EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52008AE1002

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem hinsichtlich der Behandlung von Versicherungs- und Finanzdienstleistungen KOM(2007) 747 endg. — 2007/0267 (CNS)

ABl. C 224 vom 30.8.2008, p. 124–129 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

30.8.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 224/124


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem hinsichtlich der Behandlung von Versicherungs- und Finanzdienstleistungen“

KOM(2007) 747 endg. — 2007/0267 (CNS)

(2008/C 224/28)

Der Rat beschloss am 18. Dezember 2007, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem hinsichtlich der Behandlung von Versicherungs- und Finanzdienstleistungen“

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 30. April 2008 an. Berichterstatter war Herr ROBYNS DE SCHNEIDAUER.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 445. Plenartagung am 28./29. Mai 2008 (Sitzung vom 29. Mai) mit 98 Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

Zusammenfassung und Empfehlungen

1.

Der EWSA begrüßt die Bemühungen der Europäischen Kommission, die Mehrwertsteuerregelungen für Finanz- und Versicherungsdienstleistungen an die Anforderungen des Binnenmarktes anzupassen. Der Ausschuss begrüßt insbesondere die diesbezügliche Zusammenarbeit zwischen den direkt Beteiligten (1) wie auch die öffentliche Konsultation, die über das Internet veranstaltet wurde. Doch bei künftigen Mehrwertsteuer-Revisionen empfiehlt der EWSA die unmittelbare Einbeziehung aller interessierten Kreise in das Rechtsetzungsverfahren.

2.

Der EWSA stimmt darin zu, dass die Vorschläge ein entscheidender Schritt zu einem modernen und wettbewerbsfähigen MwSt-Rahmen für Versicherungs- und Finanzdienstleistungen sind. Allerdings würde der Ausschuss einen gründlicheren rechtlichen Ansatz begrüßen, um die noch vorhandenen Auslegungsschwierigkeiten und ungelösten Probleme zu beseitigen. Es kann nicht genug betont werden, dass die Europäische Kommission bei der Entwicklung von Mehrwertsteuer-Vorschriften für Versicherungs- und Finanzdienstleistungen sehr sorgfältig vorgehen muss. Die Interessen beider Sektoren und ihrer Kunden, insbesondere der Privatkunden, dürfen nicht aufs Spiel gesetzt werden. Denn neben dem Sachverhalt, dass zwei Wirtschaftszweige betroffen sind, die für ein gutes Funktionieren der Wirtschaft insgesamt und folglich für die Schaffung von Arbeitsplätzen für viele europäische Bürger von entscheidender Bedeutung sind, handelt es sich auch um ein sehr fachspezifisches Gebiet, das keinen Spielraum für bloße Mutmaßungen zulässt. Da eines der wichtigsten Anliegen die Rechtssicherheit und Verringerung des Verwaltungsaufwands für die Wirtschaftsbeteiligten und die einzelstaatlichen Steuerbehörden ist, muss der Sinn der Formulierungen unmissverständlich sein.

3.

Was die Frage der Mehrwertsteuer-Neutralität angeht, ist der EWSA über die Einführung von Kostenteilungsregelungen und die Erweiterung der Option für eine Besteuerung erfreut. Er ist davon überzeugt, dass diese Instrumente bei präzisen Formulierungen und der entsprechenden Umsetzung die Auswirkungen der versteckten Mehrwertsteuer auf die Kosten der Versicherungs- und Finanzdienstleister verringert werden können. Dies würde nicht nur die Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit des Sektors verbessern, sondern auch der Schaffung von Arbeitsplätzen oder ihrem Erhalt in der Union zugute kommen. Da es das Ziel ist, mehr Mehrwertsteuer-Neutralität und gleiche Wettbewerbsbedingungen auf dem Versicherungs- und Finanzdienstleistungsmarkt zu schaffen, stellen sich noch eine Reihe von Herausforderungen. Vor allem sind weitere Klärungen und eindeutigere Definitionen für eine Reihe von Steuerbefreiungen und Konzepte wie etwa dem „spezifischen und wesentlichen Charakter“ von befreiten Dienstleistungen sowie des Geltungsbereichs von steuerbefreiten Mittlerdiensten erforderlich. Eine annehmbare Lösung dürfte darin bestehen, den Geltungsbereich der Kostenteilungsregelungen auf möglichst viele Wirtschaftsbeteiligte auszudehnen und unangebrachte Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Option für eine Besteuerung zu vermeiden. Schließlich muss auch geprüft werden, wie vermieden werden kann, dass die MwSt zusätzlich zu anderen vergleichbaren Steuern erhoben wird; dies gilt etwa für solche Dienstleistungen, auf die bereits spezifische inländische Steuern — wie vor allem die Versicherungssteuer — erhoben werden, und für die der Dienstleister die Option für eine Mehrwertbesteuerung wählt. Denn andernfalls würden die Interessen der Verbraucher beeinträchtigt.

Begründung

1.   Hintergrund: Ein wettbewerbsfähigerer Binnenmarkt für Versicherungs- und Finanzdienstleistungen (2)

1.1

Nach den derzeitigen MwSt-Vorschriften sind die Versicherungsnehmer bei den meisten Versicherungs- und Finanzdienstleistungen von der Mehrwertsteuer (MwSt) befreit. Doch bildet dies ungebührliche Hindernisse für die Verwirklichung eines integrierten, offenen, effizienten und wettbewerbsfähigen Binnenmarktes für die Finanz- und Versicherungsdienstleister. Dabei stehen zwei Probleme im Vordergrund (3).

1.2

Erstens sind die für MwSt-Zwecke festgelegten Definitionen der Steuerbefreiungen für Versicherungs- und Finanzdienstleistungen veraltet. Zudem gibt es keine klare Abgrenzung zwischen steuerbefreiten und zu versteuernden Dienstleistungen und kein gemeinschaftsweit akzeptiertes Verfahren zur Festlegung der erstattungsfähigen Vorsteuer. Deshalb gibt es keine in sämtlichen Mitgliedstaaten einheitlich angewandten Ausnahmen. Folglich hat in den vergangenen Jahren die Anzahl der Rechtsfälle, die dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt wurden, erheblich zugenommen. Deshalb müssen die Rechtslücken geschlossen und die Regeln für MwSt-Befreiungen für Versicherungs- und Finanzdienstleistungen geklärt werden. Denn es ist sinnvoll — so sieht es auch die Kommission — für künftige Entwicklungen im Finanzdienstleistungssektor offen zu bleiben.

1.3

Das zweite Problem ist die fehlende Neutralität der Mehrwertsteuer. Die Versicherungs- und Finanzdienstleister können die MwSt, die sie für erworbene Waren und Dienstleistungen zum Betrieb ihrer Wirtschaftstätigkeit entrichten (Vorsteuer), im Allgemeinen nicht erstattet erhalten. Dies ist bei Geschäften außerhalb der Finanzwelt anders: dort ist die Vorsteuer kein Kostenfaktor, weil sie den Verbrauchern (daher Verbrauchssteuer) in Rechnung gestellt und dann an den Staat weitergegeben wird, ohne die eigenen Einkünfte zu tangieren. Für die Finanzämter der Mitgliedstaaten ist die MwSt eine wichtige Einkommensquelle, aber die Unternehmen leiden unter der sich akkumulierenden Wirkung. Die „versteckte“, nicht erstattungsfähige Mehrwertsteuer wird zu einem Bestandteil der Kosten der Versicherungs- und Finanzdienstleistungen. Letzten Endes erhöhen sich dadurch insgesamt die Kosten für Waren und Dienstleistungen für den Verbraucher (4).

1.4

Im Rahmen des allgemeinen Trends zur Integration der europäischen Finanzmärkte und des globalen Wettlaufs um verbesserte Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit entwickeln die Versicherungs- und Finanzdienstleister neue Geschäftsmodelle. Dies gestatten ihnen, zentrale interne Dienst- und Serviceleistungen in so genannte Exzellenzzentren auszugliedern, die diese Funktionen horizontal für ganze Unternehmensgruppen ausüben. Solche Geschäftsmodelle lassen eine spürbar bessere Nutzung des Know-how und der Investitionen zu, das heißt, führen zu qualitativ hochwertigeren Produkten bei niedrigeren Kosten. Dies führt zu dem Problem, dass zusätzliche Kosten entstehen, wenn solche Dienste mit Mehrwertsteuer belegt werden, die von den Finanz- und Versicherungsunternehmen zu entrichten sind, woraus sich der vorgenannte Akkumulierungseffekt ergibt.

1.5

Ziel der Überarbeitung des MwSt-Rechts ist einerseits eine aktualisierte und einheitlichere Anwendung der MwSt-Vorschriften, wodurch mehr Rechtssicherheit geschaffen und der Verwaltungsaufwand für die Wirtschaftsakteure und die Verwaltungen verringert wird. Um das Problem der mangelnden Mehrwertsteuerneutralität zu beheben, soll mit dem Vorschlag (MwSt-Richtlinie) andererseits den Versicherungs- und Finanzdienstleistern angeboten werden, die Kosten für die nicht abzugsfähige MwSt in der Weise aufzufangen, dass sie wählen können, ob sie ihre Dienste als mehrwertsteuerpflichtige anbieten und nicht erstattungsfähige Mehrwertsteuern vermeiden; dies soll durch eine Präzisierung und Ausweitung der Steuerbefreiungen für Kostenteilungsregelungen (auch grenzüberschreitende) erfolgen.

2.   Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem: der rechtliche Ansatz (5)

2.1

Seit mehr als 30 Jahren gab die sechste Mehrwertsteuerrichtlinie (77/388/EG) die Grundlage für den gemeinsamen europäischen Rahmen für die Mehrwertsteuer ab. Doch haben zahlreiche Änderungen ihre Lektüre kompliziert und den Zugang auch für Juristen erschwert. Am 1. Januar 2007 trat eine neue Mehrwertsteuerrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft in Kraft (2006/112/EWG), mit der die Verständlichkeit, logische Kohärenz und Vereinfachung verbessert wurde, ohne jedoch inhaltliche Änderungen vorzunehmen.

2.2

Im Rahmen ihrer Bestrebungen, die Steuervorschriften für Finanzierungs- und Versicherungsdienstleister zu modernisieren und zu vereinfachen, schlug die Europäische Kommission im November 2007 eine weitere Änderung des EU-Mehrwertsteuerrechts vor (6). Diese Vorschläge sind Bestandteil der Strategie der Kommission zur Vereinfachung des ordnungspolitischen Umfelds (KOM(2006) 690 Abschnitt 66). Mit den neuen Begriffsdefinitionen soll auch mehr Kohärenz mit den Binnenmarktvorschriften (z.B. bei Investmentfonds, Kredit-Rating, Derivaten) hergestellt werden.

2.3

Der vorliegende Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über ein gemeinsames Mehrwertsteuersystem für die Versicherungs- und Finanzdienstleistungen sieht Änderungen an Artikel 135 Absatz 1 Buchstabe a) bis g) und Artikel 137 Absatz 1 Buchstabe a) und Absatz 2 der MwSt-Richtlinie 2006/112/EG vor. Er geht mit einem Vorschlag für eine MwSt-Verordnung (7) einher, der Bestimmungen zur Umsetzung der einschlägigen Artikel der Richtlinie des Rates 2006/112/EG vom 28. November 2006 zum gemeinsamen MwSt-System für Finanz- und Versicherungsdienstleistungen enthält. So werden diejenigen Finanz-, Versicherungs-, Verwaltungs- und Vermittlungstätigkeiten aufgeführt, die für Vorsteuerbefreiungen infrage bzw. nicht infrage kommen sowie die Dienstleistungen, die spezifische und wesentliche Eigenschaften der steuerbefreiten Dienstleistung aufweisen und deshalb eine eigenständige steuerbefreite Dienstleistung darstellen. Wegen der Komplexität der Finanzdienstleistungen und Versicherungsmärkte und der ständigen Entwicklung neuer Produkte ist die Aufzählung nicht erschöpfend.

3.   Anhörung interessierter Kreise und Folgenabschätzung (8)

3.1

Von 2004 bis 2007 gab es Konsultationen mit den interessierten Kreisen; darüber hinaus hatte die Europäische Kommission eine unabhängige Studie in Auftrag gegeben. Alle Beteiligten bekräftigten, dass eine Überarbeitung der MwSt-Regelungen für den Versicherungs- und Finanzdienstleistungssektor dringend erforderlich sei. Die dazu erwogenen Optionen wurden ausführlich in der Folgenabschätzung der GD TAXUD dargestellt (9).

3.2

Im Jahr 2004 fand in Dublin ein Fiscalis-Seminar für die Steuerbehörden der Mitgliedstaaten statt. Dort wurden verschiedene Problembereiche der Wirtschaftsbeteiligten erörtert, insbesondere die Entwicklungen auf dem Binnenmarkt und dem Weltmarkt, die vor allem das Phänomen des Outsourcing erklären. 2005 wurde der Dialog mit den wichtigsten Beteiligten weiter intensiviert. Regelmäßige Kontakte wurden mit Vertretungsorganen wie der Europäischen Bankenvereinigung (FBE), dem Europäischen Versicherungsausschuss (CEA), dem Internationalen Versicherungsvermittlerverband (BIPAR) und dem Europäischen Verband der Investment-Mangement-Wirtschaft (EFAMA) sowie mit Fachberatern und anderen interessierten Kreisen gepflegt.

3.3

Im Anschluss an das erste Fiscalis-Seminar gab die GD TAXUD bei einem unabhängigen Sachverständigen eine Untersuchung in Auftrag, um zu einem besseren Verständnis der wirtschaftlichen Folgen der Mehrwertsteuerbefreiung bei Versicherungs- und Finanzdienstleistungen zu gelangen (10). Der Abschlussbericht wurde der Kommission im November 2007 vorgelegt; er enthielt u.a. folgende Schlussfolgerungen (11):

a)

Die EU-Finanzinstitutionen sind weniger profitabel als die entsprechenden Einrichtungen in anderen hoch entwickelten Wirtschaftsregionen wie etwa den USA. Die europäischen Finanzinstitutionen leiden stärker unter der eingeflossenen — nicht erstattungsfähigen und sich akkumulierenden — Mehrwertsteuer, die ihre Kosten erhöht;

b)

es liegt auf der Hand, dass wegen der unterschiedlichen Auslegungen der MwSt-Richtlinie in den einzelnen Mitgliedstaaten, welche Finanzdienstleistungen steuerbefreit sind oder nicht, die Wirtschaftsbeteiligten bei ihren ökonomischen Entscheidungen erheblicher Rechtsunsicherheit ausgesetzt sind. Dies spielt eine große Rolle bei der Frage, welche Arbeitsbereiche ausgegliedert (outsourced) werden sollen und welche nicht;

c)

unterschiedliche Auslegungen in den Urteilen des EuGH und unterschiedliche Berechnungen der Rückerstattungsquoten werden als Quelle für Verzerrungen betrachtet, die zur mangelnden MwSt-Neutralität beitragen. Die Untersuchung schloss mit der Feststellung, dass die geltende MwSt-Behandlung der Finanzdienstleistungen mittelfristig eine „Quelle für unfaire Wettbewerbsvorteile“ werden und die „Verwirklichung des Binnenmarktes für Finanzdienstleistungen verhindern“ werde.

3.4

Nach weiteren Konsultationen mit den Mitgliedstaaten und der Generaldirektion MARKT wurde das Grundlagendokument TAXUD 1802/09 verfasst und im Mai 2006 auf der Steuerkonferenz in Brüssel mit Beteiligten und Mitgliedstaaten erörtert. In diesem Arbeitsdokument werden die wichtigsten Probleme und möglichen technischen Maßnahmen zu ihrer Lösung dargestellt.

3.5

Vom 9. Mai 2006 bis zum 9. Juni 2006 wurde eine offene Konsultation über das Internet durchgeführt. Dazu gingen bei der Europäischen Kommission 82 Antworten ein (12). Die Beiträge der Beteiligten in der öffentlichen Konsultation über Finanz- und Versicherungsdienstleistungen führten zu drei zentralen Schlussfolgerungen: erstens muss eine Reform unabhängig davon, welche Optionen für die Modernisierung der Mehrwertsteuerregelung für Versicherungs- und Finanzdienstleistungen gewählt werden, zu mehr Rechtssicherheit und Rechtsklarheit führen und den Verwaltungsaufwand für die Dienstleister, Unterauftragnehmer, Mittler und Kunden verringern. Zweitens haben die Wirtschaftsbeteiligten aus der Versicherungs- und Finanzdienstleistungsbranche zwar im Wesentlichen dieselben Anliegen, aber setzen u.U. ihre Prioritäten zur Lösung der Probleme unterschiedlich. Drittens unterscheidet sich das Interesse der Wirtschaftsakteure an den Diensten zwischen Unternehmen (B2B) erheblich von ihrem Interesse an den Dienstleistungen von Unternehmen für Verbraucher (B2C).

3.6

Im Juni 2007 wurden auf der Webseite der Generaldirektion die Dokumente mit ersten Entwürfen der Rechtsvorschriften veröffentlicht, die anschließend in mehreren Sitzungen mit allen Beteiligten gründlich erörtert wurden. Am 31. Juli 2007 fand eine Diskussionsrunde mit allen an der Mehrwertsteuer Interessierten statt. Am 28. November 2007 nahm die Europäische Kommission die vorgenannten Vorschläge und die Folgenabschätzung an und veröffentlichte sie.

3.7

In der Folgenabschätzung werden von der GD TAXUD voraussichtliche Folgen des Vorschlags für die privaten Verbraucher, die Kunden aus der Wirtschaft, die europäischen Versicherungs- und Finanzdienstleister und die einzelstaatlichen Steuerbehörden aufgeführt. Diese Bewertung erfolgt vor allem auf der Grundlage der Ergebnisse der Untersuchung zum Verständnis der wirtschaftlichen Folgen der Mehrwertsteuerbefreiung für Versicherungs- und Finanzdienstleistungen (13). Abhängig von verschiedenen Faktoren — etwa dem üblichen MwSt-Satz, der geltenden Mehrwertsteuerbehandlung von Versicherungs- und Finanzdienstleistungen, der Wechselwirkung mit anderen Steuern wie der Lohnsteuer und den Folgen für die Sozialversicherungs- und Arbeitslosenbeiträge usw. — werden sich die Auswirkungen auf die Haushalte der Mitgliedstaaten voraussichtlich unterschiedlich gestalten. Gleichwohl können nach der PWC-Studie (14) folgende Prognosen aufgestellt werden (15):

3.7.1

Auswirkungen auf die Haushalte der Privat- und Wirtschaftskunden: Derzeit sind die Versicherungs- und Finanzdienstleistungen von der MwSt befreit. Eine erweiterte Möglichkeit, sich für eine Besteuerung zu entscheiden, sollte auf keinen Fall zu einer Erhöhung der Endkosten der Finanzdienstleister für die Verbraucher führen. Bei Finanzdienstleistungsgeschäften ist die nicht erstattungsfähige MwSt auf den Produktpreis eine so genannte „versteckte Steuer“. Mit der Möglichkeit, sich für eine Besteuerung zu entscheiden, würde diese versteckte Steuer entfallen, was wiederum den Wirtschaftsteilnehmern gestatten würde, effizienter zu werden und somit ihre Produkte zu niedrigeren Preisen anzubieten. Dasselbe gilt für Kostenteilungsregelungen. Dies ist allerdings nur eine Annahme aufgrund der Erfahrungen mit der Option zugunsten einer Besteuerung, wie sie in Staaten wie etwa Belgien gemacht wurden. Es sind weitere Untersuchungen erforderlich, um genauer zu ermitteln, welche konkreten Auswirkungen die Option zugunsten einer Besteuerung in den verschiedenen Marktsegmenten auf die Geschäftsmodelle und Kosten der Finanzprodukte haben würde. Die privaten Verbraucher müssen die günstigste Option genießen und dürfen keine Nachteile aus der Anwendung der MwSt auf andere Marktsegmente erleiden.

3.7.1.1

Es dürfte allerdings äußerst unwahrscheinlich sein, dass mit der Option zugunsten einer Besteuerung den Kunden aus der Wirtschaft Nachteile erwachsen, denn prinzipiell erhalten sie die Vorsteuer zurück. Die möglichen Folgen für die Haushalte der Privatkunden für den unwahrscheinlichen Fall, dass die Option zugunsten einer Besteuerung auch auf Unternehmen/Verbraucher-Geschäfte angewandt wird, sind weniger klar. Da Privatkunden die Mehrwertsteuer nicht absetzen können, könnte insbesondere bei der Zahlung der Versicherungsbeiträge das Problem auftreten, dass die MwSt zusätzlich zu anderen vergleichbaren Steuern anfällt. Gegenwärtig werden solche Beiträge mit einzelstaatlichen Steuern und parafiskalischen Abgaben in Rechnung gestellt, die allein deshalb bestehen, weil die nationalen Finanzämter keine Mehrwertsteuer auf Versicherungsdienstleistungen erheben dürfen. Wie sich die Folgen auswirken, hängt jedoch auch davon ab, in welchem Umfang die Finanz- und Versicherungsdienstleister die Option zugunsten einer Besteuerung auch gegenüber Privatkunden nutzen werden.

3.7.2

Auswirkungen auf die Beschäftigung: Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass die finanziellen Auswirkungen nicht nur die Höhe des MwSt-Aufkommens betreffen. Dem EWSA liegt sehr daran, dass steuerliche Lösungen wie die Option auf Besteuerung oder Kostenteilungsregelungen dazu beitragen, wichtige Wirtschaftszweige in die Mitgliedstaaten zu locken oder sie dort zu halten. Denn einerseits garantiert dies unmittelbar Arbeitsplätze im Versicherungs- und Finanzierungssektor, andererseits aber auch mittelbar Arbeitsplätze in anderen Bereichen in den Mitgliedstaaten. Indirekt können Arbeitsplätze entstehen in Bereichen wie etwa der IKT oder bei den Anbietern von Outsourcing-Diensten, aber auch bei Lieferanten von Waren und Dienstleistungen an die Finanzierungs- und Versicherungsgesellschaften (z.B. Hardware, Sicherheitsdienste, Catering, Baufirmen und Immobiliengesellschaften usw.). Die Vorschläge müssen so gestaltet sein, dass sie die europäischen Unternehmen davon abhalten, ihre Geschäftstätigkeiten in Länder außerhalb der Europäischen Union zu verlagern; wenn sie zielgerichtet konzipiert und umgesetzt werden, können die neuen Vorschriften ein attraktives Argument für Unternehmen sein, ihre Geschäftstätigkeiten in der EU zu konzentrieren oder dorthin zu verlagern. Diese Überlegungen beruhen auf Analysen üblichen Wirtschaftsverhaltens, die die Bedeutung des lokalen Wissens und der Kontrollketten vor Ort berücksichtigen. Gleichwohl kann damit nicht garantiert werden, dass europäische Unternehmen in Zukunft ihre Aktivitäten nicht doch aus der EU verlagern. Deshalb ist der EWSA sehr auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Wettbewerbsfähigkeit und Qualität der Arbeitsplätze bedacht.

3.7.3

Voraussichtliche Folgen für die europäischen Versicherungs- und Finanzierungsunternehmen: Die Europäische Kommission erwartet, dass sich mit der Klärung der Definitionen von steuerbefreiten Versicherungs- und Finanzdienstleistungen die Befolgungskosten verringern. Gegenwärtig müssen die Unternehmen die Auslegung der Befreiung mit jedem Mitgliedstaat einzeln abstimmen und sind häufig darauf angewiesen, sich an den Europäischen Gerichtshof zu wenden. Dies ist nicht allein mit großen Kosten verbunden, sondern auch ein Hindernis für die europäische Integration und die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Eine kohärente Interpretation würde bedeutet, dass die Auslegung in einem Mitgliedstaat auch in jedem anderen gültig ist. Ferner gestatten die leichteren Möglichkeiten von Kostenteilungsregelungen und Optionen zur Besteuerung den Finanzierungs- und Versicherungsunternehmen, die Auswirkungen der nicht erstattungsfähigen Mehrwertsteuer auf ihre interne Kostenstruktur besser zu steuern; damit erhöht sich die Profitabilität der Versicherungs- und Finanzdienstleister, wodurch sie auf dem Weltmarkt besser konkurrieren und die Kapital- und Versicherungskosten für die europäische Wirtschaft und die Verbraucher insgesamt senken können.

3.7.4

Auswirkungen auf die Haushalte der nationalen Steuerverwaltungen: Die Kommission ist davon überzeugt, dass größere Rechtssicherheit das Steuerrecht der Mitgliedstaaten stärkt und die Möglichkeiten für aggressive Steuerplanung verringert. Auch würde sich der Verwaltungsaufwand für die einzelstaatlichen Finanzbehörden wegen der klareren Ausnahmeregelungen verringern. Allerdings kann bei einer konsistenteren Anwendung von Ausnahmeregelungen nicht ausgeschlossen werden, dass einige Mitgliedstaaten bestimmte Dienstleistungen, die sie derzeit als steuerpflichtig eingestuft haben, von der Steuer befreien müssen, und umgekehrt. Aber nach einer gründlichen Bewertung nimmt die Kommission an, dass der Gesamteffekt auf die Steueraufkommen nur geringfügig oder sogar neutral sein wird. Ertragreichere Versicherungs- und Finanzierungsunternehmen dürften mehr direkte Steuern zahlen und somit in die nationalen Haushalte einzahlen. Ferner dürfte ein Großteil der MwSt, die aufgrund von Kostenteilungsregelungen theoretisch verloren ginge, auch derzeit gar nicht erhoben werden, weil die Wirtschaftsakteure diesen Kostenfaktor minimieren, indem sie ihre Arbeitsabläufe durch geeignete, aber komplizierte und verwaltungsmäßig aufwändige organisatorische Maßnahmen zentralisieren.

3.7.4.1

Doch hält es die Europäische Kommission für schwierig, die Folgen dieser Mehrwertsteuerlösungen einzuschätzen. Viel wird davon abhängen, wie die Finanzierungs- und Versicherungsunternehmen auf diese Änderungen reagieren werden. Bei der Kostenteilung hängt die Verringerung des Steueraufkommens davon ab, ob diese Regelungen bereits in Kraft sind und der Mehrwertsteuer unterliegen oder nicht. Falls die neuen Bestimmungen die Versicherungs- und Finanzdienstleister dazu veranlassen, effizienz-orientierte Regelungen zu treffen, die sie andernfalls nicht getroffen hätten, ergeben sich keine MwSt-Verluste. Falls solche Regelungen bereits bestehen und der Mehrwertsteuer unterliegen, was sehr unwahrscheinlich ist, dann dürfte es allerdings wegen der umfangreicheren Befreiungen Aufkommenseinbußen geben. Bei den Änderungen bezüglich der Option für eine Besteuerung wird bei den Geschäften von Unternehmen zu Unternehmen (B2B) ein verringertes Steueraufkommen zu erwarten sein, da Unternehmerkunden im allgemeinen die Mehrwertsteuer, die sie zahlen, zurückerhalten können. Andererseits würde eine Besteuerung von Geschäften zwischen Unternehmen und Privatkunden (B2C) das Steueraufkommen theoretisch erhöhen. Aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist nicht sicher, in welchem Umfang die Versicherungs- und Finanzdienstleister wirklich die Option für eine Besteuerung bei Finanz- und Versicherungsgeschäften gegenüber Privatkunden (B2C) wählen werden. Zunächst müssten Finanzinstitute und Versicherungsgesellschaften sicher sein, dass sie in der Lage sind, ihre Effizienz so weit zu steigern, dass sie Privatkunden die MwSt in Rechnung stellen können, ohne dass sich die Kosten für diese Kunden erhöhen.

4.   Bemerkungen zu den Versicherungs- und Finanzdienstleistungen

4.1

Der EWSA unterstützt voll und ganz die Europäische Kommission in ihrem ehrgeizigen Vorhaben, die Mehrwertsteuerregelungen für Versicherungs- und Finanzdienstleistungen an die Erfordernisse des modernen Marktes anzupassen. Die Vorschläge haben das klare Ziel, die wichtigsten Anliegen der Finanzierungs- und Versicherungswirtschaft und ihrer Kunden zu regeln; der dazu gewählte Ansatz, eine Richtlinie mit Durchführungsbestimmungen in einer Verordnung, erscheint stimmig und kohärent.

4.2

Aber der EWSA ermuntert die Europäische Kommission, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten weiterhin an der Klarstellung einer Reihe von Begriffsbestimmungen zu arbeiten, um dem zentralen Anliegen größerer Rechtssicherheit rundum gerecht zu werden. Was die Begriffsbestimmungen für Finanzdienstleistungen angeht, so hat der Ausschuss Bedenken zu einigen Formulierungen in den Vorschlägen, beispielsweise 'Gewährung von Krediten', wie sie in Artikel 135 Ziffer 2 der MwSt-Richtlinie und in Artikel 15 der MwSt-Verordnung definiert wird. Diese Begriffsbestimmungen sind nicht ganz präzise und erscheinen allzu einschränkend. Zum Beispiel ist nur ganz allgemein von „Geldverleihgeschäften“ die Rede, anscheinend, ohne in besonderer Weise auf die verschiedenen vorhandenen oder entstehenden Arten von Finanzierungsgeschäften, etwa auch solche, die Wertpapiere umfassen, einzugehen. Denn es werden lediglich Geldverleihgeschäfte erfasst; der Verleih anderer Werte, wie etwa Wertpapierverleihgeschäfte, wird nicht ausdrücklich behandelt; stattdessen wird auf andere Steuerbefreiungen verwiesen. Aber es ist nicht deutlich, welche dieser anderen Befreiungen sich zum Beispiel auf Wertpapierverleihgeschäfte beziehen könnten. Deshalb empfiehlt der EWSA, weitere Klarstellungen in Betracht zu ziehen, die auch Weiterentwicklungen im Finanzdienstleistungssektor zulassen, wie dies auch die Kommission beabsichtigt.

4.3

Dieselbe Empfehlung gilt auch für den Verordnungsvorschlag. Der EWSA legt nahe, weiter daran zu arbeiten, damit sichergestellt wird, dass die in der Verordnung aufgestellte Liste der Beispiele völlig klar und eindeutig ist. Der Ausschuss versteht, dass in einer Verordnung theoretisch keine erschöpfende Liste von Begriffsbestimmungen aufgeführt werden kann, aber er ist über die Gefahr von Missverständnissen und die noch unbekannten praktischen Folgen für solche Versicherungs- und Finanzdienstleistungen besorgt, die in der Liste nicht ausdrücklich erwähnt werden.

4.4

Es sollte darüber nachgedacht werden, wie mehr Rechtssicherheit im Hinblick auf die Kategorien Zahlungsdienste, Derivate, Wertpapiere und Aufsichtsdienste sowie für den Geltungsbereich der Steuerbefreiungen für bestimmte Dienste bei der Verwaltung von Investmentfonds geschaffen werden kann. In Bezug auf Dienstleistungen, die „die spezifischen und wesentlichen Eigenschaften der steuerbefreiten Dienstleistung“ aufweisen, hält der EWSA eine weitere Klärung der Begriffe „spezifisch“ und „wesentlich“ für erforderlich (16). Die Vorschläge lassen nicht immer ausreichend klar erkennen, welche Verwaltungsmaßnahmen konkret als „spezifisch“ und „wesentlich“ betrachtet werden, und das Verzeichnis scheint nicht ganz kohärent sein, da Dienstleistungen, die derselben Wertschöpfungskette angehören, anscheinend zuweilen unterschiedlich behandelt werden.

4.5

Bei der Definition der „Mittlertätigkeit“ sind die Begriffe „Vertragsparteien“ und „standardisierte Leistung“ zu klären (17). Die „Mittlertätigkeit“ sollte auch in die Definition der Dienstleistungen mit den „spezifischen und wesentlichen Eigenschaften der steuerbefreiten Dienstleistung“ aufgenommen werden (18). Andernfalls würden die Mittler nicht länger unter gleichen Wettbewerbsbedingungen operieren können. Dies stünde auch im Gegensatz zu der neuen Philosophie der vorgeschlagenen Steuerbefreiungen, die die Dienstleistung und nicht den Dienstleister oder die Mittel, mit denen sie erbracht wird, im Auge haben.

4.6

Besondere Aufmerksamkeit sollte Dienstleistungen wie Pensionen und Renten zukommen, die beide Steuerbefreiung genießen, aber unter verschiedenen Kategorien. Denn je nach Vorhandensein oder nicht eines Risikos fallen sie unter „Versicherung“ (19) oder unter „Finanzeinlage“ (20). Dabei besteht das Problem, dass das Konzept der entsprechenden Dienstleistungen (der internen Verwaltungsabläufe) separat und voneinander abweichend entwickelt wird (21). Dies hat zum Ergebnis, dass die betreffenden Gesamtprodukte unter zwei verschiedene MwSt-Kategorien von „spezifischen und wesentlichen Dienstleistungen“ fallen, je nachdem, unter welche steuerbefreite Dienstleistung sie eingeordnet werden.

4.7

Der EWSA begrüßt die Erweiterung des Rechts der Unternehmer, für eine Besteuerung der Bank- und Versicherungdienstleistungen zu optieren und Kostenteilungsregelungen einzuführen, um die Auswirkungen von „versteckten“ Mehrwertsteuern zu verringern. Aber er befürchtet, dass die strikten Bedingungen für die Möglichkeit, für die Kostenteilung zu optieren, und die begrenzte Anzahl an Dienstleistungen, die in einer MwSt-neutralen Kostenteilungsregelung erbracht werden können, in der Praxis den möglichen Nutzen der Kostenteilungen auf eine sehr geringe Anzahl von Fällen einschränkt.

4.8

Eine allgemeine Einführung von MwSt-Gruppenbestimmungen (nach denen Unternehmensgruppen für MwSt-Zwecke als ein einziger Steuerzahler behandelt werden — was bereits nach der geltenden MwSt-Richtlinie möglich ist, allerdings nur als Option) mit geeigneten Vorkehrungen gegen Missbrauch könnte sich als eine geeignetere und flexiblere Lösung erweisen, die es den Wirtschaftsakteuren gestatten würde, zentrale Aufgabenbereiche zu integrieren, ohne zusätzliche Mehrwertsteuern entrichten zu müssen. Aber der EWSA weiß, dass es unter den Mitgliedstaaten derzeit keine einstimmige Unterstützung für die Einführung von Regelungen für Mehrwertsteuer-Gruppen gibt und dass auch die Kommission Vorbehalte hat. Sie ist also kurzfristig anscheinend keine Lösung.

4.9

Der EWSA begrüßt die Einführung der Möglichkeit, für eine allgemeine Besteuerung zu optieren, die für Versicherungsdienstleistungen derzeit nicht gilt. Die Vorteile einer solchen Option liegen für Geschäfte zwischen Unternehmen klar auf der Hand, wo der Kunde die MwSt erstattet erhält. Aber der EWSA befürchtet, dass mit den neuen Rechtsvorschriften eine zusätzliche Besteuerung aufkommen könnte, die auch Auswirkungen auf den Haushalt der privaten Verbraucher hätte, die die Mehrwertsteuer nicht erstattet erhalten. Unabhängig davon, nach welchem Recht Versicherungsverträge abgeschlossen sind, unterliegen sie in demjenigen Mitgliedstaat, in dem das Risiko versichert ist, indirekten Steuern und parafiskalischen Abgaben auf die Versicherungsbeiträge. Die Höhe dieser Besteuerung ist zwischen den Mitgliedstaaten und auch den Versicherungszweigen (Lebensversicherung, Kraftfahrzeugversicherung usw.) recht unterschiedlich. Deshalb stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit einer EU-weiten Koordinierung. Der EWSA bezweifelt, dass Versicherungsunternehmen — besonders bei Geschäften mit Privatkunden — die Option für eine Besteuerung wählen werden, solange die einzelstaatlichen Steuerbehörden auf Versicherungsbeiträge noch andere Steuern erheben. Andererseits hält es der EWSA für unwahrscheinlich, dass die einzelstaatlichen Behörden ihre Versicherungssteuern aufgeben oder zumindest im entsprechenden Verhältnis verringern würden, da dies zu Aufkommenseinbußen in den Mitgliedstaaten führen würde. Dies ist ein Problem, das zweifellos noch behandelt werden muss.

4.10

Bezüglich der Option für eine Besteuerung von Versicherungs- und Finanzdienstleistungen würde der EWSA ein System begrüßen, das es den Unternehmen gestattet, entweder für eine Besteuerung je Geschäftsvorgang zwischen Unternehmen, je Kunde oder je vorher festgelegten Geschäftsvorgängen oder Kunden zu wählen. Auch würde er begrüßen, wenn die Unternehmen die Vorsteuer auf steuerbare Ausgangsleistungen zurückerhalten könnten. Damit würde bei Geschäftsvorgängen zwischen Unternehmen eine optimale MwSt-Neutralität geschaffen. Allerdings muss dann ab 2012 eine einheitliche Durchführung dieser Optionen garantiert und den Mitgliedstaaten die Möglichkeit verwehrt werden, unterschiedliche Bedingungen für die Inanspruchnahme der MwSt-Option aufzustellen. Denn wenn die Option für eine Besteuerung nicht auf vergleichbare Weise erfolgt, dürften zwischen den Mitgliedstaaten und den Wirtschaftsbeteiligten Wettbewerbsverzerrungen auftreten.

Brüssel, den 29. Mai 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  Diese Beteiligten sind die Finanzierungs- und Versicherungsunternehmen und die einzelstaatlichen Steuerbehörden.

(2)  MEMO/07/519, „Modernisierung der MwSt-Vorschriften für die Finanz- und Versicherungsdienstleistungen — Häufig gestellte Fragen“, Brüssel, 28. November 2007, S. 1-4.

(3)  KOM(2007) 747 endg., „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates, Begründung“, Brüssel, 28. November 2007, S. 2-4.

(4)  BATTIAU, P., (2005), „Letter from Brussels. VAT in the Finance Sector“, in: The Tax Journal, 28. November 2005, S. 11-14.

(5)  KOM(2007) 747 endg., „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates, Begründung“, S. 2–4, Brüssel, 28. November 2007.

(6)  KOM(2007) 747 endg.: „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem hinsichtlich der Behandlung von Versicherungs- und Finanzdienstleistungen“.

(7)  KOM(2007) 746 endg.: „Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung von Durchführungsbestimmungen zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem hinsichtlich der Behandlung von Versicherungs- und Finanzdienstleistungen“.

(8)  KOM(2007) 747 endg., „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates, Begründung“, S. 2-6, Brüssel, 28. November 2007.

(9)  SEC(2007) 1554: Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen „Accompanying document to the Proposal for a Council Directive amending Directive 2006/112/EC on the common system of value added tax, as regards the treatment of insurance and financial services — Impact Assessment“, Brüssel, 28. November 2007, S. 1–61.

(10)  Price Waterhouse Coopers, Tender No Taxud/2005/AO-006, „Study to increase the Understanding of the Economic Effects of the VAT Exemption for Financial and Insurance Services“, Brüssel, 2006, S. 1-369.

(11)  SEC(2007) 1554, Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen „Accompanying document to the Proposal for a Council Directive amending Directive 2006/112/EC on the common system of value added tax, as regards the treatment of insurance and financial services: Impact Assessment“, Brüssel, 28. November 2007, S. 12-13.

(12)  Das Dokument zur öffentlichen Konsultation (Konsultationspapier zur Modernisierung der Mehrwertsteuerpflichten für Finanzdienstleistungen und Versicherungsleistungen) und eine ausführliche Zusammenfassung der Standpunkte der Auskunftgebenden (Summary of Results — Public Consultation on Financial and Insurance Services — (nur auf Englisch)) finden sich unter http://ec.europa.eu/taxation_customs/common/consultations/tax/article_2447_de.htm.

(13)  Price Waterhouse Coopers, Tender No Taxud/2005/AO-006, „Study to increase the Understanding of the Economic Effects of the VAT Exemption for Financial and Insurance Services“, Brüssel, 2006, S. 162-174.

(14)  Siehe Fußnote 10.

(15)  MEMO/07/519, „Modernising VAT rules applied on Financial and Insurance services — Frequently Asked Questions“, Brüssel, 28. November 2007, S. 2-4.

(16)  Siehe Artikel 135 Absatz 1 Buchstabe a) der vorgeschlagenen MwSt-Richtlinie und Artikel 14 Absatz 1 der vorgeschlagenen MwSt-Verordnung.

(17)  Siehe Artikel 135 a Absatz 9 der vorgeschlagenen MwSt-Richtlinie und Artikel 10 Absatz 1 und 2 der vorgeschlagenen MwSt-Verordnung.

(18)  Siehe Artikel 135 Absatz 1 Buchstabe a) der vorgeschlagenen MwSt-Verordnung.

(19)  Siehe Artikel 2 Absatz 1 der vorgeschlagenen MwSt-Verordnung.

(20)  Siehe Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe h) der vorgeschlagenen MwSt-Verordnung.

(21)  Siehe Artikel 14 und 17 der vorgeschlagenen MwSt-Verordnung.


Top