".

(4)  CdR 319/2010 fin.

(5)  Eurostat (2008): "Das Leben von Frauen und Männern in Europa: Ein statistisches Porträt".


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