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Document 52004AE0095

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1406/2002 zur Errichtung einer Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs“ (KOM(2003) 440 endg. — 2003/0159 (COD))

ABl. C 108 vom 30.4.2004, p. 52–54 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

30.4.2004   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 108/52


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1406/2002 zur Errichtung einer Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs“

(KOM(2003) 440 endg. — 2003/0159 (COD))

(2004/C 108/07)

Am 8. September 2003 beschloss der Rat gemäß Artikel 80 Absatz 2 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen.

Die mit der Vorbereitung der diesbezüglichen Arbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 8. Januar 2004 an. Berichterstatter war Herr CHAGAS.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 405. Plenartagung am 28./29. Januar 2004 (Sitzung vom 28. Januar) mit 107 Ja-Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Der Vorschlag der Kommission

1.1

Die Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA), deren Gründung im Gefolge der Havarie des Öltankers „Erika“ Ende 1999 beschlossen wurde, wurde mit der Verordnung (EG) Nr. 1406/2002 (1) mit dem Ziel der „Gewährleistung eines hohen, einheitlichen und effektiven Sicherheitsniveaus im Seeverkehr und bei der Verhütung der Verschmutzung durch Schiffe in der Gemeinschaft“ errichtet. Die Agentur wird den Mitgliedstaaten wissenschaftlich-technische Unterstützung gewähren, um eine ordnungsgemäße Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften im Bereich der Seeverkehrssicherheit und der Verhütung der Verschmutzung durch Schiffe sicherzustellen.

1.2

Zu den Aufgaben der Agentur gehören außerdem die Sammlung von Informationen und die Auswertung von Datenbanken zur Seeverkehrssicherheit, die Bewertung und die Überprüfung der Klassifikationsgesellschaften sowie die Organisation von Kontrollbesuchen in den Mitgliedstaaten zur Überprüfung der Bedingungen für Hafenstaatenkontrollen von Schiffen.

1.3

Insbesondere schlägt die Kommission vor,

die Agentur mit der rechtlichen Befugnis und den geeigneten Mitteln für die Bekämpfung unfallbedingter und rechtswidriger Meeresverschmutzung durch Schiffe auszustatten, was die Möglichkeit einschließt, Spezialschiffe und notwendige Hilfsmittel zur Bekämpfung von Meeresverschmutzung zu chartern;

die Ziele der Agentur so zu erweitern, dass der Bereich der Gefahrenabwehr im Seeverkehr erfasst wird, was durch die wachsende Bedrohung durch terroristische Angriffe auf Schiffe und Hafenanlagen sowie durch die Notwendigkeit begründet ist, die ordnungsgemäße Anwendung der in der Mitteilung der Kommission über die Verbesserung der Gefahrenabwehr im Seeverkehr (2) vorgesehenen Sicherheitsmaßnahmen zu gewährleisten;

die Rolle der Agentur auf dem Gebiet der Anerkennung der Befähigungsnachweise von Seeleuten aus Drittstaaten gemäß den Gemeinschaftsvorschriften über Mindestanforderungen für die Ausbildung von Seeleuten eindeutig festzulegen.

2.   Allgemeine Bemerkungen

2.1

Aus der Gesamtheit der ihr übertragenen Aufgaben wird offenbar, wie wichtig die Rolle ist, die die Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA) für eine effektive und einheitliche Anwendung der einschlägigen gemeinschaftlichen und internationalen Rechtsvorschriften für die Seeverkehrssicherheit und die Verhütung einer unfallbedingten oder rechtswidrigen Verschmutzung durch Schiffe spielt.

2.2

Aus diesem Grund und im Gefolge der Havarie des Schiffes „Prestige“ Ende 2002 hat die Kommission im Dezember desselben Jahres beschlossen, die Errichtung der EMSA zu beschleunigen, ohne die Entscheidung des Rates über den künftigen Sitz der Agentur abzuwarten, die vom Europäischen Rat schließlich im Dezember 2003 gefällt wurde.

2.3

Dadurch war es möglich, den gesamten bürokratischen Vorgang der Einstellung von Personal (noch nicht abgeschlossen) und der Ernennung des Verwaltungsrates voranzutreiben, und nach und nach konnten alle Dienststellen, aus denen die Agentur besteht, ihre Arbeit aufnehmen.

2.4

Was die Änderungen an der Verordnung über die EMSA anbelangt, so unterstützt der Ausschuss unbeschadet der nachstehenden Bemerkungen den Vorschlag der Kommission.

2.5

Bekanntlich führen nicht alle Mitgliedstaaten das Gemeinschaftsrecht und insbesondere die Vorschriften zur Sicherheit im Seeverkehr in der gleichen Weise und zur gleichen Zeit durch. Dessen ungeachtet werden die Bemühungen der Kommission anerkannt, eine zunehmende Einheitlichkeit der Verfahren und der Umsetzung zu gewährleisten, um so die Sicherheit von Personen und Gütern und den Schutz der Umwelt zu verbessern. In diesem Sinne befürwortet der EWSA die Änderungen, die dazu beitragen, die Rolle der EMSA bei der Unterstützung der Kommission auszubauen bzw. genauer festzulegen, z. B. bei der Aktualisierung und Ausarbeitung von Gemeinschaftsvorschriften und bei der Überprüfung von deren Anwendung, bei der Organisation von Ausbildungsmaßnahmen, bei der Sammlung von Daten und Pflege von Datenbanken mit für die Seeverkehrssicherheit, den Schutz des Seeverkehrs und die Verhütung und Bekämpfung der Verschmutzung relevanten Informationen, bei der Zusammenarbeit mit Drittstaaten in diesen Bereichen, beim Ausbau der Hafenstaatenkontrolle oder auch bei der Bewertung und Anerkennung von Befähigungsnachweisen und Umsetzung der diesbezüglichen Rechtsvorschriften durch Drittstaaten.

2.6

Es sei jedoch an dieser Stelle an die Bemerkungen des Ausschusses in der Stellungnahme zur Errichtung der EMSA (3) erinnert, vor allem dahingehend, dass es notwendig ist, die Befugnisse der EMSA (ohne Rechtsetzungs- bzw. Gesetzgebungsbefugnis) klar von denen des Ausschusses für die Sicherheit im Seeverkehr (mit Regelungsfunktion) zu trennen.

2.7

Aus diesem Grunde ersucht der Ausschuss die Mitgliedstaaten nachdrücklich, das Verfahren zur Bestimmung der Notliegeplätze und Festlegung der Krisenpläne zu beschleunigen, die vorhandenen nationalen Krisenpläne zu überprüfen und zu aktualisieren (einschließlich der regelmäßigen Durchführung von Notfallübungen) sowie die notwendige Ausrüstung anzuschaffen, um für folgenschwere Havarien angemessen gewappnet zu sein.

2.8

Der Ausschuss befürwortet ferner, dass die Agentur in Ergänzung zu den Mitgliedstaaten wissenschaftlich-technische Unterstützung im Bereich der unfallbedingten oder vorsätzlichen Verschmutzung durch Schiffe leisten soll. Allerdings wird es weiterhin Sache der einzelnen Mitgliedstaaten sein, Pläne zur Verhütung und Bekämpfung von Verschmutzung aufzustellen und für die Ausstattung mit den für diese Aufgabe geeigneten Mitteln zu sorgen. Der Ausschuss muss mit Bedauern feststellen, dass — obwohl diese Zuständigkeit bereits besteht — nicht alle Mitgliedstaaten schon ausreichend auf Schiffsunglücke wie mit der „Erika“ und der „Prestige“ vorbereitet sind.

2.9

Die EMSA soll mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, damit die aufzustellenden Pläne zur Verhütung und Bekämpfung von Meeresverschmutzung systematisch und untereinander abgestimmt sind, und die Verwaltung der verfügbaren technischen Mittel (Spezialschiffe und andere Hilfsmittel) übernehmen, wofür es wünschenswert wäre, dass sie eine aktive Rolle in Notfallsituationen spielen kann, ohne dass die Mitgliedstaaten dadurch von ihrer Verantwortung entbunden würden. In diesem Sinne ist die Einfügung der neuen Ziffer iii) in Artikel 2 Buchstabe c) zu verstehen.

2.10

Der Ausschuss stellt ferner fest, dass im Falle des Charterns von Schiffen zur Ausführung dieser Aufgabe sichergestellt sein muss, dass der/die betreffende/n Reeder die einschlägigen gemeinschaftlichen und internationalen Rechtsvorschriften, insbesondere bezüglich der Sicherheit des Schiffes sowie der Lebens- und Arbeitsbedingungen (einschließlich des Befähigungsnachweises) der Besatzungsmitglieder, einhält/einhalten.

2.10.1

Es wäre nützlich klarzustellen, von wem und in welcher Form die zur Bekämpfung von Meeresverschmutzungen bereitgestellten Schiffe und Spezialgeräte betrieben werden sollen. Nach Ansicht des Ausschusses sollten für den Betrieb der während eines Katastropheneinsatzes verfügbaren Hilfsmittel die jeweiligen nationalen Behörden zuständig sein.

2.11

In Anbetracht der Tatsache, dass mehrere der im Mai 2004 beitretenden Staaten Küstenstaaten sind und dass den im November 2003 veröffentlichen Berichten über den Stand der Beitrittsvorbereitungen zufolge alle diese Staaten schwerwiegende Mängel im Bereich der administrativen und technischen Kapazitäten aufweisen, empfiehlt der Ausschuss, Sonderpläne zur Unterstützung dieser Länder bei der notwendigen Ausstattung aufzustellen. Dadurch könnte vermieden werden, dass es Gebiete gibt, die von keinem Plan erfasst sind bzw. dass es in bestimmten Gebieten an den erforderlichen Katastrophenschutzmitteln fehlt. Darüber hinaus müssen Formen der Zusammenarbeit mit Drittländern, die an die Mitgliedstaaten grenzen, gefunden werden.

2.12

Was die Aufnahme der Gefahrenabwehr im Seeverkehr in die Zuständigkeiten der Agentur anbelangt, so erkennt der Ausschuss an, dass auch auf diesem Gebiet die Effektivität der nationalen Pläne gewährleistet sein muss, die von den Mitgliedstaaten aufzustellen sind — ein Bereich, in die EMSA die Kommission unterstützen kann. Es wird jedoch darauf verwiesen, dass diese nationalen Pläne bisweilen militärische Komponenten beinhalten. Der Zugang dazu ist — auch vonseiten der EMSA — zwangsläufig begrenzt. Um eine Blockierung durch einige Mitgliedstaaten zu verhindern, müssen flexible Lösungen gefunden werden, die die Effektivität der nationalen Pläne im Einzelnen und zusammen genommen sicherstellen, aber gleichzeitig die Vorbehalte einiger Mitgliedstaaten berücksichtigen.

2.13

Vor allem ist zu gewährleisten, dass die Umsetzung und Durchführung der Vorschriften zur Erhöhung der Sicherheit von Schiffen und Hafenanlagen harmonisiert und geschlossen verlaufen, ohne dass ihre Ziele verfälscht werden.

2.14

Der Ausschuss muss leider feststellen, dass der Rat der Verkehrsminister in seiner Dezembersitzung grundsätzlich Einvernehmen über den Kommissionsvorschlag erzielt hat, ohne die Stellungnahme des EWSA und den Bericht des Europäischen Parlaments, die beide noch in Ausarbeitung sind, zu berücksichtigen. Da sich solche Situationen mit schöner Regelmäßigkeit wiederholen, ersucht der Ausschuss darum, ihm bei seiner Befassung ausreichende Fristen einzuräumen, damit er seine Stellungnahmen rechtzeitig fertig stellen kann.

2.15

Der Ausschuss ist ferner der Auffassung, dass die kürzlich in Gang gekommene Diskussion über die Schaffung einer gemeinschaftlichen Küstenwache vertieft werden sollte. Zwar handelt es sich um ein heikles Thema, das Fragen der Seehoheit und der Staatsgewalt in den Meeresgewässern berührt, doch könnte eine solche Küstenwache die EMSA bei der Ausübung ihrer Präventions- und Kontrollaufgaben ergänzen.

3.   Schlussfolgerungen

3.1

Der Ausschuss befürwortet den Kommissionsvorschlag und betont, dass die EMSA eine wichtige Rolle bei der Verbesserung der Seeverkehrssicherheit in den Mitgliedstaaten spielen kann. Er macht auf die Notwendigkeit aufmerksam, die Kompetenzen der EMSA und des Ausschusses für Seeverkehrssicherheit klar voneinander abzugrenzen.

3.2

Die EMSA soll bei der Bekämpfung der Meeresverschmutzung nicht an die Stelle der Mitgliedstaaten treten, sondern deren Handeln ergänzen.

3.3

Der Ausschuss stellt mit großem Bedauern fest, dass mehrere Mitgliedstaaten ungeachtet der Maßnahmenpakete Erika I und Erika II noch nicht angemessen mit den für einen Katastropheneinsatz notwendigen Gerätschaften und Personalkapazitäten ausgerüstet sind, und hält es daher für eine vorrangige Aufgabe, die entsprechende Ausstattung vorzunehmen.

3.3.1

Andererseits sind Verzögerungen bei der Bezeichnung der Notliegeplätze und Aufstellung der Notfallpläne durch die Mitgliedstaaten festzustellen; dieser Prozess muss daher beschleunigt werden, damit ein geschlossenes Netz für sämtliche Gemeinschaftsgewässer vorhanden ist.

3.4

Besondere Aufmerksamkeit verdient die Unterstützung der künftigen Mitgliedstaaten bei ihrer personellen und technischen Ausstattung im Bereich der Bekämpfung und Verhütung von Meeresverschmutzung.

3.5

Der Ausschuss empfiehlt, die Diskussion über die Schaffung einer gemeinschaftlichen Küstenwache, die die EMSA bei ihren Präventions- und Kontrollaufgaben ergänzen könnte, zu vertiefen.

Brüssel, den 28. Januar 2004

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Roger BRIESCH


(1)  ABl. L 208 vom 5.8.2002, S. 1.

(2)  Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über die Verbesserung der Gefahrenabwehr im Seeverkehr, KOM(2003) 229 endg.

(3)  ABl. C 221 vom 7.8.2001, S. 54.


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