EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52004AE1647

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema: „Mitteilung der Kommission: Wissenschaft und Technologie: Schlüssel zur Zukunft Europas — Leitlinien für die Forschungsförderung der Europäischen Union“(KOM(2004) 353 endg.)

ABl. C 157 vom 28.6.2005, p. 107–115 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)

28.6.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 157/107


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema: „Mitteilung der Kommission: Wissenschaft und Technologie: Schlüssel zur Zukunft Europas — Leitlinien für die Forschungsförderung der Europäischen Union“

(KOM(2004) 353 endg.)

(2005/C 157/20)

Die Europäische Kommission beschloss am 17. Juni 2004, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu der obenerwähnten Mitteilung zu ersuchen.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 10. November 2004 an. Berichterstatter war Herr WOLF.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 413. Plenartagung am 15./16. Dezember 2004 (Sitzung vom 15. Dezember) mit 83 gegen 3 Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

Die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Zukunft Europas. Die zukünftige Entwicklung Europas und seine Position im globalen Machtgefüge werden insbesondere durch den unausweichlichen Wettbewerb auf dem Weltmarkt mit seiner sich wandelnden Industrie- und Wirtschaftsstruktur, Arbeitsmarktlage und Rohstoffsituation bestimmt. Dabei wird zunehmend deutlich, dass Wachstum, Erfolg und Wirtschaftskraft — und die daraus gespeiste Fähigkeit für soziale Leistungen und kulturelle Entfaltung — entscheidend vom verfügbaren Wissen und von den Investitionen in Forschung und technologische Entwicklung abhängig sind.

1.2

Die globale Wettbewerbssituation. Hier steht Europa allerdings nicht mehr nur im Wettbewerb mit den inzwischen schon traditionellen Industrienationen wie den USA, Japan oder Russland, sondern auch mit den rapide erstarkenden Wirtschaftsmächten China, Indien, Südkorea etc., also dem gesamten südostasiatischen Wirtschaftsraum. Aber nicht nur die volkswirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und die daraus folgende Anziehungskraft für Investoren, Wissenschaftler und Ingenieure, sondern auch die kulturelle und politische Wertschätzung und Einflussnahme, hängen von der wissenschaftlich-technischen Leistungsfähigkeit ab. Ausreichende Investitionen in Forschung und Entwicklung können und müssen dazu beitragen, die Position Europas sicherzustellen und eine nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten.

1.3

Der Europäische Forschungsraum ERA  (1). Im Lichte dieser Herausforderung wurde der Begriff „Europäischer Forschungsraum“ geprägt. Er ist mit den Ratsbeschlüssen von Lissabon im März 2000 zum Schlüsselbegriff und Bezugsrahmen für die Forschungspolitik der Europäischen Gemeinschaften geworden, dies vor allem angesichts der bekannten anspruchsvollen Ziele von Lissabon, Göteborg und Barcelona. Gemeinschaftlich geförderte Forschung und Entwicklung soll einen europäischen Mehrwert erbringen, im Sinne der Subsidiarität Aufgaben übernehmen, welche die Leistungsfähigkeit einzelner Mitgliedstaaten übersteigen, sowie das wissenschaftliche Potenzial Europas verbinden, verstärken und erschließen. Sie dient den Zielen Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit. Wissenschaft und Forschung sind Wesenselemente der europäischen Kultur.

1.4

Ausgestaltung des ERA. Alle später folgenden Mitteilungen, Beschlüsse und Initiativen zur europäischen Forschungspolitik haben auf dem fruchtbaren Konzept des Europäischen Forschungsraums aufgebaut. Hervorzuheben sind das Sechste Rahmenprogramm mit EURATOM-Programm und die damit verbundenen Instrumente der Forschungsförderung, sowie die 3 %-Initiative (2) und viele weitere Aspekte, die z.B. den Beruf des Forschers, die Bedeutung der Grundlagenforschung, die Energieversorgung, die Raumfahrt und die Biotechnologie betreffen, aber auch das Beziehungsgeflecht zwischen Wissenschaft, Bürger und Gesellschaft.

1.5

Bisherige Stellungnahmen des Ausschusses. Der Ausschuss hat die obengenannten bisherigen Initiativen der Kommission in seinen entsprechenden Stellungnahmen (3) jeweils grundsätzlich und nachdrücklich unterstützt. Er hat die entscheidende Bedeutung von Forschung und Entwicklung (F&E) für die Ziele von Lissabon — später auch für Göteborg und Barcelona — sowie für einen nachhaltigen wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen und kulturellen Wohlstand der EU hervorgehoben. Dabei hat der Ausschuss in vielen wichtigen Details Anregungen gegeben und eigene Vorschläge unterbreitet. Oft hat er sogar deutliche Verstärkungen empfohlen, aber wiederholt auch Korrekturen angemahnt und Bedenken geäußert. Letztere wiesen insbesondere auf die Tendenz hin, durch ein Übermaß an Vorschriften, einengenden Vorgaben und bürokratischen Prozeduren sowie durch zu rasche und sprunghafte Änderungen der jeweiligen Verfahren und Förderinstrumente Ineffizienz, Verwirrung und Unbehagen hervorzurufen.

2.   Die Mitteilung der Kommission

2.1

Die vorliegende Mitteilung der Kommission ist eine konsequente Folge dieser vom prinzipiellen Ansatz her außerordentlich positiven Entwicklung. Sie umfasst eine Sammlung von Zielen und Überlegungen zur Vorbereitung der Vorschläge für das Siebte F&E-Rahmenprogramm plus EURATOM-Programm, dies angesichts der „EU der 25“ und der bisherigen Erfahrungen mit dem Sechsten F&E-Rahmenprogramm.

2.2

Sie fasst die bisherigen Ziele und Maßnahmen zunächst nochmals zusammen, wobei insbesondere das 3 %-Ziel angesichts der inzwischen erweiterten Europäischen Union mit dem Ist-Stand und mit der Situation in den mit der EU konkurrierenden Staaten verglichen und daraus sehr eindrucksvoll begründet wird. Dabei werden die Hebelwirkung von Aufwendungen des öffentlichen Sektors auf die privatwirtschaftlichen Forschungsinvestitionen hervorgehoben sowie die Notwendigkeit, den Beruf des Forschers attraktiv zu machen, um weltweit um die besten Köpfe konkurrieren zu können.

2.3

Damit wird auch die Notwendigkeit begründet, die Forschungsförderung seitens der EU maßgeblich zu verstärken und auszubauen, was mit einer dementsprechenden Verstärkung der Anstrengungen auch der einzelnen Mitgliedsländer — und keinesfalls gar mit einer Verminderung — verbunden sein muss.

2.4

Auch angesichts der inhaltlichen und operativen Erfahrungen bei der Durchführung der bisherigen Rahmenprogramme formuliert die Kommission sechs große Ziele:

Europäische Pole der Exzellenz (4) durch Zusammenarbeit zwischen Laboratorien schaffen;

europäische technologische Initiativen starten;

in der Grundlagenforschung Wettbewerb auf europäischer Ebene erzeugen;

Europa für die besten Wissenschaftler attraktiv machen;

Forschungsinfrastrukturen von europäischem Interesse ausbauen;

einzelstaatliche Forschungsprogramme besser koordinieren.

2.5

Aus den weiteren in der Mitteilung enthaltenen Ausführungen und Vorschlägen seien noch folgende erwähnt:

Das Potenzial des Europas der 25 voll ausschöpfen;

gegenseitige Ergänzung mit den Strukturfonds voll nutzen;

Themen von hohem europäischen Interesse ermitteln;

zwei wichtige neue Themenbereiche: Raumfahrt und Sicherheit;

die effizientesten Durchführungsmodalitäten anwenden;

die praktische Umsetzung des Rahmenprogramms verbessern.

3.   Allgemeine Bemerkungen des Ausschusses

3.1

Ziele von Lissabon, Göteborg und Barcelona. Der Ausschuss begrüßt und unterstützt die in der Mitteilung der Kommission dargestellten Absichten und Initiativen, und er sieht in den Vorschlägen der Kommission außerordentlich wichtige Maßnahmen im Hinblick auf die ehrgeizigen Ziele von Lissabon, Göteborg und Barcelona. Er anerkennt mit großer Befriedigung, dass viele der in seinen früheren Stellungnahmen gegebenen spezifischen Empfehlungen in der vorliegenden Mitteilung berücksichtigt sind.

3.2

Das 3 %-Ziel  (5). Insbesondere unterstützt der Ausschuss das übergeordnete 3 %-Ziel, welches sich an den derzeitigen F&E-Investitionen der globalen Wettbewerber orientiert. Auf EU-Ebene ist es dafür erforderlich, die für das Rahmenprogramm plus EURATOM-Programm verfügbaren Mittel — sowohl den Zielen von Lissabon als auch dem neuen, erweiterten Europa der 25 entsprechend — massiv zu erhöhen.

3.2.1

Verdopplung der dafür benötigten EU-Mittel. Für alle Maßnahmen zusammengenommen sollen daher die Mittel, wie seitens der Kommission vorgeschlagen, verdoppelt werden. Dies entspricht auch der diesbezüglichen Empfehlung des Ausschusses, welche er bereits in seiner Stellungnahme zum Sechsten Rahmenprogramm (6) gegebenen hat.

3.2.2

Mitgliedstaaten und Industrie. Um das 3 %-Ziel zu erreichen, muss diese Verdopplung jedoch mit einer dementsprechenden Erhöhung auch der nationalen F&E-Budgets und der F&E-Aufwendungen der Industrie verbunden sein. In beiden Fällen ist der Ausschuss sehr darüber besorgt, dass dies gar nicht oder nicht ausreichend geschieht. Bei der industriellen Forschung und Entwicklung ist in vielen Fällen sogar eine Verlagerung von F&E-Investitionen auf Standorte außerhalb der EU zu beobachten. Der Ausschuss empfiehlt, die Gründe für diesen bedauerlichen Trend zu untersuchen, um Maßnahmen ergreifen zu können, damit auch die industrielle Forschung und Entwicklung in Europa dem 3 %-Ziel nachkommt.

3.2.3

Appell des Ausschusses. Der Ausschuss appelliert daher erneut an den Rat, das Parlament und die Regierungen der Mitgliedstaaten — sowie insbesondere auch an die Industrie -, sich mit ihren jeweiligen Beschlüssen dem anzuschließen sowie zudem mit ihren jeweiligen nationalen und privatwirtschaftlichen F&E-Budgets dementsprechend nachzukommen. Der Ausschuss ist sich sehr wohl bewusst, dass dies angesichts der gegenwärtigen schwierigen allgemeinen Finanzlage keine einfache Aufgabe ist. Aber die seitens der Kommission vorgeschlagenen Investitionen in Forschung und Entwicklung sind nicht nur maßvoll, sondern angesichts der internationalen Wettbewerbssituation längst überfällig. Den Worten müssen nun Taten folgen.

3.2.4

Dynamische Entwicklung. Dabei gilt es zu vermeiden, die Situation nur statisch zu betrachten. Die europäische Politik muss sich — im globalen Wettbewerb — auf die zukünftige Entwicklung außerhalb Europas einstellen (7). Wenn das 3 %-Ziel zu spät erreicht wird, werden die Lissabon-Ziele verfehlt. Längerfristig muss nämlich sogar eine weitere Steigerung der F&E-Investitionen erfolgen.

3.3

Europäische Pole der Exzellenz. Der Ausschuss unterstützt das übergeordnete Ziel, Europäische Pole der Exzellenz zu schaffen und zu fördern; dies schafft einen gesamteuropäischen Mehrwert, setzt Qualitätsmaßstäbe und erhöht die Anziehungskraft europäischer Forschung und Entwicklung. Die darin angestrebte länderübergreifende Zusammenarbeit zwischen Forschungszentren, Hochschulen und Unternehmen muss auch künftig das wesentliche Element der Förderpolitik durch das F&E-Rahmenprogramm (plus EURATOM) sein, mit Hauptgewicht auf den Thematischen Prioritäten.

3.3.1

Voraussetzung. Voraussetzung zur Verwirklichung dieses Ziels ist allerdings, dass bereits exzellente Einrichtungen oder Gruppen existieren, aus deren Zusammenarbeit Spitzenleistungen erwartet werden können (8).

3.3.2

Kein neues Förderinstrument. Zudem sollte noch besser klargestellt werden, dass der Begriff „Pole der Exzellenz“ kein neues Förderinstrument ist (siehe dazu später), sondern ein übergeordneter Begriff, welcher die diesem Ziel dienenden Förderinstrumente umfasst, wie z.B. „Networks of Excellence“ (NoE), „Integrated Projects“ (IP) oder „Specific Targeted Research Projects“ (STREPs).

3.4

Instrumente der Forschungsförderung  (9) (Projektstruktur). Unter Hinweis auf die anerkennenswerte Absicht der Kommission, effiziente Durchführungsmodalitäten zu schaffen, wiederholt (10) der Ausschuss seine Anliegen nach Klarheit, Einfachheit, Kontinuität und insbesondere auch Flexibilität der Instrumente der Forschungsförderung. Letzteres bedeutet, dass die Antragsteller die Instrumente an die für die jeweilige Aufgabe erforderliche optimale Struktur und Größe der Projekte anpassen können müssen. Nur dadurch lässt sich vermeiden, dass Projekte kreiert werden, deren Größe und Struktur sich nach den vorgeschriebenen Instrumenten richtet statt nach den optimalen wissenschaftlich-technischen Erfordernissen. Die Instrumente müssen den Arbeitsbedingungen und Zielsetzungen von Forschung und Entwicklung dienen und keinesfalls umgekehrt. Der Aufwand für Antragstellung und Verwaltung muss sich lohnen.

3.5

Grundlagenforschung und europäischer Wettbewerb. Desgleichen wiederholt der Ausschuss die Grundaussage seiner kürzlichen Stellungnahme (11) zu diesem Thema, nämlich ein deutlich sichtbares Gewicht auf die Förderung der Grundlagenforschung — als die Basis aller weiteren Forschungs- und Entwicklungsschritte — zu legen, und zwar im europäischen Wettbewerb mit freier Themenwahl seitens der Antragsteller. Wettbewerb auf europäischer Ebene schafft europäischen Mehrwert.

3.6

Internationale Dimension der Forschung. Dabei darf jedoch nicht außer Acht bleiben, dass die über die EU hinausreichende internationale Dimension der Forschung von ebenso großer Bedeutung ist. Spitzenleistungen in Forschung und Entwicklung gedeihen heute auf einem globalen, internationalen (12) Spielfeld weltweiter, offener Kooperation und zugleich weltweiten Wettbewerbs. Auch dieser Aspekt ist durch entsprechende Maßnahmen (z.B. Mobilitätsprogramm, Kooperationsabkommen etc.) zu fördern und zu berücksichtigen.

3.7

Beziehungsgeflecht und Balance zwischen den Forschungskategorien  (13). Dabei weist der Ausschuss nochmals auf das für Innovation und Fortschritt erforderliche Beziehungsgeflecht, auf die fruchtbare Wechselwirkung und auf die fließenden Übergänge zwischen den Forschungs-Kategorien Grundlagenforschung, Angewandter Forschung (manchmal auch Vorlaufforschung genannt) und Entwicklung (Produkt- und Prozessentwicklung) hin. Dieses für die Wettbewerbsfähigkeit der Gemeinschaft und für die Ziele von Lissabon so wichtige Beziehungsgeflecht betrifft auch die Zusammenarbeit und gegenseitige Ergänzung industrieller Forschung und Entwicklung mit der Forschung an Universitäten und staatlich geförderten Forschungsorganisationen. Es muss sich daher sowohl in der Ausgewogenheit der Förderung der einzelnen Kategorien als auch in den einzelnen Aufgaben und Unterthemen der jeweiligen Thematischen Prioritäten/Aktionen widerspiegeln. Also muss den genannten Forschungskategorien Zugang zu allen dementsprechenden Förderachsen des Rahmenprogramms eingeräumt werden. Letztlich beruht darauf auch die Hebelwirkung zwischen den F&E-Aufwendungen der öffentlichen Hand und der Wirtschaft.

3.8

Effiziente Durchführungsmodalitäten. Last but not least begrüßt und unterstützt der Ausschuss die Absicht, die effizientesten Durchführungsmodalitäten anzuwenden und die praktische Umsetzung des Rahmenprogramms zu verbessern. Hier sieht der Ausschuss einen sehr wichtigen Bedarf für Maßnahmen, die weniger bürokratischen Aufwand erfordern, besser als bisher mit der Scientific Community und der Industrie abgestimmt sind und deren internen Regeln, Erfahrungen und Arbeitsbedingungen entsprechen. Die wichtigsten Akteure im Europäischen Forschungsraum sind die Forscher mit ihrer Entdeckerfreude. Sie benötigen Entfaltungsspielraum und optimale Rahmenbedingungen. Dem sollte Rechnung getragen werden.

4.   Besondere Bemerkungen des Ausschusses

4.1

Kürzliche Stellungnahmen. Ein Großteil der hier folgenden Bemerkungen wurde bereits in den kürzlichen Stellungnahmen zur europäischen Forschungspolitik (14) angedeutet oder formuliert.

4.2

Bestimmendes Kriterium. Das bestimmende Kriterium für die Projektauswahl und Forschungsförderung muss wissenschaftliche und technologische Exzellenz sein, um für die EU im globalen Wettbewerb Spitzenpositionen zu erhalten oder zu erringen. Nur so können die in der Mitteilung der Kommission formulierten Ziele erreicht werden, nämlich „Spitzenleistung und Innovation: Schlüssel zur industriellen Wettbewerbsfähigkeit Europas“ hervorzubringen und „in der Grundlagenforschung größere Kreativität durch Wettbewerb zwischen Teams auf europäischer Ebene (zu) erzeugen“.

4.2.1

Exzellenz. Exzellenz und Spitzenleistung sind das Ergebnis eines komplexen, mühsamen und langwierigen Entwicklungs- und Ausleseprozesses, der nach den von der Scientific Community selbst entwickelten Regeln abläuft, und bei dem viele wichtige und vernetzte Faktoren zusammentreffen und berücksichtigt werden müssen.

4.2.2

Gesellschaft und Politik. Also müssen Gesellschaft und Politik dafür sorgen, dass die Voraussetzungen für die Entstehung und den Erhalt von Exzellenz und Spitzenleistung vorhanden sind oder geschaffen werden.

4.2.3

Abweichende Kriterien. Davon abweichende sachfremde oder spekulative Kriterien erhöhen den bürokratischen Aufwand, führen in die Irre und beinhalten die Gefahr von Fehlentscheidungen mit allen nachteiligen Folgen nicht nur für die Ziele von Lissabon, sondern insgesamt für das europäische Forschungsklima.

4.3

Das Potenzial des Europas der 25. Gleichzeitig gilt es allerdings auch — und der Ausschuss unterstützt die diesbezügliche Absicht der Kommission in vollem Umfang -, das Potenzial des Europas der 25 voll zu entwickeln und auszuschöpfen. Dazu müssen — soweit nicht bereits vorhanden — in den Forschungseinrichtungen der erweiterten Union sowie Regionen mit unzureichender Forschungsausstattung die Voraussetzungen für Spitzenleistungen geschaffen werden

4.3.1

Subsidiarität. Nach dem Grundsatz der Subsidiarität ist die Entwicklung solcher nationaler wissenschaftlich-technischer Kapazitäten und deren Grundausstattung, als Basis für die Ausbildung von Exzellenz und Spitzenleistungen, Aufgabe der Mitgliedstaaten.

4.3.2

Strukturfonds und Europäischer Investitionsfonds. Wo erforderlich und erfolgversprechend, sollte diese Aufgabe jedoch gezielt und wirksam durch die Strukturfonds und den Europäischen Investitionsfonds der EU unterstützt und gefördert werden. Deswegen unterstützt der Ausschuss die Absicht der Kommission, auch im Sinne einer erfolgreichen Kohäsionspolitik, die gegenseitige Ergänzung des Rahmenprogramms mit den Strukturfonds in vollem Umfang zu nutzen — er empfiehlt aber, dies auf den Investitionsfond zu erweitern — und einen Teil deren Mittel für den Ausbau von Forschungskapazitäten und Infrastrukturen einzusetzen.

4.3.3

Hierfür ist auch eine ausreichende Anschubfinanzierung von F&E-Maßnahmen in den neuen Mitgliedsländern erforderlich, da dort die wissenschaftlichen Institutionen noch nicht in der Lage sind, für EU-geförderte Projekte ihrerseits die benötigten Mittel zunächst vorzustrecken. Ergänzend sollten dafür aber jeweils auch entsprechende nationale Fördersysteme geschaffen werden.

4.4

Forschungsinfrastrukturen. Auch in diesem Zusammenhang begrüßt der Ausschuss zudem den Vorschlag der Kommission, Forschungsinfrastrukturen (15) von europäischem Interesse auszubauen. Dabei hat sich die maßgebliche Finanzierung ausgewählter Großgeräte auf der Grundlage der „Variablen Geometrie“ bisher gut bewährt und sollte daher weiter verfolgt werden. Das Europäische Strategieforum für Forschungsinfrastrukturen (ESFRI) nimmt hierfür eine hilfreiche beratende Schlüsselrolle ein. Darauf bauend sollte ein europäisches Konzept Infrastrukturen erarbeitet werden.

4.4.1

Mittelgroße Infrastrukturen. Nach Maßgabe der verfügbaren Mittel und des erkennbaren Nutzens für gemeinschaftliche Projekte sollte sich diese Maßnahme allerdings nicht ausschließlich auf Großgeräte beschränken, denn auch mittelgroße komplexe Forschungs-Infrastrukturen werden in vielen Forschungsbereichen benötigt und können zugleich den Forschungszielen mehrerer Mitgliedstaaten dienen.

4.5

Stärkung der Thematischen Prioritäten und der Mobilität. Wie bereits erwähnt, unterstützt der Ausschuss den Vorschlag der Kommission, die für das Siebte Rahmenprogramm plus EURATOM-Programm verfügbaren Mittel (gegenüber dem derzeitigen Sechsten) zu verdoppeln. Dieser Zuwachs sollte primär (16) den thematischen Prioritäten/Aktionen/Projekten (einschließlich jener von EURATOM) und dem Mobilitätsprogramm (17) (einschließlich der Förderung von Nachwuchswissenschaftlern und Spitzenforschern) zugute kommen.

4.6

Instrumente der Forschungsförderung. Um seine dazu bereits formulierten Empfehlungen zu verdeutlichen, empfiehlt der Ausschuss, folgende Grundsätze anzuwenden:

Die Zahl der Instrumente muss überschaubar sein.

Die Instrumente müssen wohldefiniert und ihre Zielsetzung muss transparent sein.

Ihre Handhabbarkeit muss möglichst einfach sein.

Sie sollten sich bevorzugt auf die unmittelbare Förderung von F&E-Aufgaben und der damit befassten Forscher konzentrieren.

Die Auswahl der Instrumente bzw. des Instruments für ein bestimmtes Vorhaben oder Projekt sollte in der Hand der Antragsteller liegen. Die einzelnen Elemente der thematischen Prioritäten sollten also keinesfalls a priori an ein vorgegebenes Instrument gekoppelt sein (18); gleichwohl sollte die Kommission hierzu Beratung anbieten und ihre Gründe erklären, warum sie für bestimmte Themen ein bestimmtes Instrument bevorzugt.

Auch bei den Instrumenten ist auf eine ausreichende Kontinuität zu achten und insbesondere ein sprunghafter „Paradigmenwechsel“ zu vermeiden, um den administrativen Aufwand für alle Beteiligten in vernünftigen Grenzen zu halten.

Bevorzugt werden sollte die Vergabe von „Grants“ oder „STREPs“ (Specific Targeted Research Projects), also die Bewilligung leicht überschaubarer und handhabbarer Forschungsvorhaben. In diesem Zusammenhang weist der Ausschuss auch auf seine früher ausgesprochenen Anregungen und auf die späteren Bemerkungen zu den KMU hin.

Im Sinne dieser Grundsätze wird unter anderem empfohlen, bei den NoE (Networks of Excellence) nicht nur den Koordinierungsaufwand zu fördern, sondern auch einen Anteil der direkten F&E-Aufwendungen (wie dies z.B. bei den Assoziationen des Euratom-Fusionsprogramms bereits der Fall ist).

4.6.1

Marimon-Report  (19). Der Ausschuss nimmt mit großer Befriedigung zur Kenntnis, dass sich die diesbezüglichen Empfehlungen des gerade erschienenen Marimon-Reports weitestgehend mit seinen eigenen Empfehlungen decken. Er unterstützt dessen Aussagen nachdrücklich.

4.6.2

Kontinuität. Um die Wichtigkeit dieses Gesichtspunkts nochmals besonders hervorzuheben und klarzustellen: Generell sollte beim Übergang vom Sechsten zum Siebten Rahmenprogramm größtmögliche Kontinuität gewährleistet werden. Für Wissenschaft und Industrie (vor allem auch KMU) bedeutet der bisherige, mit dem Übergang von einem Rahmenprogramm zum nächsten verbundene Wechsel von Förderbedingungen, Antragsmodalitäten, Evaluierungskriterien, rechtlichen Rahmenbedingungen/Instrumenten und Kostenmodellen eine leistungsmindernde Belastung. Um diese Kontinuität zu gewährleisten, sollten also keine grundsätzlich neuen Instrumente und sonstige Verfahren eingeführt werden. Stattdessen sollen die bisherigen Instrumente und Verfahren gemäß der gewonnenen Erfahrungen und Empfehlungen vereinfacht und angepasst werden. Hauptziel muss also Kontinuität, verbunden mit Vereinfachung und Klärung sein, sowie Flexibilität für die Antragsteller in der Wahl der Instrumente.

4.7

Technologie-Plattformen. Der Ausschuss unterstützt nachdrücklich die Initiative der Kommission und der Industrie, „Technologie-Plattformen“ einzurichten, welche Unternehmen, Forschungseinrichtungen, die Finanzwelt, Behörden sowie normensetzende Gremien auf europäischer Ebene zusammenbringen. Deren Aufgabe ist es, ein gemeinsames Forschungsprogramm festzulegen, mit dem eine kritische Masse an einzelstaatlichen und europäischen, öffentlichen und privatwirtschaftlichen Ressourcen mobilisiert werden soll.

4.7.1

Gemeinschaftliche Entwicklungsvorhaben. Diese Vorgehensweise hält der Ausschuss bei umfangreichen und aufwendigen gemeinschaftlichen wissenschaftlich-technischen Entwicklungsvorhaben wie z.B. dem GALILEO-Projekt — mit wohldefinierter Zielsetzung — für einen sehr empfehlenswerten Schritt, um das konzertierte Zusammenwirken der Partner zu realisieren. Dies kann in Form „Integrierter Projekte IP“ oder auch „Gemeinsamer Unternehmen“ gemäß Artikel 171 des EG-Vertrags (20) geschehen. Aber auch hier sollte jeweils sorgfältig geprüft werden (21), wie eine Aufblähung des organisatorischen/administrativen Aufwands vermieden und wie eine angemessene Beteiligung von KMU oder kleinerer Institute/Forschergruppen erreicht werden kann.

4.7.2

Administrativer und organisatorischer Aufwand. Angesichts des dafür erforderlichen großen organisatorisch/administrativen und rechtlichen Aufwands (z.B. zu Fragen des geistigen Eigentums) sollte allerdings vor Bildung weiterer „Technologie-Plattformen“ zunächst Erfahrung mit den derzeit im Aufbau befindlichen gewonnen und zudem klargestellt werden, dass auch dabei das Prinzip der „Variablen Geometrie“ angewandt werden kann. Zudem sollte jeweils untersucht werden, ob das Ziel eindeutig definiert ist und ob es nicht mit Hilfe oder durch Ausbau einfacherer Verfahren erreicht werden kann, um zu vermeiden, dass durch eine weitere Zunahme teilweise überlappender Instrumente zusätzliche Verwirrung und ein überproportionaler Koordinierungsaufwand entstehen. Falls möglich, sollten einfachere Instrumente verwendet werden.

4.8

Kleine und mittlere Unternehmen (KMU). KMU tragen in erheblichem Maße bereits jetzt zum Innovationsprozess bei oder besitzen das Potenzial, dies in Zukunft zu tun. Daher sollten die Teilnahmebedingungen für KMU an den thematischen Prioritäten noch flexibler gestaltet und vereinfacht werden, unter anderem durch eine flexible Zuordnung und Auswahloption von Themen und Instrumenten (CRAFT, Collective Research, EUREKA). Insgesamt sollte bei einer Anpassung der Förderinstrumente und bei der Strukturierung der Projekte besser als bisher darauf geachtet werden, dass kompetente KMU angemessen beteiligt werden können, und zwar sowohl im Hightech- als auch im Lowtech-Bereich. Hierzu sind besser solche Förderinstrumente wie „Specific Targeted Research Projects — STREPs“ geeignet, die auch kleinere Gruppierungen und Projekte zum Zuge kommen lassen, und die auch einen Bottom-up-Ansatz begünstigen.

4.8.1

KMU und Wissenstransfer. Davon gesondert ist jedoch die ebenfalls sehr wichtige Aufgabe zu behandeln, das neueste, potenziell anwendungsrelevante Wissen der Grundlagenforschung — aus Universitäten und staatlich geförderten Forschungseinrichtungen — an die in der Industrie und insbesondere in den KMU tätigen Forscher und Ingenieure heranzubringen und diesen zu vermitteln, um so den für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit der Industrie nötigen Wissenstransfer zu beschleunigen. Auch hierzu hat der Ausschuss bereits mehrfach Anregungen (22) gegeben, welche insbesondere auch den deutlich zu verbessernden und attraktiver zu gestaltenden Personalaustausch (Mobilität) zwischen Akademia und Industrie betreffen.

4.8.2

Entrepreneurship und Industriepolitik. Insbesondere die Neugründung kleiner Unternehmen ist ein wesentlicher Motor für Innovation und Wirtschaftswachstum. Die Problematik derartiger Neugründungen liegt aber häufig primär nicht in einer unzureichenden Förderung von Forschung und Entwicklung, sondern in Fragen der Unternehmensführung und des Marketings sowie vor allem in einer unzureichenden langfristigen Finanzdecke, um die verlustreiche Anfangsperiode gut zu überbrücken. Hier müssen also Industriepolitik und Forschungspolitik gemeinsam nach Lösungen suchen, um Anreize und Erfolgschancen für mehr Entrepreneurship in Europa zu schaffen.

4.8.3

SBIR-Programm der USA. Der Ausschuss empfiehlt zudem, auf die Erfahrungen in den USA mit dem Programm „Small Business Innovation Research“ (SBIR) (23) zurückzugreifen, in dessen Rahmen die US-Regierung über verschiedene Agenturen marktbezogene F&E-Maßnahmen kleiner und mittlerer Unternehmen fördert.

4.9

Offene Koordinierung. Der Ausschuss hat sich schon mehrfach für das Verfahren der offenen Koordinierung seitens der Kommission ausgesprochen, dabei aber stets betont, dass dies nur auf freiwilliger Basis seitens der Mitgliedstaaten erfolgen kann.

4.10

Selbstorganisation und Selbstkoordinierung. Zudem hat der Ausschuss ebenfalls mehrfach auf die als Bottom-up-Prozess funktionierende Selbstorganisation und Selbstkoordinierung der wissenschaftlich-technischen Akteure innerhalb der EU hingewiesen, die sich auf ihren jeweiligen Sachgebieten über Veröffentlichungen, Konferenzen und Workshops kennen, von sich aus auf die Programmgestaltung einwirken und — im Spannungsfeld zwischen Wettbewerb und Kooperation (siehe unten) — zu einer Koordinierung beitragen. Maßgebliche und weltweit führende internationale Forschungsinitiativen, -programme und -einrichtungen sind auf diese Weise entstanden und haben damit das Konzept des Europäischen Forschungsraums vorbereitet. Dies sollte anerkannt und davon sollte Gebrauch gemacht werden.

4.11

Wettbewerb fördern. In diesem Zusammenhang begrüßt der Ausschuss, dass die Kommission „Wettbewerb fördern“ als eines ihrer sechs großen Ziele ausweist. Er unterstützt die Kommission in ihrer Erwartung, durch Wettbewerb auf europäischer Ebene einen Mehrwert zu erzielen. Dazu wiederholt der Ausschuss (24) seine frühere Feststellung, nämlich: Wissenschaft und Forschung leben vom Wettbewerb um die besten Ideen, Verfahren und Ergebnisse, und von der unabhängigen Reproduktion (oder Widerlegung) — also „Zertifizierung“ — neuer Erkenntnisse sowie von deren Verbreitung, Vertiefung und Erweiterung. Also ist es notwendig, pluralistische und interdisziplinäre Forschungsansätze und Forschungsstrukturen zu ermöglichen und zu pflegen, um den daraus erwachsenden Wettbewerb um die besten Ideen und Ergebnisse zu stimulieren und zu nutzen.

4.12

Wettbewerb, Kooperation und Koordinierung. Zwischen den Zielen Wettbewerb, Kooperation und Koordinierung können Gegensätze entstehen, und zwar umso mehr je näher die Aufgaben mit Produktentwicklung verbunden sind. Daraus sind die Grenzen ihrer jeweils optimalen Anwendungsbereiche — und damit auch die Auswahl der jeweils geeigneten Instrumente — abzuleiten. Soviel Wettbewerb wie möglich, soviel Kooperation wie nötig.

4.13

Kritische Masse und globaler Wettbewerb. Forschungs- und Entwicklungs-Ziele, deren kritische Masse auch als Einzelobjekt die Leistungsfähigkeit einzelner Mitgliedstaaten übersteigt, und die also grundsätzlich nur im europäischen Verbund erreichbar sind, wie große Infrastrukturen oder bestimmte große Technologie-Projekte, müssen sich noch mehr als andere auch dem globalen Wettbewerb (siehe auch das Kapitel „Internationale Dimension“) stellen und im globalen Vergleich bewähren. Hier trifft das auch für „Technologie- Plattformen“ Gesagte zu.

4.14

European Research Council ERC. Wie bereits in seiner kürzlichen Stellungnahme (25) angedeutet, unterstützt der Ausschuss die Kommission in ihrer Absicht, einen „European Research Council“ (ERC) ins Leben zu rufen. Dieser soll mit der Gestaltung und Förderung des Ressorts Grundlagenforschung beauftragt und von der „Scientific Community“ getragen werden. Er soll seine Aufgabe in voller Autonomie und nach den Regeln erfolgreicher entsprechender Institutionen in den Mitgliedstaaten oder den USA wahrnehmen. Zum Nutzen des Wirkungsgeflechts zwischen den einzelnen Forschungskategorien empfiehlt der Ausschuss, auch herausragende Wissenschaftler aus der industriellen Forschung in den ERC zu berufen.

4.15

Peer Review. Das wesentliche Bewertungsinstrument sollte die „Peer Review“ sein. Auch zur Kompensation der bekannten Schwächen (z.B. Interessenkonflikte) selbst dieses Bewertungssystems sollten allerdings innerhalb des ERC — allgemein: innerhalb jeder Förderorganisation (26) — erfahrene Wissenschaftler beschäftigt werden, die durch eigene wissenschaftliche Leistungen ausgewiesen und ihrerseits jeweils mit dem von ihnen betreuten spezifischen Sachgebiet bestens vertraut sind.

4.16

Laufbahnen fördern. Der Ausschuss unterstützt nachdrücklich das Ziel, Wissenschaft, Forschung und Entwicklung als Berufsziel attraktiver zu machen, dazu die Begabtesten zu begeistern und die beruflichen Laufbahnen dementsprechend zu fördern. Er hat sich erst in einer kürzlichen Stellungnahme (27) sehr ausführlich mit diesem Thema auseinander gesetzt und die Bemühungen der Kommission befürwortet.

4.16.1

Unbefriedigende Vertragssituation von Wissenschaftlern. Ein besonderes Problem stellen dabei die in vielen Mitgliedstaaten bestehenden Besoldungstarife und Vertragsbedingungen dar, die — vor allem für jüngere Wissenschaftler — mit deutlichen Nachteilen verbunden sind gegenüber Karrieren in der freien Wirtschaft, ja sogar gegenüber ansonsten vergleichbaren Laufbahnen des öffentlichen Dienstes. Er weist erneut darauf hin, dass hier dringender Handlungsbedarf — vor allem aber auf Seiten der Mitgliedstaaten — besteht.

4.17

Vermeidung überlappender oder paralleler Instanzen. Forschungstätigkeit erfordert auch planerische, unternehmerische, administrative und gutachterliche Aufgaben, die von erfahrenen Wissenschaftlern wahrgenommen werden müssen. Angesichts einer Inflation von Anträgen, Gutachten und Monitoring-Prozessen wiederholt der Ausschuss seine Empfehlung (28), dass sich die Kommission mit dieser Frage befasst und auf effiziente, koordinierte Verfahren (insbesondere auch mit und zwischen den beteiligten Instanzen der Mitgliedstaaten) hinwirkt, die zu viele getrennt agierende vertikale (und auch horizontale/parallele) Genehmigungs- und Lenkungs- und Kontrollinstanzen (und -verfahren) sowie eine daraus resultierende unproduktive Geschäftigkeit vermeiden.

4.18

Auswahl von Gutachtern. Gleichzeitig und unter dem Vorbehalt, die derzeitige Beanspruchung von Gutachtern generell zu reduzieren, muss aber auch darauf geachtet werden, die auf dem betreffenden Fachgebiet jeweils besonders erfolgreichen und erfahrenen Wissenschaftler als Gutachter zu gewinnen, da ansonsten das Risiko von Fehlbewertungen zunimmt. Damit dies gelingt, müssen jedoch die Auswahlverfahren für die zu gewinnenden Gutachter von dem gegenwärtigen überbordenden und unflexiblen bürokratischen Ballast befreit werden, der gerade auf erfolgreiche Wissenschaftler besonders abschreckend wirkt.

4.19

Bewertungsverfahren. Möglicherweise sind einige seitens der Scientific Community kritisierten Verfahren das Ergebnis eines gutgemeinten Versuchs, standardisierte Bewertungskriterien auf einem dafür viel zu komplexen und delikaten Gebiet einzuführen und anzuwenden, statt auf menschliche Erfahrung zurückzugreifen. Der Ausschuss anerkennt zwar die Absicht, im Sinne von Transparenz und Objektivierbarkeit subjektive Bewertungen — wegen ihrer Angreifbarkeit und auch der Möglichkeit des Missbrauchs — weitmöglich auszuschließen; allerdings entsteht daraus ein nicht lösbares Dilemma. Die Bewertung wissenschaftlicher Leistung und Kreativität lässt sich nicht automatisieren oder an Unerfahrene delegieren.

4.20

Zwei neue Themen: Raumfahrt und Sicherheitsforschung. In der Mitteilung der Kommission werden die thematischen Prioritäten noch nicht behandelt. Einzige Ausnahme ist der Hinweis auf die Grundlagenforschung (29) sowie auf die beiden neuen Themen Raumfahrt und Sicherheitsforschung. Der Ausschuss begrüßt den Vorschlag der Kommission, die Aufgaben Raumfahrt und Sicherheitsforschung nunmehr auch seitens der Kommission auf europäischer Ebene aufzugreifen, und er bekräftigt damit seine früheren zur Raumfahrt gemachten Empfehlungen (30). Allerdings empfiehlt der Ausschuss, diese beiden Aufgaben außerhalb des für das Siebte Rahmenprogramm vorgesehenen Budgets und außerhalb der Thematischen Prioritäten des Rahmenprogramms zu installieren, da sie sich durch jeweils unterschiedliche, eigentümliche Besonderheiten auszeichnen, welche nicht zu den Abwicklungsmodalitäten des Rahmenprogramms passen.

4.20.1

Bei der Raumfahrt gibt es bereits ein sehr schlagkräftiges und erfolgreiches Programm, welches bisher insbesondere zwischen der ESA und der Europäischen Raumfahrt- und Luftfahrtindustrie koordiniert und abgewickelt wurde, und zu dem schon bisher auch Forschungsinstitutionen der Mitgliedstaaten wesentliche Beiträge geleistet haben. Deswegen sollte die seitens des Ausschusses durchaus empfohlene Beteiligung seitens der Kommission gesondert, d.h. im Rahmen des bestehenden Kooperationsabkommens zwischen ESA und Kommission, aber außerhalb des Rahmenprogramms finanziert und abgewickelt werden. Der Ausschuss ist interessiert, dazu weitere Details kennen zu lernen.

4.20.2

Bei der Sicherheitsforschung besteht ein starkes gesamteuropäisches Interesse an gemeinschaftlichem Vorgehen. Dies wurde innerhalb des Ausschusses bereits mehrfach diskutiert und betont, und darum unterstützt der Ausschuss ausdrücklich, dieses Thema aufzugreifen. Allerdings sind dabei auch Fragen der Geheimhaltung und der möglichen Anwendung von inneren oder externen Verteidigungsaufgaben involviert, welche einer gegenüber den Thematischen Prioritäten des Rahmenprogramms (wo z.B. Transparenz gefordert wird) unterschiedlichen Behandlung bedürfen. Daher sollte auch in diesem Fall ein außerhalb der Finanzierung und Instrumentalisierung des Rahmenprogramms stehendes eigenständiges Vorhaben entstehen.

5.   Zusammenfassung

5.1

Der Ausschuss betont die entscheidende Bedeutung von Forschung und Entwicklung für die globale Wettbewerbsfähigkeit Europas und damit auch für die Ziele von Lissabon. Der Ausschuss unterstützt demgemäß die in der Mitteilung der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen und dargelegten Ziele.

5.2

Dies gilt insbesondere für das 3 %-Ziel sowie für die dazu vorgeschlagene Verdopplung des gemeinschaftlichen F&E-Budgets (für Rahmenprogramm plus Euratom-Programm). Der Ausschuss appelliert an Rat und Parlament, diesem Vorschlag zu folgen, an die Regierungen der Mitgliedstaaten, dem auch in deren nationalen F&E-Budgets nachzukommen, und an die Industrie, ihrerseits die Investitionen in Forschung und Entwicklung zielgemäß zu verstärken, und zwar in Europa.

5.3

Der Ausschuss weist darauf hin, dass das 3 %-Ziel der gegenwärtigen Wettbewerbslage entspricht und in Zukunft den wachsenden Trends z.B. in den USA und in Südostasien angepasst werden muss.

5.4

Der Ausschuss unterstützt die Absicht der Kommission, zudem einen Teil der Mittel der Strukturfonds für den Ausbau von Forschungskapazitäten und von Forschungsinfrastrukturen einzusetzen, um das Potenzial des Europas der 25 voll auszuschöpfen und auch der Übergangssituation in den neuen Mitgliedsländern Rechnung zu tragen. Der Ausschuss empfiehlt, darüber hinaus auch den Europäischen Investitionsfonds dafür heranzuziehen.

5.5

Der Ausschuss unterstützt die Absicht der Kommission, die effizientesten Durchführungsmodalitäten anzuwenden und die praktische Umsetzung des Programms zu verbessern. Er empfiehlt demgemäß eine Vereinfachung und Flexibilisierung der Instrumente bei gleichzeitig weitgehender Kontinuität. Die Antragsteller müssen die Instrumente an die für die jeweilige Aufgabe erforderliche optimale Struktur und Größe der Projekte anpassen können. Dies gilt auch für die Einrichtung von „Technologieplattformen“. Der Ausschuss schließt sich dem Marimon-Report an.

5.6

Der Ausschuss empfiehlt, dabei noch mehr als bisher dazu befähigte KMU in Forschung und Entwicklung und in den Innovationsprozess einzubinden, er weist auf das diesbezügliche SBIR-Programm der USA hin. Der Ausschuss empfiehlt zudem ein Zusammenwirken zwischen Unternehmenspolitik und Forschungspolitik, um das Potenzial der KMU und junger Unternehmensgründungen für Innovation und Wirtschaftswachstum zu fördern und auszuschöpfen.

5.7

Der Ausschuss unterstützt die Absicht der Kommission, Raumfahrt und Sicherheitsforschung als neue Themenschwerpunkte aufzunehmen; er empfiehlt — und begründet warum -, diese als gesonderte Kategorien außerhalb des Rahmenprogramms zu behandeln und zu finanzieren.

5.8

Der Ausschuss unterstützt die Absicht der Kommission, Grundlagenforschung per se in das Rahmenprogramm aufzunehmen und im europäischen Wettbewerb zu fördern, sowie dazu einen unabhängigen Europäischen Forschungsrat (European Research Council) ins Leben zu rufen.

5.9

Der Ausschuss weist auf die grundlegende Bedeutung des Beziehungsgeflechts zwischen den Forschungskategorien Grundlagenforschung, Angewandte Forschung (Vorlaufforschung) und Entwicklung hin. Dies erfordert eine ausgewogene Förderung dieser Kategorien.

5.10

Der Ausschuss unterstützt die Absicht der Kommission, Europa für die besten Wissenschaftler attraktiver zu machen, sowie begabte Jugendliche für eine wissenschaftliche Laufbahn zu gewinnen und diese zu gewährleisten. Hier besteht Handlungsbedarf vor allem auf Seite der Mitgliedstaaten.

Für viele weitere wichtige Gesichtspunkte, Empfehlungen und kritischen Bemerkungen verweist der Ausschuss auf die ausführlichen Kapitel 3 und 4.

Brüssel, den 15. Dezember 2004

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  ERA: European Research Area, siehe dazu insbesondere ABl. C 110 vom 30.4.2004 (CES 319/2004) und ABl. C 95 vom 23.4.2003 (CESE 288/2003).

(2)  Auf der Tagung des Europäischen Rates im März 2002 in Barcelona hat sich die EU das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2010 die europäischen Forschungsaufwendungen insgesamt auf 3 % des BIP der EU anzuheben, wobei zwei Drittel aus privatwirtschaftlichen Investitionen und ein Drittel aus dem öffentlichen Sektor (Mitgliedstaaten und EU) stammen sollen. Siehe dazu auch ABl. C 95 vom 23.4.2003.

(3)  ABl. C 204 vom 18.7.2000; ABl. C 221 vom 7.8.2001; ABl. C 260 vom 17.9.2001; ABl. C 94 vom 18.4.2002; ABl. C 221 vom 17.9.2002; ABl. C 61 vom 14.3.2003; ABl. C 95 vom 23.4.2003; ABl. C 234 vom 30.9.2003; ABl. C 32 vom 5.2.2004; ABl. C 110 vom 30.4.2004; ABl. C 302 vom 7.12.2004.

(4)  Siehe dazu später Ziffer 3.3.

(5)  ABl. C 112 vom 30.4.2004.

(6)  (das dort empfohlene Wachstum des Budgets bezog sich auf den Bedarf des Europas der 15 und muss demgemäß auf das Europa der 25 hochgerechnet werden - ABl. C 260 vom 17.9.2001).

(7)  Siehe Punkt 1.2.

(8)  Siehe dazu auch Ziffer 4.2 ff.

(9)  Siehe dazu auch Ziffer 4.6.

(10)  Siehe dazu auch Kapitel 5.4 (ABl. C 95 vom 23.4.2003).

(11)  ABl. C 110 vom 30.4.2004.

(12)  z.B. Kanada, China, Indien, Japan, Korea, Russland und USA.

(13)  Darauf, sowie auf einige damit verknüpfte grundsätzliche Probleme, wurde zudem ausführlich in Kapitel 7. Forschung und technische Innovation der Stellungnahme des Ausschusses zum „Europäischen Forschungsraum“ eingegangen.

(14)  ABl. C 95 vom 23.4.2003; ABl. C 110 vom 30.4.2004.

(15)  Siehe dazu auch Kapitel 5.4 (ABl. C 95 vom 23.4.2003).

(16)  Siehe zudem die Empfehlungen unter Punkt 3.5.

(17)  Eine besonders erfolgreiche Rolle spielt dabei auch das Marie-Curie-Programm, dessen Stärkung empfohlen wird.

(18)  Der Ausschuss bedauert erneut, dass seine gleichlautenden früheren Empfehlungen nicht beachtet wurden.

(19)  Report of an Expert Panel chaired by Prof. Marimon, 21 June 2004, Sixth Framework Programme.

(20)  „Die Gemeinschaft kann gemeinsame Unternehmen gründen oder andere Strukturen schaffen, die für die ordnungsgemäße Durchführung der Programme für gemeinschaftliche Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration erforderlich sind.“

(21)  Siehe dazu auch Punkt 4.7.2.

(22)  Siehe z.B. die Kapitel 7 und 8 (ABl. C 204 vom 18.7.2000).

(23)  Siehe http://sbir.us/pm.html sowie http://www.zyn.com/sbir/funding.htm

(24)  Ziffer 4.2.2, 4.2.3 und 4.2.4 (ABl. C 95 vom 23.4.2003).

(25)  ABl. C 110 vom 30.4.2004.

(26)  Deshalb hat der Ausschuss bereits mehrfach empfohlen, auch innerhalb der für Forschungsförderung zuständigen Bereiche der Kommission ebenso zu verfahren.

(27)  ABl. C 110 vom 30.4.2004 (CESE 305/2004).

(28)  CESE 305/2004; Kapitel 5.18 (ABl. C 110 vom 30.4.2004).

(29)  Siehe Punkt 3.5.

(30)  ABl. C 112 vom 30.4.2004.


Top