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Document 52005IE0530

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Beziehungen EU/Indien“

ABl. C 267 vom 27.10.2005, p. 36–44 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)

27.10.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 267/36


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Beziehungen EU/Indien“

(2005/C 267/06)

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 27. Januar 2004 gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung, eine Stellungnahme zu folgender Vorlage zu erarbeiten: „Beziehungen EU/Indien“.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Außenbeziehungen nahm ihre Stellungnahme am 14. März 2005 an. Berichterstatter war Herr Sukhdev SHARMA.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 417. Plenartagung (Sitzung vom 12. Mai 2005) einstimmig mit 145 Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

Der erste Informationsbericht zu den „Beziehungen EU/Indien“ (CES 947/2000) wurde im Dezember 2000, im Vorfeld der im Januar 2001 in Neu-Delhi abgehaltenen ersten Sitzung des Diskussionsforums EU/Indien, von der Fachgruppe Außenbeziehungen angenommen. Die europäischen Teilnehmer des Diskussionsforums sind Mitglieder des EWSA, die indischen Teilnehmer stammen aus verschiedenen Bereichen der organisierten Zivilgesellschaft (siehe Anhang I).

1.2

Das 2001 gegründete Diskussionsforum EU/Indien hat sich im Dialog zwischen Indien und der EU als wichtiges Gremium etablieren können. Im Juni 2004 fand in Srinagar, Kaschmir, sein siebtes Treffen statt, das achte im Dezember in London. Bei letzterem wurden so sensible Themen wie Kinderarbeit und Gleichstellung der Geschlechter am Arbeitsplatz auf freimütige, aber konstruktive Weise diskutiert (s. Abschnitt 5: Der Dialog zwischen den Zivilgesellschaften der EU und Indiens bis heute).

1.3

Diese Initiativstellungnahme zu den Beziehungen EU/Indien wurde im Hinblick auf die seit 2000 wachsende Bedeutung dieser Beziehungen erarbeitet, die im Jahr 2004 ihren deutlichen Niederschlag in einer Reihe von Entwicklungen fand.

1.4

Die vorliegende Initiativstellungnahme beschränkt sich aus diesem Grund nicht auf eine Aktualisierung des Informationsberichts 2000 zu den Beziehungen EU/Indien. Sie weist auch nachdrücklich darauf hin, dass der EWSA die starke politische Unterstützung sowohl durch die EU-Institutionen als auch durch die indische Regierung für eine engere Zusammenarbeit zwischen der europäischen und der indischen Zivilgesellschaft nutzen muss. Zu diesem Zweck wird in dieser Initiativstellungnahme zusammengefasst, welchen Beitrag der EWSA bisher dazu geleistet hat, die indische und die europäische Zivilgesellschaft in einem sinnvollen Dialog zusammenzuführen. Weitere Schritte, die der EWSA insbesondere im Hinblick auf die Vorbereitung des Gemeinsamen Aktionsplans für eine strategische Partnerschaft zwischen der EU und Indien — vor allem mit Hilfe des Diskussionsforums — unternehmen kann, werden aufgezeigt.

1.5

Als Reaktion auf die Tatsache, dass sich die Beziehungen EU/Indien „in den letzten Jahren in Umfang und Intensität exponentiell entwickelt“ haben, legte die Europäische Kommission dem Rat, dem Europäischen Parlament und dem EWSA im Juni 2004 ihre weitreichenden Vorschläge für eine strategische Partnerschaft mit Indien vor. Die Kommission forderte einen Aktionsplan, der auf dem sechsten EU/Indien-Gipfel 2005 genehmigt werden soll.

1.6

Die indische Regierung begrüßte im August die Mitteilung der Kommission vom 16. Juni und schlug vor, zur Erarbeitung des auf dem sechsten Gipfel zu genehmigenden Aktionsplans einen Ausschuss auf ministerieller Ebene einzusetzen.

1.7

Der Europäische Rat begrüßte in seinen im Oktober angenommenen Schlussfolgerungen die „gründliche und umfassende“ Mitteilung der Kommission. Der Rat sprach seine volle Unterstützung für ihre allgemeinen Ziele aus und verpflichtete sich, „zusammen mit der Kommission an ihrer Verwirklichung zu arbeiten“.

1.8

Das Europäische Parlament sprach im Oktober gegenüber dem Rat die Empfehlung aus, „den Ausbau der EU/Indien-Beziehungen zu einer strategischen Partnerschaft zu beschließen“ sowie die „notwendigen praktischen Maßnahmen“ einzuleiten.

1.9

Der fünfte EU/Indien-Gipfel im November in Den Haag forderte beide Seiten dazu auf, „auf der Grundlage der Kommissionsmitteilung, der Schlussfolgerungen des Rates sowie des Antwortpapiers Indiens gemeinsam einen umfassenden Indien/EU-Aktionsplan für eine strategische Partnerschaft sowie eine neue Gemeinsame Politische Erklärung auszuarbeiten, die auf dem sechsten Gipfeltreffen bestätigt werden sollen.“

1.10

Bei dem Treffen des Diskussionsforums im Dezember in London wurde in den Empfehlungen zum EU/Indien-Gipfel „festgehalten, dass die strategische Partnerschaft EU/Indien die Chance bietet, die Rolle, die der Zivilgesellschaft bei dieser Partnerschaft zufällt, über das Diskussionsforum aufzuwerten und auszubauen“. Es wurde mit Nachdruck darauf hingewiesen, „dass die Zivilgesellschaft fest in diese neue Partnerschaft eingebunden werden“ müsse, ebenso wie man sich „stark daran interessiert“ zeigte, „einen aktiven Beitrag zu dem gemeinsamen Aktionsplan zu leisten“.

1.11

Die Länge des Kommissionsdokuments und der Antwort der Indischen Regierung könnte darauf schließen lassen, dass noch viel zu tun bleibt, um die Beziehungen EU/Indien zu stärken und zu vertiefen. Tatsächlich aber besteht bereits, so die Erklärung des Gipfels, ein enges Verhältnis innerhalb einer „auf der gesunden Basis gemeinsamer Werte und Überzeugungen beruhenden Partnerschaft“. Die drei oben erwähnten Dokumente verdeutlichen in der Tat, wieviel schon erreicht worden ist.

1.12

Da sowohl Indien als auch die EU als wichtige globale Akteure eine auf Multilateralismus beruhende Weltordnung befürworten, ist die Partnerschaft EU/Indien im Laufe der Jahre über die ursprüngliche bloße Wirtschafts- und Entwicklungszusammenarbeit hinausgewachsen und bezieht nun auch übergeordnete politische und strategische Aspekte mit ein. Ihr politischer Dialog umfasst inzwischen einen regelmäßig — in den vergangenen Jahren jährlich — stattfindenden Gipfel, jährliche „Troika“-Treffen auf ministerieller Ebene und infolge der 2001 verabschiedeten gemeinsamen Erklärung zum Terrorismusproblem eine politische Arbeitsgruppe Terrorismus (COTER Troika), die zweimal jährlich zusammentritt. Zudem gibt es eine Arbeitsgruppe Konsularangelegenheiten und seit 2000 treffen sich zweimal jährlich hochrangige Beamte aus Indien und der EU. Ein weiterer Bestandteil des institutionalisierten Dialogs sind die alle zwei Jahre stattfindenden Treffen der EU/Indien-Diskussionsrunde.

1.13

Handel und Investitionen sind weiterhin Eckpfeiler im Verhältnis EU/Indien. Die EU ist Indiens größter Handelspartner und seine wichtigste Quelle für Investitionen aus dem Ausland. Dennoch sind Handel und Investitionen noch deutlich ausbaufähig, weshalb indische und europäische Wirtschaftsvertreter im Rahmen einer gemeinsamen Initiative zur Förderung von Handel und Investitionen Handlungsempfehlungen für acht Sektoren herausgegeben haben. Ein mit 13,4 Mio. € dotiertes Programm zur Entwicklung von Handel und Investitionen wird sich auf diese Empfehlungen stützen. Inzwischen haben die EU und Indien ein Abkommen über die Zollzusammenarbeit mit dem Ziel der Erleichterung des Warenaustauschs geschlossen und stehen in Verhandlungen über ein Seeverkehrsabkommen, durch das der Ausbau der Aktivitäten indischer und europäischer Schifffahrtsgesellschaften gefördert werden soll.

1.14

Die Exporte Indiens in die EU im Bereich Informationstechnologie (IT) sind im Jahr 2003 auf über 2 Mrd. angestiegen und stellten 20 % der Software-Ausfuhren des Landes insgesamt dar. Etwa 900 indische und europäische Unternehmen und Organisationen nahmen teil am EUROINDIA-Kooperationsforum zur Informationsgesellschaft, das im März 2004 in Neu-Delhi stattfand. Mittlerweile wurde ein Dialog zur Informationsgesellschaft eingeleitet, dem die Gemeinsame Erklärung der EU und Indiens zu den Perspektiven für die Entwicklung der Informationsgesellschaft sowie der Informations- und Kommunikationstechnologien zugrunde liegt.

1.15

Die Zusammenarbeit im Bereich Forschung und Technologie, die Mitte der 80er-Jahre ihren Anfang nahm, hat sich zu einem der vielversprechendsten Bereiche der Zusammenarbeit zwischen der EU und Indien entwickelt. Das Abkommen über wissenschaftliche und technologische Zusammenarbeit aus dem Jahr 2002 schuf den rechtlichen Rahmen für die Teilnahme indischer und europäischer Forscher an Programmen der jeweils anderen Seite, und Indien ist ein „Zielland“ für internationale Zusammenarbeit im Rahmen des 6. Forschungsrahmenprogramms.

1.16

Indien und die EU arbeiten an einem Entwurf für ein Kooperationsabkommen zum europäischen Satellitennavigationsprojekt Galileo. Angesichts der Kompetenz Indiens auf dem Gebiet der Satelliten- und Navigationstechnik wird das Abkommen die industrielle Zusammenarbeit in vielen High-Tech-Bereichen fördern. Indien und die EU können bereits auf eine lange Zusammenarbeit ihrer Raumfahrtagenturen ESA und ISRO bei der friedlichen Erforschung und Nutzung des Weltraums zurückblicken. Die EU hat ihr Interesse an der Mission der unbemannten indischen Mondsonde Chandrayaan-1 bekundet.

1.17

In der Entwicklungszusammenarbeit zeichnen sich neue Ansätze ab. Indien entwickelt sich zu einem untypischen Akteur mit einer an Bedeutung zunehmenden Entwicklungspolitik, bei der es zugleich Empfänger und Geber ist. Dieser Wandel ist nach den Zerstörungen durch den Tsunami, der die Küste des Indischen Ozeans am 26. Dezember 2004 heimsuchte, erkennbar geworden. Indien wies die aus dem Ausland angebotene Nothilfe zurück, setzte aber selbst in Sri Lanka eine groß angelegte Nothilfeaktion in Gang. Als Empfänger nimmt Indien gegenwärtig Entwicklungshilfe von einer ausgewählten Gruppe bilateraler Geldgeber an: der EU, den G8-Staaten sowie von kleineren bilateralen Geberländern, die nicht zu den G8-Staaten gehören. Die Hilfe der kleineren Geldgeber wird nur angenommen, wenn sie 25 Millionen $ pro Jahr übersteigt. Die EU stellt Indien für den Zeitraum 2001 bis 2006 225 Mio. € als nicht rückzahlbare Hilfe zur Verfügung; vier Fünftel davon sind für die Eindämmung der Armut vorgesehen. Die Entwicklungszusammenarbeit wird sich auf die Bundesstaaten Rajasthan und Chattisgarh konzentrieren und gilt größtenteils Programmen in den Bereichen Bildung und Gesundheitsfürsorge.

1.18

Der EWSA muss auf diese Fülle von politisch bedeutsamen Entwicklungen in einem Zeitraum von nur sechs Monaten, der ersten Jahreshälfte 2005, wirkungsvoll reagieren. Die Europäische Kommission hat in ihrer Juni-Mitteilung empfohlen, das Diskussionsforum vollständig in das institutionelle EU/Indien-Gefüge zu integrieren. Seine Ko-Vorsitzenden sollten dazu aufgefordert werden, dem Gipfel nicht-bindende politische Empfehlungen vorzulegen. Der Rat hat die Vorschläge der Kommission zur Verbesserung des beiderseitigen Verständnisses durch „verstärkte Zusammenarbeit zwischen politischen Parteien, Gewerkschaften, Unternehmensverbänden, Universitäten sowie den Zivilgesellschaften unterstützt.“ Auf dem Gipfeltreffen in Den Haag kam man überein, „die Zusammenarbeit zwischen politischen Parteien, Gewerkschaften, Unternehmensverbänden, Universitäten sowie den Zivilgesellschaften zu fördern“.

1.19

In der vorliegenden Initiativstellungnahme werden auch Möglichkeiten aufgezeigt, wie das Diskussionsforum effizienter und seine Website, das EU/Indien-Internet-Forum der Zivilgesellschaft, dazu genutzt werden kann, die Effektivität des Diskussionsforums zu erhöhen und in wesentlich größerem Umfang indische und europäische zivilgesellschaftliche Organisationen zu erreichen.

2.   Mitwirkung an der strategischen Partnerschaft EU/Indien

2.1

Das Diskussionsforum begrüßte bei seinem Treffen im Dezember 2004 in London die Initiierung der strategischen Partnerschaft EU/Indien und verpflichtete sich, an dem 2005, im Vorfeld des sechsten EU/Indien-Gipfels, zu erstellenden gemeinsamen Aktionsplan mitzuwirken. Es erklärte seine Absicht, „in Bereichen, in denen die Zivilgesellschaft einen wirklichen Mehrwert einbringen kann, und insbesondere in Bezug auf die Umsetzung der Millenniumsziele, die Förderung der nachhaltigen Entwicklung und eine geregelte Entwicklung der Globalisierung Vorschläge zu unterbreiten“. Das Diskussionsforum verpflichtete sich auch dazu, zu untersuchen, welchen Beitrag die Zivilgesellschaft zur Umsetzung der gemeinsamen Erklärung zu den kulturellen Beziehungen leisten kann.

2.2

Das Diskussionsforum bietet ebenso wie der EWSA die besten Voraussetzungen für eine Mitwirkung an der strategischen Partnerschaft EU/Indien. Seit seinem ersten Treffen in Neu-Delhi im Januar 2001 hat das Diskussionsforum erstens viele der von der Europäischen Kommission in ihrer Mitteilung vom 16. Juni angesprochenen Themen erörtert und zweitens zu diesen Themen Empfehlungen an die Adresse der EU/Indien-Gipfel ausgesprochen. Bei seinem Treffen in London wurde festgehalten, dass die entstehende strategische Partnerschaft „die Chance bietet, die Rolle der Zivilgesellschaft über das Diskussionsforum aufzuwerten und auszubauen.“ Das Diskussionsforum hatte bereits bei seinem zweiten Treffen im Juli 2001 in Brüssel zu einer Reihe von Themen, wie Globalisierung, Handel und Investitionen, WTO, geistiges Eigentum, Medien und Kultur, Diskussionen geführt und Empfehlungen ausgesprochen. Bei seinen folgenden Sitzungen wurden diese Themen nicht nur wieder aufgegriffen, sondern das Spektrum auch um Themen wie die Zusammenarbeit im Nahrungsmittel- und Agrobusinesssektor, Menschenrechte am Arbeitsplatz, nachhaltige Entwicklung und Tourismus erweitert. Der frühere Meinungsaustausch zu kulturellen Themen wird bei seinem nächsten Treffen durch eine Diskussion über kulturellen und religiösen Pluralismus in demokratischen Gesellschaften weiter vorangebracht werden.

2.3

Das Diskussionsforum hat bei seinem Treffen in London beschlossen, nicht alle von der Europäischen Kommission in Rahmen der strategischen Partnerschaft angeschnittenen Themen zu untersuchen, sondern sich auf diejenigen Bereiche zu beschränken, in denen die Zivilgesellschaft einen spezifischen Beitrag zu leisten hat. Es konnte sich daher mit Gewinn auf seinen Beitrag zu den nachstehenden Bereichen konzentrieren, die von der Kommission als wichtige Elemente der entstehenden strategischen Partnerschaft gewertet werden.

2.3.1

Konfliktprävention und Wiederaufbau nach Konflikten: Wie die Kommission darlegte, hat Indien auf diesen Gebieten sowohl durch seine Teilnahme an UN-Aktionen als auch bilateral, wie in Afghanistan, eine wichtige Rolle gespielt. Daher rührt ihr Vorschlag, die EU und Indien sollten die Möglichkeiten zur Institutionalisierung einer regelmäßigen Zusammenarbeit in diesen Bereichen ausloten. Die Kommission schlägt ferner vor, dass die EU und Indien eine gemeinsame Initiative für eine Konferenz auf UN-Ebene über Konfliktprävention und den Umgang mit konfliktgeschädigten Gebieten (post-conflict management) ergreifen sowie einen Dialog über den Beitrag regionaler Integration zur Konfliktprävention aufnehmen.

2.3.2

Migration: Die Kommission stellt fest, dass internationale Migrationsbewegungen angesichts der Globalisierung zugenommen haben. Dies hat einerseits zu vermehrten Rücküberweisungen von Migranten und andererseits zu Problemen wie illegale Einwanderung und Menschenhandel geführt. Die Kommission befürwortet einen umfassenden Dialog, der nicht nur legale Einwanderung einschließlich Arbeitsmigration sowie Visumsfragen, sondern auch die Bekämpfung von Schmuggel und illegalem Handel, die Rückführung und Rückübernahme illegaler Einwanderer sowie andere migrationsbezogene Themen umfasst.

2.3.3

Demokratie und Menschenrechte: Die Kommission befürwortet eine Ausweitung des gegenwärtigen Dialogs auf Themen wie Abschaffung der Todesstrafe, Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, Kinderarbeit, Arbeitnehmerrechte, soziale Verantwortung der Unternehmen sowie Religionsfreiheit. Die Kommission erklärt sich bereit, im Rahmen der Europäischen Initiative für Demokratie und Menschenrechte Projekte in Indien zu finanzieren. Nach Auffassung des EWSA sollte auch die Diskriminierung von Angehörigen bestimmter Kasten angesprochen werden.

2.3.4

Umweltbezogene Themen: Indien und die EU sollten zusammen an der Förderung der Zusammenarbeit im Bereich globaler Umweltprobleme arbeiten, wie dies bei den UN-Übereinkommen über die biologische Vielfalt geschehen ist, wo ein konstruktiver Dialog über den Zugang zu genetischen Ressourcen und gerechten Ausgleich bei der Nutzung entstehender Vorteile (Access and Benefit Sharing — ABS) begründet werden konnte. Indien soll dazu aufgefordert werden, ein Umweltforum EU/Indien unter Beteiligung von Zivilgesellschaft und Wirtschaft zu veranstalten, auf dem Meinungen, Know-how sowie wissenschaftliche und technische Informationen ausgetauscht werden. Der Ausschuss ist der Meinung, dass das Diskussionsforum EU/Indien die Themenbereiche Energiepolitik und Energieversorgungssicherheit in naher Zukunft ansprechen sollte.

2.3.5

Nachhaltige Entwicklung: Diese sollte nach Auffassung der Europäischen Kommission durch einen Dialog über die Förderung des Handels mit umweltfreundlich hergestellten Waren sowie über Fragen wie Etikettierung und Nachhaltigkeitsprüfung gefördert werden. Die Kommission spricht sich auch für eine bessere Nutzung des Zentrums für nachhaltigen Handel und Innovation (STIC) aus.

2.3.6

Entwicklungszusammenarbeit: Indien hat die Anzahl bilateraler Geldgeber auf sechs reduziert (USA, Russland, Vereinigtes Königreich, Deutschland, Japan und die EU). Das Land ist inzwischen sowohl Empfänger als auch Geber von Entwicklungshilfe. Dennoch muss — nach Ansicht der Kommission — die EU Indien dabei helfen, die Millenniums-Entwicklungsziele zu erfüllen. Der soziale und wirtschaftliche Zusammenhalt könnte als vorrangiges Thema festgelegt werden, wobei sich die Erfahrungen aus den EU-Förderprogrammen in Indien für Grundschulausbildung und elementare medizinische Versorgung zugrunde legen ließen. Die Kommission vertritt die Auffassung, dass sich die Entwicklungszusammenarbeit der EU stärker auf Hilfe für soziale Randgruppen konzentrieren sollte. Auch die Förderung der „IAO-Kernarbeitsnormen“ sollte unterstützt werden. Nach Auffassung des EWSA sollte Indien jene drei IAO-Übereinkommen über Kernarbeitsnormen ratifizieren, die es bis jetzt noch nicht ratifiziert hat.

2.3.7

Kulturelle Zusammenarbeit: Die Kommission betrachtet eine verstärkte Zusammenarbeit insbesondere in den Bereichen Film und Musik als wünschenswert. Eine Kulturwoche soll zeitgleich mit dem politischen und dem wirtschaftlichen Gipfel veranstaltet werden. Der Ausschuss stellt fest, dass das Jahr 2006, das zum Jahr des Interkulturellen Dialogs erklärt wurde, dem Diskussionsforum eine gute Gelegenheit bieten könnte, dieses Thema aufzugreifen.

2.3.8

Außenwirkung: Die Öffentlichkeit in Indien muss nach Ansicht der Kommission über alle Facetten der EU, nicht nur ihre Handelsbeziehungen, informiert werden. Die Kommission wird ein Forschungsprojekt starten, um die Zielgruppen, zentralen Botschaften und wichtigsten Instrumente sowie deren bestmöglichen Einsatz ausfindig zu machen. Die Mitgliedstaaten sind ebenso wie das Europäische Parlament dazu aufgefordert, einen Beitrag dazu zu leisten, dem Profil der EU in Indien schärfere Konturen zu verleihen. Von Neu-Delhi wird erwartet, dass es seine eigene Kommunikationsstrategie aufstellt.

2.3.9

Handel und Investitionen: Die Europäische Kommission weist in ihrer Mitteilung darauf hin, dass Handel und Investitionen „die Eckpfeiler in den Beziehungen zwischen der EU und Indien“ bilden. Mehrere der in der Mitteilung enthaltenen Vorschläge betreffen daher diese beiden Themen, sowohl auf multilateraler wie auf bilateraler Ebene. Die EU sollte nach Auffassung der Kommission darauf hinwirken, eine größere Konvergenz mit Indien bei zentralen Fragen der Doha-Entwicklungsrunde der WTO-Handelsverhandlungen zu erreichen. Sie befürwortet auch einen bilateralen Dialog, zum Beispiel über die Rechte an geistigem Eigentum, um zu einer Verständigung über die TRIPS zu gelangen.

2.4

In einem Abschnitt ihrer Mitteilung über die Förderung der Unternehmenskooperation äußert die Kommission den Wunsch, die EU solle die Einrichtung eines Runden Tisches führender Unternehmer unterstützen. Der Gipfel in Den Haag befürwortete diesen Vorschlag. Unterdessen hat die Gemeinsame Initiative EU/Indien zur Förderung von Handel und Investitionen einen direkten Dialog zwischen Unternehmern und Politikern ermöglicht. Indische Unternehmens- und Industrieorganisationen veranstalten bereits einen Indien/EU-Wirtschaftsgipfel, der zeitgleich mit dem politischen Gipfel stattfinden und die Schlussfolgerungen der führenden Unternehmer an die politischen Entscheidungsträger weiterleiten soll.

2.5

Angesichts der Tatsache, dass sich die Mitglieder des Diskussionsforums auch aus der Wirtschaft und Arbeitgeberorganisationen rekrutieren, könnte es sinnvoll sein, Überlegungen darüber anzustellen, wie es am besten an diesen Aktivitäten mitwirken könnte, die von der indischen und der europäischen Wirtschaft gemeinsam unternommen werden. Während seine Aufgabe natürlich auch darin besteht, an der Stärkung der von der Kommission unterstützten wirtschaftlichen Partnerschaft zwischen der EU und Indien mitzuwirken, sollte der Beitrag des Diskussionsforums zu dem gemeinsamen Aktionsplan — wie bei dem Treffen in London vereinbart — im Wesentlichen auf die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung und eine geregelte Entwicklung der Globalisierung gerichtet sein.

2.6

Die Mitglieder des Diskussionsforums kommen auch aus den Hochschulen; daher wäre zu überlegen, welchen Beitrag das Forum zu den in der Mitteilung aufgeführten bestehenden und geplanten Hochschulprogrammen der Europäischen Kommission leisten kann. Hierzu zählt auch ein Europastudienprogramm an der Jawaharlal-Nehru-Universität in Neu-Delhi. Ein Stipendienprogramm mit einem Etat von 33 Mio. € wird von Beginn des akademischen Jahres 2005/2006 an zur Verfügung stehen. Es ist gekoppelt an das Erasmus-Mundus-Programm und in erster Linie für weiterführende Studien indischer Studenten an Universitäten der EU gedacht.

3.   Die Zivilgesellschaft in Indien und in Europa

Was ist unter „Zivilgesellschaft“ zu verstehen? Der EWSA ist der Auffassung, dass es nicht möglich ist, „mehr an Verbindlichkeit zuzulassen, als das Bekenntnis zum demokratischen System. Die Zivilgesellschaft ist ein Sammelbegriff für alle Formen sozialen Handelns von einzelnen oder Gruppen, die nicht auf Initiative des Staates zurückgehen und nicht von diesem gelenkt werden.“ (1). Ihre Befürworter in Indien vertreten ebenfalls die Auffassung, dass die Zivilgesellschaft ein Bekenntnis zum demokratischen System ist und dass sie nur in einer Demokratie wirksam tätig sein kann. In der Tat wurden einige Mitarbeiter von zivilgesellschaftlichen Organisationen in Indien durch die Errungenschaften der Zivilgesellschaft in Europa und den Vereinigten Staaten inspiriert, andere durch die von Mahatma Gandhi ins Leben gerufene Tradition des sozialen und politischen Aktivismus.

3.1   Die Zivilgesellschaft in Indien

3.1.1

Die wachsende Bedeutung der indischen Zivilgesellschaft zeigt sich deutlich in der Verbreitung der verschiedensten Freiwilligenorganisationen (dies ist der in Indien übliche Begriff; der Begriff „regierungsunabhängige Organisation“ (NGO) ist erst in den letzten 20 Jahren gebräuchlich geworden). Deren Anzahl wurde vor ca. 10 Jahren auf 50 000 bis 100 000 geschätzt, sie ist inzwischen mit ziemlicher Sicherheit noch größer. Zivilgesellschaftliche Organisationen sind in zahlreichen Tätigkeitsfeldern in ganz Indien vertreten und schließen auch Unternehmens- und Berufsverbände sowie Gewerkschaften ein.

3.1.2

Die zivilgesellschaftlichen Organisationen in Indien:

befassen sich mit den traditionellen Entwicklungsmaßnahmen, mit denen man NGO assoziiert: Durchführung von Alphabetisierungsprogrammen, Unterhaltung von Arzneimittelabgabestellen und Krankenhäusern, Unterstützung für Handwerker, wie z.B. Weber, Vertrieb ihrer Produkte usw. Da sie gewöhnlich auf lokaler Ebene tätig sind, unterstützen sie die Regierungsbehörden auch bei der dezentralen Umsetzung ihrer Politik,

stellen eingehende Untersuchungen an, um auf die Zentralregierung bzw. die Regierungen der Unionsstaaten und/oder die Wirtschaft Einfluss zu nehmen,

versuchen, das politische Bewusstsein verschiedener sozialer Gruppen zu stärken und sie zur Einforderung ihrer Rechte zu ermuntern,

vertreten besondere Interessengruppen wie Behinderte, ältere Menschen und Flüchtlinge,

sind innovativ, indem sie neue Ansätze zur Lösung von sozialen Problemen prüfen,

vertreten Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften, Vereine auf Gegenseitigkeit und Genossenschaften,

umfassen auch Bauernverbände und

Organisationen, die die Verbreitung von HIV/AIDS bekämpfen,

und erstrecken sich schließlich auch auf die Aktivisten, die seit 1970 Bürgerbewegungen auf breiter gesellschaftlicher Basis bilden: Bauernbewegungen, Frauenbewegungen, die die Belange von Frauen verdeutlichen und fördern; Umweltbewegungen, die die Regierung dazu bringen wollen, Umweltfragen größere Aufmerksamkeit zu widmen, Verbraucherschutzbewegungen usw.

3.1.3

Insbesondere in Bezug auf entwicklungspolitische Fragen halten NGO und Regierung eine partnerschaftliche Zusammenarbeit für unerlässlich. Die nationale Planungskommission hat dementsprechend öfters Freiwilligenorganisationen finanziell unterstützt. Im jüngsten, zehnten Fünfjahresplan wird Folgendes festgehalten:

„Die Pläne sollten die aktuellen Bedürfnisse der Menschen berücksichtigen und in wirtschaftlicher wie sozialer Hinsicht die ethischen Grundwerte der Menschen, für die sie bestimmt sind, berücksichtigen. Die Menschen müssen sich als die Subjekte solcher Pläne verstehen und ihren Beitrag dazu leisten. Der Neigung, von der Regierung zu erwarten, dass sie alles für die Menschen tut, muss Einhalt geboten werden; es ist bekannt, dass Programme und Pläne, an denen sich die Menschen beteiligen, sehr viel effektiver sind.“

3.1.4

Die Planungskommission verfügt über eine Freiwilligenaktionseinheit als „Schnittstelle zum Freiwilligensektor“. Nach Aussage von Frau Sayeeda Hamee, einem Mitglied der Planungskommission, hat diese nun beschlossen, „beratende Gruppen ... aus Vertretern verschiedener Teile des Landes zu bilden, die über die Vorgänge an der Basis Bescheid wissen und die vorschlagen können, was geändert werden muss und wie dies geschehen sollte“ (2).

3.1.5

Die Kongress-Partei war stets Verfechterin der Zivilgesellschaft und die von der Kongresspartei angeführte Regierungskoalition in Neu-Delhi wird wahrscheinlich deren Tätigkeiten größere Bedeutung beimessen als die vorangehende Regierung. Unmittelbar nach ihrer Einsetzung traf sich die neue Regierung zu Konsultationen mit zivilgesellschaftlichen Organisationen, um von diesen eine Stellungnahme zu dem „Common Minimum Programme“ zu erhalten. Die Einrichtung eines Nationalen Beratungsgremiums (NAC) unter der Leitung von Sonia Gandhi, der Vorsitzenden der Kongress-Partei, sollte unter diesem Aspekt betrachtet werden. Ein führendes Mitglied der Kongresspartei, das an der Gründung des NAC beteiligt war, bemerkte, dass dieses Gremium die Schnittstelle zwischen der Regierung der Vereinigten Progressiven Allianz (United Progressive Alliance; UPA) und der Zivilgesellschaft sein und dass es neue Ideen in die Planung einbringen werde — was normalerweise nicht mit der Regierung in Verbindung gebracht werde (3). Das NAC, dessen zwölf Mitglieder von Premierminister Manmohan Singh ernannt wurden, soll diesen bei der Umsetzung des „Common Minimum Programme“ der UPA beraten. Während Regierungsberater häufig pensionierte Beamte oder Diplomaten sind, übt die Hälfte der NAC-Mitglieder eine praktische Tätigkeit im regierungsunabhängigen Bereich aus (4). Frau Gandhi möchte zunächst bevorzugt die Themen Landwirtschaft, Bildung, Gesundheit und Beschäftigung behandeln.

3.2   Die Zivilgesellschaft in der Europäischen Union  (5)

3.2.1

Die Zivilgesellschaft in der EU ist mit ihren zahlreichen Organisationen auf lokaler, nationaler und EU-Ebene ebenso dynamisch wie jene in Indien. Gegenüber letzterer hat sie jedoch einen entscheidenden Vorteil: die organisierte europäische Zivilgesellschaft hat ihre eigene „Spitzenorganisation“ — den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) in Brüssel. Zudem ist der EWSA fester Bestandteil des Institutionsgefüges, das 1957 durch den Römischen Vertrag — den Gründungsvertrag der aus sechs Nationen bestehenden Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, der heutigen Europäischen Union der 25 — errichtet wurde (6). Der EWSA hat inzwischen 317 Mitglieder aus 25 Mitgliedstaaten. Sie werden auf Vorschlag der Mitgliedstaaten vom Rat der EU ernannt. Die Mitglieder gehören einer von drei möglichen Gruppen an: den Arbeitgebern, den Arbeitnehmern oder der Gruppe „Verschiedene Interessen“. Die Mitglieder dieser dritten Gruppe vertreten — im Sinne des EG-Vertrages — Landwirte, kleine und mittlere Unternehmen, Handwerker, freie Berufe, Kooperativen, Verbraucherorganisationen, Umweltschutzgruppen, Familienvereinigungen, Frauenorganisationen, Wissenschaftler und Lehrer, regierungsunabhängige Organisationen usw.

3.2.2

Der EWSA ist ein politisch unabhängiges Konsultativorgan mit beratender Funktion. Seine Aufgabe ist es, die für die Beschlussfassung verantwortlichen EU-Institutionen über die Standpunkte seiner Mitglieder zu informieren. Es gibt etwa 14 Politikbereiche, in denen der Rat der EU oder die Europäische Kommission nur einen Beschluss fassen können, wenn sie zuvor den EWSA konsultiert haben. Diese Bereiche sind: Landwirtschaft, freier Personen- und Dienstleistungsverkehr, Sozialpolitik, Bildung, Berufsausbildung und Jugend, öffentliche Gesundheit, Verbraucherschutz, Industriepolitik, Forschung und technologische Entwicklung sowie Umwelt. Der Rat, die Kommission und das Europäische Parlament können den EWSA auch zu jedem anderen Thema konsultieren, wenn sie dies für angebracht halten. Der EWSA kann seinerseits eine Stellungnahme zu Themen erarbeiten, die er als wichtig erachtet; auf dieser Grundlage beruht diese „Initiativstellungnahme“ zu den Beziehungen EU/Indien.

3.2.3

Die Rolle des EWSA als Vermittler im Dialog mit der Zivilgesellschaft erstreckt sich über die Grenzen der EU der 25 hinaus. Er nimmt aktiv am Europa-Mittelmeer-Dialog sowie am Dialog mit den Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifik (AKP) teil, mit denen die EU durch das Cotonu-Abkommen verbunden ist. Er engagiert sich zudem im Dialog mit der Zivilgesellschaft in den Staaten Lateinamerikas, u.a. den Mercosur-Staaten, und nicht zuletzt in Indien — über das Diskussionsforum EU/Indien — und China.

4.   Jüngste Entwicklungen in der EU und in Indien

4.1

Ein vollständiger Bericht über die großen Veränderungen sowohl in der EU als auch in Indien würde mehrere hundert Seiten füllen. Dieser Bericht konzentriert sich auf die wesentlichen Entwicklungen, die es dem EWSA ermöglichen werden, effektiver zur Stärkung der Beziehungen zwischen der EU und Indien beizutragen. Die wichtigsten Entwicklungen im Hinblick auf die EU sind: ihre Erweiterung auf 25 Mitgliedstaaten, die Aktion zur Schaffung eines größeren Europas durch die Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP), die Umsetzung der im März 2000 vom Europäischen Rat in Lissabon verabschiedeten „Lissabon-Strategie“. Diese Strategie, die der nachhaltigen Entwicklung eine große Bedeutung zumisst, soll die EU bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt machen. Eine weitere wichtige Entwicklung ist der Vertrag über die Europäische Verfassung, der nun von den 25 Mitgliedstaaten ratifiziert werden muss.

4.2

Die Erweiterung der EU am 1. Mai 2004 hat sowohl die politische als auch die wirtschaftliche Landschaft in Europa entscheidend verändert. Die politischen Folgen der Erweiterung sind wahrscheinlich von größerer Bedeutung als die wirtschaftlichen, und sei es nur, weil der Prozess zur wirtschaftlichen Integration der zehn neuen Mitgliedstaaten längst vor deren offiziellem Beitritt zur EU am 1. Mai 2004 begonnen hat. Durch die Erweiterung ist die Bevölkerungszahl der EU von 380 Millionen auf 455 Millionen angewachsen und umfasst mithin nun 7,3 % der Weltbevölkerung. Das Bruttosozialprodukt (BIP) der EU ist von 9,3 Billionen auf 9,7 Billionen gestiegen, der Anteil der EU am weltweiten BIP hat sich somit auf 28,7 % erhöht. Die Erweiterung hatte jedoch ein Sinken des Pro-Kopf-BIP (von 24 100 Euro) auf 21 000 Euro zur Folge sowie einen Rückgang des Handels mit Nicht-EU-Staaten (von 2 Billionen Euro) auf 1,8 Billionen Euro. Die Ursache hierfür ist darin zu sehen, dass der Handel zwischen der EU-15 und den zehn Kandidatenländern nun zum Binnenhandel der EU-25 gerechnet wird.

4.3

Mit der Erweiterung haben sich die Grenzen der EU ausgedehnt. Die EU hat allerdings bereits im Vorfeld der Erweiterung damit begonnen, eine Politik zur Schaffung eines „Ringes befreundeter Staaten“ zu entwickeln. Zu diesem Zweck hat sie die Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP) konzipiert, die sechs osteuropäische Länder (Ukraine, Republik Moldau, Georgien, Armenien, Aserbaidschan und Belarus) sowie neun Länder des südlichen Mittelmeers (Algerien, Ägypten, Israel, Jordanien, Libanon, Libyen, Marokko, Syrien und Tunesien) und die Palästinensische Behörde umfasst. Wie der Rat der EU im Juni 2004 bestätigt hat, ist es das Ziel der ENP, „die Vorteile einer erweiterten EU mit den Nachbarländern zu teilen, um zu mehr Stabilität, Sicherheit und Wohlstand in der Europäischen Union und bei ihren Nachbarn beizutragen“ (7). Die ENP schließt „ein hohes Maß an wirtschaftlicher Integration und eine vertiefte politische Zusammenarbeit“ ein, „damit nicht neue Trennungslinien zwischen der erweiterten EU und ihren Nachbarn entstehen“.

4.4

In Bezug auf Indien lässt sich als wichtigste Entwicklung das allgemein überraschende Ergebnis der Parlamentswahlen im Mai festhalten, das zu einer von der Kongress-Partei angeführten Koalition unter Premierminister Manmohan Singh führte und somit die BJP-geführte Koalition unter Premierminister Atal Behari Vajpayee ablöste. Die hohe Beteiligung an den Parlamentswahlen, die erfolgreiche Verwendung von elektronischen Wahlautomaten im ganzen Land und der friedliche Machtwechsel in Neu-Delhi — trotz politischer Unruhen anlässlich der Wahlergebnisse — rechtfertigen Indiens Anspruch, die größte Demokratie der Welt zu sein.

4.5

Nach dem überraschenden Sieg der Kongress-Partei wurde gemutmaßt, dass eine von der Kongresspartei geführte Regierungskoalition entweder nicht lange bestehen oder durch ihre externen Mitstreiter, insbesondere die Kommunistische Partei, dazu gezwungen würde, die Reformen rückgängig zu machen. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass die Reformen, die unter anderem den Abbau von Importkontrollen sowie die Öffnung der Kapitalmärkte vorsahen, 1991 von einer Kongress-Regierung initiiert wurden und dass ihre wichtigsten geistigen Väter der neue Premierminister, Manmohan Singh, und der neue Finanzminister, Palaniappan Chidambaram, waren. Letzterer sieht sich selbst als den „Investitionsminister“ in der von der Kongresspartei geführten Koalition. Anders ausgedrückt: zivilgesellschaftliche Organisationen aus dem Bereich Unternehmen und Finanzen, wie diejenigen, die am Diskussionsforum EU/Indien teilnehmen, werden mit ihm zusammenarbeiten, um die wissensbasierten Wirtschaftszweige des Landes auszubauen.

4.6

Die Regierung möchte jedoch ihrer wirtschaftlichen Strategie ein „menschliches Antlitz“ geben, um die auf 300 Millionen geschätzten Inder, die mit weniger als 0,75 € (1 $) am Tag auskommen müssen, aus der Armut zu führen. Aus diesem Grunde will sie eine jährliche Wachstumsrate von 7 %-8 % erreichen, um die Bauern zu unterstützen, die Frauen in ihren Rechten zu stärken und die Ausgaben für Gesundheit und Bildung zu erhöhen.

4.7

Die Herausforderungen, denen die indische Zivilgesellschaft gegenübersteht, kann den europäischen zivilgesellschaftlichen Organisationen Gelegenheit bieten, mit den entsprechenden indischen Organisationen — zu gegenseitigem Nutzen — zusammenzuarbeiten. Die ersten Schritte hierzu kann das Diskussionsforum EU/Indien unternehmen, recht schnell könnten jedoch auch Organisationen, mit denen die europäischen und indischen Mitglieder des Diskussionsforums in engem Kontakt stehen, oder andere EWSA-Mitglieder, z.B. Experten zu den Themen ländliche Entwicklung, Gesundheit und Bildung, miteinbezogen werden. Diese Zusammenarbeit, sozusagen vor Ort, zwischen der europäischen und der indischen Zivilgesellschaft kann sicherstellen, dass die Empfehlungen des Diskussionsforums an die jährlich stattfindenden EU/Indien-Gipfel praktikabel sind, da sie auf Erfahrung beruhen.

5.   Der Dialog zwischen den Zivilgesellschaften der EU und Indiens bis heute

5.1

Um den vor uns liegenden Weg planen zu können, müssen wir uns zunächst darüber im Klaren sein, woher wir kommen. Als Ausgangspunkt für einen verstärkten Dialog der Zivilgesellschaften müssen dementsprechend die für einen solchen Dialog bereits vorhandenen Einrichtungen und ihre bisherigen Erfolge dienen. Für den EWSA bedeutet dies, die bisherige Arbeit des Diskussionsforums EU/Indien zu beurteilen und eine Übereinstimmung darüber zu erzielen, wie seine Ziele am besten zu erreichen wären. Hierbei sind auch einschlägige Entwicklungen zu berücksichtigen, wie der Beschluss des Europäischen Rates von Den Haag zur Förderung der Zusammenarbeit nicht nur zwischen den Zivilgesellschaften, sondern auch den politischen Parteien, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden und Universitäten.

5.2

Um die Eignung des Diskussionsforums als wichtiger Partner bei der Ausarbeitung des Gemeinsamen Aktionsplans zu demonstrieren, wurden bereits die Themen erwähnt, die bei den verschiedenen Treffen des Diskussionsforums seit dessen Einsetzung im Jahr 2001 erörtert wurden. Eine Vorstellung von der Kontinuität der Arbeit des Diskussionsforums, dem Umfang der erörterten Themen und der vertrauensvollen Atmosphäre, in der diese Diskussionen stattfinden, lässt sich bei der Betrachtung der Ergebnisse der jüngsten Treffen gewinnen.

5.3

Bei seinem sechsten Treffen in Rom sprach das Diskussionsforum eine Reihe von Empfehlungen aus zu Themen wie den Initiativen zur Stärkung der sozialen Verantwortung der Unternehmen, der besonderen Unterstützung für KMU und der Rationalisierung der Regelungen für eine zeitlich befristete Mobilität von Wissensarbeitern aus Indien innerhalb der EU sowie der EU-Unterstützung für industrielle Cluster in einigen ausgewählten Sektoren, die über Export- und Entwicklungspotenzial verfügen. Gleichzeitig ernannte das Diskussionsforum zwei Berichterstatter, deren Aufgabe es ist zu beurteilen, wie die den Organisationen der Zivilgesellschaft eigene Sichtweise besser in die Förderung von Handel und nachhaltiger Entwicklung integriert werden kann.

5.4

Dieses Thema wurde im Juni 2004 auf dem siebten Treffen des Diskussionsforums in Srinagar diskutiert. Man kam überein, dass im Hinblick auf die Vertiefung eines gemeinsamen Verständnisses von nachhaltiger Entwicklung praktische Beispiele aus Indien und der EU die Grundlage des Abschlussberichts darstellen sollten, der auf dem neunten Treffen des Diskussionsforums vorgelegt werden soll. Auf dem Treffen in Srinagar wurde außerdem die Zusammenarbeit zwischen Indien und der EU auf dem Gebiet der Tourismusentwicklung diskutiert. Grundlage der Debatte waren die Ausführungen des EWSA und indischer Mitglieder des Diskussionsforums. Das Diskussionsforum war einhellig der Meinung, dass die Organisationen der Zivilgesellschaft eine wichtige Rolle bei der Förderung einer nachhaltigen Form des Tourismus spielen sollten, die die wirtschaftliche und soziale Entwicklung unterstützt und der gesamten Bevölkerung zugute kommt.

5.5

Auf den Treffen in Rom, Srinagar und London wurde die Einrichtung eines Internetforums für die Zivilgesellschaft diskutiert, das von dem Treffen in Bangalore im März 2003 empfohlen worden war. Die Teilnehmer der Treffen hoben hervor, dass diese Einrichtung die Möglichkeit in sich berge, eine ständige Diskussionsplattform zwischen den indischen und den europäischen Mitgliedern des Diskussionsforums sowie ein Instrument zur Verbesserung des Dialogs zwischen den Organisationen der Zivilgesellschaft allgemein zu werden.

5.6

Auf dem Treffen in Rom wurden auch die wichtigsten bisherigen Errungenschaften des Diskussionsforums besprochen. Die Teilnehmer stimmten der Ansicht zu, dass sich die Bewertung dieser wichtigsten Errungenschaften nicht auf eine bloße Feststellung der Anzahl der umgesetzten Empfehlungen beschränken kann, nicht zuletzt deshalb, weil die Umsetzung vieler dieser Empfehlungen nicht innerhalb des Verantwortungs- oder Aufgabenbereichs der Zivilgesellschaften der EU und Indiens liegt. Unbestrittene Tatsache ist, dass das Diskussionsforum zu zahlreichen Themen Empfehlungen verabschiedet und gemeinsame Ansätze vereinbart hat, darunter auch solche, die als sensibel, wenn nicht gar kontrovers bezeichnet werden könnten. Es hob zudem die Bedeutung bestimmter Formen der Zusammenarbeit, wie etwa die Schaffung des Internetforums, hervor, veranstaltete Anhörungen örtlicher zivilgesellschaftlicher Organisationen während der zweimal im Jahr abgehaltenen Treffen und förderte die Ad-hoc-Zusammenarbeit zwischen der indischen Seite und dem EWSA. Ein Beispiel für Letzteres ist die Hilfestellung, die die indische Delegation dem EWSA bei seiner Arbeit zum Allgemeinen Präferenzsystem geleistet hat.

5.7

Zwar sind 60-70 % der arbeitenden Bevölkerung offiziell oder nicht deklariert in der Landwirtschaft beschäftigt, doch ist bisher keine Bauernorganisation in der indischen Delegation des Diskussionsforums EU/Indien vertreten, was die Beratungen des Diskussionsforums über Themen mit Bezug auf Landwirtschaft und Entwicklung des ländlichen Raumes erschwert hat.

5.8

Das Diskussionsforum erörterte die Mechanismen der Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie des sozialen Dialogs in der Europäischen Union. Es nahm die in der Union hinsichtlich der Partner des sozialen Dialogs herrschende Praxis, die Fragen im Zusammenhang mit der Bestimmung und Repräsentativität dieser Akteure sowie die verschiedenen Foren für diesen Dialog zur Kenntnis. Das Diskussionsforum analysierte die derzeitige Lage der Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Indien, u.a. die Struktur und Zusammensetzung der Gewerkschaften und Tarifverhandlungen, die Arbeitsrechtsreform und Indiens Haltung in Bezug auf Vorschläge zur Verknüpfung der Arbeitsnormen mit dem internationalen Handel. Dabei wurde festgestellt, dass ein Großteil der indischen Arbeitnehmer im so genannten informellen Sektor (Kleinunternehmen, selbstständige Beschäftigung, Gelegenheitsarbeit) tätig ist und dass Anstrengungen zur Verbesserung der Lage der Arbeitnehmer notwendig sind. Des Weiteren wurden stärkere Bemühungen zur Ratifizierung der ILO-Kernarbeitsnormen und ihrer Umsetzung in Recht und Praxis gefordert.

6.   Ein verstärkter Dialog der Zivilgesellschaften: Ausblick

6.1

Die Zeit ist reif für eine schnelle Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen den organisierten Zivilgesellschaften der EU der 25 und Indiens. Auf dem Gipfeltreffen EU/Indien wurde die Bedeutung der Aktivitäten des Diskussionsforums bereits anerkannt. Die indische Regierung hat eine Anzahl von Beschlüssen gefasst, um die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft in Indien zu stärken. Die Europäische Kommission hat in ihrer Mitteilung vom 16. Juni dazu aufgerufen, das Diskussionsforum „in die institutionelle Architektur voll [einzubinden]“ und seine zwei Ko-Vorsitzenden zu den Gipfeltreffen EU/Indien einzuladen.

6.2

Die indische Regierung stellte in ihrer ersten Reaktion auf die Mitteilung vom 16. Juni fest, dass trotz der Anstrengungen auf „offizieller Ebene, mit den Veränderungen, die Indien und die EU durchlaufen, Schritt zu halten … immer noch Bedarf besteht, die Intensität der Kontakte auf anderen Ebenen zu verbessern, unter anderem zwischen unseren jeweiligen Zivilgesellschaften“.

6.3

Unvermeidlich ergibt sich die Frage, wie der Entscheidungsfindungs- und Beschlussfassungsprozess des Diskussionsforums effektiver werden kann, besonders da es über das seltene Privileg des direkten Zugangs zu den höchsten politischen Organendem Regierungsoberhaupt, das jeweils den EU-Ratsvorsitz innehat, und dem indischen Premierminister bei ihren jährlichen Gipfeltreffenverfügt. In Abschnitt 2 dieser Initiativstellungnahme „Mitwirkung an der strategischen Partnerschaft EU/Indien“ wird aufgeführt, inwiefern das Diskussionsforum einen effektiven Beitrag zur Erarbeitung des Gemeinsamen Aktionsplans für eine strategische Partnerschaft leisten kann. Diese Tätigkeit wird bis zum sechsten EU/Indien-Gipfel in der zweiten Jahreshälfte 2005, auf dem der Plan bestätigt werden soll, beendet sein.

6.4

Viele Empfehlungen der Diskussionsrunde an das Gipfeltreffen EU/Indien werden mittel- bis langfristige Verpflichtungen zum Gegenstand haben. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Empfehlungen sich auch auf Projekte beziehen sollten, die von Organisationen der europäischen und der indischen Zivilgesellschaft gemeinsam umzusetzen sind. Politische Unterstützung würde es erleichtern, die gegebenenfalls notwendigen Mittel zu erhalten, und würde es der indischen und europäischen organisierten Zivilgesellschaft ermöglichen, bei zahlreichen Projekten zusammenzuarbeiten (8).

6.5

Wenn das Diskussionsforum im Bereich Entscheidungsfindung und Beschlussfassung effizient sein soll, muss seine Agenda selbstverständlich viele der Themen beinhalten, die auf offizieller Ebene, etwa im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) und der Doha-Entwicklungsrunde der Welthandelsgespräche, diskutiert werden. Das Diskussionsforum könnte seine Effizienz durch eine Zusammenarbeit mit dem EU/Indien-Wirtschaftsgipfel sehr verbessern, unter dessen Initiatoren sich zwei seiner Mitglieder — aus dem Indischen Verband der Industrie- und Handelskammern (FICCI) und dem Verband der indischen Industrie (CII) — befinden. Das Diskussionsforum sollte ferner anregen, an dem geplanten Runden Tisch führender Unternehmer beteiligt zu werden, dessen Einrichtung die Europäische Kommission vorgeschlagen hat.

6.6

Da sich unter den Mitgliedern des Diskussionsforums auch Wissenschaftler befinden, könnte es einen nützlichen Beitrag zum Erfolg des 2005 aufgelegten 33 Millionen €-Stipendienprogramms der Europäischen Kommission für Indien leisten. Der EWSA könnte schließlich seine eigenen Initiativen gegenüber Indien ausweiten, wozu beispielsweise sein früher gefasster Beschluss gehört, den indischen Ko-Vorsitzenden des Diskussionsforums zur Teilnahme an seinem Seminar über die WTO nach Cancun einzuladen.

6.7

Die Tatsache, dass es in Bezug auf wirtschaftliche Themen immer mehr Kommunikationskanäle zwischen staatlichen Verwaltungen und Unternehmervertretern gibt, bedeutet ganz und gar nicht, dass das Diskussionsforum seine Beratungen über diese Themen einschränken sollte. Aber statt sich ganz auf die rein wirtschaftlichen Aspekte zu konzentrieren, sollte es sich auch den Folgen in anderen, insbesondere sozialen, Bereichen widmen. Diese Schlussfolgerung hat das Diskussionsforum in Srinagar im Hinblick auf die nachhaltige Entwicklung gezogen: Diese umfasst seinem Verständnis nach nicht nur den wirtschaftlichen Aspekt der Entwicklungsstrategie, sondern auch die sozialen und Umweltaspekte. Outsourcing ist ein weiteres Thema, das sich für einen solchen Ansatz anbietet. Die Probleme, die sich in der EU bezüglich Outsourcing stellen, unterscheiden sich sehr von denen, auf die man in Indien aufmerksam geworden ist, aber ein Aspekt ist ihnen gemeinsam: In beiden Fällen sind es die sozialen Probleme, die am schwierigsten zu lösen sind. Durch die Annahme eines ganzheitlichen Ansatzes wird das Diskussionsforum also imstande sein sicherzustellen, dass die nicht-wirtschaftlichen Aspekte von Themen, die für gewöhnlich als hauptsächlich wirtschaftlich wahrgenommen werden, eine angemessene Berücksichtigung erfahren.

6.8

Diese Verschiebung des Schwerpunktes wird das Diskussionsforum befähigen, als Ergänzung zu dem Wirtschafts- und dem politischen Gipfel EU/Indien-Sozialkonferenzen zu organisieren. Die Themen für diese Konferenzen können unter jenen ausgewählt werden, die bereits im Diskussionsforum zur Sprache gekommen sind, wie etwa die Gleichstellung der Geschlechter. Weitere Themen könnten z.B. die sozialen Auswirkungen von Produktionsauslagerungen und Auswanderung sein. Die Bedeutung derartiger Konferenzen für eine ausgewogene Entwicklung sowohl der europäischen als auch der indischen Gesellschaft kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.

6.9

Es ist erforderlich, dass sich das Diskussionsforum kulturellen Themen in einer konzentrierteren Weise zuwendet. Es könnte sich an der Umsetzung der gemeinsamen Erklärung zu den kulturellen Beziehungen Indien/EU beteiligen. Doch das Diskussionsforum könnte sich auch mit der Empfehlung für einen „Dialog der Zivilisationen, der Religionen und der Kulturen“ befassen, die die Vertreter der asiatischen Zivilgesellschaft der Asien-Europa-Zusammenkunft (besser bekannt als ASEM) auf ihrem Treffen in Barcelona im Juni 2004 vorgelegt haben (9). Die Führung des ASEM hat bereits einen Dialog der Zivilisationen eingeleitet, an dem Staats- und Regierungschefs aus der EU teilgenommen haben, Indien als Nicht-ASEM-Mitglied jedoch nicht. In seiner Reaktion auf die Mitteilung der Kommission hat Indien seine Bereitschaft erklärt, an einem Dialog mit der EU über die durch religiösen Extremismus und Fundamentalismus verursachten Probleme teilzunehmen.

6.10

Ein Erfolg dieser Vorhaben ist nur möglich, wenn das Diskussionsforum sich auf wesentlich mehr Organisationen der Zivilgesellschaft erstreckt, als es tatsächlich bei seinen Treffen unterbringen kann. Aber die perfekte Lösung für dieses Problem steht in der Form seines Internetforums bereits zur Verfügung. Durch die Öffnung dieses Forums für andere Organisationen der Zivilgesellschaft aus der EU und Indien können diese auch in das Diskussionsforum einbezogen werden. Da die Anzahl der in Frage kommenden Organisationen sehr groß ist, kann der Zugang zunächst auf Organisationen beschränkt werden, die den Mitgliedern des Diskussionsforums bekannt sind. Als Ergänzung zu diesem Austausch im virtuellen Raum will das Diskussionsforum weiterhin lokale zivilgesellschaftliche Organisationen zu seinen regelmäßig stattfindenden Treffen einladen.

6.11

Das Internet-Forum ist ein Medium, das den Mitgliedern des Diskussionsforums bei ihrer Kommunikation zwischen den zweimal im Jahr stattfindenden Treffen gute Dienste leistet, vor allem wenn man bedenkt, dass seine indischen Mitglieder über den ganzen Subkontinent verstreut sind. Berichtsentwürfe können ins Forum gestellt werden, damit die Mitglieder diese im Vorlauf der Treffen kommentieren können. Die Diskussionen während der Treffen selbst können sich dadurch im Ergebnis wesentlich reichhaltiger gestalten und die Empfehlungen für die Gipfeltreffen EU/Indien zielgerichteter werden. Die Mitglieder können einander über ihre Aktivitäten auf dem Laufenden halten und sich so über die berufliche Tätigkeit der anderen besser informieren. Mit dem Anwachsen der Anzahl der europäischen und indischen Organisationen, die Zugang zum Forum haben, könnten jene mit einem gemeinsamen Interessenschwerpunkt das Forum für eine intensivere Zusammenarbeit nutzen, zunächst für den Austausch von Erfahrungen und später für die Entwicklung gemeinsamer Projekte.

6.12

Zwei weitere Themen, die vom Diskussionsforum ausgiebig erörtert wurden, sind: die Rolle der Medien bei der Stärkung der Zivilgesellschaft sowie kulturelle Zusammenarbeit. Das Forum kann einen nützlichen Beitrag leisten zu den Bemühungen der Mitgliedstaaten, des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission, die EU in Indien, vor allem bei den zivilgesellschaftlichen Organisationen, stärker zu profilieren, sowie zur Ausarbeitung eines speziellen Kapitels über kulturelle Zusammenarbeit in dem Aktionsplan für eine strategische Partnerschaft, wobei die gemeinsame Erklärung zur kulturellen Zusammenarbeit zwischen der EU und Indien vom 8. November 2004 als Grundlage dienen kann.

7.   Schlussfolgerungen

7.1

Die EU und Indien sind entschlossener denn je, ihre Zusammenarbeit auszubauen und zu vertiefen. Jüngster Beleg hierfür ist die Geschwindigkeit, mit der die Europäische Kommission und die diplomatische Vertretung Indiens bei der EU die Arbeit an dem Aktionsplan für eine strategische Partnerschaft zwischen der EU und Indien in Angriff genommen haben. Beide wünschen eine Mitwirkung ihrer jeweiligen Zivilgesellschaft an diesem Prozess. Der EWSA unterstützt bereits durch finanzielle Förderung des Internetforums EU/Indien sowie durch Einladung des indischen Ko-Vorsitzenden des Diskussionsforums, N.N. Vohra, zur Teilnahme an für die Beziehungen EU/Indien relevanten Veranstaltungen aktiv die Zusammenführung der europäischen und der indischen Zivilgesellschaft.

7.2

Nachdem er die Mitteilung der Europäischen Kommission über die strategische Partnerschaft zwischen der EU und Indien begrüßt hat, muss der EWSA nun aktiv an der Erarbeitung des diesbezüglichen Aktionsplans mitwirken. Das Treffen des Diskussionsforums in London verpflichtete sich, „den europäischen Institutionen und der indischen Regierung in Bereichen, in denen die Zivilgesellschaft einen wirklichen Mehrwert einbringen kann — insbesondere in Bezug auf die Umsetzung der Millenniumsziele, die Förderung der nachhaltigen Entwicklung und eine geregelte Entwicklung der Globalisierung — Vorschläge zu unterbreiten“.

7.3

Die indische Regierung hat die Erweiterung der EU begrüßt. In der nach dem Gipfeltreffen in Den Haag am 8. November 2004 abgegebenen gemeinsamen Presseerklärung bestätigte Indien seine Ansicht, „dass die Vertiefung und Erweiterung der EU zu einer Stärkung unserer Beziehungen beitragen wird“. Der EWSA als das die europäische Zivilgesellschaft vertretende Konsultativorgan muss deshalb sowohl gewährleisten, dass die EU der 25 in der Diskussionsrunde angemessen vertreten ist, als auch die Beziehungen EU/Indien bei seinen eigenen Aktivitäten stärker betonen. Das Diskussionsforum EU/Indien kann somit für die Beziehungen des EWSA zu anderen Entwicklungsländern und -regionen in der Welt als Vorbild dienen.

Brüssel, den 12. Mai 2005

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  Wirtschafts- und Sozialausschuss, Stellungnahme zum Thema „Die Rolle und der Beitrag der organisierten Zivilgesellschaft zum europäischen Einigungswerk“, Ziffer 5.1, verabschiedet am 22. September 1999, ABl. C 329 vom 17.11.1999.

(2)  „Opening the Planning Commission to the people: Sayeeda Hameed“, von Rajashri Dasgupta. InfoChange News and Features, September 2004.

(3)  „The Hindu“, 26. Juni 2004. Sehr ähnliche Ansichten äußerte Jaswant Singh, Minister für Außenbeziehungen in der von der BJP geführten Regierungskoalition, als er im Jahre 2001 zusammen mit Kommissionsmitglied Chris Patten das Diskussionsforum EU/Indien eröffnete.

(4)  Zu ihnen zählen auch Prof. Jean Dreze, indischer Staatsbürger belgischer Abstammung, der mit Dr. Amartya Sen in Verbindung steht, sowie zwei ehemalige Mitglieder der Planungskommission, Herr Hanumantha Rao und Herr Swaminathan. Von zivilgesellschaftlichen Organisationen kommen die Sozialaktivistin Aruna Roy; Jayaprakash Narayan (Gesundheit und Umwelt); Mirai Chatterjee (Verband selbstständig tätiger Frauen; Self-employed womens association SEWA) sowie Madhav Chavan (Schulbildung).

(5)  Eine Erwähnung der europäischen Zivilgesellschaft mag unnötig erscheinen, insbesondere wenn sie sich nur auf den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss bezieht. Die indischen zivilgesellschaftlichen Organisationen wird es jedoch interessieren, dass ihre Kollegen in der EU über eine „Spitzenorganisation“ verfügen.

(6)  Artikel 193 des Vertrages legte fest, dass „Der Ausschuss [...] aus Vertretern der verschiedenen Gruppen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens, insbesondere der Erzeuger, der Landwirte, der Verkehrsunternehmer, der Arbeitnehmer, der Kaufleute und Handwerker, der freien Berufe und der Allgemeinheit [besteht].“

(7)  Rat Allgemeine Angelegenheiten vom 14. Juni 2004. Europäische Nachbarschaftspolitik - Schlussfolgerungen des Rates.

(8)  Dies belegt die Entscheidung des Außenministeriums in Neu-Delhi, die finanziellen Mittel für die in Indien anfallenden Betriebskosten des vom Diskussionsforum eingerichteten EU/Indien-Internetforums bereitzustellen.

(9)  The Barcelona Report. Recommendations from civil society on Asia-Europe relations, addressed to the ASEM leaders. Connecting Civil Society from Asia & Europe: an informal consultation. 16-18 Juni 2004, Barcelona, Spanien.


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