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Document 52009IE1697

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Auswirkungen von sozialen Netzwerken im Internet auf Bürger und Verbraucher“ (Initiativstellungnahme)

ABl. C 128 vom 18.5.2010, p. 69–73 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

18.5.2010   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 128/69


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Auswirkungen von sozialen Netzwerken im Internet auf Bürger und Verbraucher“

(Initiativstellungnahme)

(2010/C 128/12)

Berichterstatter: Jorge PEGADO LIZ

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss auf seiner Plenartagung am 26. Februar 2009, gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

„Die Auswirkungen von sozialen Netzwerken im Internet auf Bürger und Verbraucher“.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 12. Oktober 2009 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 457. Plenartagung am 4./5. November 2009 (Sitzung vom 4. November) mit 108 gegen 2 Stimmen bei 10 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.   Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) anerkennt die kulturelle, politische und gesellschaftliche Bedeutung sozialer Netzwerke im Internet als Instrument der zwischenmenschlichen Kommunikation und Interaktion im Rahmen der Ausübung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung.

1.2.   Der Ausschuss weist zugleich auf das mit der Entwicklung dieser sozialen Netzwerke verbundene wirtschaftliche Interesse und insbesondere auf die potenzielle Nutzung für kommerzielle Kommunikations- und Marketingzwecke unterschiedlicher Art hin.

1.3.   Er stellt die positiven Aspekte der Entwicklung der sozialen Netzwerke heraus und verweist namentlich darauf, dass diese zur Gewährleistung und Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung in bestimmten politischen Situationen, zur Bildung und zum Zusammenschluss von Online-Gemeinschaften, zum (Wieder)Auffinden von Freunden und Familienangehörigen, zur Verhütung von Gefahrensituationen für Minderjährige und als Kanal für hilfesuchende Minderjährige sowie zum Informationsaustausch in Gesundheitsfragen beitragen.

1.4.   Gleichzeitig schließt sich der EWSA jedoch den warnenden Stimmen von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Verbänden, Familien und einzelnen Bürgern an, die zu Recht über die vom Missbrauch der sozialen Netzwerke ausgehenden Gefahren besorgt sind, durch die bestimmte Grundrechte missachtet werden.

1.5.   Der Ausschuss warnt insbesondere vor den Gefahren der Teilnahme Minderjähriger und anderer schutzbedürftiger Gruppen an sozialen Netzwerken, was vor allem für Menschen mit eingeschränkter digitaler Kompetenz gilt, die oft Opfer von illegalen Praktiken werden, bei denen ihre persönliche Würde verletzt und ihre körperliche oder geistige Unversehrtheit oder gar ihr Leben gefährdet wird.

1.6.   Der EWSA begrüßt die jüngsten von der Kommission, namentlich von ihren Generaldirektionen Informationsgesellschaft und Medien sowie Justiz, ergriffenen Initiativen zur Verpflichtung der Betreiber dieser Netze auf Verhaltenskodexe bzw. Verhaltensregeln.

1.7.   Der EWSA hält es jedoch für erforderlich, dass die EU und die Mitgliedstaaten stärker tätig werden, um die Bürger besser über die mit der Nutzung von sozialen Netzwerken verbundenen Risiken und über die empfohlenen Vorgehensweisen zu informieren.

1.8.   Nach Ansicht des EWSA sind zudem zusätzliche Anstrengungen erforderlich, die folgende Bereiche betreffen: bessere Bildung und Erziehung von den ersten Schuljahren an; stärkere Unterstützung der Familien, da die Internetnutzung durch Kinder und Jugendliche der elterlichen Kontrolle und Beobachtung unterliegen muss, Entwicklung technischer Hilfsmittel in Form von Zugangssperren und –filtern, bessere Risikoprävention und wirksameres Vorgehen gegen illegale oder schädliche Praktiken in diesem Bereich.

1.9.   Der EWSA vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass die jungen Menschen bei der Festlegung der Anwendungsmodelle für diese Netze und - im Falle von Streitigkeiten und Problemen - bei der Vermittlung und Beilegung direkt einbezogen werden müssen, da sie wahrscheinlich am besten in der Lage sind, auftretende Problemsituationen schnell und sicher zu erfassen und angemessene Lösungen vorzuschlagen.

1.10.   Der EWSA ruft die Kommission auf, die eingehende Untersuchung des Phänomens der sozialen Netzwerke im Internet weiterzuführen, um diese Realität umfassend zu ergründen, was insbesondere für ihre kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen sowie für ihren potentiellen Einsatz zur Förderung einer breiter angelegten Debatte zu so wichtigen Themen wie Klimawandel oder die Initiative „Europa vermitteln“ gilt.

1.11.   Der EWSA empfiehlt der Kommission, ergänzend zur Selbstverpflichtung auf Verhaltenskodexe die mögliche Einführung von Ko-Regulierungsmechanismen zu erwägen, die eine wirksame Kontrolle der Verpflichtungen zu Verhaltensregeln ermöglichen und die Prävention von Abweichungen, das Vorgehen gegen Verstöße und die wirksame Bestrafung von Regelverletzern gewährleisten. Im Hinblick auf strafrechtlich relevante Verstöße, die mittels Informationstechnologie in allen Mitgliedstaaten gleichzeitig begangen werden, könnte die EU bereits jetzt auf ein harmonisiertes und koordiniertes System der Verfolgung und Ahndung solcher Verstöße durch die zuständigen nationalen Behörden hinarbeiten.

1.12.   In diesem Kontext empfiehlt der EWSA der Kommission, in Anknüpfung an die im Juli 2008 durchgeführte öffentliche Konsultation ein Grünbuch über soziale Netzwerke im Internet zu erarbeiten, in dem die möglichen Hauptrichtungen für die künftige Untersuchung über die Auswirkungen dieser Netze festgelegt werden, wobei die einschlägigen Interessenträger - zivilgesellschaftliche Organisationen und Verbände - dazu gehört werden müssen.

1.13.   Der EWSA empfiehlt, die Möglichkeit der Einsetzung eines EU-Beauftragten (Ombudsman) für alle Fragen des Schutzes der Menschenwürde und Privatsphäre sowie des Datenschutzes im Bereich der elektronischen Kommunikation und im audiovisuellen Sektor mit dem spezifischen Aufgabengebiet soziale Netzwerke zu prüfen, wobei dazu Zuständigkeiten der einschlägigen Gemeinschaftsinstitutionen bzw. –einrichtungen ausgedehnt und zusammengefasst werden könnten.

1.14.   Der EWSA empfiehlt den Mitgliedstaaten, ihre jeweiligen Maßnahmen auf diesem Gebiet stärker zu koordinieren, um einen in sich stimmigen, einheitlichen Rechtsrahmen für diese Fragen zu schaffen, wobei entsprechende, von den bestehenden nationalen Regulierungsbehörden in abgestimmter Weise auszuübende Zuständigkeiten zu übertragen oder geeignete Regulierungsmechanismen zu schaffen sind.

1.15.   Der EWSA ruft insbesondere die Mitglieder des Europäischen Parlaments auf, diese neuen Realitäten ganz oben in ihre politische Agenda aufzunehmen und damit der wachsenden Besorgnis der Zivilgesellschaft Rechnung zu tragen.

2.   Einleitung

2.1.   Gegenstand der vorliegenden Initiativstellungnahme sind die Auswirkungen sozialer Netzwerke im Internet auf Bürger und Verbraucher. Kennzeichnend für diese Onlinedienste ist im Wesentlichen die Bildung und Ausweitung von Netzgemeinschaften für Personen mit gemeinsamen Aktivitäten bzw. Interessen oder schlicht und einfach für Menschen, die sich für die Vorlieben und Aktivitäten anderer interessieren, und auf dieser Grundlage die vom Funktionsumfang dieser Netzwerke ermöglichte Interaktion zwischen den einzelnen Benutzern (http://www.saferinternet.org/ww/en/pub/insafe/safety_issues/faqs/social_networking.htm).

2.2.   Soziale Netzwerke verzeichnen eine rasche Ausbreitung (211 Mio. Menschen, d.h. ungefähr drei Viertel aller Internetbenutzer - geschätzte Gesamtzahl 282,7 Mio. Personen - sollen diese Onlinedienste regelmäßig in Anspruch nehmen), wobei es sich bei den Benutzern im Wesentlichen um junge Menschen ab 16 handelt und bei einigen Diensten die Benutzertreue nicht sehr hoch ist. Die Kommission (1) schätzt, dass in Europa ca. 40 Mio. Menschen regelmäßig über soziale Netze im Internet kommunizieren, wobei die Nutzung im letzten Jahr um 35 % zugenommen hat und sich voraussichtlich bis 2012 mit 107,4 Mio. Nutzern mehr als verdoppeln wird.

2.3.   Zugleich sind auch die multinationalen Marken auf den Zug aufgesprungen und werben in diesem neuen Medium - mitunter unlauter - für ihre Produkte und Dienstleistungen. Und seit Obamas Wahlkampagne haben sich auch die Parteiapparate zur Nutzung dieser neuen Dienste entschlossen, wie sich bei den diesjährigen Wahlen zum Europäischen Parlament zeigte. Selbst der Vatikan ist jetzt in Facebook zu finden (Pope2you.net).

2.4.   Die Hauptmerkmale sozialer Netzwerke lassen sich kurz wie folgt zusammenfassen: von wenigen Ausnahmen abgesehen kostenlose Benutzung, schneller und exponentieller Anstieg der Benutzerzahlen, außerordentlich hoher ökonomischer Wert, Benutzerfreundlichkeit und ein Funktionsumfang, der eine Interaktion zwischen den einzelnen Benutzern des Dienstes ermöglicht.

2.5.   In der vorliegenden Stellungnahme werden die jüngsten Gemeinschaftsinitiativen aufgelistet, der bestehende Rechtsrahmen dargestellt, die mit der Benutzung von sozialen Netzwerken einhergehenden Chancen und Risiken angesprochen und Empfehlungen und Vorschläge für Maßnahmen formuliert, mit denen die Sicherheit und das Vertrauen bei den Benutzern dieser Medien gestärkt werden sollen.

3.   Auswirkungen und Risiken sozialer Netzwerke im Internet

3.1.   Soziale Netze im Internet sind ein relativ neues gesellschaftliches Phänomen, das sich auf technologischer Ebene ständig weiterentwickelt und anerkanntermaßen die Art und Weise verändert, in der die Menschen über Internet miteinander Umgang pflegen und interagieren.

3.2.   Um das volle Ausmaß des Phänomens deutlich zu machen, sei auf eine Untersuchung von ComScore verwiesen, wonach allein das soziale Netz Facebook, Rang 6 der am meisten besuchten Websites der Welt, monatlich ungefähr 275 Millionen Mal aufgerufen wird. In Europa verzeichnete Facebook in Februar 2009 ca. 100 Millionen Besucher, wobei von jeweils 100 Minuten Internetbenutzung ungefähr vier Minuten auf diese Website entfielen, was mehr als 30 % der insgesamt auf allen Websites zur sozialen Vernetzung verbrachten Zeit darstellt (im Vorjahr waren es gerade 12 %).

3.3.   Unbestritten sind die positiven Aspekte der Entwicklung dieser sozialen Netzwerke und insbesondere ihr Beitrag zu folgenden Punkten:

(i)

Gewährleistung und Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung in bestimmten gesellschaftlichen und politischen Situationen;

(ii)

Bildung und Entwicklung von Netzgemeinschaften;

(iii)

(Wieder)Auffinden von Freunden und Familienangehörigen und Schaffung einer Möglichkeit der Kommunikation mit ihnen;

(iv)

Verhütung von Gefahrensituationen für Minderjährige und Artikulationsmöglichkeiten für hilfesuchende Minderjährige;

(v)

Werbung für Güter und Dienstleistungen und Zunahme des elektronischen Handels.

3.4.   Ungeachtet der vorgenannten positiven Aspekte dürfen jedoch nicht die Risiken übersehen werden, die von der Benutzung von sozialen Netzwerken für illegale oder schädliche Zwecke ausgehen und insbesondere die Entwicklung von Minderjährigen (2) beinträchtigen können. Dazu zählen u.a.:

i)

psychologische Traumata aufgrund von Beschimpfungen über dieses Medium;

ii)

sexuelle Belästigung von Kindern und Jugendlichen;

iii)

Verbreitung von Fotos oder Videos, in denen sich Jugendliche selbst oder andere Jugendliche nackt oder halbnackt zeigen;

iv)

explizite Werbung für Prostitution und „Begleitdienste“ (Escort);

v)

wiederholte Verletzung der Privatsphäre sowie der persönlichen Ehre und Würde;

vi)

Angriffe auf die körperliche oder geistige Gesundheit der Benutzer dieser Dienste;

vii)

Aufrufe zu Gewalt, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit;

viii)

Verbreitung von totalitären faschistischen Ideologien oder Verherrlichung des Nazismus;

ix)

Selbstmord von Jugendlichen, vermutlich als Folge einer öffentlichen Verbreitung bestimmter intimer Details über diese Netze.

3.5.   Zu berücksichtigen gilt es auch die neue Generation von Technologien, welche in diesen sozialen Netzen zum Einsatz kommen. Dies gilt insbesondere für Anwendungen, welche eine geografische Zuordnung der Herkunft der Benutzer dieser Netze ermöglichen, Anwendungen mit Technologien zur Gesichtserkennung, über die eine Person einem bestimmten Benutzerkonto zugeordnet werden kann, und neue Möglichkeiten der Interaktion mit Mobiltelefonen der neuesten Generation.

3.6.   Hinzukommt die Tatsache, dass diese Art von Netzen sehr leicht zur Verbreitung von Viren verwendet werden kann. So wurde z.B. Twitter am Wochenende des 11./12. April 2009 von einem Virus befallen, der automatisch mehr als 100 000 Mitteilungen versandte und eine unbekannte Zahl von Benutzerkonten beeinträchtigte.

3.7.   Im Rahmen des Forums für ein sichereres Internet 2008 (3) legte die Kommission einen Fragebogen vor, um die Thematik „soziale Netzwerke“ einer öffentlichen Konsultation (4) zu unterziehen. In den eingegangenen Antworten (5) wurden Cyber-Mobbing, das Eindringen in die Privatsphäre und Grooming als häufigste Gefahren für Minderjährige bei der Benutzung sozialer Netze genannt.

3.8.   Im Hinblick auf das Cyber-Mobbing (6) wurde festgestellt, dass 54 % der europäischen Eltern sich Sorgen machen, dass ihre Kinder Opfer solcher Praktiken werden könnten. Mehr als 80 % der Eltern in Frankreich, Griechenland und Portugal befürchten, dass ihre Kinder bei der Benutzung von Internet oder Mobiltelefonen Ziel von Cyber-Mobbing werden könnten. In bestimmten Ländern mit einem traditionell starken Schutz der Kinderrechte und großen Traditionen in Erziehung und Bildung wie Dänemark, Schweden und Finnland zeigen die Eltern ein größeres Vertrauen in die Sicherheit ihrer Kinder bei der Internetbenutzung: 69 % von ihnen sind nicht besonders besorgt über die Möglichkeit von Cyber-Mobbing.

3.9.   Im Vereinigten Königreich kommt eine unlängst bei 2 000 Elf- bis Achtzehnjährigen durchgeführte Umfrage zu dem Schluss, dass jeder dritte Befragte Opfer von Cyber-Mobbing über soziale Netzwerke und SMS geworden ist, wobei Mädchen vier Mal häufiger als Jungen von dieser Art der Belästigung betroffen sind.

3.10.   Der Schutz der Privatsphäre ist ebenfalls ein großes Problem im Zusammenhang mit der Teilnahme an sozialen Netzwerken. Bei der 30. Internationalen Konferenz der Beauftragten für den Datenschutz und für die Privatsphäre, die vom 15. bis 17. Oktober 2008 in Straßburg stattfand, wurde eine Entschließung über den Schutz der Privatsphäre in sozialen Netzwerken (7) verabschiedet, deren Empfehlungen besondere Berücksichtigung und Erwägung verdienen.

3.11.   In der Selbstverpflichtungserklärung „Sichere Grundsätze für das Social Networking in der EU“ (Safer Social Networking principles for the EU) (8), die am 10. Februar 2009 von den wichtigsten in Europa tätigen Anbietern sozialer Netzwerke unterzeichnet wurde und der bislang zwanzig Anbieter beigetreten sind, wurden die potentiellen Risiken für unter-18jährige Nutzer solcher Websites klar herausgearbeitet: Mobbing (Mobbing von Kindern im Internet oder per SMS), psychologische Manipulation (freundschaftliche Annäherungsversuche von Erwachsenen gegenüber Kindern mit dem Ziel des sexuellen Missbrauchs) und riskante Verhaltensweisen wie die unrechtmäßige Abschöpfung personengebundener Daten für illegale Zwecke.

4.   Anhörung auf EWSA-Initiative

4.1.   Die Art dieses gesellschaftlichen Phänomens und seine rasche Entwicklung ließen es ratsam erscheinen, im Zuge der Ausarbeitung dieser Stellungnahme eine Anhörung durchzuführen, die im EWSA stattfand und an der neben Vertretern des Rates, der Kommission, der ENISA, des Europäischen Datenschutzbeauftragten sowie der zuständigen nationalen Behörden einige der repräsentativsten Interessenträger im Hinblick auf die Betreibung und Nutzung sozialer Netzwerke - NGO und Verbraucher - teilnahmen.

4.2.   Die schriftlichen Antworten auf den vorab versandten Fragebogen, die verschiedenen dargelegten Standpunkte und die lebhafte Gegenüberstellung von Ideen und Vorschlägen (Zusammenfassung auf der EWSA-Website unter: http://www.eesc.europa.eu/sections/ten/index_en.asp?id=7000tenen) trugen maßgeblich und in äußerst positiver Weise zur Abfassung der vorliegenden Stellungnahme bei und zeigen sehr gut, wie wichtig solche direkten Konsultationen der zivilgesellschaftlichen Interessenträger für die Formulierung von Anregungen und Empfehlungen an die Adresse der politischen Entscheidungsträger und - im konkreten Fall der sozialen Netzwerke - an die Adresse der Anbieter und Nutzer sind.

4.3.   Hervorzuheben ist die weitgehende Übereinstimmung zwischen den Standpunkten der anwesenden Vertreter der Kommission und des Europäischen Datenschutzbeauftragten und dem Gros der in dieser Stellungnahme vorgebrachten Vorschläge. Zu nennen sind auch die wesentlichen Fortschritte, die die Kommission im Hinblick auf eine bessere Festlegung bzw. Konkretisierung einiger Ziele im Rahmen derzeit laufender oder geplanter Initiativen erreicht hat, was für die Zukunft eine äußerst fruchtbare interinstitutionelle Zusammenarbeit verheißt.

5.   Erforderliche Maßnahmen und zu erwartende Ergebnisse

5.1.   Der EWSA anerkennt und begrüßt die Arbeit, die die Kommission bereits auf dem Gebiet des Jugendschutzes bei der Benutzung des Internet geleistet hat, und bekräftigt damit seinen Standpunkt, den er schon 2008 in seiner Stellungnahme zu dem Vorschlag über ein mehrjähriges Gemeinschaftsprogramm zum Schutz der Kinder bei der Nutzung des Internet und anderer Kommunikationstechnologien (9) vorgebracht hatte.

5.2.   Der Ausschuss anerkennt zudem, dass die weiter oben genannte Selbstverpflichtungsinitiative zur rechten Zeit kommt und vor allem aufgrund der darin vorgeschlagenen Maßnahmen zur Minimierung der größten Risiken sinnvoll ist.

5.3.   Im Zusammenhang mit der Durchführung des Programms „Sichereres Internet (2009-2013)“ betont der Ausschuss, dass der Dialog mit den an sozialen Netzwerken beteiligten Kreisen verstärkt werden muss, wobei insbesondere die Beteiligung der Jugend an der Diskussion, Entwicklung und Umsetzung von Lösungen für eine sicherere Nutzung des Internet gefördert werden muss.

5.4.   Der EWSA vertritt die Auffassung, dass die jungen Menschen bei der Festlegung der Anwendungsmodelle für diese Netze und - im Falle von Streitigkeiten und Problemen - bei der Vermittlung und Beilegung direkt einbezogen werden müssen, da sie wahrscheinlich am besten in der Lage sind, auftretende Problemsituationen schnell und sicher zu erfassen.

5.5.   Der EWSA schlägt vor, dass die Möglichkeit der Entwicklung eines internationalen oder europäischen Lehrplans für die Ausbildung von Beratern und Therapeuten für Opfer von Online-Praktiken - insbesondere von Cyber-Mobbing oder Cyber-Grooming - geprüft werden sollte. Der Ausschuss regt zudem an, im Rahmen des Programms „Sichereres Internet“ Initiativen für die Beratung im Allgemeinen und für Online-Beratungsdienste im Besonderen sowie die Aufstellung von Präventivprogrammen für Kinder und Jugendliche vorzusehen.

5.6.   Ebenfalls im Zuge der Durchführung des Programms „Sichereres Internet (2009-2013)“ sollten nach Auffassung des EWSA Initiativen zur Förderung der digitalen Kompetenz, vor allem im Hinblick auf die sichere Benutzung sozialer Netzwerke, aufgelegt werden, die sich nicht nur an Kinder und Jugendliche, sondern an alle Bevölkerungsgruppen und insbesondere an die Eltern, die ja für die Erziehung verantwortlich sind, und auch an ältere Menschen richten.

5.7.   Außerdem sollten die Anbieter sozialer Netzwerke nach Ansicht des EWSA ihre Selbstverpflichtungsinitiativen - vornehmlich auf dem Gebiet des Jugendschutzes - fortsetzen, wobei allerdings ihre tatsächliche Einhaltung von unabhängiger Stelle kontrolliert werden muss und die Möglichkeit bestehen sollte, gesetzlich ein Mindestschutzniveau festzulegen.

5.8.   Der EWSA spricht sich überdies dafür aus, diese Selbstregulierungssysteme sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene in Richtung von Ko-Regulierungsmechanismen unter Beteiligung der Regulierungsbehörden weiterzuentwickeln, um die tatsächliche Einhaltung der Vereinbarungen, die Prävention und Ahndung von Verstößen sowie die Bestrafung von Regelverletzern durch die anderen Anbieter zu gewährleisten.

5.9.   Der EWSA begrüßt und befürwortet den Großteil der Empfehlungen, die in der Entschließung zum Datenschutz in sozialen Netzwerkdiensten - verabschiedet von der 30. Internationalen Konferenz der Beauftragten für den Datenschutz und für die Privatsphäre am 17. Oktober 2008 in Straßburg (10) - und in der Stellungnahme der „Artikel 29“-Datenschutzgruppe zu sozialen Netzwerken im Internet (11) enthalten sind, und ruft die Kommission auf, diese Empfehlungen zu übernehmen und die Anbieter und Betreiber darauf zu verpflichten.

5.10.   Der EWSA hält zudem zusätzliche Anstrengungen im Hinblick auf eine bessere Aufklärung und Erziehung von den ersten Schuljahren an für notwendig, um die Risikoprävention und die Art und Weise der Nutzung dieser sozialen Netze zu verbessern. Dazu sollten auf Gemeinschaftsebene und in den einzelnen Mitgliedstaaten Aufklärungskampagnen gestartet werden. Eine in diesem Zusammenhang äußerst sinnvolle Ergänzung zu den Initiativen im Rahmen des Programms „Sichereres Internet“ wäre die Entwicklung eines „eYouGuide“ als spezifischer Leitfaden für die Teilnehmer an sozialen Netzwerken. Dabei handelt es sich um eine Website, die die Rechte der Teilnehmer sozialer Kommunikationsnetze auflistet und die Meldung von Missbrauch sowie die Beilegung von Streitigkeiten auf gesamteuropäischer Ebene ermöglicht, d.h. um ein einheitliches Forum für die „Verwaltung“ der Nutzerrechte, die Bewertung der Koordination auf Gemeinschaftsebene, die Diskussion über mögliche Eingriffe und Maßnahmen und die Evaluierung der Zusammenarbeit zwischen den einzelstaatlichen Behörden.

5.11.   Der EWSA vertritt überdies die Auffassung, dass die nationalen und gemeinschaftlichen FuE-Programme sowie die Anbieter und Betreiber selbst mehr in die Entwicklung und Vervollkommnung der technischen Lösungen für Zugangsfilter und -sperren investieren sollten, da diese den Familien eine umsichtige und zugleich wirksame Anwendung des Vorsorgeprinzips ermöglichen.

5.12.   Angesichts der Art dieses Phänomens und seiner dynamischen Entwicklung würde es der EWSA begrüßen, wenn die Kommission ein Grünbuch erarbeitete und darin die Ergebnisse der im Juli 2008 durchgeführten öffentlichen Konsultation auswertete, die möglichen Hauptrichtungen für die künftigen Arbeiten zur Untersuchung der Auswirkungen dieser Netze festlegte und dazu eine umfassende Anhörung der einschlägigen Unternehmen, Fachleute, Wissenschaftler und beteiligten zivilgesellschaftlichen Organisationen und Verbände durchführte.

5.13.   In diesem Zusammenhang sollte die Möglichkeit geprüft werden, im Ergebnis einer stärkeren Zusammenarbeit und engeren Abstimmung der einzelstaatlichen Maßnahmen einen EU-weit einheitlichen Rechtsrahmen festzulegen. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die vertraglichen Bedingungen für die Teilnahme an sozialen Netzwerken, die regelmäßig missbräuchliche Klauseln - insbesondere über das anwendbare Recht und den Gerichtsstand - enthalten.

Da es sich hierbei im Wesentlichen um ein internationales Phänomen handelt - für die wichtigsten sozialen Netzwerke sind außerhalb der EU-Grenzen liegende Gerichtsbarkeiten zuständig -, hält der EWSA die wirksame Förderung folgender Maßnahmen für sehr wichtig:

5.14.1.   Die Festlegung von Verhaltensgrundsätzen und Verhaltensregeln für soziale Netzwerkdienste und insbesondere für international operierende soziale Netzwerke für die Zielgruppe der Minderjährigen.

5.14.2.   Die Institutionalisierung der Kontrolle der Einhaltung dieser Regeln, die aufgrund der Art der Dienste zwangsläufig grenzüberschreitend erfolgen muss.

5.14.3.   Eine stärkere und flexiblere Zusammenarbeit der Europäischen Union mit europäischen und nichteuropäischen Drittländern auf politischer und operationeller Ebene, um die Risiken und Probleme im Zusammenhang mit der Nutzung sozialer Netzwerke zu ermitteln, nach optimalen Lösungen zur Bewältigung dieser Probleme zu suchen und, soweit das der internationale Rechtsrahmen zulässt, Situationen zu unterbinden, bei denen die Rechte der Bürger bzw. Verbraucher verletzt werden.

5.15.   Der EWSA unterstreicht zudem die Notwendigkeit einer wirksamen internationalen Zusammenarbeit und Koordination zwischen den Beteiligten, damit die für eine sicherere Nutzung des Internet (12) notwendigen Maßnahmen möglichst große Wirkung entfalten. Dazu ist ein proaktiver internationaler Ansatz notwendig, um die Verbreitung und den Austausch von Kenntnissen, die Abstimmung bei der Rechtsetzung und Rechtsdurchsetzung und die Bereitstellung der für die Umsetzung der notwendigen Maßnahmen erforderlichen Finanzmittel in und außerhalb der EU zu gewährleisten.

5.16.   Der EWSA bekräftigt zudem die Notwendigkeit, dass die Mitgliedstaaten die Übereinkommen des Europarates zur Bekämpfung von Computer-Kriminalität sowie zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch (13) ratifizieren, da dies eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass die Europäische Union auf internationaler Ebene als einheitlicher Block auftreten kann.

5.17.   Abschließend wirft der EWSA die Frage auf, ob parallel zu den oben genannten Initiativen nicht die Möglichkeit der Einsetzung eines EU-Beauftragten (Ombudsman) für alle Fragen im audiovisuellen Bereich und damit auf dem Gebiet der sozialen Netze - Schutz der Privatsphäre und Datenschutz, Schutz der Menschenwürde, Widerspruchs- und Berichtigungsrecht sowie Meinungsfreiheit - erwogen werden sollte, indem auf verschiedene Stellen verteilte Zuständigkeiten zusammengefasst und ausgedehnt werden. Dieses Amt könnte nach dem Vorbild des kanadischen Privacy Commissioner geschaffen werden, der unlängst kraft seiner weitreichenden Befugnisse im Zusammenhang mit Facebook und einem vermuteten unrechtmäßigen Behalt personenbezogener Daten tätig wurde, worüber die Medien berichteten (14).

Brüssel, den 4. November 2009

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Mario SEPI


(1)  IP/09/232 Brüssel, 10. Februar 2009.

(2)  Siehe dazu insbesondere den Bericht der Europäischen Agentur für Netz- und Informationssicherheit (ENISA) „Security Issues and Reccomendations for Online Social Networks“ (www.enisa.europa.eu/doc/pdf/deliverables/enisa_pp_social_networks.pdf).

(3)  http://ec.europa.eu/information_society/activities/sip/events/forum/forum_sepet_2008/index_en.htm.

(4)  http://ec.europa.eu/information_society/activities/sip/policy/consultations/ageverif_sns/index_en.htm.

(5)  http://ec.europa.eu/information_society/activities/sip/docs/pub_consult_age_rating_sns/summaryreport.pdf.

(6)  Flash-Eurobarometer-Umfrage 2008: „Auf dem Weg zu einer sichereren Nutzung des Internets für Kinder in der EU - aus dem Blickwinkel der Eltern“, http://ec.europa.eu/public_opinion/flash/fl_248_en.pdf.

(7)  Entschließung über den Schutz der Privatsphäre in sozialen Netzwerken, http://www.privacyconference2008.org./adopted_resolutions/STRASBOURG2008/resolution_social_networks_en.pdf.

(8)  „Safer Social Networking principles for the EU“, http://ec.europa.eu/information_society/activities/social_networking/eu_action/selfreg/index_en.htm#self_decl.

(9)  ABl. C 224 vom 30.8.2008, S. 61.

(10)  Die Empfehlungen können im Wortlaut abgerufen werden unter: http://www.privacyconference2008.org/adopted_resolutions/STRASBOURG2008/resolution_social_networks_de.pdf.

(11)  Stellungnahme 5/2009 vom 12.6.2009 zur Nutzung sozialer Online-Netzwerke.

(12)  Dieser Standpunkt wurde von Janos Tóth, Vorsitzender der Fachgruppe TEN des EWSA, bei der öffentlichen Präsentation zum Thema „Schutz der Kinder bei der Internetnutzung“ am 5.5.2009 vertreten (http://www.eesc.europa.eu/sections/ten/index_en.asp?id=4300003tenen).

(13)  http://conventions.coe.int/Treaty/Commun/QueVoulezVous.asp?NT=201&CM=8&DF=05/10/2009&CL=GER.

(14)  Zum kanadischen Amt des Beauftragten für die Privatsphäre: http://www.priv.gc.ca/aboutUs/mm_e.cfm#contenttop; zu seiner jüngsten Intervention im Zusammenhang mit Facebook: http://www.priv.gc.ca/media/nr/-c/2009/nr-c_090716_e.cfm.


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