This document is an excerpt from the EUR-Lex website
Document 52009AE1715
Opinion of the European Economic and Social Committee on the ‘Proposal for a Council Recommendation on smoke-free environments’ COM(2009) 328 final — 2009/0088 (CNS)
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Empfehlung des Rates über rauchfreie Zonen“ KOM(2009) 328 endg. — 2009/0088 (CNS)
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Empfehlung des Rates über rauchfreie Zonen“ KOM(2009) 328 endg. — 2009/0088 (CNS)
ABl. C 128 vom 18.5.2010, p. 89–93
(BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)
18.5.2010 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 128/89 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Empfehlung des Rates über rauchfreie Zonen“
KOM(2009) 328 endg. — 2009/0088 (CNS)
(2010/C 128/15)
Berichterstatter: Eugen LUCAN
Die Europäische Kommission beschloss am 8. Juli 2009, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Vorschlag für eine Empfehlung des Rates über rauchfreie Zonen“
KOM(2009) 328 endg. - 2009/0088 (CNS).
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 15. Oktober 2009 an.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 457. Plenartagung am 4./5. November 2009 (Sitzung vom 5. November) mit 81 gegen 68 Stimmen bei 9 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Spezifische Empfehlungen
In Bezug auf Ziffer 1 der Empfehlungen an die Mitgliedstaaten
1.1.1. Der wirksame Schutz vor Belastung durch Tabakrauch sollte sich auf „Arbeitsstätten“ im Allgemeinen beziehen, und zwar insbesondere auf geschlossene Räume ohne spezielle Raucherbereiche.
1.1.2. Der Ausschuss empfiehlt, alle öffentlichen Räume, die von Kindern oder Jugendlichen unter 18 Jahren besucht werden, unter die „sonstigen öffentlichen Orte“ nach Maßgabe von Artikel 8 Absatz 2 des WHO-Rahmenübereinkommens zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (FCTC) einzubeziehen.
1.1.3. Der Ausschuss ersucht den Rat, eine kürzere Annahmefrist als die von der Kommission vorgesehenen drei Jahre anzuvisieren, da andernfalls die aktuelle Generation der Jugendlichen an weiterführenden Schulen (14 bis 18 Jahre), die der Gefahr ausgesetzt ist, von Passivrauchern zu Aktivrauchern zu werden, nicht mehr erreicht würde.
In Bezug auf Ziffer 2 der Empfehlungen an die Mitgliedstaaten
1.2.1. „Eine wesentliche Rolle spielen die europaweit in allen Erziehungs- und Bildungseinrichtungen verfolgten Erziehungs- und Beratungsstrategien“. Der EWSA empfiehlt, diese Ziffer zu ergänzen und unmissverständlich zu betonen, wie wichtig die europaweite Umsetzung der Informations- und Beratungsstrategien in den Bildungseinrichtungen (Grund- und weiterführende Schulen) sind, damit jedes Kind bzw. jeder Jugendliche korrekt, vollständig und regelmäßig über den Tabakkonsum und seine schädlichen Auswirkungen ebenso wie über die kanzerogenen Folgen einer Belastung durch Tabakrauch in der Umgebungsluft (ETS) informiert wird.
In Bezug auf Ziffer 3 der Empfehlungen an die Mitgliedstaaten
1.3.1. Die Strategien zur Schaffung rauchfreier Zonen sollten u.a. durch folgende flankierende Maßnahmen unterstützt werden:
(c) |
Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2004/37 über die Gefährdung durch Karzinogene oder Mutagene bei der Arbeit auch auf Tabakrauch in der Umgebungsluft, |
(d) |
Verschärfung der Anforderungen für den Schutz der Arbeitnehmer vor Belastung durch Tabakrauch in der Richtlinie 89/654/EWG, der zufolge alle Arbeitgeber verpflichtet sind zu gewährleisten, dass Arbeitsplätze rauchfreie Zonen sind, |
(e) |
Die Änderung der Richtlinie über gefährliche Stoffe (67/548/EWG) (1991) dahingehend, dass ETS als krebserregender Stoff eingestuft wird. Dementsprechend würde er automatisch in den Anwendungsbereich der Richtlinie über die Gefährdung durch Karzinogene oder Mutagene bei der Arbeit fallen, und es würden die Mindestanforderungen für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz greifen. |
(f) |
Aufforderung an die Mitgliedstaaten und die Kommission, die Bezeichnung „Tabakrauch in der Umgebungsluft“ offiziell in „kanzerogener Tabakrauch in der Umgebungsluft“ zu ändern, |
(g) |
Erarbeitung von Aufklärungsstrategien (durch die Generaldirektionen „Bildung und Kultur“ und „Gesundheit und Verbraucher“), damit Kinder und Jugendliche in sämtlichen Bildungseinrichtungen unionsweit korrekte, vollständige und regelmäßige Informationen über die Auswirkungen des Tabakkonsums und des Tabaksrauchs in der Umgebungsluft erhalten. |
In Bezug auf Ziffer 4 der Empfehlungen an die Mitgliedstaaten
1.4.1. Hingewiesen werden sollte auch auf den „Schutz vor Tabakrauch in von Kindern und Jugendlichen besuchten öffentlichen Räumen“ (Freiluftspielplätze, Freizeiteinrichtungen, Diskotheken unter freiem Himmel oder in geschlossenen Räumen, Clubs, Cafés für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren und sonstige für sie bestimmte Räume).
In Bezug auf Ziffer 6 der Empfehlungen an die Mitgliedstaaten
1.5.1. Die Definition der nationalen Anlaufstellen für die Eindämmung des Tabakgebrauchs sollte um folgenden Passus ergänzt werden: „und zur Eindämmung bzw. Beseitigung einer Gefährdung der Bevölkerung durch Tabakrauch in der Umgebungsluft“.
2. Schlussfolgerungen
2.1. Der EWSA unterstützt die Initiative zur Gewährleistung einer effektiven Umsetzung von Artikel 8 des WHO-Rahmenübereinkommens zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (FCTC), der auf die Schaffung einer vollständig rauchfreien Umgebung abzielt, nach Maßgabe von Grundsatz 1 (Ziffer 6) der Leitlinien zur Umsetzung von Artikel 8 des FCTC, die im Anhang zum Vorschlag KOM(2009) 328 endg. aufgeführt werden (1). Seines Erachtens ist die EU-Empfehlung ein in diesem Sinne brauchbares Instrument, auch wenn sie kaum Garantien bietet. Sollten sich die Umsetzung und Wirksamkeit dieser Regelung als unbefriedigend erweisen, dann wird die Kommission kurzfristig ein verbindliches Instrument vorschlagen müssen.
2.2. Nach Ansicht des Ausschusses sollten europaweit Untersuchungen zur Bekämpfung der schädlichen Auswirkungen des Tabakkonsums bei Kindern und Jugendlichen sowie über ihren ETS-Expositionsgrad durchgeführt werden. Im Hinblick auf wirksame Strategien und Programme für die Zukunft sollten die Forscher auch die rauchende Bevölkerung unter die Lupe nehmen, um in Erfahrung zu bringen, in welchem Alter sie ihre erste Zigarette geraucht und warum sie überhaupt in ihrer Kindheit oder Jugend mit dem Rauchen begonnen haben.
2.3. Da das Europäische Parlament die Mitgliedstaaten aufgerufen hat, bis 2025 den Tabakkonsum von Jugendlichen um mindestens 50 % zu senken, ist der EWSA der Auffassung, dass die schädlichen Auswirkungen auf junge Raucher quantifiziert werden müssen, um später für die Mitgliedstaaten unionsweite Ziele zur Reduzierung des Tabakkonsums von Jugendlichen festzulegen. Der Ausschuss möchte damit nicht bewirken, dass sich die Einführung von Anti-Tabak-Maßnahmen bis zum Jahr 2025 hinzieht, sondern vielmehr betonen, wie vordringlich derartige Maßnahmen angesichts der schwerwiegenden Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und der verursachten enormen Kosten sind.
2.4. Der EWSA erachtet es als absolut unerlässlich, den Tabakkonsum und in der Folge auch ETS an Orten zu verbieten, die von Kindern oder Jugendlichen (0-18 Jahre) besucht werden, wie etwa Freizeitanlagen, Clubs, Diskotheken in geschlossenen Räumen, Cafés, Sportanlagen, Freizeiträume für Kinder u.a. Dadurch könnte ein Teil der Generation der gegenwärtig 15- bis 18-Jährigen, die am stärksten durch das Rauchen und ETS gefährdet sind, geschützt werden. Denn in der Regel wird häufig im Alter zwischen 15 und 18 Jahren zur ersten Zigarette gegriffen und aus Passivrauchern werden so aktive Raucher.
2.5. Der Ausschuss hält es für wesentlich, dass in Grund- und weiterführenden Schulen Programme zur Förderung einer gesunden und harmonischen Lebensweise umgesetzt werden. Um sich der Gefahren des Tabakkonsums und von ETS bewusst zu werden, sollten Kinder und Jugendliche europaweit über dieses Thema regelmäßig, korrekt und vollständig informiert werden. Dies kann in Partnerschaft mit Nichtregierungsorganisationen erfolgen, wichtig ist dabei nur, dass die Informationen allen zugänglich sind, regelmäßig erfolgen, auf interaktive und innovative Weise vermittelt werden und auf die Beweggründe der Kinder und Jugendlichen zugeschnitten sind, damit sie in aller Freiheit und Sachkenntnis selbstverantwortlich handeln können.
2.6. Nach Ansicht des Ausschusses sollten für alle Alters- und Gesellschaftsgruppen Aufklärungskampagnen über eine gesunde Lebensführung gestartet werden, damit die Menschen für sich und ihre Kinder verantwortungsvolle Entscheidungen in vollem Bewusstsein ihrer Folgen treffen können.
2.7. Der Ausschuss ermutigt die Nichtregierungsorganisationen und die Zivilgesellschaft, Maßnahmen zum Schutz vor Gefährdung durch Tabakrauch und ETS zu ergreifen und aktiv zu unterstützen, insbesondere wenn sie sich an gefährdete Gruppen richten, deren Mitglieder durch zunehmende Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes und schrittweisen Verlust vitaler Funktionen Gefahr laufen, ihre soziale und persönliche Autonomie zu verlieren. Bezüglich der Belastung durch Tabakrauch in der Umgebungsluft sollten insbesondere benachteiligte Kinder besonderen Schutz erfahren, also Kinder aus Bevölkerungsgruppen, die diesem sekundären Rauch besonders stark ausgesetzt sind, sowie „Straßenkinder und -jugendliche“ und sonstige obdachlose Bevölkerungsgruppen.
3. Hintergrund und allgemeine Bemerkungen
3.1. Medizinisch-soziale Argumente betreffend den Tabakkonsum und den ETS-Expositionsgrad
3.1.1. Einer Studie zufolge „kann jede gerauchte Zigarette das Leben des Rauchers um 8 Minuten verkürzen“ (2). Tabakkonsum ist die Ursache Nummer eins für Tod, Krankheit und Invalidität in der Europäischen Union, wo er rund 650 000 Todesfälle jährlich verursacht (3).
3.1.2. Tabakrauch ist ein komplexes toxisches Gemisch, das aus mehr als 4 000 Stoffen besteht, u.a. aus giftigen Stoffen wie Cyanwasserstoff, Ammoniak und Kohlenmonoxid, sowie aus mehr als 50 (genauer gesagt 69 (4)) anderen nachweislich krebserregenden Stoffen, sodass der Tabakrauch in der EU eine weitverbreitete Morbiditäts- und Mortalitätsquelle ist. Die Bezeichnung „Tabakrauch in der Umgebungsluft“ in „krebserregender Tabakrauch in der Umgebungsluft“ zu ändern, ist wissenschaftlich begründet.
3.1.3. Es ist erwiesen, dass die anhaltende Belastung durch Passivrauchen zu denselben Krankheiten führt wie das aktive Rauchen, darunter Lungenkrebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Kinderkrankheiten.
3.1.4. Die ETS-Exposition kann bei Erwachsenen koronare Herzkrankheiten und Lungenkrebs verursachen. Ferner kann sie beim erwachsenen Menschen zu Gefäßverengungen im Gehirn, zu Asthma oder einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) (5) bzw. zu einer Verschlimmerung dieser bereits bestehenden Erkrankungen führen (6).
3.1.5. Studien und Definitionen in Bezug auf die Risiken einer ETS-Exposition haben sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt. Begriffe wie „Passivrauchen“ und „unfreiwillige Belastung durch Tabakrauch“ sollten nicht verwendet werden, denn es hat sich in Frankreich und in anderen Ländern gezeigt, dass diese Begriffe u.U. verwendet werden, um die Vorstellung zu untermauern, dass diese Belastung „freiwillig“ und somit akzeptabel sei. Der neue wissenschaftliche Kenntnisstand gebietet es, nicht mehr von „Tabakrauch in der Umgebungsluft“, sondern von „krebserregendem Tabakrauch in der Umgebungsluft“ zu sprechen.
3.1.6. ETS ist für Kinder besonders gefährlich: er kann Asthma, Lungenentzündung, Bronchitis, Atemwegserkrankungen, Mittelohrentzündung und plötzlichen Kindstod verursachen (5).
3.1.7. Vorsichtigen Schätzungen zufolge sind in der EU-25 im Jahr 2002 7 300 Erwachsene, darunter 2 800 Nichtraucher, gestorben, weil sie am Arbeitsplatz ETS ausgesetzt waren, und 72 000 weitere Personen, darunter 16 400 Nichtraucher, haben ihr Leben infolge einer ETS-Exposition zuhause verloren (7).
3.1.8. Es ist erwiesen, dass das Risiko einer Lungenkrebserkrankung beträchtlich steigt, wenn man ETS allgemein und am Arbeitsplatz ausgesetzt ist, und dass dieses Risiko beispielsweise bei Arbeitnehmern in Unternehmen des Hotel- und Gaststättengewerbes, wo geraucht wird, um 50 % höher ist als bei Arbeitnehmern, die einer derartigen Belastung nicht ausgesetzt sind (8).
3.1.9. Die Belastung durch Tabakrauch während der Schwangerschaft kann das Risiko von Missbildungen, Fehl-, Tot- und Frühgeburten erhöhen.
3.2. Soziologische Argumente von Eurobarometer betreffend die Anti-Tabak-Maßnahmen und die ETS-Exposition
3.2.1. Eurobarometer betont, dass die Anti-Tabak-Maßnahmen in der Bevölkerung auf große Akzeptanz stoßen. Ein Rauchverbot in Büros und sonstigen Arbeitsplätzen in geschlossenen Räumen befürworten 84 % der Unionsbürger, in Restaurants 77 % und in Cafés und Lokalen 61 %.
3.2.2. Rund 70 % der Unionsbürger rauchen nicht (9), und aus Studien geht hervor, dass die Mehrheit der Raucher gerne aufhören möchte (10).
3.2.3. Einer aktuellen Eurobarometer-Umfrage zur „Einstellung der Europäer zu Tabak“ zufolge sind sich Dreiviertel der Europäer des Gesundheitsrisikos des Rauchens für Nichtraucher bewusst, während 95 % einräumen, dass das Rauchen in der Nähe einer Schwangeren eine ernste Gefahr für das Kind bedeuten kann.
3.2.4. Ende 2006 waren schätzungsweise 28 % der in Büroräumen tätigen Arbeitnehmer täglich am Arbeitsplatz Tabakrauch in der Umgebungsluft ausgesetzt, während Ende 2008 knapp 39 % der in Cafés und Restaurants tätigen Arbeitnehmer in derselben Situation waren. Einer anderen Umfrage (2006) zufolge waren 7,5 Millionen Arbeitnehmer in Europa täglich am Arbeitsplatz ETS ausgesetzt (11).
3.2.5. Jedes Jahr belaufen sich die Ausgaben, die der Tabakkonsum in den Gesundheitssystemen der europäischen Volkswirtschaften erforderlich macht, auf mehrere hundert Mrd. EUR. Diese Kosten werden nicht nur von den Verursachern aufgebracht, sondern von der gesamten Bevölkerung. Schätzungen zufolge verursacht die ETS-Exposition am Arbeitsplatz in den 27 EU-Mitgliedstaaten jährliche Kosten in Höhe von 2,46 Mrd. EUR (12), das heißt 1,3 Mrd. an medizinischen Kosten für tabakbedingte Krankheiten (darunter 560 Mrd. für nichtrauchende Arbeitnehmer) und mehr als 1,1 Mrd. an nichtmedizinischen Ausgaben durch Produktivitätsverluste (davon 480 Mio. für Nichtraucher).
3.3. Die Verpflichtung zum Schutz der Bevölkerung vor ETS-Exposition fällt unter die Gewährleistung der Grundrechte des Menschen (Recht auf Leben und Gesundheitsstandards)
3.3.1. Die nach Maßgabe von Artikel 8 des WHO-Rahmenübereinkommens zur Eindämmung des Tabakgebrauchs bestehende Pflicht, die Bevölkerung vor Tabakrauch zu schützen, ist in den menschlichen Grundrechten und –freiheiten verwurzelt. Angesichts der Risiken im Zusammenhang mit der Belastung durch sekundären Rauch gehört die Pflicht, die Bevölkerung vor Tabakrauch zu schützen, implizit insbesondere zum Recht auf Leben und auf das bestmögliche Gesundheitsniveau, wie es in zahlreichen internationalen Rechtsinstrumenten sanktioniert ist (u.a. Verfassung der Weltgesundheitsorganisation, Übereinkommen über die Rechte des Kindes, Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau und internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte), die ausdrücklich in der Präambel des WHO-Rahmenübereinkommens genannt und in den Verfassungen zahlreicher Nationen anerkannt werden.
3.3.2. Die Pflicht, die Bevölkerung vor Tabakrauch zu schützen, kommt einer Verpflichtung der Regierungen gleich, Gesetze zum Schutz der Menschen vor jeglicher Bedrohung ihrer Grundrechte und –freiheiten zu erlassen. Sie gilt für die gesamte Bevölkerung und nicht nur für bestimmte Gruppen.
3.4. Der internationale und europäische Kontext
3.4.1. In den Vereinigten Staaten haben die Umweltschutzagentur und das Ministerium für Gesundheit und Sozialdienste den Tabakrauch in der Umgebung erstmals im Jahr 1993 und ein zweites Mal im Jahr 2000 als einen für den Menschen krebserregenden Stoff eingestuft, und das Internationale Krebsforschungs-Zentrum der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat im Jahr 2002 nachgezogen.
3.4.2. Auf internationaler Ebene wird in dem WHO-Rahmenübereinkommen zur Eindämmung des Tabakkonsums, das von 168 Parteien unterzeichnet und von 141 ratifiziert wurde (darunter die Europäische Gemeinschaft), anerkannt, „dass wissenschaftliche Untersuchungen eindeutig bewiesen haben, dass Tabakkonsum und Passivrauchen zu Tod, Krankheit und Invalidität führen“. Das Übereinkommen verpflichtet die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten, das Problem der Belastung durch Tabakrauch am Arbeitsplatz in geschlossenen Räumen, in öffentlichen Verkehrsmitteln und an geschlossenen öffentlichen Orten in Angriff zu nehmen. In Artikel 8 dieses Übereinkommens ist eine Verpflichtung zur Gewährleistung eines Schutzes vor der Belastung durch Tabakrauch festgeschrieben.
3.4.3. Die Europäische Anti-Tabak-Strategie der WHO aus dem Jahr 2004 geht von der Annahme aus, dass die erfolgversprechendste Maßnahme im Hinblick auf eine langfristige Tabakentwöhnung in intensiven mehr als 10-minütigen Beratungsgesprächen mit einem Arzt besteht.
3.5. Folgenabschätzung für die günstigste Option unter den fünf möglichen Szenarien europäischer Politik
3.5.1. Mit dem am 30. Januar 2007 veröffentlichten Grünbuch der Kommission „Für ein rauchfreies Europa: Strategieoptionen auf EU-Ebene“ (KOM(2007) 27 endg.) wurde eine öffentliche Debatte angestoßen. Die fünf möglichen Szenarien europäischer Politik sind: 1) Beibehaltung des Status Quo, 2) freiwillige Maßnahmen, 3) Methode der offenen Koordinierung, 4) Empfehlungen der Kommission oder des Rates und 5) verpflichtende Rechtsvorschriften.
3.5.2. In ihrer Folgenabschätzung präzisiert die Kommission, dass mit Option 5 (verpflichtende Rechtsvorschriften) aufgrund ihres zwingenden Charakters die mit einer ETS-Exposition verbundenen Schäden maximal reduziert werden könnten, da sie diese an Arbeitsplätzen in geschlossenen Räumen beseitigen würde. Gleichwohl würde die Umsetzung dieses Szenariums sehr viel mehr Zeit in Anspruch nehmen als die von Option 4 (Empfehlung des Rates). Option 1 (keine Änderung an der derzeitigen Lage) würde die geringsten Erfolge bei der Reduzierung von ETS und der damit verbundenen gesundheitlichen Schäden bringen. Es wäre zu erwarten, dass in diesem Fall die aktuelle Anti-Rauch-Bewegung zwar weitergehen, aber an Schubkraft verlieren würde. Die politischen Optionen 2 und 3 hätten ähnliche Auswirkungen und würden im Vergleich zu Option 1 (Status Quo) nur zu einer geringfügigen Abnahme von ETS führen. Maßnahme 3, d.h. die Umsetzung der Methode der offenen Koordinierung, kann sehr viel Zeit in Anspruch nehmen und sich als unangemessen für ein Problem wie das des ETS erweisen. Die Wirkung von Option 4 wäre im Falle einer Empfehlung der Kommission begrenzt, da sie ggf. nicht den Rückhalt der Mitgliedstaaten erhält. Es wird erwartet, dass die zweite Möglichkeit in Szenarium 4 (Empfehlung des Rates) aufgrund der damit einhergehenden Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten und ihrer relativ schnellen Wirkung die größten positiven Auswirkungen auf die Gesundheit hätte.
4. Die durch die ETS-Exposition am stärksten gefährdeten Zielgruppen und entsprechenden Problemlösungsstrategien
4.1. Die am stärksten durch ETS-Exposition gefährdeten Gruppen sind Kinder, Jugendliche, Arbeitslose, benachteiligte Bevölkerungsgruppen und Arbeitnehmer im Hotel- und Gaststättengewerbe.
4.2. Aus kausaler Sicht ist es sinnvoll, das Problem der ETS-Exposition in Korrelation mit dem Tabakkonsum und den Besonderheiten der jeweiligen Zielgruppe anzugehen. 80 % der Raucher in Europa haben erklärt, auch zuhause zu rauchen. Die Strategien zur Reduzierung des Tabakkonsums und der ETS-Exposition müssen insbesondere auf Kinder, Jugendliche und Eltern zugeschnitten sein.
4.3. Unter den EU-Bürgern im Alter ab 15 Jahren erklären 31 % zu rauchen (26 % täglich und 5 % gelegentlich (13)). Bei den Kindern steigt die Raucherquote rapide ab dem Alter von 11 Jahren. Die sehr hohen Tabakkonsumquoten, die im Alter unter 18 Jahren zu beobachten sind, untermauern die Annahme, dass Jugendliche schon als Minderjährige mit dem Rauchen beginnen (14). Die Eurobarometer-Umfrage gibt keinen Aufschluss über den Erstkonsum von Tabak, aber einige Länder habe nationale Statistiken (15) aufgestellt, aus denen hervorgeht, dass „der Großteil der Raucher (53 %) in ihrer Kindheit begonnen haben: 5,5 % haben ihre erste Zigarette geraucht, als sie jünger als 15 Jahre waren; für 47,5 % fällt die erste Zigarette in die Altersspanne zwischen 15 und 19 Jahre“. Mehr als die Hälfte der männlichen Raucher (51,4 %) haben zwischen 15 und 19 Jahren mit dem Rauchen angefangen. Unter den am stärksten gefährdeten Gesellschaftsgruppen rauchen die Straßenkinder ihre erste Zigarette im Alter unter 15 Jahren (16). Das Leben auf der Straße, insbesondere für Kinder, Jugendliche oder Erwachsene aus benachteiligten Bevölkerungsgruppen, geht einher mit einem hohen Tabakkonsum und ETS-Expositionsgrad.
4.4. Freizeiträume (Clubs, Cafés, Diskotheken unter freiem Himmel oder in geschlossenen Räumen usw.) sind Bereiche, in denen die ETS-Exposition besonders hoch und gefährlich ist, und zwar sowohl für die Kundschaft (Teenager, Jugendliche und andere Gruppen) als auch für die Belegschaft (Angestellte der Unterhaltungsindustrie, des Hotel- und Gaststättengewerbes). Eine vierstündige ETS-Exposition in einer Diskothek ist genauso gefährlich wie ein Monat des Zusammenlebens mit einem Raucher (17).
4.5. Notwendig sind nicht nur Aufklärungsstrategien in den Medien, sondern auch und noch viel mehr vorbeugende Erziehungsmaßnahmen. Die Nichtregierungsorganisationen haben neuartige Dienste zur Information, Erziehung und Prävention eingerichtet, mit denen Kinder und Jugendliche für die Risiken des Tabakkonsums und der ETS-Exposition sensibilisiert werden sollen. Unionsweit könnte eine Lösung darin bestehen, diese nachahmenswerten Modelle flächendeckend zu verbreiten, indem entsprechende Erziehungsprogramme in die Schulsysteme eingeführt und Unterstützungsdienste mittels des europäischen Netzes der Bürgerberatungsstellen und - für Eltern und Kinder - mittels der Beratungsstellen der Schulen angeboten werden. Die Gemeindeclubs für Kinder und Eltern und Bildungsprogramme wie die Elternschule oder die Elternuniversität sind nachahmenswerte Modelle, die dazu beitragen können, dem Tabakkonsum vorzubeugen und die ETS-Exposition zu reduzieren, und zwar in der Schule, aber auch und vor allem zuhause (hier respektiert die EU-Gesetzgebung die Privatsphäre).
5. Positiv konzipierte, inhaltlich umfassende Medienkampagnen zur Gesundheitsförderung werden den Zigarettenkonsum und den ETS-Expositionsgrad auf natürliche Weise verringern
5.1. Europaweit wurden in den Medien zwei Anti-Tabak-Kampagnen gestartet: „Fühl' Dich frei, nein zu sagen“ (2001-2004) und „HELP - Für ein rauchfreies Leben“ (2005-2008) mit dem Ziel, in erster Linie die jungen Menschen auf die schädlichen Folgen des Passivrauchens aufmerksam zu machen und sie für ein Leben ohne Tabak zu sensibilisieren.
5.2. In Bezug auf die Änderung der Entscheidung der Kommission 2003/641/EG vom 5. September 2003 ist der Ausschuss der Auffassung, dass jeglicher Warnhinweis auch klare Angaben über den Inhalt von Zigaretten, die Beschaffenheit der kanzerogenen Giftstoffe - insbesondere Konservierungsmittel und Stoffe, die für die Herstellung verwendet werden - sowie weitere Angaben wie eine gebührenfreie Telefonnummer oder eine Webseite, mit denen die Raucher bei der Entwöhnung unterstützt werden sollen, enthalten muss.
5.3. Zwar erinnern sich 80 % der Raucher oder ehemaligen Raucher in der EU an eine Anti-Tabak-Kampagne, doch erklären 68 %, dass derartige Maßnahmen sie nicht dazu veranlasst hätten, mit dem Rauchen aufzuhören (18). Nach Ansicht des EWSA sollten unbedingt Informations- und Aufklärungskampagnen auf der Grundlage folgender Prinzipien gestartet werden:
— |
Hinweis auf die Bedeutung des Atmens als vitale Funktion des Menschen und dementsprechend auf den Bezug zwischen Luft- und Lebensqualität („Wir sind, was wir atmen“); |
— |
Förderung einer korrekten und vollständigen Information; |
— |
Rückgriff auf die Grundsätze der positiven Suggestion, die sich auf die Gestaltung gesunder Lebensweisen, welche die Zigarette und die verräucherten Lokale „vergessen“ machen, fokussieren sollte; |
— |
Anpassung der Kernbotschaft an die verschiedenen Zielgruppen und die jeweiligen Motive einzelner Altersgruppen (für die Jugendlichen z.B. die Bedeutung der Leistung und des eigenen Images); |
— |
Förderung sportlicher und erzieherischer Aktivitäten sowie kultureller Ansätze, die per Definition den Tabakkonsum ausschließen: Leistungssport (Schwimmen, Fußball, Radsport, Handball), Trainingsmethoden, Selbstverteidigung oder Selbsterfahrung (Karate, Tai-Chi, Yoga (19), Qigong u.a.) sowie Lebensanschauungen, die Tabakkonsum nicht zulassen; der ETS-Expositionsgrad in öffentlichen Räumen, die für solche Aktivitäten bereitgestellt werden, muss weiter gegen Null tendieren; |
— |
Persönlichkeiten aus Sport, Kultur oder Politik, die ein ausgewogenes und rauchfreies Leben führen, als Vorbilder präsentieren. |
Brüssel, den 5. November 2009
Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Mario SEPI
(1) „Wirksame Maßnahmen für den Schutz vor der Belastung durch Tabakrauch, wie sie in Artikel 8 des WHO-Rahmenübereinkommens vorgesehen sind, erfordern die vollständige Unterbindung des Rauchens und die vollständige Vermeidung von Tabakrauch an einem bestimmten Ort oder in einer bestimmten Umgebung, um ein vollständig rauchfreies Umfeld zu schaffen. Es gibt kein unbedenkliches Niveau der Belastung durch Tabakrauch, und Begriffe wie der eines Grenzwerts für die Toxizität des Tabakrauchs in der Umgebungsluft sollten abgelehnt werden, da sie durch wissenschaftliche Erkenntnisse widerlegt werden“ (KOM(2009) 328 endg., Anhang, Grundsatz 1, S. 13).
(2) Tabakkonsum, Stiftung Soros, 888 Seventh Avenue, New York 10106, 1992.
(3) Tobacco or health in the European Union: Past, present and future, Consortium ASPECT, Oktober 2004.
(4) Folgenabschätzung Rand, Rand Corporation.
(5) Surgeon General (2006), op. cit.
(6) Foreman, M.G., D.L. DeMEO, et al., „Clinical determinants of exacerbations in severe, early-onset COPD“, European Respiratory Journal 30 (6): 1124-1130.
(7) The Smoke free Partnership (2006). Schluss mit dem blauen Dunst: 10 Gründe für ein rauchfreies Europa, European Respiratory Society, Brüssel, Belgien.
(8) Siegel M., Involuntary smoking in the restaurant workplace. A review of employee exposure and health effects, Journal of American Medical Association, Juli 1993, 28; 270(4), 490-493.
(9) Gesundheitsindikatoren der Europäischen Gemeinschaft, Indikator Nr. 23, „Gewohnheitsraucher“: http://ec.europa.eu/health/ph_information/dissemination/echi/echi_de.htm.
(10) Fong G.T., Hammond D., Laux F.L., Zanna M.P., Cummings K.M., Borland R., Ross H., The near-universal experience of regret among smokers in four countries: findings from the International Tobacco Control Policy Evaluation Survey. Nicotine and Tobacco Research, Dezember 2004; 6 suppl. 3, S. S341-S351.
(11) Jaakkola M., Jaakkola J. (2006), Impact of smoke-free workplace legislation on exposure and health: possibilities of prevention, European Respiratory Journal 28, 397-408.
(12) SEK(2009) 895, S.3, Ziffer 2.1.2.
(13) Eurobarometer 253, März 2009, Survey on Tobacco, The Gallup Organisation, Ungarn, S.7, Ziffer 1.
(14) Tobacco Free Policy Review Group (2000), Towards a tobacco free society: report of the Tobacco Free Policy Review Group, Government Publication. Starionery Office, Dublin (http://www.drugsandalcohol.ie/5337/), S.29, Ziffer 1.
(15) Nationales Statistikinstitut Rumäniens.
(16) Assoziierte Therapien zur Integration von Straßenkindern, Eugen Lucan, Forschungsarbeit im Rahmen Hochschuldiplomarbeit, 1996.
(17) M. Nebot et al., Environmental tobacco smoke exposure in public places of European cities, Tobacco Control, Februar 2005; 14 (1), S.60-63.
(18) Eurobarometer 239/2005, Januar 2006, S. 58-59.
(19) In einer auf dem Internet veröffentlichten Studie wird betont, dass von den Personen, die auf einen Fragebogen geantwortet haben, 37 % Raucher waren, bevor sie mit Yoga begonnen haben, aber dann alle mit dem Rauchen aufgehört hätten. Auch würde keine dieser Personen Drogen nehmen (siehe http://yogaesoteric.net/content.aspx?lang=RO&item=3869).