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Document 52009AE1030

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie (Euratom) des Rates über einen Gemeinschaftsrahmen für die nukleare Sicherheit KOM(2008) 790 endg. — 2008/0231 (CNS)

    ABl. C 306 vom 16.12.2009, p. 56–63 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    16.12.2009   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 306/56


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie (Euratom) des Rates über einen Gemeinschaftsrahmen für die nukleare Sicherheit“

    KOM(2008) 790 endg. — 2008/0231 (CNS)

    2009/C 306/13

    Die Europäische Kommission beschloss am 30. Januar 2003, gemäß Artikel 31 des EURATOM-Vertrags den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu folgenden Vorlagen zu ersuchen:

    „Entwurf für einen Vorschlag für eine Richtlinie (Euratom) des Rates zur Festlegung grundlegender Verpflichtungen und allgemeiner Grundsätze im Bereich der Sicherheit kerntechnischer Anlagen“

    „Entwurf für einen Vorschlag für eine Richtlinie (Euratom) des Rates über die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle“

    KOM(2003) 32 endg. — 2003/0021 (CNS) — 2003/0022 (CNS)

    Der Ausschuss hat seine Stellungnahme zu diesen Vorschlägen am 26. März 2003 verabschiedet.

    Am 4. Juni 2009 beschloss die Europäische Kommission, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu der geänderten Fassung einer dieser Richtlinien zu ersuchen:

    „Vorschlag für eine Richtlinie (Euratom) des Rates über einen Gemeinschaftsrahmen für die nukleare Sicherheit“

    um seine Stellungnahme vom 26. März 2003 zu ergänzen.

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 20. Mai 2009 an. Berichterstatter war Gérard DANTIN.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 454. Plenartagung am 10./11. Juni 2009 (Sitzung vom 10. Juni) mit 100 Ja-Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1

    Die Kernenergie gewinnt heute aus wirtschaftlichen Gründen sowie aufgrund der notwendigen Diversifizierung der Versorgungsquellen und Verringerung der Treibhausgasemissionen wieder an Bedeutung.

    1.2

    Ein hohes Sicherheitsniveau und eine vorbildliche Transparenz sind die Voraussetzung für die Nutzung und Entwicklung der Kernenergie.

    1.3

    Diesbezüglich begrüßt der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss diesen Richtlinienvorschlag und ist der Auffassung, dass er aus technischer und strategischer Sicht von großer Bedeutung für die Sicherheit der Bürger, der Beschäftigten in der Kernenergiebranche und der Umwelt ist, wobei die Entscheidung für oder gegen die Nutzung dieses Energieträgers den Mitgliedstaaten überlassen bleibt.

    1.4

    Der Ausschuss ist sich bewusst, dass die Entwicklung bzw. der Ausbau der Kernenergie auch außerhalb der EU stattfinden wird, bisweilen in Ländern, die über keine so ausgereifte Technologie oder kein so striktes Risikomanagement wie die EU-Mitgliedstaaten verfügen. Vor diesem Hintergrund bringt der Ausschuss seine Hoffnung zum Ausdruck, dass die EU als Impulsgeber auftreten und nach dem Vorbild ihres Klimapakets über ihr Hoheitsgebiet hinausreichende Vorschläge zur nuklearen Sicherheit unterbreiten wird.

    1.5

    Die nukleare Sicherheit muss ein „globales öffentliches Gut“ sein, da nukleare Unfälle Auswirkungen auf die Bevölkerung und die Umwelt weit über die Staatsgrenzen des Landes, in denen sie stattfinden, haben können. Durch die verbindliche Einführung der Grundsätze der nuklearen Sicherheit, die von den in der IAEO vertretenen EU-Mitgliedstaaten bereits angenommen wurden, mittels dieser Richtlinie in der EU verfügt die Union über die Möglichkeit, das „europäische Sicherheitsmodell“ über ihre Grenzen hinaus zu propagieren.

    1.6

    Nach Meinung des Ausschusses wurde der beste Ansatz gewählt, indem die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, wirklich unabhängige nationale Sicherheitsbehörden einzurichten, die Genehmigungsinhaber voll verantwortlich für die Sicherheit zu machen und die Transparenz der Informationen zu all diesen Fragen sicherzustellen; der Ausschuss empfiehlt daher, diesen Aspekt der Richtlinie beizubehalten und stets ein sehr hohes Maß an Verantwortung anzustreben.

    1.7

    Der Ausschuss misst der Frage des Erwerbs, der Wahrung und der Weiterentwicklung von kerntechnischer Kompetenz in den Mitgliedstaaten, insbesondere in denjenigen, die über keine oder nur wenig Erfahrung mit der Kernenergie verfügen, große Bedeutung bei. Die betreffenden Mitgliedstaaten müssen dieses Problem unverzüglich lösen, namentlich durch geeignete Bildungsmaßnahmen. Der Ausschuss schlägt außerdem vor, die Einführung einer europäischen Zertifizierung der Kompetenz für den Betrieb von kerntechnischen Anlagen ins Auge zu fassen und sowohl das technische als auch das gesundheitliche Folgenmanagement bei nuklearen Unfällen in die Ausbildung aufzunehmen.

    1.8

    Der Ausschuss betont, dass die Sicherheit nicht allein auf Betriebsvorschriften und -auflagen beruht, sondern eine echte industrielle Sicherheitskultur und Sicherheitsverhalten voraussetzt.

    2.   Einleitung

    2.1

    Nach der Ölkrise 1973 hat die Kernindustrie in der EU einen starken Aufschwung genommen; sehr schnell wurde auch klar, dass die Sicherheitspraktiken harmonisiert werden müssen.

    2.2

    In der Entschließung des Rates vom 22. Juli 1975 über die technologischen Probleme der Sicherheit bei der Kernenergie (1) wurde der Europäischen Kommission eine Rolle als Vermittlerin bei Initiativen auf internationaler Ebene im Bereich der nuklearen Sicherheit zuerkannt.

    2.3

    Im Jahr 1992 verabschiedete der Rat eine zweite Entschließung (2), in der er die Mitgliedstaaten aufforderte, ihre Bemühungen um Harmonisierung in Sicherheitsfragen fortzuführen und zu intensivieren. In seinem Urteil C-29/99 vom 10. Dezember 2002 bestätigte der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die Befugnisse der Gemeinschaft, Rechtsakte auf dem Gebiet der nuklearen Sicherheit zu erlassen.

    2.4

    Am 30. Januar 2003 legte die Europäische Kommission gemäß Artikel 31 Euratom-Vertrag einen Richtlinienvorschlag über die Sicherheit kerntechnischer Anlagen (3) vor, zu der sich der Ausschuss in einer Stellungnahme geäußert hat (4).

    2.5

    Aufgrund fehlender Mehrheit nahm der Rat diese Richtlinie nicht an; allerdings wurde das Konzertierungsverfahren zu dieser Frage im Rahmen der im Jahr 2004 eingesetzten Arbeitsgruppe des Rates zur nuklearen Sicherheit (WPNS) fortgeführt.

    2.6

    Die Europäische Kommission beabsichtigt, die Umsetzung eines Gemeinschaftsrahmens zu Fragen der nuklearen Sicherheit jetzt erneut aufzugreifen und zu vertiefen.

    3.   Ziele, Vorgehensweise und wesentlicher Inhalt des neuen Richtlinienvorschlags

    3.1

    Ziel des Vorschlags ist es, in der Gemeinschaft nukleare Sicherheit zu erreichen, aufrechtzuerhalten und fortlaufend weiterzuentwickeln und die Rolle der Aufsichtsbehörden zu stärken. Sein Anwendungsbereich sind Auslegung, Wahl des Standorts, Bau, Instandhaltung, Betrieb und Stilllegung kerntechnischer Anlagen, bei denen nach den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des jeweiligen Mitgliedstaates Sicherheitsaspekte zu berücksichtigen sind. Das Recht jedes Mitgliedstaates, im Rahmen seines Energiemixes die Kernenergie zu nutzen oder auch nicht, wird anerkannt und uneingeschränkt respektiert.

    3.2

    Das Ausgangskonzept der Richtlinie zur nuklearen Sicherheit besteht darin, dass einige Grundsätze der nuklearen Sicherheit, die bereits im IAEO-Übereinkommen über nukleare Sicherheit enthalten sind, zu dessen Vertragsparteien alle EU-Mitgliedstaaten gehören, auf Gemeinschaftsebene reguliert und durch zusätzliche Sicherheitsanforderungen für neue Leistungsreaktoren ergänzt werden.

    3.3

    Das heißt, dass international (durch IAEO, CSN, WENRA usw.) anerkannte und bislang auf freiwilliger Basis angewendete Grundsätze der nuklearen Sicherheit verpflichtend vorgeschrieben werden sollen.

    4.   Allgemeine Bemerkungen

    4.1

    Energie aus Kernspaltung trägt derzeit mit 14,6 % zum Primärenergieverbrauch bei und liefert 31 % der in der Europäischen Union erzeugten Energie. Für die EU-Mitgliedstaaten, die sie nutzen (15 (5) von 27), ist sie die preisstabilste und eine der CO2-ärmsten Energiequellen. Wegen der Sorge insbesondere vor radioaktiver Verseuchung bei etwaigen Störfällen und in Bezug auf die Entsorgung des radioaktiven Abfalls ist ihre Verwendung jedoch in einigen Mitgliedstaaten, und zwar sowohl in denjenigen, in denen sie genutzt wird, als auch in stärkerem Maße in denjenigen, in denen sie nicht zum Energiemix gehört, umstritten.

    4.2

    Wie in der Stellungnahme des Ausschusses zum Thema „Die Bedeutung der Kernenergie für die Stromerzeugung (6) bereits vorweggenommen, gewinnt die Kernenergie heute wieder an Bedeutung, da sie von wirtschaftlichem Interesse ist und zur Verringerung der Treibhausgasemissionen (Klimaschutzpolitik) beitragen könnte. Innerhalb der EU überdenken einige Mitgliedstaaten, die sich zum Ausstieg aus der Kernenergie entschlossen haben, mittlerweile diesen Beschluss.

    4.3

    Im Interesse der öffentlichen Akzeptanz muss dieser erneute Aufschwung der Kernkraft an die Gewährleistung der höchstmöglichen Sicherheit gekoppelt sein.

    4.4

    Diese erdumfassende Renaissance wirft erneut die Fragen der nuklearen Sicherheit, insbesondere in Bezug auf ihre Organisation und ihre Kontrolle, auf. Die nukleare Sicherheit muss ein „globales öffentliches Gut“ sein. Ihre Gewährleistung muss daher auch „globalisiert“ erfolgen, denn die Risiken der Kernkraft machen nicht an den Grenzen der Staaten, in denen diese Technologie zum Einsatz kommt, halt.

    4.5

    Zur Verwirklichung dieses Ziels kann die Europäische Union im Zusammenhang mit dem Ausbau der Kernenergie in ihrem Hoheitsgebiet und der Sicherstellung des technologischen Knowhows eine wesentliche Rolle übernehmen. Sie kann mit gutem Beispiel vorangehen und ein Angebot auf den Tisch legen, wie sie es in Klimafragen getan hat, indem sie zuerst ihre eigenen Sicherheitsvorschriften und -verfahren vereinheitlicht und die Hindernisse ermittelt und abbaut, die der Verwirklichung dieses Ziels im Weg stehen.

    4.6

    Vor diesem Hintergrund schlägt die Europäische Kommission ihre Richtlinie zum richtigen Zeitpunkt vor. Der Ausschuss begrüßt diesen Vorschlag und ist der Auffassung, dass er aus technischer und strategischer Sicht von großer Bedeutung für die Sicherheit der Bürger, der Beschäftigten in der Kernenergiebranche und der Umwelt ist, und zwar sowohl in den Mitgliedstaaten, die sich für die Nutzung der Kernenergie entschieden haben, als auch in den Mitgliedstaaten, die sich dagegen ausgesprochen haben.

    4.6.1

    Der Ausschuss befürwortet den neuen Ansatz, den die Europäische Kommission gewählt hat, um einen breiteren Konsens zu erreichen, und mit dem sie die Mitgliedstaaten und ihre nationalen Aufsichtsbehörden umfassend in die Verantwortung nimmt. Da sich die Entwicklungen, Organisationen und Praktiken der Mitgliedstaaten unterscheiden, kann dieser Ansatz der Europäischen Kommission, der im Wesentlichen darin besteht, die Mitgliedstaaten zur Einhaltung gemeinsamer in der IAEO konzipierter Vorschriften zu verpflichten, wirklich unabhängige Aufsichtsbehörden einzurichten und die Genehmigungsinhaber voll verantwortlich zu machen, ohne dass diese Verantwortung delegiert werden kann, heute zweifelsohne am ehesten von sämtlichen Interessenträgern angenommen werden und die Sicherheit kerntechnischer Anlagen am besten gewährleisten.

    4.6.2

    Diese Richtlinie ist nach Meinung des Ausschusses ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Sicherheit. Es gilt, die Überlegungen fortzusetzen und zu vertiefen, um Neuerungen, Ergänzungen und Änderungen, die angesichts möglicher Entwicklungen des Umfelds, der Techniken und der Organisationskonzepte gerechtfertigt sein könnten, wahrzunehmen und zu berücksichtigen.

    4.6.3

    Der Ausschuss nimmt erfreut zur Kenntnis, dass sowohl in den wichtigsten Bestimmungen als auch in Artikel 5 des Richtlinienvorschlags der Transparenz und der Zuverlässigkeit der Informationen für die Bürger im Rahmen der Entscheidungsfindung ein ganz besonderes Augenmerk gewidmet wird. Diesbezüglich kann das Übereinkommen von Århus (7) über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten als Referenz für die Akteure der Zivilgesellschaft herangezogen werden.

    4.6.4

    Ungeachtet der vorstehenden Aussagen und des Inhalts des Richtlinienvorschlags sollte der Tatsache Rechnung getragen werden, dass die Sicherheit nicht einfach die Summe aller technischen und industriellen Vorschriften ist. Sie gründet auch auf einer Sicherheitskultur, bei der die Verhaltensweisen von Sicherheitsbewusstsein geprägt sind und neben strikt sicherheitsbezogenen Verfahren kontinuierlich Sicherheitsforschung betrieben wird, um die Sicherheit zu verbessern und potenzielle interne und externe Sicherheitsrisiken zu ermitteln. Diese Kultur lässt sich nicht im Handumdrehen aufbauen, sie betrifft die Unternehmer, die Betreiber und die Kontrollbehörden ebenso wie die politischen Entscheidungsträger, um wirklich zu greifen.

    4.7

    Als problematisch für die Entwicklung der Sicherheit kann sich eine unzureichende kerntechnische Kompetenz erweisen, die insbesondere auf einen Mangel an Erfahrung und Knowhow, aber auch auf ein unangemessenes wissenschaftliches und technologisches Umfeld zurückzuführen ist. Daher müssen erhebliche Anstrengungen im Bildungsbereich unternommen werden (8). Es könnten innereuropäische Know-how-Transfers ins Auge gefasst und Fördermaßnahmen vorgesehen werden, um den in Artikel 4, 7 und 9 für Bildung und Humanressourcen festgelegten Anforderungen besser Rechnung zu tragen. Es gilt, eine europäische Zertifizierung der Qualifikationen und Kompetenzen für den Betrieb von kerntechnischen Anlagen und für nukleare Sicherheit einzuführen.

    4.8

    Das von der Europäischen Kommission im März 2007 mit Unterstützung des Rates eingerichtete Europäische Forum für Kernenergie setzt sich aus hohen Vertretern der Mitgliedstaaten, Mitgliedern des Europäischen Parlaments, Mitgliedern des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses, Vertretern von Energieunternehmen, des Kernenergiesektors, der Verbraucher, des Finanzwesens und der Zivilgesellschaft zusammen. In diesem Forum wird sowohl Fachwissen zusammengetragen als auch über die Chancen und Gefahren der Kernenergie debattiert. Im Januar 2009 hat das Forum eine Reihe an Empfehlungen und Anmerkungen zu dem Richtlinienvorschlag vorgelegt (9), die nach Ansicht des Ausschusses aufgrund ihrer Qualität und ihrer Bedeutung für die Akzeptanz seitens der Bürger und ihrer Vertreter in die Überlegungen einfließen sollten.

    5.   Besondere Bemerkungen

    5.1   Geltungsbereich und Inhalt der Richtlinie

    Der Ausschuss befürwortet den Verweis auf die von der IAEO festgelegten Sicherheitsgrundsätze (Fundamental safety principles, IAEA Safety Standard Series No. SF-1 (2006)) und die Anforderungen des Übereinkommens über nukleare Sicherheit (CNS), will jedoch präzisieren, welche Elemente dieser Grundsätze genau dem Ziel der vorgeschlagenen Richtlinie entsprechen. Dies sollte in Form eines Anhangs zu der Richtlinie erfolgen, der in Ziffer 6 dieser Stellungnahme dargelegt und dieser beigefügt ist. Damit wird die Richtlinie klarer abgesteckt, und gleichzeitig werden auch einige Artikel vereinfacht.

    5.2   Artikel 1

    Der Ausschuss schlägt einen klareren Wortlaut für Absatz 1 vor: Diese Richtlinie dient „der Festlegung eines europäischen Rechtsrahmens für die nukleare Sicherheit, in dem die Grundsätze dargelegt sind, denen die Gesetze und Regelungen für die nukleare Sicherheit in den Mitgliedstaaten zur Aufrechterhaltung und fortlaufenden Verbesserung der nuklearen Sicherheit sowie zur Stärkung der Rolle der nationalen Aufsichtsbehörden entsprechen müssen.“

    5.3   Artikel 2

    5.3.1

    Begriffsbestimmung (1) „kerntechnische Anlage“: Der Ausschuss schlägt vor, „radioaktive Abfälle“ nach „abgebrannte Brennelemente“ hinzufügen.

    5.3.2

    Begriffsbestimmung (8) „Aufsichtsbehörde“: Der Ausschuss fordert die Europäische Kommission auf, sich strikt an die Begriffsbestimmung des 2007 veröffentlichten Sicherheitsglossars der IAEA zu halten: „Behörde oder Netz von Behörden, die von der Regierung eines Staates mit der rechtlichen Befugnis ausgestattet sind, die Regulierung wahrzunehmen, Genehmigungen zu erteilen und so die nukleare Sicherheit, den Strahlenschutz sowie die Sicherheit radioaktiver Abfälle und des Transports zu überwachen.“

    5.3.3

    Begriffsbestimmung (10) „neuer Leistungsreaktor“: Nach Meinung des Ausschusses wäre es zweckdienlicher, auf den Bau neuer Anlagen nach Inkrafttreten dieser Richtlinie zu verweisen, da die Entwicklungen zu Baubeginn vom Genehmigungsinhaber berücksichtigt werden können. Hingegen wäre die Durchführung jedweder Änderung nach Bauabschluss komplizierter, wenn die Anlage nicht von vornherein entsprechend ausgelegt worden ist. Im Hinblick auf die besondere Situation von Anlagen, deren Bau gestoppt wurde und wieder aufgenommen werden soll, schlägt der Ausschuss folgenden Wortlaut vor: neuer Leistungsreaktor“ nukleare Leistungsreaktoren, deren Bau nach Inkrafttreten dieser Richtlinie genehmigt (oder deren Bau nach einem Stopp von mindestens fünf Jahren wieder aufgenommen) wird.

    5.4   Artikel 3

    5.4.1

    Der Ausschuss schlägt vor, dass dieser Artikel derart formuliert wird, dass zuerst der Rahmen, d.h. der übergeordnete Aspekt der Sicherheit, und anschließend die Verantwortung für seine Umsetzung präzisiert werden. Außerdem sollte seiner Meinung nach in diesen Artikel die Möglichkeit aufgenommen werden, Betriebsgenehmigungen bei Verstößen zu entziehen, da dies in den allgemeinen Rahmen fällt und die Autorität der Aufsichtsbehörde stärken würde. Damit könnte Artikel 8 wegfallen. Der Ausschuss verweist darauf, dass die Europäische Kommission befugt ist, die Qualität der Umsetzung der Richtlinie zu überprüfen und gegebenenfalls ein Vertragsverletzungsverfahren gegen einen Mitgliedstaat, der die Grundsätze der Richtlinie nicht einhält, einleiten kann.

    5.4.2

    Artikel 3 sollte daher wie folgt lauten:

    1.

    Die Mitgliedstaaten schaffen einen Rechts- und Verwaltungsrahmen zur Regelung der Sicherheit kerntechnischer Anlagen. Dieser umfasst innerstaatliche sicherheitstechnische Anforderungen, ein System für die Genehmigung und Kontrolle kerntechnischer Anlagen sowie das Betriebsverbot ohne Genehmigung, ein System der behördlichen Aufsicht und die erforderlichen Durchsetzungsmaßnahmen einschl. der Aussetzung und der Entziehung einer Genehmigung. Die Aufsichtsbehörde ist mit der Befugnis ausgestattet, bei ernsthaften oder wiederholten Verstößen gegen sicherheitstechnische Regeln in einer kerntechnischen Anlage die Betriebsgenehmigung zu entziehen.

    2.

    Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die vorrangige Verantwortung für die Sicherheit kerntechnischer Anlagen beim Genehmigungsinhaber, unter der Kontrolle der Aufsichtsbehörde, liegt, und zwar während der gesamten Lebensdauer der kerntechnischen Anlagen, bis sie nicht mehr den Sicherheitsvorschriften unterliegen. Die Verantwortung des Genehmigungsinhabers kann nicht übertragen werden. Die in den kerntechnischen Anlagen durchzuführenden Maßnahmen zur Verwaltung und Kontrolle der Sicherheit sind vom Genehmigungsinhaber vorzuschlagen und von der Aufsichtsbehörde zu genehmigen. Sie werden vom Genehmigungsinhaber unter Kontrolle der Aufsichtsbehörde angewendet.

    5.5   Artikel 4 Absatz 1

    5.5.1

    Zur Sicherstellung der Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörde, der der Ausschuss großes Gewicht beimisst, sollte dieser Absatz wie folgt formuliert werden: „Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die Aufsichtsbehörde, deren Aufgabe ausschließlich die Sicherheit ist, von allen Stellen, die kerntechnische Anlagen unterstützen und betreiben, tatsächlich unabhängig und jedem Einfluss, der ihre Aufsichtstätigkeit beinträchtigen könnte, entzogen ist.“ Der Verweis auf Stellen, die die „gesellschaftlichen Vorteile von kerntechnischen Anlagen“ rechtfertigen sollen, ist unter dem Gesichtspunkt der Förderung der Kernkraft überflüssig. Wird dieser Verweis beibehalten, muss auch auf die Unabhängigkeit von Kernenergiegegnern verwiesen werden.

    5.6   Artikel 4 Absatz 3

    Der Ausschuss schlägt vor, Absatz 3 und 4 von Artikel 4 des Richtlinienvorschlags zusammenzuführen und wie folgt zu formulieren: „Die Aufsichtsbehörde erteilt Genehmigungen auf der Grundlage der vom Antragsteller vorgelegten Nachweise, dass die Standortwahl, die Auslegung, der Bau, die Inbetriebnahme, der Betrieb, die Verlängerung der Betriebsdauer und die Anzahl von qualifizierten Mitarbeitern bis zur Stilllegung der Anlage den geltenden Sicherheitsanforderungen, -bedingungen und -vorschriften entsprechen. Die Aufsichtsbehörde überwacht die ordnungsgemäße Einhaltung der vom Genehmigungsinhaber eingegangenen Verpflichtungen zur Gewährleistung der nuklearen Sicherheit.“

    5.7   Artikel 4 Absatz 4

    Streichen und in den umformulierten Absatz 3 von Artikel 4 aufnehmen.

    5.8   Artikel 4 Absatz 6

    Der Ausschuss schlägt vor, einen sechsten Absatz im Hinblick auf die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsbehörden in der EU hinzuzufügen: „Die Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten tauschen untereinander die besten Aufsichtspraktiken aus und entwickeln eine gemeinsame Auffassung der angenommenen internationalen Anforderungen.“

    5.9   Artikel 5

    Transparenz“: Der Ausschuss unterstreicht die große Bedeutung dieses Artikels zur Entkräftung des Vorwurfs der „Geheimniskrämerei“, der gegenüber der Kernindustrie erhoben wird. Außerdem betreffen die Informationen über den Betrieb von Kernkraftwerken ausnahmslos alle Mitgliedstaaten, ungeachtet der Nutzung der Kernenergie auf ihrem Hoheitsgebiet, da sie ihre Bürger vor den Risiken der Kernenergie schützen müssen, die nicht an den Staatsgrenzen halt machen.

    5.10   Artikel 6 Absatz 1

    Der Ausschuss schlägt vor, die Verweise auf die sicherheitstechnischen Grundsätze der IAEO zu präzisieren und hierfür auf den bereits erwähnten Anhang zu der Richtlinie zu verweisen. Artikel 6 Absatz 1 sollte somit neu formuliert werden: „In Bezug auf die Standortwahl, die Auslegung, den Bau, die Inbetriebnahme, den Betrieb und die Stilllegung der kerntechnischen Anlagen wenden die Mitgliedstaaten die im Anhang erläuterten sicherheitstechnischen Grundsätze der IAEO (IAEA Safety Fundamentals: Fundamental safety principles, IAEA Safety Standard Series No. SF-1 (2006)) an.“

    5.11   Artikel 6 Absatz 2

    Dieser Artikel enthält einen zu unpräzisen Verweis auf den Verband der westeuropäischen Aufsichtsbehörden im Nuklearbereich (WENRA) und die Europäische hochrangige Gruppe für nukleare Sicherheit und Abfallentsorgung und ist problematisch: Wie können die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet werden, künftige Erkenntnisse, von denen man weiß, was sie beinhalten und wann sie vorliegen werden, zum Zeitpunkt der Annahme der Richtlinie noch nicht zu berücksichtigen? Der Ausschuss schlägt daher die Streichung dieses Absatzes vor, denn die sicherheitstechnischen Grundsätze und der Aufbau einer Sicherheitskultur sind aufgrund der wissenschaftlichen und technologischen Fortschritte einem ständigen Wandel unterworfen.

    5.12   Artikel 7

    In diesem Artikel wird die Verantwortung des Genehmigungsinhabers dargelegt; da die Richtlinie jedoch an die Mitgliedstaaten gerichtet ist, schlägt der Ausschuss vor, die nicht allein auf die Rolle der Mitgliedstaaten bezogenen Aspekte in den Anhang zu übertragen. Artikel 7 sollte daher wie folgt lauten:

    Pflichten des Genehmigungsinhabers:„Die Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, dass die Genehmigungsinhaber für den Entwurf, den Bau, den Betrieb und die Stilllegung ihrer kerntechnischen Anlagen gemäß Artikel 6 verantwortlich sind.“

    5.13   Artikel 8

    Die Bestimmungen dieses Artikels wurden in Artikel 3 und 4 aufgenommen und können an dieser Stelle gestrichen werden.

    5.14   Artikel 10

    Die Überschrift „Vorrang der Sicherheit“ kann irreführend sein, da sie darauf schließen lässt, dass die Mitgliedstaaten, die keine strengeren Sicherheitsmaßnahmen als die in dieser Richtlinie vorgesehenen ergreifen, der Sicherheit nicht den Vorrang einräumen oder dass dies nicht Ziel der Richtlinie ist. Der Ausschuss schlägt daher folgende Überschrift vor: „ Stärkung der Sicherheit “.

    5.15   Artikel 11

    Artikel 11 betrifft die regelmäßige Berichterstattung über die Durchführung dieser Richtlinie an die Europäische Kommission; dies ist notwendig und wünschenswert, doch ist eine derartige Berichterstattungspflicht bereits im Übereinkommen über nukleare Sicherheit (CNS) enthalten. Der Ausschuss erachtet es daher als sinnvoll, die Berichterstattung zeitlich zu bündeln, um die Verfahren zu vereinfachen und kohärenter zu gestalten.

    Dieser Artikel sollte wie folgt umformuliert werden: „Die Mitgliedstaaten legen der Kommission einen Bericht über die Durchführung dieser Richtlinie vor, und zwar jeweils zu dem Zeitpunkt, an dem sie ihre nationalen Berichte für die Revisionstagungen im Rahmen des Übereinkommens über nukleare Sicherheit (CNS) vorlegen. Anhand dieses Berichts legt die Kommission dem Rat einen Bericht über den Stand der Durchführung dieser Richtlinie und gegebenenfalls Vorschläge für Rechtsakte vor.

    6.   Vorschlag für einen Anhang zu der Richtlinie

    6.1

    In diesem Anhang zu der Richtlinie sollen

    die Verpflichtungen der Betreiber nuklearer Anlagen verankert werden, die nicht in der Richtlinie festgeschrieben werden können, da diese nur für die Mitgliedstaaten verpflichtend ist;

    ausgehend von den zehn sicherheitstechnischen Grundsätzen der IAEO die Verpflichtungen ausformuliert werden, die den Mitgliedstaaten mit der Richtlinie auferlegt werden sollen.

    6.2

    Der Anhang beruht auf folgenden sechs Grundsätzen:

    6.2.1

    Die Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, dass die Verantwortung für die Sicherheit in erster Linie dem Genehmigungsinhaber obliegt.

    6.2.2

    Die Verantwortung für die Sicherheit und das Sicherheitsmanagement müssen auf höchster Ebene des Unternehmens angesiedelt sein.

    6.2.3

    Die Sicherheitsbewertung muss ab Baubeginn einer nuklearen Anlage und während ihrer gesamten Lebensdauer vorgenommen werden.

    6.2.4

    Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die nuklearen Anlagen nachgerüstet werden, um das höchstmögliche praktisch realisierbare Sicherheitsniveau zu gewährleisten.

    6.2.5

    Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass alle nur erdenklichen Anstrengungen zur Vermeidung nuklearer Stör- und Unfälle und zur Eindämmung ihrer Folgen unternommen werden.

    6.2.6

    Alle Mitgliedstaaten stellen ausnahmslos sicher, dass die Notfallschutz- und Gegenmaßnahmen für nukleare Unfälle gemäß Richtlinie 96/29/Euratom getroffen werden.

    Brüssel, den 10. Juni 2009

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Mario SEPI


    (1)  ABl. C 185 vom 14.8.1975, S. 1.

    (2)  ABl. C 172 vom 8.7.1992, S. 2.

    (3)  KOM(2003) 32 endg. und KOM(2004) 526 endg. (revidierte Fassung).

    (4)  ABl. C 133 vom 6.6.2003, S. 70.

    (5)  Bulgarien, Belgien, Tschechische Republik, Deutschland, Spanien, Frankreich, Litauen, Ungarn, Niederlande, Rumänien, Finnland, Schweden, Slowenien, Slowakei und Vereinigtes Königreich.

    (6)  ABl. C 110 vom 30.4.2004, S. 77.

    (7)  Dieses internationale Übereinkommen wurde im Rahmen der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UN/ECE) ausgehandelt und von 40 der 55 Mitgliedstaaten dieser Kommission unterzeichnet.

    (8)  ABl. C 175 vom 28.7.2009, S. 1-7.

    (9)  Siehe Überlegungen der Untergruppe „Harmonisation“ der Arbeitsgruppe „Risks“ des Europäischen Forums für Kernenergie zu einem möglichen Vorschlag für eine Richtlinie über nukleare Sicherheit.


    ANHANG

    zu der Stellungnahme TEN/377 des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie (Euratom) des Rates über einen Gemeinschaftsrahmen für die nukleare Sicherheit“

    KOM(2008) 790 endg. — 2008/0231 (CNS)

    ANHANG ZU DER RICHTLINIE  (1)

    SICHERHEITSZIEL

    Das grundlegende Sicherheitsziel besteht darin, die Arbeitskräfte und die Bevölkerung vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung zu schützen, die beim Betrieb kerntechnischer Anlagen entstehen kann.

    Um den Schutz der Arbeitskräfte und der Bevölkerung sicherzustellen, werden kerntechnische Anlagen so betrieben, dass das höchste Sicherheitsniveau gewährleistet wird, das bei entsprechender Berücksichtigung wirtschaftlicher und sozialer Faktoren unter realistischen Bedingungen erreichbar ist.

    Neben Maßnahmen, die dem in den Euratom-Grundnormen verankerten Gesundheitsschutz (Richtlinie 96/29/Euratom) dienen, werden Maßnahmen getroffen

    zur Einschränkung der Wahrscheinlichkeit von Ereignissen, die zu einem Verlust der Kontrolle über einen Reaktorkern, eine nukleare Kettenreaktion oder eine Strahlungsquelle führen können und

    zur Minderung der Folgen bei Eintreten derartiger Ereignisse.

    Dem grundlegenden Sicherheitsziel ist bei allen kerntechnischen Anlagen und in allen Phasen während der gesamten Lebensdauer der kerntechnischen Anlage Rechnung zu tragen.

    GRUNDSÄTZE FÜR DIE SICHERHEIT

    1.   Grundsatz 1: Verantwortung für die Sicherheit

    Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass der Inhaber der entsprechenden Genehmigung die Hauptverantwortung für die Sicherheit der kerntechnischen Anlage trägt, und ergreifen geeignete Maßnahmen, mit denen sichergestellt wird, dass die betreffenden Genehmigungsinhaber ihrer Verantwortung ausnahmslos gerecht werden.

    Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass der Genehmigungsinhaber Maßnahmen:

    zum Aufbau und zur Erhaltung der notwendigen Kompetenzen,

    zur Bereitstellung angemessener Bildungs- und Informationsangebote,

    zur Einführung von Verfahren und Vorkehrungen zur dauerhaften Gewährleistung der Sicherheit unter allen Umständen,

    zur Verifizierung der sachgemäßen Auslegung und Qualität der kerntechnischen Anlagen,

    zur Gewährleistung der sicheren Handhabung aller radioaktiver Materialien, die verwendet, erzeugt oder gelagert werden,

    zur Gewährleistung der sicheren Entsorgung aller radioaktiven Abfälle,

    getroffen hat, um seiner Verantwortung für die Sicherheit einer kerntechnischen Anlage gerecht zu werden.

    Die Wahrnehmung dieser Aufgaben erfolgt in Übereinstimmung mit den geltenden Sicherheitszielen und -anforderungen, die von der Aufsichtsbehörde festgelegt oder genehmigt wurden, und ist durch die Einführung eines Managementsystems sicherzustellen.

    2.   Grundsatz 2: Führungskompetenz und Management in Sicherheitsfragen

    Bei den mit nuklearer Sicherheit befassten Einrichtungen muss für den Aufbau und den Erhalt leistungsfähiger Führungs- und Managementstrukturen für die Sicherheit gesorgt werden.

    2.1

    Führungskompetenz in Sicherheitsfragen ist auf höchster Ebene der Einrichtungen anzusiedeln. Es muss ein effizientes Managementsystem aufgebaut und aufrechterhalten werden, das alle Managementbereiche umfasst, damit sicherheitstechnische Anforderungen im Einklang mit anderen Anforderungen - einschließlich Anforderungen an Leistungsniveau, Qualität und Sicherheit menschlicher Tätigkeiten - aufgestellt und angewandt werden und die Sicherheit nicht durch andere Anforderungen oder Ansprüche gefährdet wird.

    Darüber hinaus muss das Managementsystem die Entstehung einer Sicherheitskultur fördern, die regelmäßige Bewertung des sicherheitstechnischen Niveaus sicherstellen und dafür sorgen, dass Erfahrungen sich in Lernerfolgen niederschlagen.

    2.2

    Eine Sicherheitskultur, die die Haltungen und das Verhalten aller betreffenden Einrichtungen und Personen in Bezug auf Sicherheitsfragen prägt, muss Teil des Managementsystems sein. Die Sicherheitskultur umfasst:

    individuelles und kollektives Engagement für Sicherheit seitens der Leitung, des Managements und der Mitarbeiter auf allen Ebenen,

    Rechenschaftspflicht von Einrichtungen und Einzelpersonen in Sicherheitsfragen auf allen Ebenen,

    Maßnahmen zur Förderung einer hinterfragenden und lernwilligen Haltung und zur Vermeidung selbstgerechter Haltungen gegenüber Sicherheitsfragen.

    2.3

    Im Rahmen des Managementsystems gilt es, die Interaktionen der Einzelpersonen auf den verschiedenen Ebenen mit den Technologien und Einrichtungen in ihrer Gesamtheit zu sehen. Um das Versagen von Einzelpersonen oder Einrichtungen mit Auswirkungen auf die Sicherheit zu vermeiden, muss der menschliche Faktor einkalkuliert werden; gute Leistung und bewährte Verfahren müssen gefördert werden.

    3.   Grundsatz 3: Bewertung der Sicherheit

    Vor dem Bau und der Inbetriebnahme und während der gesamten Lebensdauer einer kerntechnischen Anlage werden umfassende und systematische Sicherheitsbewertungen durchgeführt. Dabei kommt ein stufenweiser Ansatz zur Anwendung, der dem Ausmaß der von der kerntechnischen Anlage ausgehenden potenziellen Risiken Rechnung trägt.

    3.1

    Die Aufsichtsbehörde fordert die Bewertung der nuklearen Sicherheit aller kerntechnischen Anlagen, wobei ein stufenweiser Ansatz zur Anwendung kommt. Die Sicherheitsbewertung umfasst eine systematische Analyse des Normalbetriebs und seiner Folgen, möglicher Fehlerquellen und der Folgen jener Fehler. Die Sicherheitsbewertungen erstrecken sich auf die Sicherheitsmaßnahmen, die zur Gefahrenkontrolle notwendig sind; darüber hinaus wird im Rahmen der Bewertung der sicherheitstechnischen Auslegung und bautechnischer Sicherheitsvorrichtungen geprüft, ob diese die vorgesehene sicherheitstechnische Funktion erfüllen. Sofern Kontrollmaßnahmen oder Maßnahmen des Betreibers zur Gewährleistung der Sicherheit vorgenommen werden sollen, ist zunächst eine Sicherheitsbewertung vorzunehmen, in deren Rahmen der Nachweis dafür erbracht wird, dass die betreffenden Vorkehrungen den Belastungen standhalten und zuverlässig sind. Eine Zulassung wird einer kerntechnischen Anlage von einem Mitgliedstaat erst erteilt, wenn der Aufsichtsbehörde gegenüber der hinreichende Nachweis dafür erbracht wurde, dass die vom Genehmigungsinhaber vorgeschlagenen Sicherheitsmaßnahmen ihren Zweck erfüllen.

    3.2

    Die geforderte Sicherheitsbewertung wird später, wenn der Betrieb aufgenommen wurde, nach Bedarf ganz oder teilweise wiederholt, um veränderten Umständen (beispielsweise Gültigkeit neuer Normen oder neue wissenschaftliche und technologische Entwicklungen), beim Betrieb gewonnenen Erfahrungen, Änderungen und Abnutzungserscheinungen Rechnung zu tragen. Bei Betriebsabläufen, die über lange Zeiträume gehen, werden die Bewertungen im erforderlichen Maße überprüft und wiederholt. Ob die Betriebsabläufe fortgesetzt werden dürfen, ist von den wiederholten Bewertungen abhängig, in deren Rahmen der hinreichende Nachweis erbracht wird, dass die Sicherheitsmaßnahmen nach wie vor ihren Zweck erfüllen.

    3.3

    Im Rahmen der geforderten Sicherheitsbewertung werden Vorzeichen von Unfällen (ein auslösendes Ereignis, das die Ausgangsbedingungen für einen Unfall schaffen könnte) erkannt und analysiert und Maßnahmen getroffen, um einen Unfall zu vermeiden.

    3.4

    Zur weiteren Verbesserung der Sicherheit werden Verfahren für die Rückmeldung und Auswertung von Erfahrungen beim Betrieb der eigenen oder anderer Anlagen eingeführt - einschließlich Erfahrungen in Bezug auf auslösende Ereignisse, Vorzeichen von Unfällen, Beinahe-Unfälle, Unfälle und unzulässiges Verhalten -, sodass die Erfahrungen sich in Lernerfolgen niederschlagen, gemeinsam genutzt werden und als Grundlage für künftiges Handeln dienen können.

    4.   Grundsatz 4: Optimierte Sicherheit

    Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass kerntechnische Anlagen so optimiert werden, dass das höchste Maß an Sicherheit besteht, das unter realistischen Bedingungen erreichbar ist, ohne die Nutzung der Anlage übermäßig zu beeinträchtigen.

    4.1

    Um die Sicherheit zu optimieren, müssen Aussagen über die relative Bedeutung der einzelnen Faktoren getroffen werden. Zu diesen Faktoren gehören:

    die Wahrscheinlichkeit des Eintritts vorhersehbarer Ereignisse und deren Folgen,

    die Höhe und die Verteilung der Strahlungsdosen, denen Betroffene ausgesetzt sind,

    mit dem Strahlungsrisiko verbundene wirtschaftliche, soziale und Umweltfaktoren.

    Optimierte Sicherheit bedeutet auch, bewährte Verfahren und gesunden Menschenverstand einzusetzen, soweit dies im Rahmen der alltäglichen Betriebsabläufe praktikabel ist.

    5.   Grundsatz 5: Verhinderung und Minderung von Schäden

    Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass alle praktischen Anstrengungen unternommen werden, um nukleare Störfälle und Unfälle bei kerntechnischen Anlagen zu unterbinden und zu entschärfen.

    5.1

    Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Genehmigungsinhaber alle praktischen Anstrengungen unternehmen, um

    das Auftreten von Störungen oder Störfällen, die zu einem Kontrollverlust führen könnten, zu verhindern,

    die Zuspitzung bereits eingetretener Störungen oder Störfälle zu verhindern und

    gefährliche Folgen eines Unfalls zu mindern,

    indem sie das Schutzkonzept der „tief gestaffelten Verteidigung“ zur Anwendung bringen.

    5.2

    Mit der Anwendung des Konzepts der „tief gestaffelten Verteidigung“ wird gewährleistet, dass ein technisches, menschliches oder organisationsbedingtes Versagen an sich noch keinen Folgeschaden verursachen kann und die Wahrscheinlichkeit eines durch gleichzeitiges Versagen auf mehreren Ebenen verursachten schweren Folgeschadens sehr gering ist.

    5.3

    Die „tief gestaffelte Verteidigung“ erfolgt durch Kombination einer Reihe nacheinander angeordneter, voneinander unabhängiger Schutzstufen. Gefährliche Folgen für die Arbeitskräfte oder die Bevölkerung können damit erst eintreten, wenn diese Schutzstufen in ihrer Gesamtheit versagen. Die „tief gestaffelte Verteidigung“ umfasst folgende Schutzstufen:

    a.

    die Auswahl eines geeigneten Standorts,

    b.

    die sachgemäße Auslegung der kerntechnischen Anlage, das heißt:

    hochwertige Auslegung und Bauausführung,

    Einsatz hochgradig zuverlässiger Bauteile und Ausrüstung,

    Kontroll-, Drosselungs-, Schutzsysteme und Überwachungseinheiten,

    geeignete Kombination systemimmanenter und bautechnisch realisierter Sicherheitsmerkmale,

    c.

    eine zweckmäßig konzipierte Einrichtung mit:

    einem leistungsfähigen Managementsystem mit starkem Engagement des Managements für Sicherheit und eine ausgeprägte Sicherheitskultur,

    umfassenden Arbeitsabläufen und Verfahrensweisen,

    umfassenden Verfahren zur Eindämmung von Unfällen,

    Vorkehrungen für die Vorbereitung auf den Notfall.

    6.   Grundsatz 6: Vorbereitung auf den Notfall und Gegenmaßnahmen

    Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Vorkehrungen getroffen werden, wie zur Vorbereitung auf das Eintreten und bei Eintreten eines Unfalls in kerntechnischen Anlagen im Einklang mit der Richtlinie 1996/29/Euratom verfahren und reagiert werden muss.


    (1)  Dieser Anhang greift teilweise die Überlegungen der Untergruppe „Harmonisation“ der Arbeitsgruppe „Risks“ des Europäischen Forums für Kernenergie zu einem möglichen Vorschlag für eine Richtlinie über nukleare Sicherheit auf. Anmerkung der Übersetzung: Der hier wiedergegebene deutsche Text folgt in fast allen Punkten den im Europäischen Parlament angefertigten Übersetzungen (Entwurf eines Berichts und Änderungsanträge zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie (Euratom) des Rates über einen Gemeinschaftsrahmen für die nukleare Sicherheit“ (KOM(2008) 790 endg.).


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