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Document 52003AE0408

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der "Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Die Programmplanung der Strukturfonds 2000-2006: eine erste Bewertung der Gemeinschaftsinitiative URBAN" (KOM(2002) 308 endg.)

    ABl. C 133 vom 6.6.2003, p. 53–58 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

    52003AE0408

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der "Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Die Programmplanung der Strukturfonds 2000-2006: eine erste Bewertung der Gemeinschaftsinitiative URBAN" (KOM(2002) 308 endg.)

    Amtsblatt Nr. C 133 vom 06/06/2003 S. 0053 - 0058


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der "Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Die Programmplanung der Strukturfonds 2000-2006: eine erste Bewertung der Gemeinschaftsinitiative URBAN"

    (KOM(2002) 308 endg.)

    (2003/C 133/12)

    Die Kommission beschloss am 14. Juni 2002, den Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrages um Stellungnahme zu der vorgenannten Mitteilung zu ersuchen.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 6. März 2003 an. Berichterstatter war Herr Di Odoardo.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 398. Plenartagung am 26. März 2003 einstimmig folgende Stellungnahme.

    1. Einleitung

    1.1. In dem Kommissionsdokument wird die Gemeinschaftsinitiative URBAN II betreffend die wirtschaftliche und soziale Wiederbelebung der krisenbetroffenen Städte und Stadtrandgebiete zur Förderung einer nachhaltigen Stadtentwicklung einer ersten Bewertung unterzogen. Diese Bewertung nimmt Bezug auf das Kommissionsdokument vom 28. April 2000 betreffend die Leitlinien für diese Gemeinschaftsinitiative(1) und gibt eine Bestandsaufnahme nach abgeschlossener Auswahl der neuen Programme. Sämtliche URBAN II-Programme wurden Ende 2001 angenommen.

    1.2. URBAN ist eine der vier Initiativen, die im Rahmen der EU-Strukturfonds angenommen wurden, und soll Maßnahmen zur Unterstützung krisenbetroffener Stadtviertel fördern. Ihre drei Ausgabenschwerpunkte sind: physische und ökologische Erneuerung, soziale Eingliederung sowie Unternehmertum und Beschäftigung.

    1.3. Die Kommission weist in ihrer Mitteilung darauf hin, dass der zweite Kohäsionsbericht(2) die Städtefrage als entscheidenden Faktor für den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt in Europa definiert. Entsprechend dazu hat das Europäische Parlament in seiner Entschließung zu URBAN II(3) deutlich gemacht, dass der integrierte Ansatz als Wesensmerkmal der URBAN-Programme derzeit die einzige Möglichkeit zu sein scheint, um die Probleme in den städtischen Gebieten zu bewältigen.

    1.4. Die Initiative URBAN stellt somit eines der strategischen Instrumente für die Entwicklung einer gemeinschaftlichen Städtepolitik dar und kann Modellcharakter für politische Maßnahmen auf nationaler Ebene haben.

    2. Die Kernelemente des Kommissionsvorschlags

    2.1. Es wurden insgesamt 70 Programme ausgewählt, die eine Bevölkerung von ungefähr 2,2 Mio. Einwohnern betreffen. Die Beteiligung des EFRE beträgt rund 730 Mio. EUR, und die gesamten Investitionen belaufen sich auf 1600 Mio. EUR. Obwohl das Gesamtbudget von URBAN II etwas kleiner ist als in der ersten Runde, ist die Intensität der Unterstützung sowohl pro Einwohner als auch pro Programm gestiegen. Ferner haben die relativ kleinen Gebiete, die durch URBAN II abgedeckt werden, ein hohes Finanzierungsniveau pro km2 ermöglicht.

    2.2. Eine der wesentlichen Neuerungen im Rahmen von URBAN II besteht in der Einbeziehung von kleinen und mittleren Städten, da die in URBAN I vorgeschriebene Mindesteinwohnerzahl von 100000, bezogen auf die gesamte Stadt, abgeschafft wurde. Die einzige Auflage, die die Programmgebiete erfuellen müssen, ist eine Mindesteinwohnerzahl von 20000 (10000 in Ausnahmefällen).

    2.3. Die Kommission weist darauf hin, dass die Mitgliedstaaten ihre Gebiete anhand der jeweiligen lokalen und nationalen Prioritäten und Bedürfnisse auswählen konnten. Gleichzeitig hat die Vorgabe konkreter und objektiver Auswahlkriterien ein höheres Maß an Transparenz bei den Auswahlverfahren und an Kohärenz zwischen den Programmen und den Zielen der EU gewährleistet.

    2.4. Die 70 Programmgebiete verteilen sich ausgewogen auf Ziel 1-Gebiete (39 %), Ziel 2-Gebiete (27 %) und Gebiete außerhalb der allgemeinen Ziele (34 %). 31 der 70 Programme betreffen Innenstadtgebiete, 27 Programme betreffen Außenbezirke, 8 der Programme umfassen das gesamte Stadtgebiet kleiner und mittlerer Städte und 4 Programme betreffen gemischte Gebiete, also Innenstadt- und Außenbezirke, um die Verbindungen zwischen ihnen zu verbessern.

    2.5. Die URBAN II-Programme umfassen Gebiete mit gravierenden Benachteiligungen, in denen die Arbeitslosen-, Armuts-, Kriminalitäts- und Zuwanderungsrate weit über dem EU-Durchschnitt liegt.

    2.6. Eine Analyse der Ausgabenprioritäten für die ausgewählten Programme ergibt, dass 40 % der geplanten Ausgaben in die physische und ökologische Erneuerung, 21 % in die soziale Eingliederung, 21 % in Unternehmertum und Beschäftigung, 8 % in die Verbesserung des Verkehrssystems und 4 % in die Informations- und Kommunikationstechnologien fließen.

    2.7. Die Kommission weist in ihrer Mitteilung darauf hin, dass die Programme eine intensive Partnerschaft mit den lokalen Behörden und mit den Vertretungsorganisationen der Zivilgesellschaft vorsehen. Hierin unterscheidet sich URBAN II ganz wesentlich von den anderen Strukturfondsprogrammen. So fungiert denn auch bei einem Drittel der Programme ein Stadtrat als Verwaltungsbehörde, bei einem weiteren Drittel ist die Kommunalbehörde der Hauptakteur in der Partnerschaft mit der Zentralregierung und bei rund 57 der 70 Programme wurden die lokalen Partner beim Entwurf des Programmdokuments ausführlich konsultiert.

    2.8. URBAN II hat Gesamtinvestitionen von insgesamt 1600 Mio. EUR mobilisiert, die das Doppelte des EFRE-Beitrags ausmachen. Ermöglicht wurde dies durch zusätzliche Mittel, die größtenteils aus nationalen und lokalen Quellen kamen. Sehr viel geringer hingegen ist der Beitrag aus dem Privatsektor.

    2.9. Besonders positive Ergebnisse brachte die mit URBAN II vollzogene Verwaltungsvereinfachung. So hält die Kommission insbesondere die Entscheidung für sinnvoll, die Programme ausschließlich durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung finanzieren zu lassen, und innerhalb der Europäischen Kommission eine für URBAN II zuständige Abteilung zu schaffen. Dank dieser Vereinfachungen konnten die Programme im Vergleich zu den Strukturfondsprogrammen besonders schnell angenommen werden.

    2.10. 2 % der Mittel fließen in den Erfahrungsaustausch zwischen den Städten, die an einem URBAN-Programm teilnehmen. Dieser Austausch wird erstmals als Gemeinschaftsprogramm entwickelt.

    3. Allgemeine Bemerkungen

    3.1. Ausgesprochen positiv zu bewerten ist die Entscheidung der Kommission, der URBAN-Initiative Kontinuität zu verleihen, die bereits in der ersten, 1994 gestarteten Runde (deren abschließende Bewertung für 2003 aussteht) wichtige Ergebnisse brachte. Sowohl die städtischen Pilotprojekte als auch URBAN I haben sich als effiziente Instrumente für die Durchsetzung einer Politik zur Steigerung der Qualität der städtischen Umwelt und des Wohls der Bürger bewährt.

    3.2. Zu begrüßen ist ebenso, dass die Hoechstzahl der für URBAN II zugelassenen Programme von 54 auf 70 angehoben wurde, wie es der EWSA gefordert hat.

    3.3. Bedauernswert ist hingegen, dass die gesamte Mittelausstattung für URBAN von 950 Mio. EUR in den Jahren 1994/1999 (verteilt auf 118 Gebiete) auf 743,6 Mio. EUR für die zweite Runde gekürzt wurde. Der Ausschuss sieht in URBAN ein wichtiges Instrument für die Unterstützung der von der EU verfolgten Städtepolitik, sodass seines Erachtens, die für dieses Gemeinschaftsprogramm bereitgestellten Mittel künftig unbedingt aufzustocken sind.

    3.4. Der Ausschuss würdigt ferner sehr die Bemühungen um Vereinfachung der Verwaltungsverfahren für URBAN und befürwortet die Entscheidung der Kommission, nur einen Fonds (nämlich den EFRE) einzusetzen und die erwähnte Sonderabteilung zu schaffen. Dadurch konnten die bei der städtischen Erneuerung erworbenen Erfahrungen und Fachkenntnisse optimiert werden.

    3.4.1. Vor diesem Hintergrund schließt sich der EWSA dem Aufruf mehrerer Bürgermeister europäischer Städte an, die auf der Konferenz von London am 8. und 9. Juli 2002 zum Thema "Städte für Zusammenhalt: Lehren aus den europäischen URBAN-Programmen"(4) für eine Fortsetzung dieser Verwaltungsvereinfachung plädierten. Eine Aufforderung, die umso dringender wird, als eine größere Zahl kleiner und mittlerer Städte an dem Programm beteiligt ist.

    3.5. Für die Erreichung der mit URBAN II verfolgten Ziele sind die Errichtung eines Netzes zur Förderung des Austauschs von bewährten Praktiken im Rahmen dieses Programms und der angestrebte Ausbau einer Kultur von städtebezogenen Statistiken und Indikatoren von besonderer Bedeutung.

    3.5.1. Ein wichtiger Fortschritt wurde auch dadurch erzielt, dass der Erfahrungsaustausch zwischen den Städten, die an einem URBAN-Programm teilnehmen, erstmals als Gemeinschaftsprogramm entwickelt wurde.

    3.6. Begrüßenswert ist darüber hinaus, dass 40 % der geplanten Ausgaben in die physische und ökologische Erneuerung fließen. Dadurch wird die zentrale Rolle bekräftigt, die der Qualität der bebauten Flächen, Freiflächen und des architektonischen Erbes bei jedwedem Prozess der wirtschaftlichen und sozialen Wiederbelebung und Entwicklung der benachteiligten Städte zukommt. Es müssen unbedingt, nach dem Modell Frankreichs, Programme gefördert werden, bei denen die architektonische Qualität und ganz generell die Qualität der Flächenumwandlungsmaßnahmen im Mittelpunkt steht.

    4. Besondere Bemerkungen

    4.1. Die lokale Partnerschaft

    4.1.1. Die Partnerschaft mit Kommunalbehörden und lokalen Gemeinschaftsgruppen gilt als eine der zentralen Herausforderungen und als eine der besten Quellen für den Mehrwert des Programms URBAN: sie ist in der Tat der beste Weg für die Förderung des europäischen Modells der Governance und der Beteiligung der Zivilgesellschaft.

    4.1.2. Auf der erwähnten Konferenz von London wurde die Notwendigkeit bekräftigt, die Städte künftig in stärkerem Maße direkt in die Programmierung und Verwaltung der sie betreffenden Projekte einzubeziehen.

    4.1.3. Trotz der erfolgten Fortschritte wird beklagt, dass die Verwaltung der Programme zu einem großen Prozentsatz immer noch offiziell den nationalen Behörden übertragen wird.

    4.1.4. Der Ausschuss ist der Ansicht, dass künftig ausdrücklich verlangt werden muss, die Verwaltung ausnahmslos einer lokalen Behörde zu übertragen. Vor dem Hintergrund der gemachten Erfahrung trägt dies auch zur Vereinfachung der Programmverwaltung bei.

    4.1.5. Eventuell müsste zumindest die Anwesenheit von Vertretern der lokalen Behörden in allen Kontrollgremien gewährleistet werden, die gemäß Artikel 35 der Verordnung des Rates mit allgemeinen Bestimmungen über die Strukturfonds(5) vorgesehen sind.

    4.1.6. Auf die Bedeutung einer direkten Beteiligung der organisierten gesellschaftlichen Interessengruppen hat der EWSA bereits mehrfach hingewiesen, insbesondere in seiner Stellungnahme zu der Mitteilung der Kommission an die Mitgliedstaaten über die Leitlinien für URBAN II(6).

    4.1.7. In dieser Stellungnahme hat der Ausschuss betont, wie wertvoll der spezifische Beitrag der Sozialpartner in einem Programm wie URBAN ist, das auf schwerwiegende Probleme in Wirtschaft und Beschäftigung einwirken soll. Darin empfiehlt er auch, umfassende und effiziente Partnerschaften zu fördern, an denen die Wirtschafts- und Sozialpartner, die nichtstaatlichen Organisationen und die lokalen Vereinigungen beteiligt werden sollten.

    4.1.8. Bei den zusammenfassenden Daten nach Programmen liefert die Kommission in ihrer Mitteilung gleichwohl keine aussagekräftigen Elemente, anhand deren man die tatsächliche Beteiligung dieser Akteure bewerten kann. Stattdessen beschränkt sie sich auf allgemeine Überlegungen über die Beteiligung der lokalen Vereinigungen an den Verfahren zur Auswahl und Verwaltung der Programme.

    4.1.9. Somit müsste nach Ansicht des EWSA ein analytischer Rahmen erarbeitet werden, der Aussagen darüber macht, bei welchen und wie vielen der 70 Programme die zivilgesellschaftlichen Organisationen tatsächlich und in welcher Form an der Konzipierung und Auswahl der Projekte ebenso wie an der Verwaltung beteiligt waren.

    4.1.10. Darüber hinaus müssen einige Regeln aufgestellt werden, die die Konzertierung mit diesen Akteuren gewährleisten, sodass diese Praxis nicht mehr nur empfohlen, sondern für die URBAN-Programme zur Auflage wird. Auf diese Weise können die lokalen Gemeinschaften und gesellschaftlichen Interessenvertretungen ihr Recht auf Mitwirkung an den Planungsprozessen ausüben, die Einfluss auf die Lebensqualität und Entwicklungschancen haben. Dieses Recht ist im Übrigen auf der UN-Konferenz über menschliche Siedlungen HABITAT II im Jahr 1995(7) bekräftigt worden.

    4.1.11. Der EWSA fordert zudem, dass auch den gesellschaftlichen Interessenvertretungen eine Präsenz in den Kontrollgremien oder etwaigen Verwaltungsausschüssen zugesichert wird.

    4.1.12. Dies wäre ein maßgeblicher Schritt in Richtung eines bürgernäheren Europa und würde die Sichtbarkeit der URBAN-Programme steigern.

    4.2. Einbeziehung von Privatmitteln

    4.2.1. In dem Kommissionsdokument wird die Hebelwirkung der URBAN-Programme beleuchtet, d. h. die Fähigkeit, zusätzliche Mittel und Investitionen des öffentlichen wie des privaten Sektors zu mobilisieren.

    4.2.2. Das mit öffentlichen Partnern erzielte Ergebnis ist durchaus positiv, denn es wurden Mittel mobilisiert, die sich auf mehr als das Doppelte der durch den Europäischen Fonds für Regionalentwicklung (EFRE) verfügbaren Mittel belaufen.

    4.2.3. Völlig unbefriedigend ist hingegen der Anteil privater Mittel, denn diese betrafen lediglich 35 von 70 URBAN-Programmen und machten dann nur 8 % der Programmfinanzierung aus. Die Kommission führt dieses Ergebnis darauf zurück, dass es für die - stark heruntergekommenen - URBAN II-Gebiete schwierig sei, private Investitionen anzulocken; diese Begründung könnte jedoch parteiisch erscheinen.

    4.2.4. Nach Ansicht des Ausschusses ist eine derart geringe Auswirkung privater Investitionen auch darauf zurückzuführen, dass die örtlichen privaten Wirtschaftskräfte und insbesondere der Mittelstand und das Handwerk - gerade in mittelgroßen Städten die wesentlichen Beschäftigungs- und Wohlstandsförderer - nicht hinreichend einbezogen wurden, schon gar nicht in die Erarbeitung der Programme.

    4.2.5. Aus diesen Gründen empfiehlt sich eine genauere Analyse der 70 Programme, die Aufschluss darüber gibt, inwiefern sie tatsächlich Mittel des Privatsektors anlocken können. Sofern diese Kompetenz die Ziele der Wirksamkeit und wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit sowie die Ziele der sozialen Gerechtigkeit in Einklang bringt, ist sie ein entscheidender Faktor für die wirtschaftliche und soziale Wiederbelebung krisenbetroffener Gebiete und darüber hinaus ein Gradmesser für die Wirksamkeit öffentlicher Maßnahmen. Des Weiteren hat die fortgeschrittenere Forschung über Planungsinstrumente in den letzten Jahren festgestellt, dass die abgestimmte Stadtplanung eine wirksame Methode zur Freisetzung öffentlich-privater Synergien ist, welche die Realisierbarkeit und konkrete Nutzbarkeit der Stadterneuerungsmaßnahmen gewährleisten können.

    4.3. Wohnungspolitik und URBAN-Programme

    4.3.1. Wohnungsbaumaßnahmen können nicht unmittelbar aus dem Europäischen Fonds für Regionalentwicklung finanziert werden. Gleichwohl dürfen die Städteproblematik und die Probleme des Städteniedergangs nicht von der Wohnungsfrage getrennt beleuchtet werden, unter der ebenso der Bau neuer Wohnungen wie die Nutzbarmachung und der Renovierung von Wohngebäuden zu verstehen sind.

    4.3.2. In Anhang I des Dokuments über die Leitlinien der Kommission für URBAN II(8) wird anerkannt, dass Stadtentwicklungsmaßnahmen mit der Verbesserung der Wohnverhältnisse einhergehen und die Programme daher angemessene Zusatzmittel vorsehen müssen, die von den lokalen und/oder nationalen Behörden zur Verfügung gestellt werden. In diesem Zusammenhang ist der Ausschuss der Ansicht, dass die Kommission Steuererleichterungen für die MWSt. auf Renovierungsarbeiten an Wohngebäuden auf sämtliche EU-Länder ausdehnen sollte.

    4.3.3. In seiner Stellungnahme zu den Leitlinien hat der Ausschuss diese Präzisierung nachdrücklich begrüßt und betont, dass so Maßnahmen verhindert werden könnten, die letztendlich unwirksam seien, da ihnen eine wichtige Komponente wie der Wohnungsbau fehle.

    4.3.4. Es sollte untersucht werden, welchen der 70 URBAN-Projekte die lokalen und nationalen Behörden speziell für den Wohnungsbau bestimmte Zusatzmittel zugewiesen haben.

    4.3.5. Es bleibt jedoch die Frage, warum der Europäische Fonds für Regionalentwicklung jeden möglichen Eingriff in den öffentlichen Wohnungsbau - auch in hochexperimentelle Gemeinschaftsprojekte - ausschließen muss.

    4.3.6. Dieses Instrument wäre z. B. für das Problem der Einwandererintegration besonders hilfreich - gerade in URBAN-Gebieten, in denen der Anteil ethnischer Minderheiten, Einwanderer und Flüchtlinge vier Mal so hoch wie in der gesamten EU ist. Einer der Gründe für das weitverbreitete Unbehagen dieser Menschen hängt gewiss auch damit zusammen, dass sie mit unwürdigen Wohnverhältnissen vorlieb nehmen müssen.

    4.4. Dienstleistungen als Gradmesser der Städtequalität

    4.4.1. Der Niedergang vieler Städte ist sicherlich auch darauf zurückzuführen, dass es an Dienstleistungen, insbesondere zur Behandlung und Betreuung, fehlt. Erst wenn Dienstleistungen in angemessener Zahl vorhanden sind, kann ihre gerechtere Umverteilung in der Stadt am ehesten gewährleistet werden. In der Stellungnahme über die "Mitteilung der Kommission: Wege zur Stadtentwicklung in der Europäischen Union"(9) unterstrich der Ausschuss "die herausragende Bedeutung der öffentlichen Dienste für die Stadtentwicklung, insbesondere zur Gewährleistung der Erzeugung von Gütern und Erbringung von Dienstleistungen, die gemeinnützig sind, und zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts" sowie die Notwendigkeit der "Feststellung der wichtigsten Erfordernisse im Infrastruktur- und Dienstleistungsbereich (...) in der Verwaltung der Städte und der Gebiete".

    4.4.2. Dieser Aspekt sollte ausdrücklich unter die sozioökonomischen Indikatoren für Stadtgebiete der URBAN-II-Initiative aufgenommen werden. Eine Qualitäts- und Quantitätsanalyse der Dienstleistungen - insbesondere der öffentlichen Dienstleistungen - und ihrer Zugänglichkeit ist nämlich ein bedeutender Parameter für die Ermittlung von Ausmaß und Ursachen des Niedergangs.

    4.4.3. Nach Ansicht des Ausschusses muss jedoch dafür gesorgt werden, dass die Kompetenz von URBAN, Qualität und Quantität der Dienstleistungen in den maßnahmenbetroffenen Vierteln zu steigern, überwacht wird - insbesondere in den Zwischenbewertungen der Programme.

    4.5. Nachhaltige Entwicklung und ältere Bevölkerung

    4.5.1. Das Phänomen der zunehmenden Bevölkerungsalterung betrifft sämtliche Länder der Europäischen Union und ist eine der größten Herausforderungen für die künftige Entwicklungspolitik und zuallererst für die Städtepolitik. In vernachlässigten Stadtteilen (insbesondere in heruntergekommenen historischen Stadtzentren) ist oftmals zu beobachten, dass ältere Langzeitbewohner, denen die Aufgabe ihrer eigenen vier Wände besonders schwer fällt, und Einwanderer zusammenleben, die sich hauptsächlich in heruntergekommen Stadtteilen niederlassen. Ferner gehören Senioren zu den Menschen, die am stärksten unter den Verhältnissen in krisenbetroffenen Städten, dem Fehlen von Dienstleistungen und der verbreiteten Kriminalität leiden.

    4.5.2. Genereller erfordert der steigende Prozentsatz der über 60-Jährigen in der europäischen Bevölkerung eine Änderung der städtepolitischen Strategie sowie Maßnahmen, im Rahmen derer nicht nur die Lebensbedingungen der Senioren umgehend verbessert, sondern auch die Strukturen unserer Städte zugunsten einer alternden Bevölkerung überdacht werden.

    4.5.3. Dieses Problem sollte folglich zu den kohäsionspolitischen Prioritäten der Union zählen, ganz so wie Einwandererintegration, Chancengleichheit und Arbeitslosigkeit.

    4.5.4. Auf diesen Aspekt geht die Kommission in ihren Analysen der URBAN II-Programme nur allgemein mit dem Hinweis ein, dass in der Alterspyramide des URBAN-Gebietes der Prozentsatz älterer Menschen leicht über demjenigen der für das Städte-Audit ausgewählten Städte liege.

    4.5.5. Aus diesen Gründen sollten die Programmmaßnahmen, die sich speziell an die ältere Bevölkerung richten, eingehender untersucht werden und insbesondere dieses Problem unter die Prioritäten von URBAN aufgenommen werden.

    4.6. Das Ausufern der Städte (urban sprawl)

    4.6.1. Das Gemeinschaftsprogramm URBAN richtet sich an krisenbetroffene Stadtteile und beruht auf den herkömmlichen Interpretationskategorien des Städtekonzepts: Stadt, Stadtteil, Zentrum, Stadtrand.

    4.6.2. Eine der wesentlichen strategischen Neuheiten von URBAN II besteht darin, dass es sich an kleine und mittelgroße Gebiete richtet. In ihrer Mitteilung weist die Kommission darauf hin, dass neben der Bevölkerung auch die geringe Größe der programmbetroffenen Gebiete zur Erhöhung der Beihilfe pro km2 beigetragen habe und die räumliche Konzentration der Maßnahmen sich positiv auf die Lokalplanung und die mögliche Wiederbelebung des städtischen Gebiets auswirke.

    4.6.3. Aus den jüngsten Forschungsarbeiten über Städtestudien geht jedoch hervor, dass in den letzten Jahren das traditionelle Städtekonzept in weiten Teilen des EU-Gebiets in die Krise geraten ist. Wer die Karten weitläufiger EU-Gebiete betrachtet - und mehr noch - wer diese Gebiete bereist oder bewohnt, der begreift, dass viele der Kategorien, mit denen gewöhnlich das "städtische Gebilde" wahrgenommen wird, krisenbetroffen sind.

    4.6.4. Die starke Zunahme der individuellen Mobilität sowie der Verkehrs- und Kommunikationsinfrastrukturnetze, der Anstieg der dezentralisierten Produktion und des internationalisierten Vertriebs sowie die neuen Strategien zur Produktions- und Handelsauslagerung haben das Phänomen des Ausuferns der Städte, der ausgebreiteten Stadt verstärkt. Wir werden mit einer immer stärkeren "Invasion des Raumes" und der Ausdehnung städtischer Verhältnisse in weitläufige Gebietsteile konfrontiert, die wir gewöhnlich als ländliches Gebiet ansahen. Auf diese Weise nehmen auch die für Städte typischen ökologischen Belastungen zu.

    4.6.5. Die von der städtischen Ausbreitung betroffenen Gebiete sind oftmals von einem starken Niedergang, Armut, geringer natürlicher und ökologischer Qualität und einem Identitätsverlust gekennzeichnet und stellen daher neue Herausforderungen dar. Angesichts dieser Verhältnisse erscheinen viele Interpretations- und Maßnahmenkriterien der URBAN-Programme wirkungslos. Die Konzepte Stadt, Stadtteil, Zentrum und Stadtrand verschwimmen, und insbesondere der Parameter natürliche Dimension der geographischen URBAN-Gebiete verliert jede Bedeutung. Wie intensiv ein Gebiet mit städtischer Auflösung durch eine Maßnahme gefördert wird, lässt sich gewiss nicht an den pro km2 investierten Mitteln ablesen.

    4.6.6. Der Ausschuss hat bereits früher auf dieses Problem hingewiesen; insbesondere in der Stellungnahme "Aktionsrahmen für eine nachhaltige Stadtentwicklung in der Europäischen Union"(10) betonte er, dass die EU durch die Entwicklung der Stadt des dritten Jahrtausends hin zu netzartigen überdimensionalen Stadtstrukturen zu einer alternativen, wettbewerbsfähigen und kompatiblen Planung der Stadt- und Raumentwicklung herausgefordert werde.

    4.6.7. Es muss überprüft werden, ob die neuen Aspekte der Städteproblematik künftig vom URBAN-Programm tatsächlich experimentell und innovativ angegangen werden - mit Maßnahmen, welche die Phänomene städtischer Ausbreitung regeln und eine Politik zur Wiederbelebung dieser Gebiete schaffen sollen.

    4.7. Schlussfolgerungen

    4.7.1. Abschließend wird in der Kommissionsmitteilung die Frage nach der Zukunft der URBAN-Initiative gestellt. Der Ausschuss empfiehlt, diese Innovationsprogramme fortzuführen und auch hinsichtlich der verwendeten Wirtschaftsmittel auszubauen; er hofft, dass viele der über die URBAN-Programme entwickelten Methoden und Verfahren bei der allgemeineren Strukturfondsverwaltung angewandt werden.

    4.7.2. Nachdem die Besonderheit der Städteproblematik betont wurde, müssen vermehrt Maßnahmenstrategien entwickelt werden, welche die notwendigen Sektormaßnahmen und die Integrationskultur zwischen ökonomischer Entwicklung, sozialem und wirtschaftlichem Zusammenhalt, Beschäftigung, Bedeutung der Teilnahme der Wirtschafts- und Sozialakteure sowie Aufwertung und Schutz der Umweltqualität und der bebauten Umwelt miteinander in Einklang bringen - das Ganze unter Bedingungen, die eine kompatible und kohärente Entwicklung begünstigen.

    Brüssel, den 26. März 2003.

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Roger Briesch

    (1) Mitteilung der Kommission an die Mitgliedstaaten vom 28. April 2000 über die Leitlinien für eine Gemeinschaftsinitiative betreffend die wirtschaftliche und soziale Wiederbelebung der krisenbetroffenen Städte und Stadtrandgebiete zur Förderung einer dauerhaften Städteentwicklung - URBAN II, ABl. C 141 vom 19.5.2000.

    (2) "Einheit Europas, Solidarität der Völker, Vielfalt der Regionen - Zweiter Bericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt", Europäische Kommission (2001).

    (3) ABl. C 339 vom 29.11.2000, S. 44-47.

    (4) Schlussfolgerungen der Konferenz "Städte für Zusammenhalt: Lehren aus den europäischen URBAN-Programmen" - London 8. und 9. Juli 2002.

    (5) ABl. L 161 vom 26.6.1999.

    (6) Stellungnahme des EWSA zu der Mitteilung der Kommission an die Mitgliedstaaten über Leitlinien für eine Gemeinschaftsinitiative betreffend die wirtschaftliche und soziale Wiederbelebung der krisenbetroffenen Städte und Stadtrandgebiete zur Förderung einer dauerhaften Städteentwicklung: URBAN II - ABl. C 51 vom 23.2.2000, S. 89.

    (7) Vgl. UNO-Generalversammlung, Organisationsausschuss der Konferenz der Vereinten Nationalen über menschliche Siedlungen (HABITAT II) - Vorentwurf der Erklärung über die Prinzipien und Verpflichtungen und des globalen Aktionsplans - Agenda HABITAT 26. Oktober 1995.

    (8) Mitteilung der Kommission an die Mitgliedstaaten vom 28. April 2000 über die Leitlinien für eine Gemeinschaftsinitiative betreffend die wirtschaftliche und soziale Wiederbelebung der krisenbetroffenen Städte und Stadtrandgebiete zur Förderung einer dauerhaften Städteentwicklung - URBAN II, ABl. C 141 vom 19.5.2000.

    (9) Stellungnahme des WSA vom 28. Januar 1998, ABl. C 95 vom 30.3.1998, S. 89.

    (10) Stellungnahme des WSA vom 20. Oktober 1999, ABl. C 368 vom 20.12.1999, S. 62.

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