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Document 52009AE1722

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Lissabon-Strategie nach 2010“ (Sondierungsstellungnahme)

ABl. C 128 vom 18.5.2010, p. 3–9 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

18.5.2010   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 128/3


457. PLENARTAGUNG AM 4./5. NOVEMBER 2009

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Lissabon-Strategie nach 2010“

(Sondierungsstellungnahme)

(2010/C 128/02)

Hauptberichterstatter: Wolfgang GREIF

In einem Schreiben vom 23. Juli 2009 ersuchte der spanische Staatssekretär für die Europäische Union des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten und Zusammenarbeit, Diego López Garrido, Mitglied der spanischen Regierung, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um eine Sondierungsstellungnahme zu folgendem Thema:

„Die Lissabon-Strategie nach 2010“.

Die Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt (Beobachtungsstelle für die Lissabon-Strategie) wurde mit den Vorarbeiten zu dieser Stellungnahme beauftragt.

Angesichts der Natur der Arbeiten bestellte der Ausschuss auf seiner 457. Plenartagung am 4./5. November 2009 (Sitzung vom 4. November 2009) Herrn GREIF zum Hauptberichterstatter und verabschiedete mit 178 gegen 6 bei 15 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1.   In dieser Stellungnahme werden politische Empfehlungen präsentiert, denen aus Sicht des EWSA bei der Konzeption einer neuen Europäischen Strategie für die Zeit nach 2010 Priorität zukommt. Dabei müssen die tiefgreifenden wirtschaftlichen, sozialen und politischen Implikationen der aktuellen Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise beachtet werden. Es sollen Eckpunkte jenes Politikwechsels identifiziert werden, der notwendig erscheint, um „aus der Krise heraus“ eine Dynamik für nachhaltiges Wachstum, Beschäftigung und sozialen Zusammenhalt zu gewährleisten sowie sicherzustellen, dass sich Krisen, wie die aktuelle, nicht wiederholen können.

1.2.   Diese Stellungnahme wurde von der im EWSA eingerichteten Beobachtungsstelle für die Lissabon-Strategie unter aktiver Beteiligung der nationalen Wirtschafts- und Sozialräte (WSR) vorbereitet. Die vielfältigen auf den gemeinsamen Sitzungen eingebrachten Diskussionsbeiträge – oft auch kontroverser Art – unterstreichen die politische Qualität und die zivilgesellschaftliche Relevanz der jetzt unterbreiteten Empfehlungen.

1.3.   Der in dieser Stellungnahme dargelegten gesamteuropäischen Perspektive werden nationale Kapitel beigefügt, die auf Basis eines Fragenkatalogs hinsichtlich a) einer Analyse des aktuellen Lissabon-Zyklus (2008-2010); b) der Zukunft der Lissabon-Strategie nach 2010; unter Eigenregie der nationalen Delegationen (1) erarbeitet wurden. Das interaktive Netz, das der EWSA mit den nationalen WSR und anderen vergleichbaren Partnerorganisationen aufgebaut hat, legt somit erneut (2) einen Integrierten Bericht vor, der in die politische Entscheidungsfindung der Europäischen Institutionen im Hinblick auf den Frühjahrsgipfel des Europäischen Rates 2010 einfließen soll.

2.   Bewertung der Lissabon-Strategie

2.1.   Lissabon 2000 - ein ganzheitlicher Ansatz, der breite Unterstützung fand

2.1.1.   Im März 2000 legte der Europäische Rat ein ambitioniertes Reformprogramm für Europa vor. Ziel dieser Lissabon-Agenda war es, die Union bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt zu machen - einem Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen.

2.1.2.   Ergänzt um die Dimension der nachhaltigen Entwicklung (Strategie von Göteborg) wurde damit eine breit angelegte Strategie entwickelt. In zahlreichen Politikbereichen wurden quantifizierbare Ziele formuliert, die mittels der Offenen Methode der Koordinierung (OMK) in den Mitgliedstaaten greifen sollten.

2.1.3.   Der EWSA hat diesen ganzheitlichen Politikansatz stets für den bemerkenswerten Vorzug der Lissabon-Strategie gehalten, vor einer verengten Auslegung gewarnt und auf ein ausgeglichenes Verhältnis der drei Pfeiler gedrungen.

2.2.   Relaunch 2005 - inhaltliche Fokussierung und Konzentration auf nationale Umsetzung

2.2.1.   In einigen Bereichen konnten mehrere EU-Länder ihre Performance verbessern. So stiegen etwa die Beschäftigungsquoten generell an. Auch beim Breitbandausbau, bei der Teilnahme an Weiterbildung, beim Bildungsstand Jugendlicher sowie in anderen Bereichen gab es Fortschritte (3). Trotzdem lagen viele Länder bereits „zur Halbzeit“ in nicht wenigen Bereichen deutlich hinter den gesetzten Ambitionen zurück.

2.2.2.   Vor diesem Hintergrund kam es 2005 zur Manöverkritik, die den Ansatz der Partnerschaft zwischen europäischen und nationalen Akteuren in den Mittelpunkt rückte. Konzentration wurde auf nationale Umsetzungsmaßnahmen gelegt, begleitet von einer inhaltlichen Fokussierung auf „Wachstum und Beschäftigung“. Teile des breiteren Zielkatalogs, z.B. der soziale Pfeiler, gerieten zugunsten leichterer Vermittelbarkeit und eines stringenteren wirtschaftlichen Ansatzes teilweise in den Hintergrund. Der Ansatz, den Mitgliedstaaten mehr Verantwortung bei der Formulierung länderspezifischer Pläne und Ziele aufzuerlegen und somit die Konzentration auf nationale Reformen zu legen, wurde jedoch nicht durch die Förderung eines angemessenen wirtschaftlichen und sozialen Rahmens auf europäischer Ebene begleitet.

2.2.3.   Trotz neuerlicher Fortschritte (4) blieben viele Staaten jedoch weiter hinter den gesetzten Ansprüchen zurück. In vielen Bereichen werden die Ziele bis 2010 bestenfalls im EU-Schnitt erreicht sein, nicht jedoch in allen Mitgliedstaaten. Das betrifft etwa das 3 %-Ziel bei Forschung und Entwicklung, wo die meisten EU-Länder, aber auch die EU als Ganzes kaum Fortschritt verzeichnen konnte, ebenso wie bei der Reduktion der Treibhausgasemission. Auch bei den Beschäftigungszielen konnten nur teilweise Fortschritte erzielt werden, etwa bei der Frauenbeschäftigung, da gleichzeitig Teilzeitarbeitsplätze, (z.T. nicht selbst gewählte) Zeitarbeit (5) sowie niedrig bezahlte Jobs, oft mit nicht standardisierten Arbeitsverträgen, signifikant zugenommen haben.

2.3.   Weiter wie bisher oder braucht Europa eine neue Agenda?

2.3.1.   Die mangelnde Erreichung der Lissabonner Ziele ist nach allgemeiner Meinung eine Folge des Fehlens, v.a. einer konsequenteren Politik der Mitgliedstaaten, um die gesetzten Ziele zu erreichen, und der zu geringen Anreize durch die OMK für nationales und gemeinschaftliches Engagement. Ebenso ursächlich ist das Fehlen eines europäischen Rahmens zur makroökonomischen Politik sowie zur Sozialpolitik, der es den EU-Ländern überhaupt erst ermöglicht, die richtigen Reformen in koordinierter Weise umzusetzen und die gesteckten Ziele zu erreichen sowie zu verhindern, dass die nationalen Reformen in Konkurrenz zueinander stehen. Darüber hinaus hat der EWSA mehrfach mangelnde gemeinsame Verantwortung festgestellt, die er nicht zuletzt auch in einer defizitären Einbindung der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft begründet sieht.

2.3.2.   Der EWSA plädiert für die Fortführung einer globalen und ganzheitlichen Strategie nach 2010. Er ist aber auch der Auffassung, dass weder ein „Zurück zu Lissabon 2000“ noch „ein Mehr vom Selben ggf. etwas ökologischer“ die adäquate Antwort auf die aktuellen Herausforderungen ist. Das Gebot der Stunde lautet, nachhaltige Wege zu beschreiten, mit denen Wettbewerbsfähigkeit, FuE und Innovation mit dem innovativen Potenzial eines sozialen und nachhaltig wirtschaftenden Europas sowie dem Konzept der „guten Arbeit“ (6) verknüpft sind. Darüber hinaus stellt die aktuelle Krise in vieler Hinsicht einen Bruch dar und verlangt nach neuen Optionen, wie etwa einer effektiven Regulierung der Finanzmärkte, einer radikalen Neuausrichtung in Richtung Ressourcen schonender und CO2-armer Produktion und Konsumtion sowie Investitionen in die Innovation öffentlicher Dienste, um den Menschen Sicherheit zu geben und das Vertrauen in die EU wiederzugewinnen.

2.3.3.   Aktuelle Herausforderungen wie die Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise sowie die resultierenden sozialen Probleme, die Globalisierung der Wirtschaft, die Verbesserung der Funktionsweise des Binnenmarktes, Energiepolitik und Klimawandel, demografische Tendenzen und Migration erfordern auf europäischer Ebene eine neue umfassende Strategie nach 2010, die a) diesen Herausforderungen begegnet, b) Defizite in der Umsetzung beseitigt, c) in gemeinsamer europäischer Verantwortung getragen wird und d) sämtliche EU-Strategien kohärent zu verknüpfen vermag (Recovery Strategy, Lissabon Strategie, Nachhaltige Entwicklung, Klimawandel). Der EWSA schlägt vor, diese strategische Neuausrichtung auch durch einen anderen Namen für diese neue europäische Strategie sichtbar zu machen.

3.   Politische Empfehlungen: Europäisch Denken und Handeln durch europäische Projekte

3.1.   Europäischen Rahmen für Erfolg versprechende Reformprogramme herstellen: Obgleich die EU-Länder die Hauptverantwortung für die Implementierung tragen, bedarf es eines adäquaten europäischen Rahmens, der es ermöglicht, die angestrengten Strukturreformen koordiniert und konsequent umzusetzen. Eine Evaluierung der nationalen Reformen auf europäischer Ebene und ihrer Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung, die Verteilung von Vermögen und Einkommen und den sozialen Zusammenhalt ist umgehend notwendig. In diesem Zusammenhang gilt es auch einige spezifische EuGH-Urteile (Vaxholm, Viking, Rüffert und Luxembourg) eingehend zu überprüfen und eventuell geeignete und konkrete Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer einzuführen, um klarzustellen, dass wirtschaftliche Freiheiten und Wettbewerbsregeln soziale Grundrechte nicht in Frage stellen.

Wachstumsfokus in der EU-Politik durch Schaffung eines adäquaten wirtschaftspolitischen Rahmens stärken: Das angestrebte und der Strategie immanent zugrundeliegende Wachstumsziel von jährlich 3 % wurde lediglich zweimal erreicht. Die Finanzkrise und die mangelhafte Schockresistenz der EU-Wirtschaft zeigen die Notwendigkeit einer wirtschaftspolitischen Neuausrichtung. Ein ausgewogener makro-ökonomischer Mix, der angebotsorientierte mit nachfrageorientierter Wirtschaftspolitik in einer ausgeglichenen Art und Weise verknüpft, muss aus Sicht des EWSA zu einem integralen Bestandteil der Post-2010-Strategie werden. Auch die Qualität des angestrebten Wachstums ist wichtig. Das grundlegende Ziel ist das Wachstum des Wohlergehens. Das BIP an sich ist keine Messgröße für das Wohlergehen, daher muss ein besserer Indikator (bzw. ein Indikatorsatz) für das Wohlergehen herangezogen werden, um ein zufriedenstellenderes und kohärenteres Wachstumsziel für die neue Strategie aufzustellen und dann die Feinabstimmung vorzunehmen.

3.2.1.   Lösung der Finanzmarktkrise und soziale Herausforderungen: Die EU ist gefordert, bei den anstehenden Krisenlösungen und hier v.a. bei der Neuordnung des Finanzsystems koordiniert, geschlossen und in führender Rolle aufzutreten. Ein neu geordnetes globales Finanzsystem (v.a. effektive Regulierung des Bankensystems, aber auch von Hedgefonds und Private Equity Unternehmen) muss die Entwicklung und Bereitstellung solider Finanzinstrumente ermöglichen, welche die Realwirtschaft unterstützen und den Bürgern nutzen. Die gegenwärtige Krise ist aber nicht nur Resultat von Problemen am Finanzmarkt. Sie wurde v.a. in den USA auch durch eine Reihe wachsender makro- und mikroökonomischer Ungleichgewichte verursacht, wie vor allem die Einkommensungleichheiten. Daher muss der Weg aus der Krise lauten: Abkehr von einem teilweise auf „spekulativen Blasen“ basierenden Wachstum, zurück zu einem Wachstum, das auf Investitionen vor allem in innovativen Sektoren der Realwirtschaft, gerechter Verteilung, Schaffung hochwertiger und produktiver Beschäftigung sowie ökologischer Nachhaltigkeit basiert.

3.3.   Verbesserung des Funktionierens des Binnenmarktes durch besseres Gleichgewicht zwischen der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Dimension: Zur Erreichung dieses Zieles bedarf es einer korrekten Anwendung und eventuell Verbesserung des sozialen Binnenmarktacquis und „Better Regulation“, ebenso wie die Schaffung eines erfolgreichen mikroökonomischen Umfeldes und hinreichenden Spielraums für private Investitionen. Es sind aber auch Vorkehrungen dafür zu treffen, dass der Wettbewerb im gemeinsamen Markt innovationsorientiert und nicht in kontraproduktiver Konkurrenz zwischen den EU-Ländern auf Kosten des sozialen Zusammenhaltes und der ökologischen Nachhaltigkeit vor sich geht.

Sozialen Zusammenhalt als Faktor einer stabilen und dynamischen Wirtschaft fördern: Aus Sicht des EWSA trägt eine gut entwickelte Sozialpolitik inklusive einer umfassenden Politik zur Schaffung „guter Arbeit“, zu der auch ehrgeizige Ziele im Bereich der allgemeinen und beruflichen Aus- und Weiterbildung sowie im Bereich des lebenslangen Lernens gehören, wesentlich zu Wachstum und Steigerung der Produktivität bei. Der Weg aus der Krise muss von entsprechenden Investitionen unterstützt werden.

3.4.1.    Zunehmende Ungleichheiten und Armut europaweit bekämpfen : Bis 2010 wurde das Ziel aufgestellt, die Zahl der von Armut und sozialer Ausgrenzung Bedrohten erheblich zu senken, der Bericht der Kommission zur Sozialen Wirklichkeit (2007) zeigt jedoch, dass Europa in vielen Ländern und Regionen noch gravierende soziale Probleme hat. Daher muss die Post-2010-Strategie auf den sozialen Fortschritt, die Stärkung und Nachhaltigkeit der sozialen Sicherungssysteme und die Bekämpfung der Armut u.a. durch Verhinderung ungleicher Verteilung ausgerichtet werden. Das Europäische Jahr zum Kampf gegen Armut (2010) ist der ideale Anlass, effiziente Ziele inkl. zeitlicher Vorgaben im Bereich der Armutsbekämpfung zu schaffen (z.B. bei Mindesteinkommens- und Ersatzeinkommenssystemen (7)). Durch eine solche Initiative hin zur Sicherung der sozialen Kohäsion würde ein wichtiger Schritt getan, um das Vertrauen der Bürger in die europäische Integration wieder herzustellen.

Schaffung eines inklusiven Arbeitsmarktes : Trotz Fortschritten werden die Beschäftigungsziele 2010 im EU-Schnitt nicht erreicht sein. Das muss angesichts der gegenwärtigen Krise – die zwar ihren Höhepunkt erreicht hat, aber noch nicht endgültig überwunden ist –, die Ungleichheiten vertieft und immer mehr Menschen vor existenzielle Probleme gestellt hat, Anlass zur Sorge geben. Die möglichst rasche Wiedererlangung von Wachstum zur Stabilisierung des Arbeitsmarktes bedarf laut Europäischem Konjunkturprogramm  (8) einer Stärkung der Binnennachfrage, die durch strukturverbessernde Maßnahmen gestützt werden muss. Wichtig sind effiziente Konzepte zur Aus- und Weiterbildung, die Schaffung von Beschäftigung v.a. auch für jene, die u.a. aufgrund von Ausbildungsdefiziten vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind, sowie effektive Anstrengungen, Diskriminierungen im Zugang und beim Verbleib am Arbeitsmarkt zu beseitigen. Gerade die unterschiedlichen Formen der Sozialwirtschaft in den Mitgliedstaaten können bei der Bewältigung der Krise eine vorbildhafte Rolle einnehmen, vor allem, wenn es darum geht, Beschäftigung u.a. im Bereich der sozialen Dienstleistungen zu schaffen. Der EWSA ist der Ansicht, dass Beschäftigung und Arbeitsproduktivität parallel steigen müssen. Die EU muss dabei unter Einbeziehung und Achtung der Autonomie der nationalen und europäischen Sozialpartner auch die Schaffung adäquater Regelungen für nicht-standardisierte und sozial gering gesicherte Beschäftigung anstreben  (9).

3.4.2.1.   Solidarwirtschaftliche Unternehmen, die in allen Sektoren tätig sind und die wirtschaftliche Rentabilität mit dem Allgemeininteresse und sozialen Belangen verbinden, sind ein gutes Beispiel für spezifische Formen von unternehmerischer Initiative und Führung, die zur Verwirklichung der Ziele der überarbeiteten Lissabon-Strategie beitragen werden. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss fordert den Europäischen Rat, die Kommission und die Mitgliedstaaten dazu auf, Vorschläge zu prüfen, die auf die Umsetzung der vom Europäischen Parlament formulierten Empfehlungen (10) abzielen, um zu gewährleisten, dass solidarwirtschaftliche Unternehmen zu gleichen Wettbewerbsbedingungen mit anderen Unternehmen konkurrieren können.

3.4.3.    Flexicurity muss effektive Sicherheit im Wandel schaffen : Sich verändernde wirtschaftliche Rahmenbedingungen verlangen ein hohes Maß an innovativer Anpassungsfähigkeit auch auf den Arbeitsmärkten. Auf Strukturen, die sich rasch ändern, muss intelligent reagiert werden können. Im Sinne des Flexicurity-Konzepts muss dabei sichergestellt werden, dass die Arbeitnehmer für die neuen Herausforderungen in der Arbeitswelt gerüstet sind. Das Konzept der Flexicurity muss effektiveSicherheit im Wandelschaffen, wobei der Sicherheit am Arbeitsmarkt, stabilen Beschäftigungsverhältnissen und Arbeitsplätzen, der Erhaltung der Beschäftigungsfähigkeit, der sozialen Sicherheit und der Mobilität am Arbeitsmarkt in Richtung guter und produktiver Arbeitsplätze („make transition pay“) in der Praxis gleiche Priorität zukommen muss. Dabei muss v.a. auch die umfassende Umsetzung und Anwendung des sozialen Besitzstandes der Gemeinschaft gewährleistet und ausgebaut werden, um eventuellen unfairen Wettbewerb im Bereich der Arbeitsstandards zu verhindern.

3.4.4.    Bessere Koordinierung der Steuerpolitiken : In Einklang mit den EU-Verträgen ist eine stärkere EU-weite Koordinierung der Steuerpolitiken in den Mitgliedstaaten (u.a. harmonisierte Bemessungsgrundlagen sowie Mindestsätze) anzustreben, v.a. in jenen Bereichen, in denen die Steuerbasis international mobil und das Risiko zur Steuerflucht und zum Steuerwettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten am größten ist. Das Ziel dieser europäischen Koordinierung muss die Sicherung öffentlicher Haushalte sowie die Förderung fairerer Steuersysteme (u.a. über Stärkung der Steueraufkommensbasis, mittels Schließung von Steueroasen wie auch durch Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung) sein.

3.4.5.    EZB muss ihrem gesamtwirtschaftlichen Mandat gerecht werden: In Hinblick auf die Post-2010-Strategie muss es gelingen, die Ziele Wachstum und Stabilität in ein für die künftigen Generationen angemessenes und zugleich nachhaltiges Gleichgewicht zu bringen. Die EZB, muss in Übereinstimmung mit den Verträgen ihre volle Verantwortung wahrnehmen und dabei neben der Priorität der Preisstabilität auch auf die Ziele hohes Beschäftigungsniveau, sozialer Schutz und nachhaltiges Wachstum achten.

3.4.6.    Budgetpolitischen Spielraum für Investitionen erhalten : Unter Beachtung und Nutzung der für krisenhafte Entwicklungen geschaffenen Flexibilitäten des Stabilitäts- und Wachstumspakts ist durch Umschichtungen in den Budgets der konjunkturpolitische Spielraum zu erhöhen, um Lissabon-relevante Investitionen der öffentlichen Hand (u.a. in leistungsfähige öffentliche Dienste, Forschung, Bildung, Innovation) und produktive Investitionen des privaten Sektors v.a. auch in CO2-arme Produktionen zu verstärken. In diesem Zusammenhang sollte auch die Idee der europäischen Anleihe eines europäischen Staatsfonds weiter entwickelt werden  (11).

3.5.   Industriepolitik und Unternehmergeist fördern sowie adäquate Rahmenbedingungen für KMU schaffen: Wirtschaftswachstum und ein Klima für Investitionen sind wesentliche Voraussetzungen für die Schaffung neuer Arbeitsplätze und die Erhaltung bestehender Beschäftigung; dazu tragen große Unternehmen, in hohem Maß aber auch die KMU bei. Gerade die KMU sind in der lokalen Wirtschaft verwurzelt und profitieren besonders von einer stabilen und wachsenden Inlandsnachfrage. Der EWSA hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, ein besonderes Augenmerk auf die Weiterentwicklung der europäischen Industriepolitik u.a. in Richtunggrüner Technologien“, Nanotechnologie und IKT, sowie auf die Stärkung eines sozial verantwortlichen Unternehmergeistes zu legen und die Förderung der Unternehmensgründung und der Unternehmensweiterführung voranzutreiben. Die Verringerung eines unverhältnismäßigen bürokratischen Aufwandes und administrativer Hürden sowie ein verbesserter Rahmen zur Unternehmensfinanzierung stellen für die Wirtschaft ein vorrangiges Anliegen dar und sind sowohl für die europäische Wettbewerbsfähigkeit als auch für ein günstiges Klima für produktive Investitionen entscheidend. Dabei dürfen berechtigte Schutzinteressen der Arbeitnehmer und Verbraucher nicht gefährdet werden. Da die Produktion, Innovation und Beschäftigungsquote zunehmend mehr von den KMU abhängt, sollte der Förderung unternehmerischer Initiative unter jungen Leuten ein wichtiger Platz eingeräumt werden.

3.6.    Dem demografischen Wandel begegnen und Lösungen zu Migrationsfragen anbieten : Wesentliche Ansatzpunkte für die Bewältigung der Herausforderungen einer älter werdenden Gesellschaft sind und bleiben Wachstum und Beschäftigung. Das gilt für die junge Generation ebenso wie für die ältere. Neben Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen muss – nicht zuletzt auch mit Blick auf die Geburtenraten – auch mehr für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie getan werden. Erfolgreiche Lösungen im Bereich der Migration und Integration, die Europas Potenzial für Wachstum fördern und zugleich den sozialen Zusammenhalt nicht gefährden, gehören zu den zentralen Herausforderungen für die Zeit nach 2010  (12).

Wissensdreieck (Bildung, Forschung, Innovation) weiter aufwerten: Europa muss weiter sein Potenzial an qualifizierten Menschen, an Wissenschaft, Forschung und Technologie und damit seine Innovationsfähigkeit als wesentliches Wettbewerbsmoment stärken. Das Wissensdreieck muss auf jeden Fall im Mittelpunkt der Post-2010-Strategie bleiben. In diesem Zusammenhang ist der Begriff „Innovation“ im Hinblick auf eine Stärkung des sozialen Kapitals, das sowohl für die Wettbewerbsfähigkeit als auch den sozialen Zusammenhalt von Bedeutung ist, weiter aufzufassen, so dass er auch „soziale Innovationen“ umfasst.

3.7.1.   Um die Grundlage für künftige Innovationen zu sichern, müssen Wissenschaft und Forschung sowie deren Anwendung in der wirtschaftlichen Praxis einen hohen Stellenwert haben. Das Bologna-Ziel zur Schaffung eines Raums zur höheren Bildung in Europa benötigt konkrete Umsetzungsschritte und mehr politischen Willen, Politikbereiche zu koordinieren. Unzureichende Investitionen in Innovation und Weiterbildung verschärfen wirtschaftliche Probleme und bleiben nicht ohne Wirkung auf die Arbeitsproduktivität. Universitäten und die Einrichtungen für die höhere Bildung müssen ihre Verantwortung übernehmen und in weit höherem Maß als bisher eine europäische Dimension entwickeln, da sie eine Schlüsselfunktion im Wissensdreieck von Bildung, Forschung und Innovation einnehmen. Im grenzüberschreitenden Bereich sind multilaterale Forschungskooperationen zu fördern. Europa mangelt es auch an Hochtechnologieunternehmen, die in Forschung und Entwicklung investieren. Unternehmen müssen Anreize vorfinden, noch mehr in Forschung und Entwicklung zu investieren und produktive Arbeitsplätze zu schaffen.

3.7.2.   Gut ausgebildete Beschäftigte vor allem auch im wissenschaftlich-technischen Bereichen und Innovationsfähigkeit sind wesentliche Wettbewerbsmomente und Voraussetzung für Prosperität. Sie müssen einhergehen mit der Schaffung produktiver, hoch qualifizierter und gut bezahlter Arbeitsplätze. Auch in der Krise muss jungen Absolventen ein entsprechend qualifizierter Berufseinstieg und perspektivenreiche berufliche Entwicklung ermöglicht werden.

Das Management des Klimawandels als Schlüsselelement der Post-2010-Strategie verlangt Wandel in vielen Bereichen: Die Förderung von Energieeffizienz und erneuerbarer Energie wird ebenso wie die Nutzung des Umweltsektors ein Schlüsselelement der Post-2010-Strategie sein. Die erneuerte Strategie muss einen Aktionsplan für eine kohlenstoffarme Wirtschaft enthalten. Die EU sollte sich jetzt, nachdem ein umfassender Rechtsrahmen für Energie und Klimaschutz aufgestellt worden ist, auf die praktische Umsetzung konzentrieren. Wirksame politische Maßnahmen sollten in die integrierten Leitlinien, in die länderspezifischen Empfehlungen und die nationalen Reformprogramme der künftigen Lissabon-Strategie einfließen.

3.8.1.    EU muss energie- und ressourceneffizientester Wirtschaftsraum werden : Klimapolitik, die Treibhausgasemissionen sowie die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern und Energieimporten dauerhaft reduziert, muss im Sinne der Nachhaltigkeit ausgerichtet werden, also ökonomische, ökologische und soziale Ziele adäquat berücksichtigen. Darüber hinaus sind insbesondere auch alle Energiesparpotenziale auszuschöpfen, dabei ist auf lokale, erneuerbare und regionale Strukturen zu setzten. Die Verbesserung der Energie- und Ressourceneffizienz wird zu den zentralen Elementen einer neuen Strategie zählen. Ein zusätzliches strategisches Ziel der EU sollte es daher sein, „als Gemeinschaft zu einem der energie- und ressourceneffizientesten Wirtschaftsräume zu werden“. Zur Erreichung dieses Wandels muss Europa eine hohe Verantwortung im Bereich der CO2-Reduktion wahrnehmen. In den einzelnen Sektoren gilt es, in Kooperation mit den einzelnen Branchen konkrete Zielvorgaben und Zeitpläne aufzustellen.

3.8.2.   „ New Green Deal “: Im Rahmen eines „New Green Deal“ sollen das Potenzial des Umweltsektors als Motor für Wachstum, neue Beschäftigung und Innovation ausgeschöpft, Innovationsführerschaft bei grünen Technologien angestrengt und Kosten eingespart werden, ohne auf Wohlstand, Lebensqualität und globale Wettbewerbsfähigkeit zu verzichten. Dem Ausbau von Forschung und Technologie sowie deren Umsetzung in marktgängige neue Produkte und Dienstleistungen und somit der Schaffung von Beschäftigung wird wesentliche Bedeutung bei diesem notwendigen Innovationsprozess zukommen.

Finanzielle Basis der Lissabon-Strategie verbessern: Die Bewältigung künftiger Herausforderungen macht auch neue strategische Überlegungen zum künftigen EU-Budget notwendig.

3.9.1.    EU-Haushalt Lissabon-relevant reformieren: Generell muss eine „Lissabon-relevante“ Neugewichtung der Dotierung einzelner Politiken erfolgen: in Richtung Forschung und Wettbewerbsfähigkeit, Umwelt und Klima, Investitionen in nachhaltige Energienutzung; produktive öffentliche Ausgaben in den Wirtschaftsstandort, aktive Arbeitsmarktpolitik, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, soziale Kohäsion, Vermeidung von Armut und Schaffung von neuen und qualitativ hochwertigen Arbeitsplätzen. Eine entsprechend Lissabon-relevante Reformdiskussion zum EU-Haushalt sollte auch in den kommenden Finanzrahmen von 2014 bis 2020 eingehen  (13). Eine effiziente Umsetzung europäischer Zielvorgaben verlangt auch, dass die Stärkung der regionalen Dimension in die Diskussion zur Finanzierung der Struktur- und Kohäsionspolitik nach 2013 eingeht.

3.9.2.    Alternativen zur EU-Finanzierung prüfen : Es bestehen zahlreiche grenzüberschreitende Herausforderungen, die eine Stärkung der europäischen Dimension politischen Handelns erfordern. Für europäische Projekte sind alternative Finanzierungsmöglichkeiten und neben strukturellen Umschichtungen und Einsparmöglichkeiten auch Perspektiven eines erweiterten EU-Budgets zu diskutieren. Der EWSA regt an, in diesem Zusammenhang auch die Möglichkeiten zur Einführung EU-weiter Finanzmechanismen (inklusive steuerlicher Möglichkeiten) zu prüfen. So könnten etwa durch die Einführung einer Steuer auf Finanztransaktionen Spekulationsgeschäfte eingedämmt werden. Auch die Möglichkeit einer Emissionssteuer (carbon tax) sollte auf den Prüfstand.

3.10.   Stärkung der externen Dimension: Europas Wohlstand basiert u.a. auf seiner Offenheit gegenüber der Welt. Als weltweit größte Wirtschaftsmacht, die den ersten Platz beim Export und Import von Gütern und Dienstleistungen und den zweiten Platz als Quelle bzw. Empfänger ausländischer Direktinvestitionen belegt sowie als weltweit größter Geber von Entwicklungshilfe ist für Europa die Stärkung seiner internationalen Agenda mit klaren und langfristigen Zielen von entscheidender Bedeutung. Angesichts des Erstarkens neuer globaler Wirtschaftsmächte und der Auswirkungen der internationalen Wirtschaftskrise ist es wichtiger denn je, dass sich die EU einen neuen einheitlicheren und durchsetzungskräftigeren Rahmen ihres auswärtigen Handelns gibt, damit eine adäquate, gerechte und nachhaltige Marktöffnung gewährleistet, die normativ wirkenden Standards auf Grundlage der Rechte angehoben, der Multilateralismus sowie der strukturierte Dialog mit privilegierten Partnern gefördert und ein für beide Seiten vorteilhafter Raum des Fortschritts geschaffen wird, der den Mittelmeerraum und Afrika mit umfasst. Unter dieser Voraussetzung wird Europa mit seinem Modell der sozialen Marktwirtschaft auch in Zukunft für den Rest der Welt Vorbildfunktion haben, sich auf internationaler Ebene v.a. im Hinblick auf den Zugang zu Märkten und Rohstoffen behaupten können und gleichzeitig sicherstellen, dass die internationalen Wettbewerbsbedingungen fair sind, eine nachhaltige Entwicklung Platz greifen kann und alle in den Genuss von Globalisierungsgewinnen kommen.

4.   Empfehlungen zu den Lissabon-Zielen

4.1.   Ziele beibehalten und mittelfristig anheben: Trotz neuer Herausforderungen und der Rückschläge, die mit der aktuellen Krise verbunden sind, darf die Post-2010-Agenda die bisherigen Ziele nicht außer Acht lassen. Der EWSA schlägt vor, die gemeinsamen Ziele der laufenden Strategie nicht aufzugeben, zugleich aber auch darüber hinausgehende ambitionierte Ziele zu formulieren, deren Umsetzung bis 2015 erfolgen sollte. So sollten etwa die Forschungsquote auf 3,5 % (ggf. ergänzt um ein breiter gefasstes Ziel für Investitionen in Innovation) und auch die Ziele für mehr und bessere Beschäftigung sowie zur Aus- und Weiterbildung weiter angehoben werden.

4.2.   Ausgangslage der einzelnen EU-Länder bei den nationalen Beiträgen einkalkulieren: Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der EU-Länder ist äußerst unterschiedlich. Der EWSA schlägt vor, wie bei der ursprünglichen Festlegung der quantitativen Lissabon-Ziele die jeweilige Ausgangslage in den einzelnen Mitgliedstaaten einzukalkulieren und entsprechend ambitionierte nationale Beiträge zu den Strategie-Vorgaben auf Basis der EU-27 durchzurechnen und zu thematisieren.

4.3.   Auch qualitative Ziele wieder aufnehmen: Darüber hinaus sollte die zukünftige Agenda auch die Verfolgung jener qualitativen Ziele beinhalten, die im Zuge des Relaunches der Lissabon-Strategie in den letzten Jahren weitgehend verloren gegangen sind (z.B. sog. Laeken-Indikatoren zur Messung der Schaffung qualitativer Beschäftigung (14)).

4.4.   Neue Ziele setzen, v.a. wo Defizite auf der Hand liegen: Zusätzlich sollten im Rahmen der Integrierten Leitlinien insbesondere dort neue bzw. konkretere Ziele beschlossen werden, wo geringe Fortschritte zu verzeichnen waren bzw. Schattenseiten der vergangenen Reformpolitik zu Tage treten. Daher schlägt der EWSA eigene Leitlinien mit messbaren Zielen zur Geschlechtergleichstellung, beim Kampf gegen Arbeitsverhältnisse mit mangelnder sozialer Absicherung, beim Übergang in eine Co2-arme Wirtschaft, beim Kampf gegen Armut (auch der in Arbeit stehenden Personen) sowie zur Verhütung sozialer Ausgrenzung (z.B. angemessene Unterstützungen im Fall der Erwerbslosigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit sowie beim Zugang zu öffentlichen Diensten) vor.

5.   Empfehlungen zur Governance

5.1.   Stärkung der Rolle der europäischen Institutionen: Die neue Strategie braucht mehr Biss. Einer verstärkten Rolle der europäischen Institutionen kommt in der gegenwärtigen Krise besondere Bedeutung zu. Seit der Nachjustierung der Lissabon-Strategie im Jahr 2005 agiert die Kommission weit sichtbarer, vor allem im Bereich der Veröffentlichung und Verbreitung länderspezifischer Leitlinien sowie von best-practice-Beispielen. Die öffentliche Diskussion im Rat wurde gefordert, um den gesamten Prozess im Gang zu halten. In einer erneuerten Strategie sollte dies vertieft und erweitert werden. Die Kommission und die Mitgliedstaaten sollten durch den Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel neue Schritte zur Verbesserung der Umsetzung sowie zur Förderung des grenzüberschreitenden Austausches bewährter Verfahren anstrengen. Diese Methoden leben aber davon, dass die Mitgliedstaaten dafür einen adäquaten europäischen Rahmen bekommen, in dem sie gemeinschaftliche Ziele erreichen können. Gegebenenfalls gilt es neue, innovative Instrumente zu prüfen.

5.2.   Wirksamkeit der OMK in den Mitgliedstaaten erhöhen: Die OMK als „methodisches Rückgrat“ der Lissabon-Strategie wird mit dem EU-Reformvertrag für weitere Bereiche festgeschrieben. Für den EWSA ist die Achillesferse der OMK neben der mangelnden Sichtbarkeit bei den Bürgern v.a. ihre mangelnde Wirksamkeit auf nationaler Ebene. Daher ist es entscheidend, dass die Zieldaten nicht wie bisher oft als „Fixpunkte des Wünschbaren“, sondern als konkrete politische Verpflichtungen angesehen werden. Hier sollten Wege und Instrumente gefunden werden, die Verbindlichkeit zu erhöhen und verstärkte Anreize für Mitgliedstaaten zu schaffen, eingegangene Zielverpflichtungen effektiver zu verfolgen. Um ein stärkeres Gleichgewicht zu gewährleisten, sollten bei der Umsetzung der neuen Strategie neben den Wirtschafts- und Finanzministern auch andere in erste Linie die Arbeits- und Sozialminister verstärkt beteiligt werden. Der EWSA empfiehlt darüber hinaus die Rolle und Sichtbarkeit der Europäischen Sozialpartner zu erhöhen, etwa durch die standardmäßige Beifügung der Resultate des Tripartiten Makroökonomischen Dialoges zu den Schlussfolgerungen des Europäischen Gipfels.

5.3.   Monitoring der Lisabon-Ziele durch Wirtschafts- und Sozialräte in den Mitgliedstaaten: Im Rahmen der jeweiligen Konsultationsverfahren und der Kompetenzen der Sozialpartner in den einzelnen Mitgliedsstaaten sollte die besondere Rolle der nationalen WSR oder vergleichbarer Organisationen der Zivilgesellschaft weiter gestärkt werden (15). Die einschlägigen von den WSR zu erstellenden Berichte sollten Analysen der relevanten Lissabon-Umsetzung beinhalten, mit denen die Regierungen und die europäischen Institutionen befasst und zu entsprechenden Schlussfolgerungen angehalten werden. Die WSR und zivilgesellschaftlichen Organisationen könnten in diesem Zusammenhang Vertreter der Kommission einladen, um den nationalen Kontext zu debattieren. Des Weiteren sollten die nationalen WSR in die jährlichen Konsultationen der Kommission eingebunden werden. Die Aufrechterhaltung des Meinungs- und Erfahrungsaustausches zwischen EWSA und den nationalen WSR über die Nationalen Reformpläne und die Lissabon-Agenda ist hier von besonderer Bedeutung.

5.4.   Vermehrte Legitimation durch verbesserte zivilgesellschaftliche Einbindung und Stärkung der regionalen Dimension: Der EWSA hat stets darauf hingewiesen, dass eine bessere Umsetzung der Lissabon-Strategie nur gewährleistet werden kann, wenn neben der vollen Übernahme der Verantwortung durch die europäischen Institutionen, v.a. auch eine umfassende Einbindung aller gesellschaftlichen Interessen und eine engere Zusammenarbeit zwischen Regierung und Sozialpartnern sowie Zivilgesellschaft auf nationaler und europäischer Ebene, aber auch auf lokaler und regionaler Ebene in den Mitgliedstaaten erfolgt (16):

Die nationalen Lissabon-Koordinatoren sollten während der Erarbeitung, Umsetzung und Bewertung der Nationalen Reformprogramme systematisch mit allen Beteiligten zusammenarbeiten.

Weitere Schritte sind notwendig, um im Rahmen der jeweiligen Konsultationsverfahren und der Kompetenzen der Sozialpartner den bestehenden Dialog in den Mitgliedstaaten zu fördern, ein Dialog, der auch die nationalen WSR beteiligt, und zu dem gegebenenfalls andere zivilgesellschaftliche Interessenträger (NGO, Organisationen der Sozialwirtschaft u.a.m.) sowie Vertreter von Hochschulen oder „Denkfabriken“ hinzugezogen werden.

Jeder Lissabon-Zyklus könnte mit einer Konferenz abgeschlossen werden, an der die maßgeblichen Interessenträger und zivilgesellschaftlichen Organisationen teilnehmen, um eine Bestandaufnahme der Erfolge und Mängel vorzunehmen.

Strukturelle Hindernisse, die einer effizienten Einbindung der nationalen Parlamente und einem echten Dialog mit den Sozialpartnern und zivilgesellschaftlichen Organisationen entgegenstehen, sind zu beseitigen. Dazu zählen etwa die Vermeidung des bereits zur Regel gewordenen knappen Fristenlaufs bei der Erstellung der Nationalen Reformprogramme in den Sommermonaten ebenso wie die Bestellung von Lissabon-Verantwortlichen, die in vielen EU-Ländern wenig mit sozialem Dialog anfangen können.

Die Regierungen der Mitgliedsstaaten sollten verstärkt über die Ergebnisse des zivilen und sozialen Dialoges in Bezug auf die Lissabon-Ziele informieren.

Um einen ganzheitlichen Ansatz zur territorialen, sozialen und wirtschaftlichen Kohäsion zu gewährleisten, sind die partnerschaftlichen Prinzipien der Strukturfonds in den EU-Staaten voll zu implementieren und die Instrumente der OMK auch in diesem Bereich verstärkt zu nutzen.

Brüssel, den 4. November 2009

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Mario SEPI


(1)  Hinsichtlich des institutionellen Rahmens der zivilgesellschaftlichen Einbindung in die nationale Politikgestaltung bestehen erhebliche Unterschiede: In vielen EU-Ländern gibt es einen WSR, in den meisten neuen Mitgliedstaaten sogenannte Dreierausschüsse (Sozialpartner plus Regierungsvertreter), andere Länder haben keinen WSR, einige jedoch alternative Formen der Einbindung zivilgesellschaftlicher Interessen. Der EWSA ist bemüht, Beiträge möglichst vieler dieser Vertretungsgremien zusammenzutragen.

(2)  Vgl. CESE 1468/2005 rev., „Umsetzung der Lissabon-Strategie – Synthesebericht für den Europäischen Rat“, 23.-24. März 2006; CESE 40/2008 „Erneuerte Lissabon-Strategie 2008-2010: Die Rolle der organisierten Zivilgesellschaft“, Synthesebericht für den Europäischen Rat, 13.-14. März 2008.

(3)  Zu den relativen Erfolgen und Defiziten in der Erreichung der „Lissabon-Ziele“ vgl. einen Überblick in: M.J. Rodrigues, Europe, Globalisation and the Lisbon Agenda (2009), S. 16.

(4)  Vgl. Fußnote 2 und EWSA-Stellungnahme „Effiziente Governance der erneuerten Lissabon-Strategie“, ABl. C 175 vom 28.7.2009, S. 13.

(5)  Vgl. http://www.eurofound.europa.eu/ewco/reports/TN0403TR01/TN0403TR01_3.htm, Part-time work in Europe, Dublin-Foundation, 2004.

(6)  Vgl. das vom Rat in Laeken 2001 verabschiedete Set an Indikatoren zur Qualität der Arbeit: KOM(2001) 313 endg., „Beschäftigungspolitik und Sozialpolitik: ein Konzept für Investitionen in Qualität“.

(7)  Siehe auch Entschließung des Europäischen Parlaments, PT_TA(2008)0467 vom 9.10.2008.

(8)  Mitteilung der Kommission an den Europäischen Rat, „Europäisches Konjunkturprogramm“, KOM(2008) 800 endg., 16. November 2008.

(9)  Überblick zu entsprechenden europäischen Sozialpartnervereinbarungen http://europa.eu/legislation_summaries/employment_and_social_policy/social_dialogue/c10132_de.htm.

(10)  Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Februar 2009 zu der Sozialwirtschaft (2008/2250(INI)).

(11)  Vgl. EWSA-Stellungnahme zum Thema „Europäisches Konjunkturprogramm“, ABl. C 182 vom 4.8.2009, S. 71, Ziffer 5.4.

(12)  In diesem Zusammenhang ist v.a. auch die Einrichtung des Europäischen Integrationsforums, das unter Schirmherrschaft des EWSA EU-Institutionen, Stakeholder und NGO zusammenbringt, zu begrüßen.

(13)  Vgl. EWSA-Stellungnahme zum Thema „Der EU-Haushalt und seine künftige Finanzierung“ABl. C 204 vom 9.8.2008, S. 113.

(14)  Siehe KOM(2001) 313 endgültig „Beschäftigungspolitik und Sozialpolitik: ein Konzept für Investitionen in Qualität“.

(15)  Der EWSA merkt an, dass er sich in keiner Weise in die bestehenden Konsultationsverfahren, Zuständigkeiten und Legitimationen der Sozialpartner in den einzelnen Mitgliedstaaten einmischt.

(16)  Vgl. EWSA-Stellungnahme „Effiziente Governance der erneuerten Lissabon-Strategie“, ABl. C 175 vom 28.7.2009, S. 13.


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