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Document 52008AE0986

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über ein mehrjähriges Gemeinschaftsprogramm zum Schutz der Kinder bei der Nutzung des Internet und anderer Kommunikationstechnologien KOM(2008) 106 endg. — 2008/0047 (COD)

ABl. C 224 vom 30.8.2008, p. 61–66 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

30.8.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 224/61


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über ein mehrjähriges Gemeinschaftsprogramm zum Schutz der Kinder bei der Nutzung des Internet und anderer Kommunikationstechnologien“

KOM(2008) 106 endg. — 2008/0047 (COD)

(2008/C 224/13)

Der Rat beschloss am 7. April 2008, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 153 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über ein mehrjähriges Gemeinschaftsprogramm zum Schutz der Kinder bei der Nutzung des Internet und anderer Kommunikationstechnologien“

Am 11. März 2008 beauftragte das Präsidium des Ausschusses die Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft mit den Vorarbeiten.

Aufgrund der Dringlichkeit der Arbeiten bestellte der Ausschuss auf seiner 445. Plenartagung am 28./29. Mai 2008 (Sitzung vom 29. Mai) Frau SHARMA zur Hauptberichterstatterin und verabschiedete einstimmig folgende Stellungnahme:

1.   Schussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss spricht der Kommission seine Anerkennung für die Arbeit aus, die sie bereits im Bereich des Kinderschutzes in Bezug auf „Online-Technologien“ geleistet hat (1). Er verweist vor allem darauf, dass die Öffentlichkeit dank der Kampagnen von Sozialpartnern, insbesondere der NGO, und der jährlich von der Kommission durchgeführten „Tage des sicheren Internets“ immer stärker auf dieses Problem aufmerksam wird.

1.2

Der EWSA hat zu diesen Fragen zahlreiche Stellungnahmen erarbeitet (2). Darüber hinaus empfiehlt er einen internationalen partnerschaftlichen Ansatz, der Folgendes fördert:

1.2.1

eine weltweite gemeinsame Nutzung von Daten und einen Gedankenaustausch zwischen den einzelnen Regierungen, den Strafverfolgungsbehörden, den Meldestellen („Hotlines“), den Banken, Finanzinstituten und Kreditkartenfirmen, den Beratungsstellen gegen Kindesmissbrauch und Kinderwohlfahrtverbänden sowie der Internet-Branche;

1.2.2

eine EU- und/oder internationale „Taskforce“, die vierteljährlich zusammentritt, um die gemeinsame Nutzung von Daten und den Austausch von Fachwissen und bewährten Praktiken zwischen den Akteuren, einschließlich der Meldestellen, Strafverfolgungsbehörden, Regierungen und insbesondere der weltweiten Internet-Industrie, zu erleichtern;

1.2.3

die Festlegung und Förderung eines Modells für internationale und europäische vorbildliche Verfahrensweisen zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern via Internet mit Hilfe der Meldestellen;

1.2.4

eine Überprüfung sämtlicher bereits bestehender und künftiger Meldestellen vor dem Hintergrund der derzeitigen anerkannten bewährten Praktiken und eine Bewertung der Leistung der Meldestellen anhand neuer Modelle für empfehlenswerte Verfahrensweisen;

1.2.5

die Straffung der künftigen Programmressourcen und Mittelzuweisung in Anbetracht der Ergebnisse der Meldestellenüberprüfung;

1.2.6

die Mitwirkung der Meldestellen am europäischen Datenbankprojekt;

1.2.7

die Förderung von Partnerschaften zwischen den Meldestellen und anderen einschlägigen Organisationen mit nationalen Domain-Namen-Registern zur Löschung von Domain-Namen, die den sexuellen Missbrauch von Kindern propagieren oder Zugang zu derartigen Inhalten bieten;

1.2.8

gemeinsame Anstrengungen zur Sensibilisierung für das problematische „Grooming“ und „Cyber-Bullying“ (3) und ggf. die Erstattung von Meldung bei der entsprechenden Strafverfolgungsbehörde und bei Kinderschutzorganisationen;

1.2.9

die Einführung von Verfahren zur Unterstützung der Analytiker und derer, die in den Meldestellen mit dem Sichten der Bilder beschäftigt sind;

1.2.10

den Vergleich und die Angleichung der in diesem Bereich in den Mitgliedstaaten bestehenden Rechtsrahmen;

1.2.11

die Einrichtung einer Netzanlaufstelle auf Ebene der Kommission, die als unabhängiger Prüfer fungiert, die Forschungsarbeiten aufeinander abstimmt und überprüft, inwieweit das Programm durchgeführt wird und die Empfehlungen umgesetzt werden;

1.2.12

die Einrichtung eines jährlichen Expertenforums für einen verstärkten Wissenstransfer;

1.2.13

die Einrichtung eines Jugendforums zur Einbeziehung der Ansichten und Erfahrungen der Kinder und Jugendlichen in die Forschung und die künftige Programmdurchführung;

1.2.14

die proaktive, kooperative Nutzung von Finanzierungswegen, wie z.B. der Programme Daphne und „Safer Internet“;

1.2.15

das Knüpfen von Kontakten zu den entsprechenden US-Behörden, um in den USA die Bereithaltung von Inhalten, die den sexuellen Missbrauch von Kindern darstellen, einzudämmen und einen aktiven transatlantischen Datenaustausch aufzubauen.

1.3

Durch einen partnerschaftlichen Ansatz werden eine Bündelung der Fachkenntnisse, die Verbreitung von Wissen und die Finanzierung sichergestellt. Vor allem werden die Akteure und Sozialpartner in die generellen Anstrengungen der EU zur Reduzierung illegaler Online-Inhalte und zur Beschränkung des Zugangs zu solchen Inhalten eingebunden.

2.   Allgemeine Bemerkungen

2.1

Die Internet- und Kommunikationstechnologien (im Folgenden „Online-Technologien“ genannt) (4) wurden als Mittel zur Kommunikation für Akademiker und Forscher erdacht und konzipiert, werden jedoch nun fast überall auf der Welt in Privathaushalten, Schulen, Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen eingesetzt.

2.2

Kinder sind zunehmend aktive Nutzer der Online-Technologien. Neben den Vorteilen der Interaktivität und Mitwirkung im Online-Umfeld setzen sie sich aber ernsten Gefahren aus:

a)

direkte Schädigung, etwa als Opfer sexuellen Missbauchs, der durch Fotos, Filme oder Tondateien dokumentiert und dann online verbreitet wird (Material über Kindesmissbrauch);

b)

eine zeitlich unbegrenzte Fortführung des sexuellen Missbrauchs des Opfers durch wiederholtes Ansehen von Aufzeichnungen ihres Missbrauchs aufgrund einer ausgedehnten Online-Verbreitung und der weltweiten Verfügbarkeit;

c)

direkte Kontaktaufnahme durch potenzielle Täter, die sich mit den Kindern anfreunden, um sie sexuell zu missbrauchen („Grooming“);

d)

Opfer von Schikanen im Online-Umfeld („Cyber-bullying“).

2.3

Zu den sonstigen Entwicklungen gehören (siehe Anhang 1) (5):

a)

die rasche und dynamische Weiterentwicklung des neuen technologischen Umfelds, das zunehmend von einer digitalen Konvergenz, schnelleren Übertragungskanälen, dem mobilen Internet, Web 2.0, Wi-Fi-Zugang und anderen neuen Inhaltsformaten und technischen Online-Diensten geprägt ist;

b)

die Anerkennung des äußerst geringen Alters der zu Opfern gewordenen Kinder und der hochgradigen Schwere des sexuellen Missbrauchs, unter dem sie leiden;

c)

die Klarstellung des Ausmaßes des Problems im Hinblick auf öffentlich zugängliche Websites, auf denen der sexuelle Missbrauch von Kindern dargestellt wird, d.h. Festlegung eines konkreten „erreichbaren“ Ziels von jährlich ca. 3 000 weltweit betriebenen Websites, die Zugang zu Hunderttausenden von Bildern bieten, die den sexuellen Missbrauch von Kindern zeigen;

d)

gemäß jüngsten Daten über die in den verschiedenen Regionen betriebenen Netze für den sexuellen Missbrauch von Kindern wird diese Art von Inhalt zum Großteil in den USA bereitgestellt;

e)

jüngsten Daten zufolge wechseln die Betreiber von Websites mit Online-Inhalt über den sexuellen Missbrauch von Kindern regelmäßig die Host-Firma und das Land, damit sie nicht aufgespürt werden und die Website gelöscht wird, und erschweren dadurch Ermittlungen im Rahmen der Strafverfolgung auf rein nationaler Ebene;

f)

mangelnde Bemühungen der Domain-Namen-Register auf internationaler Ebene um die Löschung von Domains, die den sexuellen Missbrauch von Kindern propagieren oder Zugang zu derartigen Inhalten bieten;

g)

der weiterhin bestehende und sich möglicherweise verstärkende „Generationskonflikt“ im Hinblick auf die Nutzung der Online-Technologien durch junge Menschen und deren Risikowahrnehmung im Unterschied zu der Einstellung der Erwachsenen gegenüber der Nutzung dieser Technologien;

h)

die Verbreitung von Material über den sexuellen Missbrauch von Kindern ließe sich einschränken, wenn die Dienstleistungsanbieter freiwillig einzelne URLs sperren würden;

i)

der Nutzen nationaler Empfehlungen in Bezug auf Online-Tools wie Filterprodukte, Sicherheitseinstellungen für Suchmaschinen u.Ä.

2.4

Der Schutz der Internet-Nutzer, insbesondere der Kinder, vor illegalen und schädlichen Inhalten und Verhaltensweisen im Internet und die Eindämmung der Verbreitung illegaler Inhalte sind daher Themen, die politische Entscheidungsträger und Gesetzgeber, Unternehmen, Endnutzer, insbesondere aber Eltern, Betreuer und Erzieher regelmäßig beschäftigen.

2.5

Aus rechtlicher Sicht gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen dem Begriff „illegal“ einerseits und dem Begriff „schädlich“ andererseits, denn sie erfordern unterschiedliche Methoden, Strategien und Instrumente. Was als illegal gilt, kann sich von Land zu Land unterscheiden, wird im jeweils geltenden nationalen Recht unterschiedlich definiert und fällt in den Tätigkeitsbereich von Strafverfolgungsbehörden, anderen staatlichen Stellen und den mit den entsprechenden Befugnissen ausgestatteten Meldestellen.

2.6

Der EWSA dringt darauf, dass die legislative Harmonisierung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften auf der nationalen Ebene durchgeführt und durchgesetzt wird, wobei zumindest folgende Fragen im Einklang mit dem Übereinkommen des Europarats über Computerkriminalität (6) zu klären sind:

a)

eine Definition dessen, was unter Material über den sexuellen Missbrauch von Kindern zu verstehen ist;

b)

die Festlegung einer Altersgrenze von 18 Jahren für die Definition von „Kind“ im Zusammenhang mit Material über sexuellen Kindesmissbrauch;

c)

eine Bestimmung, dass der Besitz und das Ansehen/Herunterladen von Online-Material über den sexuellen Missbrauch von Kindern ein Delikt ist, das mit einer Haftstrafe geahndet wird.

2.7

Zwar wurden europaweit einige Normen in Form verschiedener Empfehlungen und Richtlinien aufgestellt, mit denen Rechtsfragen geklärt wurden, aber es sollte überprüft werden, ob sie in allen Mitgliedstaaten in die Praxis umgesetzt wurden.

2.8

„Schädliche“ Inhalte sind solche, die Eltern, Lehrer oder andere Erwachsene als für Kinder möglicherweise schädlich ansehen. Solche Inhalte werden von Land zu Land und von Kulturkreis zu Kulturkreis unterschiedlich definiert und reichen von Pornografie und Gewalt über Rassismus, Fremdenhass, Hassreden und Hassmusik bis hin zu Themen wie Selbstverstümmelung, Anorexie und Selbstmord. Der EWSA räumt ein, dass es schwierig ist, internationale Partnerschaften zur Eindämmung dieses Materials zu gründen, ist aber der Ansicht, dass auf nationaler Ebene Anstrengungen unternommen werden könnten, um stärker auf Instrumente, Methoden und technische Möglichkeiten für den Schutz der Kinder vor solchem Material aufmerksam zu machen.

2.9

Die EU spielt seit 1996 eine Vorreiterrolle beim Schutz der Kinder im Online-Umfeld. Die aufeinander folgenden Programme zur sichereren Nutzung des Internet (Safer Internet-Aktionsplan 1999-2004, Safer Internet plus 2005-2008) waren wichtige Bestandteile der Arbeit in diesem Bereich. Die Kommission legte eine Mitteilung über die Durchführung des Programms „Mehr Sicherheit im Internet“ im Zeitraum 2005-2006 vor (7). Darüber hinaus bestätigte eine von April bis Juli 2007 durchgeführte Folgenabschätzung (8), dass sich die ergriffenen Maßnahmen als wirksam erwiesen haben, machte gleichzeitig aber auch deutlich, dass diese an die neu entstehenden Internet-Technologien und die dynamische Kriminalität auf diesem Gebiet angepasst werden müssen.

2.10

Ziel des neuen Programms ist die Förderung der sichereren Nutzung des Internet und anderer Kommunikationstechnologien, insbesondere durch Kinder, und die Bekämpfung illegaler Inhalte und gesetzeswidrigen und schädlichen Verhaltens im Online-Umfeld. Hiermit werden die Zusammenarbeit und der Austausch von Erfahrungen und vorbildlichen Verfahren auf allen Ebenen zu Fragen des Schutzes der Kinder bei der Internet-Nutzung gefördert, was den Nutzen eines Tätigwerdens auf EU-Ebene deutlich macht.

2.11

Das Programm umfasst vier Handlungsbereiche, in denen jeweils die internationale Zusammenarbeit als fester Bestandteil gefördert werden soll:

a)

Verringerung illegaler Inhalte und Bekämpfung schädlichen Verhaltens im Online-Umfeld,

b)

Förderung eines sichereren Online-Umfelds,

c)

Sensibilisierung der Öffentlichkeit,

d)

und Aufbau einer Wissensbasis.

2.12

Der EWSA vermisst jedoch Definitionen und eine rechtliche Klärung in Bezug auf die Begriffe „schädlich“ und „Verhalten“, insbesondere im Hinblick auf die Umsetzung in nationales Recht. Außerdem ist eine weitergehende Klarstellung der Rolle der Meldestellen erforderlich, die keine Ermittlungen gegen Verdächtige anstellen und auch nicht die hierfür erforderlichen Befugnisse besitzen (siehe Anhang 2) (9).

3.   Ein internationales Modell

3.1

Das Internet gehört nicht großen multinationalen Konzernen, die den Inhalt kontrollieren, oder wird von solchen verwaltet. Es besteht aus Hunderten von Millionen von Seiten, die von einer Vielzahl von Personen veröffentlicht werden, was eine Überwachung oder Kontrolle illegaler Inhalte erschwert. Die Verfügbarkeit illegaler Inhalte kann jedoch durch Maßnahmen auf lokaler Ebene (Privathaushalte) bis hin zur nationalen und internationalen Ebene (einschließlich Internet) reduziert werden, wenn alle Akteure zusammenarbeiten.

3.2

Die Internet Watch Foundation ermittelte einen Bestand von 2 755 Websites mit Kindesmissbrauchsinhalten, die 2007 weltweit betrieben wurden; 80 % dieser Websites werden kommerziell betrieben, wobei die Betreiber regelmäßig die Host-Firma und die Region wechseln, um nicht entdeckt zu werden (10). Diese Taktik in Verbindung mit dem komplexen multinationalen Charakter der Straftaten bedeutet, dass nur eine geeinte weltweite Reaktion unter Einbeziehung der Strafverfolgungsbehörden, der Regierungen und der internationalen Internet-Branche eine wirksame Ermittlung dieser Websites, ihres Inhalts und der dahinter stehenden Organisationen ermöglichen wird.

3.3

Nach Ansicht des EWSA ist ein partnerschaftlicher Ansatz erforderlich, um die Kinder zu schützen. Die gesellschaftlichen Akteure, einschließlich Regierung, Internet-Industrie, Strafverfolgungsbehörden, Kinderschutzorganisationen, Unternehmen, Arbeitnehmervertretungen, NGO einschließlich Verbraucherschutzorganisationen und die Öffentlichkeit müssen zusammenarbeiten, um auf die Gefahren und Risiken aufmerksam zu machen, während gleichzeitig den jungen Menschen die Möglichkeit gegeben werden muss, aus den Vorteilen dieses revolutionären Hilfsmittels, über das sie Kontakte knüpfen können, das ihnen beim Lernen hilft und mit dem die Innovation gefördert wird, Nutzen zu ziehen.

3.4

Dank des Internet hat sich die Lebensqualität vieler Menschen, insbesondere aber der jungen Leute, der älteren Menschen sowie der Menschen mit Behinderungen, verbessert. Es ist ein einzigartiges Kommunikationsmittel und dient heutzutage mehr und mehr als „soziales Netz“. Der Wandel im Lebensstil, im Familienleben und bei den Beschäftigungsmustern hat dazu geführt, dass die Menschen mehr Zeit auf sich gestellt oder allein verbringen. Daher ist der Schutz der Nutzer, vor allem der gefährdeten Gruppen — insbesondere Kinder -, eine Priorität, die nicht einzig und allein der Verantwortung der Erziehungsberechtigten überlassen werden kann.

3.5

Die Entstehung neuer Technologien und Dienstleistungen ist der Schlüssel zu Innovation und Wachstum der Unternehmen in der ganzen Welt. Häufig begreifen die jungen Menschen als Erste die Möglichkeiten und greifen diese Innovationen auf. Mit dem Fortschritt kommt aber auch der Missbrauch, was zunehmend Anlass zur Sorge gibt. Die Selbstkontrollorgane der Industrie und der Beteiligten kennen sich gut mit diesen Technologien aus und haben die Möglichkeit, Gegenmaßnahmen zur Bekämpfung dieses Missbrauchs zu entwickeln. Der Austausch von Wissen, die Sensibilisierung und die Aufklärung der Verbraucher darüber, wie sie Websites melden können, und, soweit möglich, eine Verteilung der Finanzmittel zur Missbrauchsbekämpfung sind, insbesondere wenn es um Kindesmissbrauch geht, eine grundlegende Pflicht und Teil der sozialen Verantwortung der Unternehmen der Internet-Industrie.

3.6

Über Ausmaß und Umfang des Problems der Online-Verbreitung von Inhalten über den sexuellen Missbrauch von Kindern kann nur gemutmaßt werden. Wie im Bericht der Kommission eingeräumt wird, fehlt es jedoch an EU-weiten statistischen Daten. Es sollten Anstrengungen unternommen werden, um die Bewegungen und Aktivitäten der Websites zu verfolgen, die mit der Verbreitung von Inhalten über den sexuellen Missbrauch von Kindern in Verbindung gebracht werden, damit den zuständigen Stellen und den internationalen Strafverfolgungsbehörden die erforderlichen Informationen zur Löschung derartiger Inhalte und zur Ermittlung derjenigen, die sie verbreiten, an die Hand gegeben werden können.

3.7

Diese Organisationen müssen auf nationaler Ebene geschaffen werden und in regelmäßigen Zusammenkünften mit der Europäischen Kommission Strategien erarbeiten. Eine auf EU-Ebene eingerichtete Plattform, in der die Internet-Branche, staatliche Stellen, Banken, Finanzinstitute und Kreditkartenfirmen, NGO sowie Arbeitgeber und Arbeitnehmer vertreten sind, könnte ein wertvolles Mittel für eine rasche EU-weite Analyse und Ergreifung von Maßnahmen sein, wobei Informationen über die EU hinaus verbreitet werden könnten, um die Zusammenarbeit der internationalen Strafverfolgungsbehörden zu erleichtern.

3.8

Es sollte ein jährliches „Expertentreffen“ auf EU-Ebene in Bezug auf die technischen Entwicklungen, die psychosozialen Faktoren und die Strafverfolgung gefördert werden, um den Wissensaustausch zu intensivieren. Die Schlussfolgerungen dieser Treffen würden allen EU-Mitgliedstaaten und den Plattformmitgliedern übermittelt, damit sie auf nationaler und lokaler Ebene angepasst, integriert oder herangezogen werden können.

3.9

Die Einrichtung einer „Netzanlaufstelle“ auf Kommissionsebene, die nicht nur europa-, sondern weltweit Nachforschungen über Projekte anstellt, wäre hilfreich für die Plattform, um einen aktuellen Wissensstand sicherzustellen und dafür zu sorgen, dass das Wissen, einschließlich der Statistiken, sachdienlich ist, so dass wirkungsvolle Methoden verbreitet würden, die zur Bekämpfung der Probleme dienen und rasch aktiven Partnern weitergegeben werden könnten. Außerdem würden in den Aufgabenbereich der Netzanlaufstelle Besuche und Überwachungsmaßnahmen fallen. Darüber hinaus könnte die Anlaufstelle als unabhängiger Prüfer der Meldestellen fungieren und Anträge für neue Projekte prüfen, um Doppelarbeit zu vermeiden und eine effektive und effiziente Nutzung der Mittel zu gewährleisten. Ferner könnte sie Partnerschaften anregen. Der Zweck der Netzanlaufstelle würde darin bestehen, auf neue Herausforderungen zu reagieren, sobald sie auftreten.

3.10

Die Einrichtung eines „Jugendforums“ könnte sich als sinnvoll erweisen, um junge Menschen einzubeziehen und Informationen an die sozialen Netze, die von schutzbedürftigen Gruppen genutzt werden, weiterzugeben. Jugendliche haben ihre eigene Sprache und wollen sich nicht bevormunden lassen, nehmen aber Ratschläge von Gleichaltrigen in ihrem sozialen Umfeld an. Es gilt, die „Rechte des Kindes“ zu berücksichtigen, daher müssen junge Leute in den Prozess einbezogen werden.

3.11

Es ist ein wirkungsvolles Modell erforderlich, bei dem sich die Akteure verpflichten, für die Anpassung an weltweit neu aufkommende Formen der Internet-Kriminalität erforderliche Informationen und Kenntnisse auszutauschen.

4.   Leitlinien für die Arbeit der Meldestellen

4.1

Ein Modell für empfehlenswerte Vorgehensweisen der Meldestellen:

4.1.1

Für die Bewertung illegaler Online-Inhalte ausgebildete und anerkannte Meldestellenanalytiker;

4.1.2

Meldestellenanalytiker mit Erfahrung in der Suche nach möglicherweise illegalen Online-Inhalten;

4.1.3

ein überzeugender partnerschaftlicher Ansatz unter Einbeziehung aller wichtigen nationalen Akteure, einschließlich staatlicher Behörden, Banken, Finanzinstitute und Kreditkartenfirmen, Strafverfolgungsbehörden, Familienhilfsorganisationen, Kinderschutzorganisationen und insbesondere der Internet-Industrie;

4.1.4

ko- und selbstregulierende Meldestellen, die eine überzeugende erfolgreiche Partnerschaft mit der nationalen Internet-Industrie führen und einen Verhaltenskodex einhalten;.

4.1.5

weltweite „Meldung und Löschung“ illegaler Online-Inhalte, die von nationalen Host-Firmen bereitgestellt werden;

4.1.6

Mitwirkung an dem Vorhaben einer zentralen europäischen Datenbank über URL mit Inhalten, in denen der sexuelle Missbrauch von Kindern dargestellt wird;

4.1.7

Bemühungen um eine Zusage nationaler Internet-Unternehmen, anhand einer dynamischen Liste Websites, in denen der sexuelle Missbrauch von Kindern dargestellt wird, auf Netzebene zu sperren, um Nutzer vor einem versehentlichen Aufrufen dieser Websites zu schützen;

4.1.8

die Meldestellen sollten umfassende Websites in der jeweiligen Landessprache betreiben, die ein einfaches, anonymes Meldeverfahren anbieten und für Fragen, die nicht in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, wie „Grooming“ und „Cyber-Bullying“, deutliche Weiterleitungshinweise zu telefonischen Beratungsdiensten und anderen einschlägigen Organisationen enthalten;

4.1.9

Sensibilisierung für die Aufgabe der Meldestellen und damit zusammenhängende Fragen;

4.1.10

Austausch von Daten, Ermittlungsergebnissen und Fachwissen auf europäischer und internationaler Ebene;

4.1.11

Mitwirkung an europäischen und internationalen Partnerschaften mit Akteuren zum Austausch von Daten, Ermittlungsergebnissen und Ideen, um dem länderübergreifenden Charakter dieser Straftaten entgegenzuwirken;

4.1.12

Maßnahmen auf europäischer und internationaler Ebene zur Löschung von Internet-Inhalten, in denen der sexuelle Missbrauch von Kindern dargestellt wird, und Ermittlung derjenigen, die sie bereitstellen, unabhängig davon, wo in der Welt dieser Inhalt gehostet wird;

4.1.13

Unterstützung nationaler und internationaler Stellen, die eingerichtet werden, um diese Websites international zu bekämpfen und die Zusammenarbeit zwischen multinationalen Strafverfolgungsbehörden zu erleichtern;

4.1.14

Verbreitung von Leitlinien an Arbeitgeber, Lehrer, Organisationen, Eltern und Kinder, z.B. analog zum Schulungsprogramm ThinkuKnow des Child Exploitation and Online Protection Centre (CEOP) der britischen Polizei;

4.1.15

Sensibilisierung der Internet-Nutzer, insbesondere in Partnerschaft mit nationalen Internet-Unternehmen und eventuell mit deren finanzieller Unterstützung;

4.1.16

die Organisationen sollten Mitglied des internationalen Verbands der Internet-Meldestellen (INHOPE) sein, damit der internationale Erfahrungs- und Informationsaustausch zwischen Meldestellen und Industrie zur Löschung der Inhalte führt (11);

4.1.17

die Meldeverfahren müssen einfach sein, die individuelle Anonymität des Meldenden gewährleisten und eine rasche Bearbeitung erlauben;

4.1.18

die Meldestellenbetreiber müssen mit geeigneten Abläufen für die Unterstützung und Beratung der Analytiker sorgen, die mit der Sichtung und Bearbeitung der Daten beschäftigt sind.

4.2

Darüber hinaus sollten die Meldestellen:

a)

Partnerschaften mit ihren nationalen Domain-Namen-Registerfirmen eingehen, um sicherzustellen, dass Domains, die regelmäßig Zugang zu Darstellungen des sexuellen Missbrauchs von Kindern bieten oder Bezeichnungen tragen, die zu sexuellen Handlungen mit Kindern auffordern, ermittelt und gelöscht werden;

b)

nationale Internet-Unternehmen um eine freiwillige Finanzierung auf Selbstregulierungsbasis ersuchen, da diese vom Meldemechanismus, dem Dienst „Meldung und Löschung“ und den dynamischen Listen gesperrter Websites der Meldestelle profitieren;

c)

die Sperrung von Websites, die sexuellen Missbrauch von Kindern zeigen, durch die Internet-Branche im betreffenden Land fördern oder erleichtern;

d)

den Aufbau guter Beziehungen zwischen Meldestellen und telefonischen Beratungsdiensten, die eine Weiterleitung zu Opferhilfsorganisationen bieten, fördern, um zusätzlich die Aufmerksamkeit für relevante, aktuelle Fragen zu erhöhen.

5.   Besondere Bemerkungen

5.1

Der Kommissionsvorschlag lässt eine Reihe von Fragen offen:

a)

Wer wird die vorgeschlagenen Maßnahmen koordinieren und mit welcher Qualifikation?

b)

Wie werden die Kriterien für die einzelnen Bereiche festgelegt? Viele bereits bestehende Programme würden mehr als ein Kriterium der vorgeschlagenen Wissensdatenbank erfüllen (12).

c)

Wer wählt die geeigneten Kandidaten aus?

d)

Wer ist für die kontinuierliche Bewertung und Vernetzung dieser Projekte zuständig?

5.2

Werden die oben aufgeführten Fragen beantwortet, so müsste das Rad nicht neu erfunden werden, es würde Doppelarbeit vermieden und eine effektive und effiziente Nutzung der Mittel sichergestellt. Vor allem muss gewährleistet werden, dass sachkundige Fachleute aktiv und in enger Zusammenarbeit mit beratenden oder staatlichen Mitarbeitern in die Initiative eingebunden werden. Dies würde auch für den oben erwähnten Vorschlag gelten, eine „Netzanlaufstelle“ auf Ebene der Europäischen Kommission einzurichten, die Nachforschungen über derartige Projekte anstellt, sich mit ihnen vertraut macht, Besuche abstattet und die Kontakte aufrechterhält.

5.3

Die Kommission sollte Möglichkeiten einer proaktiven, kooperativen Nutzung von Finanzierungswegen, wie z.B. der Programme Daphne und „Safer Internet“, prüfen.

5.4

Schließlich fordert der Ausschuss die Kommission auf, die Bedeutung und Auswirkung folgender Aspekte zu betonen:

EU-weite Übernahme des Melde- und Löschverfahrens durch die Meldestellen und die Internet-Industrie für Inhalte, durch die Kinder sexuell missbraucht werden;

breitere Akzeptanz der Initiative zum Schutz der Internet-Nutzer durch die Sperrung des Zugangs zu URL, über die Inhalte in Bezug auf den sexuellen Missbrauch von Kindern verbreitet werden;

weltweite Anstrengungen der Domain-Namen-Register und zuständigen Behörden zur Löschung von Domains, die mit dem sexuellen Missbrauch von Kindern in Verbindung stehen.

5.5

Dank der genannten Maßnahmen würden arglose Internet-Nutzer weniger häufig an schockierende und illegale Bilder geraten, durch eine Beschränkung des Zugangs zu Bildern über den sexuellen Missbrauch von Kindern würde vermieden, dass sie immer wieder aufs Neue zum Opfer werden, und der Zugang zu solchen Inhalten und deren Bereitstellung für Personen, die auf der Suche nach solchen Bildern sind, sowie die Verbreitung von Bildern an Internet-Nutzer durch kriminelle Organisationen zum Zwecke wirtschaftlicher Gewinne würde unterbunden.

5.6

Wichtig ist, dass durch die Umsetzung der Maßnahmen denen, die hinter der Verbreitung von Inhalten, in denen der sexuelle Missbrauch von Kindern dargestellt wird, stehen, das Geschäft zunehmend erschwert wird. Zwar machen es die kriminelle Dynamik und die technische Versiertheit der Täter schwer, dieses Problem komplett zu beseitigen, aber je aufwändiger, riskanter und kurzlebiger das Platzieren solcher Inhalte im Internet gemacht wird, umso weniger dürfte dies als ein einfacher Weg zur Erlangung eines finanziellen Gewinns oder eines sonstigen Vorteils erachtet werden.

5.7

Jüngste Daten über den Umfang und das Ausmaß des Problems der Websites (nicht einzelner Bilder oder URL) über sexuellen Kindesmissbrauch sind ein Ansporn für die weitere Bekämpfung bis zur völligen Unterbindung. Mit der Festlegung konkreter Ziele kann jetzt gezeigt werden, wie wirkungsvoll ein Datenaustausch, ein Engagement auf höchster internationaler Ebene und ein positives und erfolgreiches, gemeinsames Vorgehen in internationaler Partnerschaft für die drastische Verringerung der Zahl Kindesmissbrauch darstellender Websites wäre.

Brüssel, den 29. Mai 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  Für die Zwecke dieser Stellungnahme bezeichnet der Begriff „Online-Technologien“ alle Technologien, die für den Zugang zum Internet genutzt werden, sowie sonstige Kommunikationstechnologien. In einigen Fällen können Inhalte und Dienste sowohl über das Netz („online“) als auch ohne Netzverbindung („offline“) genutzt werden, z.B. bei Videospielen. Beide Möglichkeiten können aus Sicht des Kinderschutzes von Belang sein.

(2)  „Illegale Inhalte/Internet“, ABl. C 61 vom 14.3.2003, S. 32, und „Sicherere Nutzung des Internet“, ABl. C 157 vom 28.6.2005, S. 136.

(3)  Grooming: Unmittelbare Kontaktaufnahme durch potenzielle Täter, die sich mit Kindern anfreunden, um sie sexuell zu missbrauchen; Cyber-Bullying: Schikanen und Ausübung psychologischen Drucks im Online-Umfeld.

(4)  Siehe Fußnote 1.

(5)  Dieser Anhang ist nur in Englisch verfügbar und liegt der elektronischen Fassung der Stellungnahme im Internet bei.

(6)  Europarat, Übereinkommen über Computerkriminalität, SEV-Nr. 185, vom 23.11.2001, http://conventions.coe.int/Treaty/en/treaties/Html/185.htm.

(7)  Mitteilung der Europäischen Kommission über die Durchführung des mehrjährigen Gemeinschaftsprogramms zur Förderung der sichereren Nutzung des Internet und neuer Online-Technologien (Mehr Sicherheit im Internet), KOM(2006) 661 endg.

(8)  http://ec.europa.eu/saferinternet.

(9)  Dieser Anhang ist nur in Englisch verfügbar und liegt der elektronischen Fassung der Stellungnahme im Internet bei.

(10)  Britische Hotline für die Meldung illegaler Inhalte, insbesondere weltweit ins Internet gestellter Inhalte über Kindesmissbrauch und in Großbritannien ins Netz gestellter, strafrechtlich öbszöner Inhalte und zu Rassenhass aufstachelnder Inhalte. Siehe Anhang 1 und Anhang 2. (Diese Anhänge sind nur in Englisch verfügbar und liegen der elektronischen Fassung der Stellungnahme im Internet bei.)

(11)  Von September 2004 bis Dezember 2006 bearbeitete INHOPE 1,9 Mio. Meldungen, davon stammten 900 000 aus der Öffentlichkeit und 160 000 wurden zwecks Ergreifung von Maßnahmen an Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet.

(12)  Zum Beispiel würde das Vorhaben „Prevention Project“ von Innocence in Danger mehr als eines der Kriterien erfüllen. Es gibt viele weitere solcher Beispiele.


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