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Document 52008AE0997

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über das Europäische Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung (2010) KOM(2007) 797 endg. — 2007/0278 (COD)

    ABl. C 224 vom 30.8.2008, p. 106–112 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    30.8.2008   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 224/106


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über das Europäische Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung (2010)“

    KOM(2007) 797 endg. — 2007/0278 (COD)

    (2008/C 224/24)

    Der Rat beschloss am 30. Januar 2008, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

    „Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über das Europäische Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung (2010)“

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 7. Mai 2008 an. Berichterstatter war Herr PATER; Mitberichterstatterin Frau KOLLER.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 445. Plenartagung am 28./29. Mai 2008 (Sitzung vom 29. Mai) mit 116 Ja-Stimmen bei 1 Gegenstimme und 5 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Zusammenfassung der Standpunkte des EWSA

    1.1

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt den Vorschlag der Kommission, das Jahr 2010 zum Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung auszurufen. Mit dieser wichtigen Initiative kann die Gesellschaft für die in Europa nach wie vor bestehende Armut und Ausgrenzung sensibilisiert sowie Unterstützung für wirksame Methoden zur Bekämpfung dieser Phänomene gewonnen werden.

    1.2

    Der EWSA begrüßt den facettenreichen Ansatz zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung, die sich nicht nur auf den Fortbestand relativer Einkommensunterschiede reduzieren lassen. Um wirksam die Botschaft zu vermitteln, dass Armut und soziale Ausgrenzung auf einem so wohlhabenden Kontinent wie Europa unduldbare Zustände sind und um die für ihre wirksame Bekämpfung notwendige Unterstützung der Öffentlichkeit zu gewinnen, sollten sich die Veranstaltungen im Rahmen des Europäischen Jahres 2010 auf Armutsindikatoren stützen, die die Bandbreite der tatsächlichen materiellen Not, ihren Umfang und ihr Ausmaß wiedergeben sowie die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern der EU berücksichtigen.

    1.3

    Die Themen des Europäischen Jahres 2010 sollten klar, sorgfältig ausgewählt und bereichsübergreifend sein. Zur Reduzierung von Armut und sozialer Ausgrenzung durch berufliche und soziale Mobilisierung müssen zunächst mehr und bessere soziale Unterstützungssysteme und -programme geschaffen werden. Sozialpolitik ist somit ein wirklich produktiver Faktor. Da die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung im Interesse jedes einzelnen Bürgers liegt, sollten alle ihren Beitrag zur Erreichung dieses Ziels leisten. Das soll jedoch keinesfalls verdecken, dass die Aufgabe, den Kampf gegen Armut und Marginalisierung zu führen, in erster Linie bei der Politik und somit den staatlichen und nachgelagerten Institutionen sowie allen gesellschaftlichen Akteuren liegt.

    1.4

    Das Europäische Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung sollte Gelegenheit bieten, die Notwendigkeit einer Modernisierung und Stärkung des europäischen Sozialmodells und die sich daraus ergebenden Folgen in der Gesellschaft stärker bekannt zu machen. Die aktive soziale Eingliederung ist angesichts der weltweiten Finanz- und Nahrungsmittelkrise, der Globalisierung und des demografischen Wandels in Europa für die Wahrung und den Fortbestand des Zusammenhalts und der Solidarität in einer Gesellschaft unverzichtbar. Sie setzen jedoch voraus, dass viele Europäer ihren bisherigen Lebensstil ändern. Die Angst vor unsicheren Arbeitsverhältnissen geht um. Die Veranstaltungen im Rahmen des Europäischen Jahres sollten dazu genutzt werden, die Öffentlichkeit in stärkerem Maße für die Unterstützung dieser Reformen zu gewinnen.

    1.5

    Das Europäische Jahr 2010 sollte auch als Plattform für eine öffentliche Debatte über die Möglichkeiten dienen, wie sozialer Zusammenhalt bei zunehmenden Einkommensunterschieden in Europa gewahrt und gefördert werden kann. Innovative und integrierte Antworten vonseiten der Politik sind hier gefragt.

    Der EWSA weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ein erfolgreicher Kampf gegen Armut und Ausgrenzung ein Mitwirken vieler Politikbereiche erfordert. So muss auch die faire Verteilung des erarbeiteten Wohlstands viel stärker als bisher auch auf EU-Ebene zu einem bestimmenden politischen Ziel gemacht werden.

    So sollte in den im vorliegenden Vorschlag für einen Beschluss dargelegten Zielen für das Jahr zur Armutsbekämpfung auch besser zum Ausdruck kommen, welche Bedeutung einer aktiven Politik zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung bei der Erreichung der Wachstums- und Beschäftigungsziele der EU zukommt (1).

    Voraussetzung für deren Wirksamkeit ist die kontinuierliche Einbindung der Sozialpartner und zivilgesellschaftlichen Organisationen sowie die aktive Einbeziehung und Beteiligung von Bürgern bei der Weiterentwicklung der lokalen Gemeinwesen.

    1.6

    Der EWSA ist der Meinung, dass die operationelle Seite der geplanten Initiative gut durchdacht ist. Besonders erwähnenswert ist die Tatsache, dass der Vorschlag den landesspezifischen Charakteristika durch enge Zusammenarbeit mit Sozialpartnern und anderen zivilgesellschaftlichen Institutionen sowie direkter Beteiligung der von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffenen Personen gebührend Rechnung trägt.

    1.7

    Der Ausschuss würdigt die Tatsache, dass für die Verwirklichung der Ziele des Europäischen Jahres zur Armutsbekämpfung mehr Finanzmittel veranschlagt wurden, als dies bislang bei einem EU-Projekt dieser Art der Fall war. Angesichts des Umfangs der geplanten Maßnahmen spricht er sich jedoch für eine Aufstockung dieser Finanzmittel aus.

    2.   Zusammenfassung des Kommissionsvorschlags

    2.1

    Mit dem Beschluss, das Jahr 2010 zum Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung auszurufen, soll ein Beitrag geleistet werden zur Verwirklichung des in der Lissabon-Strategie festgelegten und in der zweiten Sozialpolitischen Agenda 2005-2010 (2) bekräftigten Ziels, die Beseitigung der Armut „entscheidend voranzubringen“.

    2.2

    Die im Rahmen dieses Jahres zu ergreifenden Maßnahmen werden schwerpunktmäßig folgende Ziele beinhalten: (1) Anerkennung des Rechts der von Armut und sozialer Ausgrenzung Betroffenen auf ein Leben in Würde und auf Teilhabe an der Gesellschaft, (2) Identifizierung, d.h. Übernahme einer Mitverantwortung für die Bekämpfung von Armut und Ausgrenzung durch jeden Einzelnen, (3) Zusammenhalt, d.h. die Überzeugung, dass der Erhalt des gesellschaftlichen Zusammenhalts im Interesse aller ist, sowie (4) Engagement, d.h. Bekräftigung des politischen Willens der EU, die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung als prioritäres Ziel anzusehen.

    2.3

    Zu den auf EU-Ebene und in den Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen zählen Treffen und Konferenzen, Informations- und Werbekampagnen sowie Forschungsarbeiten und Berichte. Diese Maßnahmen sollten alle Stakeholder einbeziehen und die Möglichkeit bieten, dass die Bedürfnisse und Ansichten der von Armut und Ausgrenzung Betroffenen zur Sprache gebracht und angehört werden.

    2.4

    Für die Umsetzung von Maßnahmen im Rahmen dieses Jahres sind 17 Mio. EUR aus dem EU-Haushalt vorgesehen. Aufgestockt durch den geplanten finanziellen Beitrag der öffentlichen und privaten Einrichtungen der Mitgliedstaaten kann sich die Summe von 26,175 Mio. EUR ergeben.

    3.   Allgemeine Anmerkungen zu dem Ziel des Vorhabens

    3.1

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt den Vorschlag der Kommission, der bei entsprechender Umsetzung dazu beitragen kann, das Bewusstsein in der Gesellschaft zu schärfen und die öffentliche Diskussion über eine entschlossene und wirksame Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung zu beleben.

    3.2

    Der EWSA sieht das Thema des Jahres als wichtig und aktuell an. Es wird nicht nur in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden, sondern deren Bewusstsein auch dauerhaft schärfen. Der EWSA unterstützt die allgemeinen und besonderen Ziele, die spezifischen Themen des Jahres sowie die vorgeschlagenen Methoden für ihre Umsetzung. Die folgenden Anmerkungen sollen dazu beitragen, das Europäische Jahr in der Öffentlichkeit besser bekannt zu machen und seine politische Wirkung zu stärken.

    3.3

    Voraussetzung für den Schutz und die Verbesserung der Lebensqualität aller Europäer ist ihre Überzeugung, dass Armut und soziale Ausgrenzung im relativ wohlhabenden Europa wirksam bekämpft werden müssen. Die Veranstaltungen im Rahmen des Europäischen Jahres sollten diese Überzeugung der Europäer aller gesellschaftlichen und ökonomischen Schichten stärken.

    3.4

    Die Veranstaltungen sollten daher auf den Erkenntnissen und den Erfahrungen beruhen, die seit der Festlegung der Europäischen Strategie zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung durch den Europäischen Rat von Nizza im Jahr 2000 gesammelt werden konnten. Synergien mit Veranstaltungen anderer Organisatoren, wie etwa dem Europarat in Zusammenhang mit dem Bericht der Hochrangigen Task Force zum sozialen Zusammenhalt im 21. Jahrhundert (3) oder den Vereinten Nationen in Zusammenhang mit der jährlichen Begehung des 17. Oktober — dem Internationalen Tag zur Bekämpfung von Armut, sollten sichergestellt werden.

    3.5

    Der EWSA weist darauf hin, dass eine Reihe von Themen, die in früheren Stellungnahmen (4) behandelt wurden, im Rahmen der Veranstaltungen zum Europäischen Jahr wieder aufgegriffen werden sollten:

    Förderung einer modernisierten Sozialpolitik als echten Produktionsfaktor zur beruflichen Mobilisierung der arbeitsfähigen Bevölkerung und zur sozialen Mobilisierung der Bevölkerung insgesamt;

    Modernisierung des Europäischen Sozialmodells im weiteren Sinne, dahingehend, dass die neuen Herausforderungen in den Bereichen Beschäftigung, soziale Eingliederung und Armutsbekämpfung sowie die sozialen Folgen der Globalisierung gemeistert werden und ein „für alle seine Bürger demokratisches, umweltfreundliches, wettbewerbsfähiges, solidarisches, sozial inklusives und wohlfahrtsstaatliches Europa“ (5) gewahrt werden kann.

    Notwendigkeit effektiverer politischer Maßnahmen, die auf die Eingliederung diskriminierter oder anderweitig benachteiligter Gruppen, insbesondere der von Armut bedrohten und in unsicheren Verhältnissen Beschäftigten, in den Arbeitsmarkt abzielen (6).

    Notwendigkeit einer offenen öffentlichen Debatte und Förderung einer Modernisierungsrichtung hin zur Mobilisierung von Arbeitskräften und sozialer Beteiligung; der EWSA hält in seiner Stellungnahme fest: „Wenn das europäische Sozialmodell bei der Gestaltung der europäischen Gesellschaft von morgen von Nutzen sein soll, muss es ein dynamisches Modell sein, das für Herausforderungen, Veränderung und Reform offen ist“ und bemerkt ferner dass „der Bestand des europäischen Sozialmodells […] von der Unterstützung abhängen [wird], die ihm die EU-Bürger entgegenbringen, und von dem inneren Gefühl, das ihnen dafür vermittelt werden kann“ (7);

    deutliche Schwerpunktsetzung auf lokale Maßnahmen, Sozialpartner, Einbeziehung der Zivilgesellschaft sowie Förderung und Wertschätzung von Bürgerengagement, insbesondere bei der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung;

    Notwendigkeit umfassender Ansätze über die traditionelle Beschäftigungs- und Sozialpolitik hinaus hin zu einer Wirtschafts-, Bildungs-, Regional-, Kultur und Infrastrukturpolitik, die eigens die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung im Blick hat;

    Anerkennung der Tatsache, dass Männer und Frauen von Armut in unterschiedlichem Maße betroffen sind sowie Konzipierung einer entsprechende Sozialpolitik;

    Notwendigkeit einer wirksameren Methode der offenen Koordinierung auf europäischer Ebene im Bereich Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung;

    Einbettung von Maßnahmen gegen Armut und soziale Ausgrenzung in den internationalen Kontext, insbesondere durch die Förderung von Grundrechten am Arbeitsplatz und Normen für menschenwürdige Arbeit in der ganzen Welt.

    Im folgenden Text werden einige für die Veranstaltungen des Europäischen Jahres besonders wichtige Aspekte dieser Überlegungen weiterentwickelt.

    3.6

    In diesem Jahr sollte die Aufmerksamkeit auf mögliche positive Maßnahmen gerichtet werden:

    Bekämpfung der Schwarzarbeit;

    aktive Maßnahmen zugunsten der beruflichen Wiedereingliederung;

    Investitionen in beschäftigungswirksame Tätigkeiten der Industrie und des Dienstleistungssektors sowie die Bewertung der möglichen negativen oder erschwerenden Auswirkungen, insbesondere;

    die künftigen Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum während und nach dem Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung;

    die Auswirkungen auf die Energie- und Nahrungsmittelsituation der am stärksten betroffenen Bevölkerungsgruppen oder derer, die in Armut oder großer Armut leben.

    4.   Wirksamere Übermittlung der Botschaft

    4.1

    In dem Beschluss zur Ausrufung des Jahres zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung wird hervorgehoben, dass 78 Millionen Menschen in der EU, d.h. 16 % der Bevölkerung von Armut, bedroht sind. Der EWSA ist der Auffassung, dass im Hinblick auf eine wirksame Übermittlung der politischen Botschaft des Europäischen Jahres neben dem geläufigen Indikator zur relativen Einkommensarmut auch andere Armutsindikatoren herangezogen werden sollten, um die Dauerhaftigkeit von Armut und die tatsächliche Notlage, unter der viele Europäer noch immer leiden, aufzuzeigen. Auch die Veranstaltungen im Rahmen des Europäischen Jahres sollten folglich einen umfassenden Satz von Indikatoren relativer und absoluter Armut heranziehen, um die breite Öffentlichkeit für die Situationen, die sich dahinter verbergen, zu sensibilisieren und ihr das Gefühl für die Unduldsamkeit der Situation zu vermitteln.

    4.2

    Der Ausschuss macht ferner darauf aufmerksam, dass die verwendeten Indikatoren das Problem der Armut und sozialen Ausgrenzung „beschreiben“ sollen. In Zusammenhang mit den Herausforderungen für den sozialen Zusammenhalt in der EU und die sich daraus ergebende Modernisierung des europäischen Sozialmodells ist darauf zu achten, dass diese Indikatoren auch von ausgewogenen politischen Maßnahmen begleitet werden, zu denen eine gerechtere Einkommensverteilung und eine angemessen finanzierte und verwaltete Flexicurity-Politik auf dem Arbeitsmarkt ebenso gehören wie die aktive soziale Integration. Ein solches „dynamisches Modell“ der Sozial- und Beschäftigungspolitik hat der EWSA in seiner entsprechenden Stellungnahme (8) vorgeschlagen.

    4.3

    Nach Ansicht des EWSA hat die Kommission zu Recht erkannt, dass die Vielschichtigkeit von Armut und sozialer Ausgrenzung angemessene Maßnahmen erfordert. In ihrer Mitteilung zur Europäischen Sozialagenda 2005-2010, in der die Mitgliedstaaten unter anderem dazu angehalten werden sollten, die Maßnahmen zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung auszubauen, abzustimmen und zu vereinfachen, ergänzte die Kommission ganz zu Recht den Indikator für relative Armut um den Indikator für dauerhafte Armut (9). Mit ihrem späteren Vorschlag, auch die Bereiche Sozialschutz, Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege in diese verstärkte Koordination einzubeziehen, weist die Kommission zugleich darauf hin, dass den „Indikatoren zur Messung von Benachteiligung“ (10) größere Bedeutung beigemessen werden muss.

    4.4

    Im Hinblick auf das oben Gesagte ist der Ausschuss der Ansicht, dass der Beschluss zur Ausrufung eines Jahres zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung 2010 sich auf Armutsindikatoren stützen sollte, die das Ausmaß der Benachteiligung, die Bereiche, in denen sie auftritt, und ihre Schwere besser erfassen. Die arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Maßnahmen der EU und der einzelnen Mitgliedstaaten, die sich an von extremer oder absoluter Armut bedrohte oder bereits betroffene Einzelpersonen bzw. Kreise richten, würden auf diese Weise breitere Wahrnehmung und Unterstützung in der Gesellschaft finden (11).

    5.   Die wichtigsten Themen des Jahres und geplante Maßnahmen

    5.1

    Armut ist ein vielschichtiges Phänomen, dessen Risiken in der Gesellschaft ungleich verteilt sind. Vor allem bei Kombination mit anderen Risikofaktoren werden bestimmte Gruppen besonders armutsanfällig.

    5.2

    Armut steht in der Regel in Zusammenhang mit Arbeitslosigkeit, insbesondere mit Langzeitarbeitslosigkeit. Aus diesem Grund, so heißt es im Gemeinsamen Bericht über Sozialschutz und soziale Eingliederung 2007, sei „ein Arbeitsplatz der beste Schutz gegen Armut und soziale Ausgrenzung ...“ (12). Darüber hinaus wird in dem Bericht darauf hingewiesen, dass dies nicht der einzige Schutz sein kann. Das Phänomen der unter der Armutsgrenze lebenden Erwerbstätigen macht dies mehr als deutlich.

    5.3

    Armut kann auch in Zusammenhang stehen mit geringer Qualifikation, mit fehlender Qualifikation für einen zur Verfügung stehenden Arbeitsplatz oder mit Qualifikationen, die für einen qualifizierten Arbeitsplatz mit entsprechender Bezahlung nicht ausreichend sind. Diese Risiken bestehen insbesondere für junge Menschen, insbesondere frühe Schulabbrecher sowie ältere Arbeitnehmer.

    5.4

    Auch durch ungenügend strukturierte Regelungen für die Einkommenssicherung, die für die Arbeitssuche auf dem regulären Arbeitsmarkt demotivierend wirken und letztlich Menschen auch im hohen Alter zu Armut verurteilen, können Menschen in die Armutsfalle geraten.

    5.5

    Ebenfalls ein Risikofaktor kann die Familienstruktur sein: Alleinverdiener, vor allem Alleinerziehende oder Familien mit drei oder mehr Kindern sind dem Armutsrisiko ausgesetzt. Eine Familienauflösung oder der Verlust des Arbeitsplatzes und damit verbunden der Verlust eines Hauses ist eine potentiell risikoreiche Situation.

    5.6

    Gleichermaßen gehören Personen mit schwacher Gesundheit (z.B. altersbedingt), eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten, Menschen mit Behinderungen, insbesondere bei geringer Qualifikation sowie Drogenabhängige zu den Gruppen, die einem hohen Armutsrisiko ausgesetzt sind.

    5.7

    Gefährdet sind auch Personen, die in Randlagen oder anderen benachteiligten Regionen leben.

    5.8

    Eine besondere Gruppe bilden in diesem Zusammenhang Migranten und ethnische Minderheiten, die oft nicht über ausreichende soziale und sprachliche Fähigkeiten verfügen und/oder sich nur bedingt kulturell integrieren und überdies Opfer von Diskriminierungen sein können.

    5.9

    Die oben aufgeführten Beispiele zeigen das Ausmaß des Problems und die Schwierigkeit wirksamer politischer Gegenmaßnahmen. Um Armut und soziale Ausgrenzung deutlich zu reduzieren, müssen die Behörden auf allen Ebenen in ihren Anstrengungen von den Sozialpartnern, den Organisationen der Zivilgesellschaft und den einzelnen Bürgern unterstützt werden. Zugleich tritt hier auch ein Paradox zutage: wenn alle arbeitsfähigen Personen vornehmlich durch Beschäftigung sozial integriert werden sollen, um so einen Beitrag zum Wirtschaftswachstum Europas zu leisten und die Folgen des Bevölkerungsrückgangs zu mildern, so werden eher mehr als weniger und auch bessere Unterstützungssysteme und -programme gebraucht. Diese beiden Themen sollten während des Europäischen Jahres im Vordergrund stehen.

    5.10

    Der Ausschuss ist der Meinung, dass die allgemeinen Ziele, die speziellen Ziele und die Themenbereiche für Maßnahmen des Europäischen Jahres zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung Ausdruck der Suche nach einem neuen Gleichgewicht zwischen dem gesellschaftlichen Erfordernis der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit und dem individuellen Sicherheitsbedürfnis sind. Eine solche Anpassung ist notwendig aufgrund der Globalisierung, des demografischen Wandels, des technischen Fortschritts und der Entwicklungen auf dem europäischen Arbeitsmarkt; sie impliziert auch bedeutende Veränderungen im Lebensstil vieler Europäer. Überdies müssen die Arbeitsmarkt- und die Sozialpolitik modernisiert und verbessert werden, um den notwendigen Wandel zu ermöglichen und den Menschen ein nachhaltiges, angemessen verwaltetes und finanziertes Sicherheitsnetz zu bieten. Während manche Menschen von den neuen Arbeitsmärkten und Mobilisierungsprogrammen profitieren, nehmen andere diese als Bedrohung für ihren gesellschaftlichen und beruflichen Status wahr. Nach Ansicht des EWSA sollten die Veranstaltungen im Rahmen des Europäischen Jahres sich mit diesen ernstzunehmenden Sorgen befassen (13).

    5.11

    Im Hinblick auf die Menschen, die von Arbeitslosigkeit und/oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind, lassen sich durch die gegenwärtige stärkere Gewichtung beruflicher Aktivierungsmaßnahmen für alle arbeitsfähigen Personen deren Fähigkeiten zum Wohle der Allgemeinheit nutzen und kann ihrem individuellen Bedürfnis nach beruflichem und sozialem Aufstieg Rechnung getragen werden (14). Neben einer angemessenen Einkommensunterstützung wird einem besseren allgemeinen Zugang zu sozialen Dienstleistungen, insbesondere Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen sowie Maßnahmen für eine möglichst lange Erhaltung ihrer Gesundheit, immer mehr Bedeutung beigemessen. Um jedoch von diesen Möglichkeiten zu profitieren, ist weitaus mehr individuelle Aktivität, Initiative, geistige Anstrengung und Zusammenarbeit mit verschiedenen Unterstützungssystemen erforderlich als je zuvor. Es besteht ein enormer Bedarf, den Menschen den Sinn dieser Maßnahmen und der Anstrengungen, die sie erfordern, zu erläutern, um so die Akzeptanz seitens der breiten Öffentlichkeit zu gewinnen (15). Die Veranstaltungen im Rahmen des Jahres zur Bekämpfung und sozialer Ausgrenzung sollten hierzu einen Beitrag leisten. In den im vorliegenden Vorschlag für einen Beschluss dargelegten Zielen für das Jahr zur Armutsbekämpfung sollte besser zum Ausdruck kommen, welche Bedeutung einer aktiven Politik zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung bei der Erreichung der Wachstums- und Beschäftigungsziele der EU zukommt (16). Es sollte im Rahmen der Veranstaltungen des Europäischen Jahres besser vermittelt und überzeugend dargelegt werden, dass eine Modernisierung und Verbesserung der Sozialpolitik zu einem besseren Funktionieren des Arbeitsmarktes und somit zur Schaffung von Arbeitsplätzen beiträgt. Das Gleiche gilt für die Erkenntnis, dass angemessene Einkommenssicherungsmaßnahmen denjenigen zugute kommen, die von Arbeitslosigkeit und sozialer Ausgrenzung bedroht sind, als sie die verschiedenen Belastungen, durch die diese Personen vom offiziellen Arbeitsmarkt ferngehalten werden, zu reduzieren helfen. Diese Maßnahmen tragen zugleich zur Bekämpfung der Schattenwirtschaft bei.

    5.12

    Der vorliegende Vorschlag für einen Beschluss enthält bisweilen Feststellungen, die präzisiert werden sollten.

    5.13

    Zu den von einem hohen Armuts- und/oder Ausgrenzungsrisiko betroffenen Gruppen werden „Kinder, Alleinerziehende, [..], Migranten und Angehörige ethnischer Minderheiten, Behinderte, Obdachlose, Strafgefangene, Frauen und Kinder, die Opfer von Gewalt geworden sind, sowie schwer Drogenabhängige“ (17) gezählt, ohne dass dies näher erläutert würde. Dies kann nach Ansicht des EWSA kontraproduktiv sein. Die genannten Gruppen bei einer solchen Formulierung umfassen sowohl Personen, die vom Armutsrisiko betroffen sind, als auch jene, die nicht von diesem Risiko betroffen sind. Wie bereits erwähnt, ist es in der Regel mangelnde Qualifikation und/oder ein ungünstiges Verhältnis Familienmitglieder/Verdiener, durch die diese Personengruppen einem Armutsrisiko ausgesetzt sind.

    6.   Sozialer Zusammenhalt vor dem Hintergrund anhaltender und zunehmender Einkommensunterschiede

    6.1

    Im Rahmen des Europäischen Jahres 2010 kann außerdem der Anstoß für eine öffentliche Debatte darüber gegeben werden, welche Probleme für die gesellschaftliche Solidarität und den sozialen Zusammenhalt im Zuge der Umgestaltung Europas zu einer wissensbasierten Gesellschaft und Wirtschaft bestehen bzw. zu erwarten sind, und wie der demografische Wandel zu bewältigen ist (18). Überlegungen dieser Art sind insofern besonders notwendig, als Europa über die Mittel verfügt, um Armut und soziale Ausgrenzung entscheidend zu reduzieren.

    6.2

    Indes verfügen zu viele Jugendliche bei ihrem Schulabgang nicht über die Lese-, Schreib- und Rechenfähigkeiten, die für eine erfolgreiche Berufslaufbahn in der neuen Wirtschaft erforderlich sind. Wirksame Gegenmaßnahmen sind erforderlich, um nicht nur deren soziale Ausgrenzung abzufangen, sondern auch um die Nachfrage der Wirtschaft nach qualifizierten Arbeitnehmern zu befriedigen. Überdies ist in Europa eine zunehmende Zweiteilung des Arbeitsmarktes in ein hochqualifiziertes und gut bezahltes Segment einerseits und ein gering qualifiziertes und schlecht bezahltes Segment andererseits und entsprechende Einkommensunterschiede zu beobachten. Eine von der europäischen Bevölkerung akzeptierte Vision ist zu entwickeln, wie soziale Gerechtigkeit und sozialer Zusammenhalt gewahrt und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der EU in der globalen Wirtschaft aufrechterhalten werden kann.

    6.3

    Sozialer Zusammenhalt wird nur durch auf Behördenebene konzipierte Maßnahmen ohne ergänzende Initiativen der Bürgerinnen und Bürger selbst nicht gewährleistet werden. So wie der Europäische Rat von Nizza im Jahr 2000 die Mitwirkung zivilgesellschaftlicher Organisationen als Schlüssel für eine erfolgreiche Kräftemobilisierung zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung anerkannt hat, sollte nach Auffassung des EWSA auch die Bedeutung des individuellen Engagements aller Bürger beim Aufbau lokaler Gemeinschaften anerkannt und während dieses Jahres weiter gefördert werden. In diesem Zusammenhang sollte vermittelt werden, dass Bürgerengagement im Interesse jedes einzelnen Mitglieds der Gemeinschaft liegt — unabhängig vom jeweiligen wirtschaftlichen und sozialen Status.

    6.4

    Der EWSA weist auf seine Stellungnahme zu freiwilligen Aktivitäten hin, in der unter anderem betont wird, dass „die Regierungen der Mitgliedstaaten […] dazu angeregt werden [sollten], eine eigene Freiwilligenpolitik und eine Strategie zu entwerfen, wie freiwillige Tätigkeiten direkt gefördert und anerkannt werden können. Im Rahmen dieser nationalen Freiwilligenpolitik sollte auch die Rolle einer Infrastruktur für freiwillige Aktivitäten beleuchtet werden“ (19). Menschen, die gerne ihre Zeit und ihre Fähigkeiten der Gemeinschaft, in der sie leben, zur Verfügung stellen wollen, sollen zumindest nicht durch rechtliche oder bürokratische Hindernisse davon abgehalten werden (20). Obwohl der EWSA noch immer der Auffassung ist, dass für die freiwillige Tätigkeit ein eigenes europäisches Jahr ausgerufen werden sollte, sind wichtige Aspekte des Bürgerengagements auch während der Veranstaltungen des Europäischen Jahres 2010 herauszustellen.

    6.5

    Der EWSA weist nachdrücklich darauf hin, dass die Veranstaltungen im Rahmen des Europäischen Jahres nicht den Eindruck vermitteln dürfen, dass bei der gegenwärtig geförderten Politik der Flexicurity und der aktiven Eingliederung, nur die Arbeitgeber, die Regierungen und diejenigen Personen, die Nutznießer von Arbeitsmarkt- und Sozialschutzprogrammen sind, Anstrengungen unternehmen müssen, um Arbeitslosigkeit und Armut zu entkommen (und somit einen Beitrag zum sozialen Zusammenhalt zu leisten). Stattdessen sollte verdeutlicht werden, dass jeder einzelne Bürger hier Verantwortung trägt.

    6.6

    Der näheren Überlegung wert wäre zudem der Aspekt, dass bei fortdauernden oder gar wachsenden Einkommensunterschieden die Wahrung des sozialen Zusammenhalts auch durch die Entwicklung von qualitativ hochwertigen öffentlichen Räumen erleichtert werden kann (städtische Räume, Schulen, Hochschulen, Bibliotheken, Parks, Erholungsgebiete), in denen Menschen unterschiedlicher Gesellschaftsschichten und unterschiedlichen sozialen und wirtschaftlichen Status' gerne zusammenkommen und ihre Zeit verbringen.

    6.7

    Die hier skizzierten neuen Herausforderungen und Zwickmühlen für den sozialen Zusammenhalt und die Politik werden größtenteils in den allgemeinen Zielen berücksichtigt, die in dem vorliegenden Vorschlag für einen Beschluss dargelegt werden. Sie müssten jedoch deutlicher zum Ausdruck gebracht werden, um im Rahmen des geplanten Europäischen Jahres den Anstoß für eine sinnvolle gesellschaftliche Debatte zu geben. Die hier skizzierten möglichen Maßnahmen zur Förderung des sozialen Zusammenhalts können eine Ergänzung darstellen zu der Debatte 2010 über die Konzepte der aktiven sozialen Eingliederung und der wirksamen arbeitsmarktpolitische Maßnahmen.

    7.   Die Sozialpolitik im weitesten Sinne

    7.1

    Nach Auffassung des EWSA kann mithilfe des vorgeschlagenen Europäischen Jahres und insbesondere des Artikels über den Inhalt der Maßnahmen aufgezeigt und verdeutlicht werden, dass die Verwirklichung des in der Lissabon-Strategie verankerten Ziels, bis zum Jahr 2010 die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung bedeutend voranzutreiben, vielschichtiger Maßnahmen bedarf (21).

    7.2

    Im Rahmen der Aufklärungskampagnen des Europäischen Jahres sollte darum bei der Bevölkerung der einzelnen Mitgliedstaaten u.a. ein Bewusstsein für jene Faktoren geschaffen werden, die für das künftige Ruhegehalt relevant sind und zu Maßnahmen angeregt werden, die im Ruhestand einen angemessenen Lebensstandard ermöglichen.

    7.3

    Nach Auffassung des EWSA muss im Laufe dieses Europäischen Jahres auch geprüft werden, wie die Europäische Zentralbank ihre ihr im Vertrag verliehenen Befugnisse nutzen und zur Bekämpfung der Armut und der sozialen Ausgrenzung beitragen könnte.

    7.4

    Nach Auffassung des EWSA muss darauf hingewiesen werden, dass soziale Ausgrenzung durch politische Maßnahmen reduziert werden könnte, die über die traditionellen Bereiche Arbeitsmarkt und Sozialschutz hinausgehen, etwa im Bereich der Raumplanung, um die Bildung von Armutsghettos zu verhindern, oder auch im Verkehrsbereich, um geographische Hindernisse für die soziale Mobilität zu verringern, und im Bereich der Wirtschaftspolitik, um Randzonen zum Aufschwung zu verhelfen, ebenso wie im Bereich der Sicherung der Daseinsvorsorge und der Verteilungspolitik, um die seit Jahren zu beobachtende Tendenz zu einem immer weiteren Auseinanderfallen von Arm und Reich umzukehren.

    7.5

    In diesem Zusammenhang verweist der EWSA auch auf die Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten, die sich nach der EU-Erweiterung noch verschärft haben. Wie in einer der Studien festgestellt wurde, sind „die ‚Ärmsten‘ in den ‚reichen Ländern‘ weniger von materieller Entbehrung betroffen […] als die ‚Reichsten‘ in den ‚armen Ländern‘“ (22). Dies zeigt deutlich, dass wirksame Maßnahmen für den sozioökonomischen Zusammenhalt und die Reduzierung der gegenwärtigen wirtschaftlichen Unterschiede innerhalb der EU notwendig sind, um materielle Not und Ausgrenzung zu verringern. Hierdurch würden sich wiederum neue Möglichkeiten ergeben, die Methode der offenen Koordinierung der EU-Sozialpolitik weiter zu entwickeln (23). Diesem Gesichtspunkt könnten bei den Veranstaltungen im Rahmen des Europäischen Jahres besondere Aufmerksamkeit und weitere Überlegungen gewidmet werden.

    8.   Bemerkungen zur Durchführung des geplanten Projekts

    8.1

    Der EWSA ist der Auffassung, dass die praktische Durchführung des Europäischen Jahres gut durchdacht ist, da dabei die einzelstaatlichen Prioritäten angemessen berücksichtigt werden und konkrete Fragen (z.B. die heikle Frage der beruflichen und gesellschaftlichen Integration von Migranten und ethnischen Minderheiten) besondere Beachtung finden sollen. Wichtig ist auch die vorgesehene enge Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern und Organisationen der Zivilgesellschaft.

    8.2

    Durch die Hervorhebung der Mitwirkung der Sozialpartner und der Organisationen der Zivilgesellschaft an der Durchführung der Maßnahmen des Europäischen Jahres wird unterstrichen, dass diese unentbehrlich sind bei der Umsetzung der Sozialagenda der Lissabon-Strategie, die im Jahr 2000 mit der Festlegung der Europäischen Strategie zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung durch den Europäischen Rat von Nizza festgeschrieben wurde. Umso mehr müssen die behördlichen Maßnahmen heute ergänzt, angepasst und mithilfe von Initiativen, die von der Basis ausgehen, gestärkt werden. Wichtig ist es ferner, dass bei der Konzipierung und Umsetzung der Sozialpolitik auch jene Menschen angemessen zu Wort kommen, an die sich diese Politik richtet. Deshalb wurden diese Organisation zu Recht aufgefordert, sich aktiv an der Verwirklichung der Ziele des Europäischen Jahres 2010 zu beteiligen.

    8.3

    Der Ausschuss würdigt die Tatsache, dass für die Verwirklichung der Ziele des Europäischen Jahres zur Armutsbekämpfung mehr Finanzmittel veranschlagt wurden, als dies bislang in der EU bei einem Projekt dieser Art der Fall war. Der EWSA ist aber der Auffassung, dass die wirksame Umsetzung der im Anhang zum vorliegenden Vorschlag aufgeführten Maßnahmen mehr finanzielle Ressourcen erfordern wird, und spricht sich für eine Aufstockung des für die Maßnahmen des Europäischen Rates vorgesehen Betrags aus.

    8.4

    Der EWSA begrüßt die Tatsache, dass bei der Konzipierung und Durchführung der Maßnahmen des Europäischen Jahres die unterschiedlichen Erfahrungen berücksichtigt werden, die Frauen und Männer mit Armut und sozialer Ausgrenzung machen.

    8.5

    Nach Ansicht des EWSA sollten die im Anhang aufgelisteten Prioritäten für das Europäische Jahr um den Punkt „Armut von Arbeitnehmern in prekären Beschäftigungsverhältnissen“ ergänzt werden. Die Problematik behinderter Menschen sollte hingegen gesondert behandelt und nicht in direktem Zusammenhang mit anderen gefährdeten Gruppen genannt werden.

    Brüssel, den 29. Mai 2008

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Dimitris DIMITRIADIS


    (1)  Siehe zum Beispiel die EWSA-Stellungnahme vom 18.1.2007 zum Thema „Der Zustand der europäischen Gesellschaft — eine Bestandsaufnahme“, Ziffer 2.2, Berichterstatter: Herr OLSSON (ABl. C 93 vom 27.4.2007) und die EWSA-Stellungnahme vom 13.7.2005 zu der „Mitteilung der Kommission — Sozialpolitische Agenda“, Ziffer 6.1, Berichterstatterin: Frau ENGELEN-KEFER (ABl. C 294 vom 25.11.2005).

    (2)  Siehe Mitteilung der Kommission „Sozialpolitische Agenda“, KOM(2005) 33 endg. vom 9. Februar 2005, Ziffer 2.2, S. 9.

    (3)  „Towards an Active, Fair and Socially Cohesive Europe“ — Bericht der Hochrangigen Task Force zum Sozialen Zusammenhalt im 21. Jahrhundert, Europarat, Straßburg 26. Oktober 2007, TFSC (2007) 31 E.

    (4)  EWSA-Stellungnahme vom 13.7.2005 zu der „Mitteilung der Kommission — Sozialpolitische Agenda“, Berichterstatterin: Frau ENGELEN-KEFER (ABl. C 294 vom 25.11.2005); EWSA-Stellungnahme vom 29.5.2005 zum Thema „Armut unter Frauen in Europa“, Berichterstatterin: Frau KING (ABl. C 24 vom 31.1.2006); EWSA-Stellungnahme vom 6.7.2006 zum Thema „Sozialer Zusammenhalt: Ein europäisches Sozialmodell mit Inhalt füllen“, Berichterstatter: Herr EHNMARK (ABl. C 309 vom 16.12.2006); EWSA-Stellungnahme vom 13.12.2006 zum Thema „Freiwillige Aktivitäten, ihre Rolle in der europäischen Gesellschaft und ihre Auswirkungen“, Berichterstatterin: Frau KOLLER, Mitberichterstatterin: Gräfin ZU EULENBURG (ABl. C 325 vom 30.12.2006); EWSA-Stellungnahme vom 18.1.2007 zum Thema „Der Zustand der europäischen Gesellschaft — eine Bestandsaufnahme“, Berichterstatter: Herr OLSSON (ABl. C 93 vom 27.4.2007); EWSA-Stellungnahme vom 25.10.2007 zum Thema „Verschuldung und soziale Ausgrenzung in der Überflussgesellschaft“, Berichterstatter: Herr PEGADO LIZ (ABl. C 44 vom 16.2.2008); EWSA-Stellungnahme vom 13.12.2007 zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Die Solidarität zwischen den Generationen fördern“, Berichterstatter: Herr JAHIER (ABl. C 120 vom 16.5.2008).

    (5)  EWSA-Stellungnahme vom 6.7.2006 zum Thema „Sozialer Zusammenhalt: Ein europäisches Sozialmodell mit Inhalt füllen“, Ziffer 2.1.2.5. Berichterstatter: Herr EHNMARK (ABl. C 309 vom 16.12.2006).

    (6)  EWSA-Stellungnahme vom 12.7.2007 zum Thema „Beschäftigung für vorrangige Bevölkerungsgruppen (Lissabon-Strategie)“ (Initiativstellungnahme), Berichterstatter: Herr GREIF (ABl. C 256 vom 27.10.2007).

    (7)  Siehe EWSA-Stellungnahme vom 6.7.2006 zum Thema „Sozialer Zusammenhalt: Ein europäisches Sozialmodell mit Inhalt füllen“, Ziffer 1.8 und 1.9, Berichterstatter: Herr EHNMARK (ABl. C 309 vom 16.12.2006).

    (8)  EWSA-Stellungnahme vom 6.7.2006 zum Thema „Sozialer Zusammenhalt: Ein europäisches Sozialmodell mit Inhalt füllen“, Ziffer 2.4. Berichterstatter: Herr EHNMARK (ABl. C 309 vom 16.12 2006).

    (9)  Der Indikator für dauerhafte Armut bezeichnet den Anteil von Personen, die während mindestens zwei der drei vergangenen Jahre von relativer Armut betroffen waren (Definition nach Eurostat).

    (10)  Mitteilung der Kommission: „Zusammen arbeiten, zusammen mehr erreichen: ein neuer Rahmen für die offene Koordinierung der Sozialschutzpolitik und der Eingliederungspolitik in der Europäischen Union“, KOM(2005) 706 endg. vom 22. Dezember 2005, Ziffer 3.5, S. 9.

    (11)  In seinen Stellungnahmen zieht der EWSA häufig spezifischere Beschreibungen von Armut heran, indem er z.B. auf Gruppen von Menschen hinweist, die „mit Entbehrungen und starken Benachteiligungen leben müssen“ (EWSA-Stellungnahme vom 13.12.2007 zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Die Solidarität zwischen den Generationen fördern, Ziffer 2.5, Berichterstatter: Herr JAHIER, ABl. C 120 vom 16.5.2008), auf „anhaltende Armut“ (EWSA-Stellungnahme vom 29.9.2005 zum Thema „Armut unter Frauen in Europa“, Ziffer 1.7, Berichterstatterin: Frau KING, ABl. C 24 vom 31.1.2006), auf „Armut qualitativ betrachtet“, die bedeutet, dass „die für die Befriedigung der wesentlichen Bedürfnisse des Einzelnen notwendigen materiellen Ressourcen nicht bzw. nicht in ausreichendem Umfang vorhanden sind“ (EWSA-Stellungnahme vom 25.10.2007 zum Thema „Verschuldung und soziale Ausgrenzung in der Überflussgesellschaft“, Ziffer 3.1.3, Berichterstatter: Herr PEGADO LIZ, ABl. C 44 vom 16.2.2008). In einer seiner Stellungnahmen empfiehlt der Ausschuss der Kommission sogar nachdrücklich, „die Definition von Armut zu überprüfen, da diese lediglich die offenkundigen Ursachen herausstreicht, das Ausmaß der Armut von Frauen und die Auswirkungen dieser Armut aber unterschätzt“ (EWSA-Stellungnahme vom 29.9.2005 zum Thema „Armut unter Frauen in Europa“, Ziffer 2.1, Berichterstattern: Frau KING, ABl. C 24 vom 31.1.2006). Diese Unzulänglichkeit des relativen Armutsindikators trifft natürlich nicht nur auf Frauenarmut, sondern auf Armut generell zu.

    (12)  „Gemeinsamer Bericht über Sozialschutz und soziale Eingliederung 2007“, Europäische Kommission (Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaft, 2007), S. 45.

    (13)  EWSA-Stellungnahme vom 6.7.2006 zum Thema „Sozialer Zusammenhalt: Ein europäisches Sozialmodell mit Inhalt füllen“, v.a. Ziffern 1.6-1.8; 2.3.1-2.3.5. Berichterstatter: Herr EHNMARK (ABl. C 309 vom 16.12.2006) sowie EWSA-Stellungnahme vom 18.1.2007 zum Thema „Der Zustand der europäischen Gesellschaft — eine Bestandsaufnahme“, v.a. Ziffer 2.4. Berichterstatter: Herr OLSSON (ABl. C 93 vom 27.4.2007).

    (14)  Der Bericht „Die soziale Lage in der Europäischen Union 2005-2006: Das Gleichgewicht zwischen den Generationen in einem älter werdenden Europa“, Europäische Kommission, (Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaft: 2007), S. 17, fasst als Fazit der Untersuchung über die Lebenszufriedenheit zusammen, dass „der Arbeitsplatz für die Lebenszufriedenheit eine weit wichtigere Rolle [spielt] als das mit seiner Hilfe erzielte Einkommen“.

    (15)  „Die Bürger mit ins Boot nehmen“ — dies war eine der zentralen Empfehlungen in der EWSA-Stellungnahme vom 6.7.2006 zum Thema „Sozialer Zusammenhalt: Ein europäisches Sozialmodell mit Inhalt füllen“, Ziffer 2.6. Berichterstatter: Herr EHNMARK (ABl. C 309 vom 16.12.2006).

    (16)  Siehe zum Beispiel die EWSA-Stellungnahme vom 18.1.2007 zum Thema „Der Zustand der europäischen Gesellschaft — eine Bestandsaufnahme“, Ziffer 2.2. Berichterstatter: Herr OLSSON (ABl. C 93 vom 27.4.2007) und die EWSA-Stellungnahme vom 13.7.2005 zu der Mitteilung der Kommission — Sozialpolitische Agenda, Ziffer 6.1. Berichterstatterin: Frau ENGELEN-KEFER (ABl. C 294 vom 25.11.2005).

    (17)  Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über das Europäische Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung (2010), [KOM(2007) 797 endg., 2007/0278 (COD)], 12.12.2007, Präambel, Ziffer (11), S. 9.

    (18)  In seiner Stellungnahme vom 6.7.2006 zum Thema „Sozialer Zusammenhalt: Ein europäisches Sozialmodell mit Inhalt füllen“, Ziffer 2.4.5, Berichterstatter: Herr EHNMARK (ABl. C 309 vom 16.12.2006), befasste sich der EWSA mit einigen „sozialen Auswirkungen der Wissensrevolution“ und schlug vor, diese mithilfe des sozialen Dialogs anzugehen.

    (19)  EWSA-Stellungnahme vom 13.12.2006 zum Thema „Freiwillige Aktivitäten, ihre Rolle in der europäischen Gesellschaft und ihre Auswirkungen“, Ziffer 1.2; Berichterstatter: Frau KOLLER, Mitberichterstatterin: Gräfin zu EULENBURG (ABl. C 325 vom 30.12.2006).

    (20)  In der EWSA-Stellungnahme vom 13.12.2007 zur der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Die Solidarität zwischen den Generationen fördern“ werden die Vorteile von Bürgerengagement auch durch ältere Menschen hervorgehoben und mehr Untersuchungen zum Thema aktives Älterwerden gefordert, Ziffer 4.5, Berichterstatter: Herr JAHIER (ABl. C 120 vom 16.5.2008).

    (21)  Die Lissabon-Strategie läuft zwar 2010 aus, bildet jedoch bei der Konzipierung von Programmplanungsdokumenten und konkreten Maßnahmen auf nationaler und gemeinschaftlicher Ebene einen festen Bezugspunkt. Obwohl noch keine diesbezügliche Entscheidung getroffen wurde, ist — in welcher Form auch immer — mit einer Fortführung der Lissabon-Strategie nach 2010 zu rechnen, insbesondere da die Beschäftigungs- und Sozialziele der Strategie bis 2010 nicht vollends erreicht werden.

    (22)  Anne-Catherine Guio, „Materielle Entbehrung in der EU“ in „Statistik kurz gefasst: Bevölkerung und soziale Bedingungen“, 21/2005, Eurostat, S. 9.

    (23)  EWSA-Stellungnahme vom 18.1.2007 zum Thema „Der Zustand der europäischen Gesellschaft — eine Bestandsaufnahme“, Ziffern 2.7, 5.3. Berichterstatter: Herr OLSSON (ABl. C 93 vom 27.4.2007).


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