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Document 52002AE1362

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der "Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über eine Gemeinschaftspolitik zur Rückkehr illegal aufhältiger Personen" (KOM(2002) 564 endg.)

ABl. C 85 vom 8.4.2003, p. 51–55 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

52002AE1362

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der "Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über eine Gemeinschaftspolitik zur Rückkehr illegal aufhältiger Personen" (KOM(2002) 564 endg.)

Amtsblatt Nr. C 085 vom 08/04/2003 S. 0051 - 0055


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der "Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über eine Gemeinschaftspolitik zur Rückkehr illegal aufhältiger Personen"

(KOM(2002) 564 endg.)

(2003/C 85/15)

Die Kommission beschloss am 14. Oktober 2002, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu der vorgenannten Mitteilung zu ersuchen.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 25. November 2002 an. (Berichterstatter war Herr Pariza Castaños).

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 395. Plenartagung am 11. und 12. Dezember 2002 (Sitzung vom 11. Dezember) mit 103 Stimmen bei einer Gegenstimme und 10 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme.

1. Wesentlicher Inhalt der Kommissionsvorlage

1.1. Die Rückkehrpolitik ist für die Kommission ein fester Bestandteil der Einwanderungs- und Asylpolitik. Die Kommission führt aus, dass dies zum einen eine Konsolidierung der Kanäle der legalen Einwanderung voraussetze, so dass Personen, die Schutz brauchen, auch Zugang dazu erhalten, und dass zum anderen die (vorzugsweise freiwillige, nötigenfalls aber auch zwangsweise) Rückführung illegal aufhältiger Personen zu veranlassen sei, denn "ein glaubwürdiges Risiko einer zwangsweisen Rückführung und ihres konsequenten Vollzugs übermittelt illegal aufhältigen Personen in den Mitgliedstaaten und potenziellen illegalen Migranten außerhalb der EU die deutliche Botschaft, dass illegale Einreise und illegaler Aufenthalt nicht zu der von ihnen erhofften dauerhaften Form des Aufenthalts führen"(1). Die Rückkehrpolitik sei daher ein notwendiges Element einer umfassenden Einwanderungs- und Asylpolitik.

1.2. Mit dieser Mitteilung entspricht die Kommission auch einer Forderung des Europäischen Rates von Sevilla vom 21. und 22. Juni 2002, bis Jahresende die Grundlagen für eine Ausweisungs- und Rückführungspolitik anzunehmen.

1.3. Die Kommission hatte sich bereits vor der Festlegung der Grundlagen einer Rückkehrpolitik mit dieser Frage befasst und eine breite Konsultation zu dieser Thematik eingeleitet. Sie legte dazu ein Grünbuch(2) vor und rief zu einem Meinungsaustausch auf, der am 16. Juli 2002 mit einer Konferenz abgeschlossen wurde, an der Organisationen und Einrichtungen aus allen Mitgliedstaaten und den Beitrittsländern teilnahmen. Auch der EWSA war auf dieser Konferenz vertreten.

1.4. Die Mitteilung, die Gegenstand dieser Stellungnahme ist, befasst sich nur mit der Frage der Rückkehr von Personen, die sich irregulär in der EU aufhalten (bzw. illegal aufhältigen Personen, wie es in der Terminologie der Mitteilung heißt). Eine künftige Mitteilung soll sich dann mit der Frage der Rückkehr von Personen beschäftigen, die sich regulär hier aufhalten und in ihr Herkunftsland zurückkehren wollen, sowie mit der Frage, welcher Nutzen für die Entwicklung ihres Herkunftslandes aus ihrer Rückkehr erwachsen kann.

1.5. Die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten mit dem Ziel einer höheren Effizienz bei der Rückführung illegal aufhältiger Personen ist der Aspekt, dem in der Mitteilung der breiteste Raum gewidmet wird. Dazu wird es als notwendig erachtet, kurzfristig Maßnahmen zur operationellen Zusammenarbeit und mittelfristig gesetzgeberische Maßnahmen zu ergreifen, wozu gemeinsame Standards aufgestellt werden sollen, wie z. B. die gegenseitige Anerkennung von Rückführungsentscheidungen zwischen den Mitgliedstaaten.

1.6. Die operationelle Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten als kurzfristige Maßnahme umfasst folgende Aspekte:

- Neue statistische Methoden, unter denen die Kommission auch die Veröffentlichung eines umfassenden Jahresberichtes über die Statistiken im Bereich Asyl und Migration aufführt.

- Direkte Vernetzung unter den für den Vollzug der Rückkehr zuständigen Behörden der einzelnen Mitgliedstaaten.

- Austausch von Erfahrungen und bewährten Praktiken, u. a. durch Erarbeitung eines Handbuchs bewährter Praktiken.

- Gemeinsame Ausbildung der Rückkehrvollzugsbeamten durch Seminare, regelmäßige Sitzungen usw.

- Verbesserung der Möglichkeiten zur Identifizierung illegal aufhältiger Personen, die keine Papiere vorweisen oder besitzen. Dazu wird die Einrichtung einer Datenbank mit gescanntem Foto und gescanntem Reisedokument aller Personen vorgeschlagen, die in einem beliebigen Konsulat in einem Mitgliedstaat ein Visum beantragen.

- Amtshilfe unter den Behörden der Mitgliedstaaten für Transitfälle, in denen für die Rückführung Flughäfen anderer Mitgliedstaaten benutzt werden müssen oder deren Hoheitsgebiet überquert werden muss, sowohl bei zwangsweiser als auch bei freiwilliger Rückkehr.

- Erleichterung der Arbeit der Verbindungsbeamten für Einwanderung in den Herkunfts- oder Transitländern.

- Nutzung gemeinsamer Charterfluege zur Senkung der Kosten einer Rückführung illegal aufhältiger Personen.

- Schaffung eines besseren Koordinierungsrahmens, erstens durch eine stärkere Nutzung des ICONet und zweitens durch die Einrichtung einer technischen Unterstützungseinheit.

1.7. Die mittelfristig aufzustellenden gemeinsamen Mindeststandards zur Entwicklung einer engeren Zusammenarbeit unter den Mitgliedstaaten umfassen folgende Aspekte:

- Ausweisung von Personen, die nach einer Ausweisungsverfügung eines Mitgliedstaates in einem anderen Mitgliedstaat aufgegriffen werden. Dieses Ziel macht die Schaffung eines verbindlichen rechtlichen Rahmens erforderlich, damit der zweite Mitgliedstaat die vom ersten erlassene Ausweisungsverfügung vollzieht.

- Mindeststandards, die in einem Abschiebeverfahren zu beachten sind. Wie ist zum Beispiel zu verfahren, wenn die abzuschiebende Person körperlich oder geistig krank ist, wenn es sich um einen Minderjährigen oder eine Schwangere handelt oder wenn durch die Abschiebung eine Familie auseinandergerissen werden würde, oder auch, wenn der körperliche Widerstand des Auszuweisenden überwunden werden muss usw. Die Vereinbarung gemeinsamer Standards ist wichtig, damit die Mitgliedstaaten bereit sind, am Vollzug der von einem anderen Mitgliedstaat verfügten Abschiebung mitzuwirken.

- Mindeststandards für die Unterscheidung zwischen zwingenden Ausweisungsgründen, z. B. wegen einer ernsten Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die nationale Sicherheit, und sonstigen, weniger schwerwiegenden Gründen, denn die gegenseitige Anerkennung von Rückführungsentscheidungen kommt je nachdem, wie schwerwiegend der Grund ist, nicht in gleicher Weise zum Tragen. Nötig sind darüber hinaus Mindestgarantien für eine richterliche Überprüfung der Rückführungsentscheidungen.

- Harmonisiertes Vorgehen in Situationen, in denen der legale Aufenthalt endet und der Betreffende von da an als illegal aufhältige Person zu betrachten ist.

- Mindeststandards für die Haftbedingungen von Personen in Abschiebungshaft. Dazu sind die Personengruppen festzulegen, die nicht in Abschiebungshaft genommen werden sollen, wie z. B. unbegleitete Kinder und Minderjährige, ältere Personen, Schwangere, Personen mit schweren Behinderungen usw.

- Regeln für den Nachweis der erfolgten Rückkehr, insbesondere im Fall der freiwilligen Rückkehr.

1.8. In der Mitteilung wird das Konzept "integrierter Rückkehrprogramme" entwickelt, die die Möglichkeiten einer freiwilligen Rückkehr erleichtern und die erfolgreiche Wiedereingliederung des Rückkehrers in seinem Herkunftsland fördern sollen. Dazu sollen Projekte konzipiert werden, die die Beratung vor der Rückkehr, Unterstützung bei der Reise sowie bei der Ausbildung und beruflichen Wiedereingliederung, Hilfe bei der Wohnungssuche usw. umfassen. Dazu sollten Anreize geprüft werden, die potenzielle Rückkehrer zur freiwilligen Rückkehr in ihr Herkunftsland ermutigen, und es muss eine ausreichende finanzielle Unterstützung bereitgestellt werden, um die effektive Umsetzung dieses Vorschlags sicherzustellen. Die Kommission will auch die Möglichkeit der Schaffung eines gemeinschaftlichen Finanzinstruments prüfen.

1.9. Die Wirksamkeit der Rückkehrpolitik hängt, insbesondere bei zwangsweiser Rückführung, ganz von der Kooperationsbereitschaft der Herkunfts- und Transitländer ab. Diese müssen zur Rückübernahme ihrer eigenen Staatsangehörigen bzw. derjenigen, die ihr Hoheitsgebiet im Transit benutzt haben, und die dann illegal in einem Mitgliedstaat aufgegriffen wurden, bereit sein. Die Zusammenarbeit mit diesen Ländern wird in der Mitteilung unter folgenden Aspekten gesehen:

- Verwaltungskooperation zur Förderung des Aufbaus bestimmter Institutionen in den Herkunftsländern und zur Entwicklung von Reintegrationsmaßnahmen für die Rückkehrer.

- Rückübernahmeabkommen sind schwer abzuschließen, wenn den Herkunftsländern, die dazu bewegt werden sollen, keine spezifischen Anreize geboten werden. Die Kommission sieht daher die Notwendigkeit, geeignete Anreize zu finden und zu beschließen.

- Kooperation mit Transitländern, damit sie Personen, die nicht unmittelbar in ihr Herkunftsland zurückgeführt werden können, einreisen lassen.

1.10. Die Kommission schließt ihre Mitteilung mit der Aufforderung an den Rat, das Rückkehraktionsprogramm bis zum Jahresende anzunehmen.

2. Allgemeine Bemerkungen

2.1. Die Mitteilung wird nach Abschluss der Konsultation vorgelegt, die mit der Veröffentlichung des Grünbuchs zum gleichen Thema eingeleitet wurde. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt, dass diese Konzepte in einem partizipativen Ansatz erarbeitet wurden. Die Kommission und der Rat müssen mit den einzelnen Vorschlägen angemessen weiter verfahren. Der Ausschuss nimmt zufrieden zur Kenntnis, dass die Kommission mehrere Vorschläge aus seiner Stellungnahme in ihrer Mitteilung berücksichtigt hat.

2.2. In seiner Stellungnahme zum Grünbuch hat sich der Ausschuss bereits mit den meisten Fragen beschäftigt, die nun in der Kommissionsmitteilung thematisiert werden. Daher brauchen die früheren Vorschläge in dieser Stellungnahme nicht erneut vorgetragen zu werden. Vielmehr sollen die früheren Überlegungen hier ergänzt und fortgeführt werden.

2.3. Man muss sich immer vor Augen halten, dass jemand "ohne Papiere" kein Mensch ohne Rechte und ein irregulärer Einwanderer kein Verbrecher ist, auch wenn seine Lage nicht gesetzeskonform ist. Nachdrückliche Unterstützung findet die in Ziffer 1.2.3 der Mitteilung enthaltene Betonung der notwendigen Beachtung von Menschenrechtsstandards, die auch für Menschen "ohne Papiere" gelten. Hierzu gehören insbesondere auch Standards im Bereich der sozialen und wirtschaftlichen Rechte.

2.4. Diese Mitteilung bezieht sich, wie gesagt, fast ausschließlich auf die Rückkehr von Personen, die sich irregulär in der EU aufhalten. Der Ausschuss sieht durchaus die Notwendigkeit, den auf der Ratstagung in Sevilla eingeschlagenen Weg weiterzugehen, möchte jedoch einmal mehr betonen, dass die gesetzgeberischen Schritte zur Ausstattung der EU mit einer gemeinsamen Politik für die Wirtschaftsimmigration, die eine Steuerung der Zuwanderung auf legale und transparente Weise ermöglicht, und auch zur Schaffung eines gemeinsamen Asylrechts beschleunigt werden müssen.

2.5. Der Ausschuss erinnert die Kommission daran, dass er in verschiedenen Stellungnahmen die Notwendigkeit betont hat, Schritte zur Regularisierung zu ergreifen. Die zwangsweise Rückführung kann, wie die Kommission selbst sagt, nur ein ergänzendes Element einer Einwanderungspolitik sein. Für den Ausschuss sind Ausweisung und obligatorische Repatriierung radikale Mittel.

2.6. Die Kommission hat angekündigt, dass sie demnächst eine Mitteilung über das Verhältnis von Migration und Entwicklung ausarbeiten wird, in der untersucht werden soll, welchen Nutzen die Rückführung aufhältiger Personen in die Herkunftsländer für die Entwicklung dieser Länder hat. Der Ausschuss nimmt die Ankündigung dieser neuen Mitteilung gern zur Kenntnis, ist jedoch der Auffassung, dass die zwangsweise Rückführung irregulärer Zuwanderer von Unterstützungsmaßnahmen flankiert sein muss, wenn sie für die Entwicklung des Herkunftslandes von Nutzen sein soll. Dieser Gedanke wird zwar in Abschnitt 2.4 über "Integrierte Rückkehrprogramme" erörtert, aber auf zu allgemeine Weise.

2.7. In seiner Stellungnahme zum Grünbuch hat der Ausschuss bereits deutlich gemacht, dass nach Kräften eine freiwillige Rückkehr unterstützt werden sollte und die zwangsweise Rückführung als letztes Mittel zu betrachten ist. In ihrer jetzigen Mitteilung hält die Kommission es ebenfalls für zweckmäßig, die freiwillige Rückkehr zu fördern, doch findet dieser Gedanke in der Entwicklung der konkreten Vorschläge keinen adäquaten Niederschlag. Der ausführlichste Teil der Mitteilung, der auch die konkretesten Maßnahmen enthält, bezieht sich auf die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zur Organisierung der zwangsweisen Rückführung.

2.8. Die Herausstellung der freiwilligen Rückkehr ist auch deshalb geboten, weil sich grundsätzlich nur auf dieser Grundlage und in diesem Rahmen (humanitäre) Nichtregierungsorganisationen an Rückkehraktivitäten beteiligen. Eine solche Beteiligung ist aber sehr wünschenswert und mitunter Voraussetzung für den Erfolg von Rückkehrprogrammen. Insoweit sollte die Behandlung der Thematik nicht auf den (rein) zwischenstaatlichen Bereich beschränkt bleiben.

2.9. Eine Rückkehrpolitik muss den Menschenrechten und den Grundfreiheiten Rechnung tragen. Der Ausschuss hat bereits in seiner Stellungnahme zum Grünbuch daran erinnert, dass Artikel 3, 5, 6, 8 und 13 der Europäischen Menschenrechtskonvention und Artikel 3, 4, 19, 24 und 47 der Grundrechtscharta Bestimmungen enthalten, die auf eine Politik zur Rückkehr illegal aufhältiger Personen anwendbar sind.

2.10. Die freiwillige Rückkehr wird vor allem im Abschnitt über "Integrierte Rückkehrprogramme" erörtert, doch auf einem wesentlich geringeren Konkretisierungsniveau. Der Ausschuss fordert die Kommission daher zu einer umfassenden Erarbeitung von Vorschlägen zur Organisierung der freiwilligen Rückkehr auf, parallel zu den Vorschlägen, die sie zur zwangsweisen Rückführung macht. Der Ausschuss befürwortet die Schaffung eines gemeinschaftlichen Finanzinstruments zur Unterstützung der Rückkehrprogramme.

2.11. In allen Verfahren der zwangsweisen Rückführung muss stets ein wirksamer Rechtsschutz gewährleistet sein. Der Ausschuss dringt darauf, dass alle Betroffenen vollen Zugang zu Rechtsmitteln gegen einen Ausweisungsentscheid haben und das Rechtsmittel eine aufschiebende Wirkung hat. Angesichts des Wesens einer Ausweisungshandlung ist gerade die aufschiebende Wirkung unerlässlich: denn wenn die Gerichtsentscheidung zugunsten des Betroffenen ausfällt, aber erst nach seiner Ausweisung ergeht, bringt sie ihm in den meisten Fällen gar nichts mehr. Das Recht auf einen wirksamen Rechtsschutz wäre somit verletzt.

3. Besondere Bemerkungen

3.1. Die Umsetzung einiger der Vorschläge, die in dieser Mitteilung gemacht werden, bevor es eine gemeinsame Politik und gemeinschaftliche Rechtsvorschriften zur legalen Steuerung der Zuwanderung und eine gemeinschaftliche Asylpolitik und ein gemeinsames Asylrecht gibt, würde bedeuten, das Pferd von hinten aufzuzäumen. Dessen ist sich die Kommission zwar bewusst, doch hat es der Europäische Rat von Sevilla so beschlossen.

3.2. Dies gilt z. B. für die gegenseitige Anerkennung von Rückführungsentscheidungen, mit der bezweckt wird, dass eine von einem Mitgliedstaat verfügte Ausweisung von einem anderen vollzogen werden kann (für den Fall, dass der irreguläre Zuwanderer in einem anderen Mitgliedstaat als dem, der seine Ausweisung verfügt hat, aufgegriffen wird), ohne dass dazu eine neue Ausweisungsentscheidung erlassen werden muss(3). Der Ausschuss hält die Anwendung dieser Norm für verfrüht, solange es weder einheitliche Standards und Kriterien für die Auslegung der Genfer Konvention noch Einvernehmen darüber gibt, wer Recht auf subsidiären Schutz hat. Dies räumt auch die Kommission in ihrer Mitteilung ein(4). Der Ausschuss dringt auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Maßnahmen zur Verminderung der illegalen Einwanderung und den Maßnahmen, die notwendig sind, damit die Zuwanderung legal erfolgt.

3.3. Das Recht auf Einheit der Familie muss eindeutig Vorrang vor einer Ausweisung wegen irregulären Aufenthalts haben. Daher kann der Ausschuss nur bekräftigen, was er bereits in seiner Stellungnahme zum Grünbuch unterstrichen hat: dass eine Ausweisung nicht verfügt werden darf, wenn sie eine Trennung der Familie mit sich bringen würde.

3.4. In Bezug auf Zwangsmaßnahmen, die anzuwenden sind, wenn der Auszuweisende körperlich Widerstand leistet, heißt es in der Mitteilung, dass dafür klare Grenzen gelten müssen und dass die körperliche Unversehrtheit des Rückkehrers unbedingt gewahrt bleiben muss(5). Aus Sicht des Ausschusses kann es gar keine Diskussion darüber geben, ob die körperliche Unversehrtheit des Rückkehrers mehr oder weniger wichtig ist; beim Vollzug der Ausweisung darf schlichtweg nichts geschehen, was diese körperliche Unversehrtheit gefährdet. Leider ist festzustellen, dass von den Menschen, deren einziges Vergehen es war, auf der Suche nach Arbeit und einer besseren Zukunft nach Europa zu kommen, viele beim Vollzug der Ausweisung aufgrund des brutalen Vorgehens einiger Beamter ums Leben gekommen sind.

3.5. In der Mitteilung wird erwogen, welche Begrenzungen für die Abschiebungshaft auszuweisender Personen festgelegt werden sollten; sie greift dabei Vorschläge des EWSA zum Grünbuch und Anregungen verschiedener Organisationen auf, die diese auf der am 16. Juli 2002 von der Kommission organisierten Konferenz vorgebracht haben. Dies erfuellte den Ausschuss natürlich mit Zufriedenheit, doch möchte er auf einem Aspekt insistieren, auf den er bereits in der früheren Stellungnahme hingewiesen hatte. Die Kommission hält in ihrer Mitteilung fest, dass Personen, die zwecks späterer Repatriierung inhaftiert werden, nach Möglichkeit von Strafgefangenen gesondert untergebracht werden sollen(6). Nach Auffassung des Ausschusses muss es strikt verboten sein, dass Abschiebehäftlinge in Gefängnissen untergebracht werden, denn schließlich sind illegale Zuwanderer, denen die Ausweisung droht, keine Verbrecher.

3.6. Völlig zu Recht wird in der Mitteilung die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Problematik der Abschiebehaft betont. Abschiebehaft darf grundsätzlich nicht als eine Art Beugehaft oder als Druckmittel (etwa zur Beschaffung von Ausweispapieren) eingesetzt werden.

3.7. In seiner Stellungnahme zum Grünbuch hat der Ausschuss bereits seine Ansicht zu diesen Fragen geäußert. Noch einmal betonen möchte er allerdings, dass die Dauer der Abschiebungshaft 30 Tage nicht übersteigen darf.

3.8. Um die Betroffenen vor ernsten Problemen zu bewahren, ist es unerlässlich, in der Europäischen Union vorübergehend eine Liste der Länder aufzustellen, in die nicht abgeschoben werden darf, wenn das Leben des Abgeschobenen bedroht ist, seine Freiheiten nicht gewährleistet sind oder in dem Land Krieg oder eine humanitäre Notlage herrscht.

3.9. Die Kommission beendet ihre Mitteilung mit der Aufforderung an den Rat, das Rückkehraktionsprogramm in Einklang mit dem Mandat des Europäischen Rates von Sevilla bis zum Jahresende anzunehmen. Der Ausschuss fordert den Rat und die Kommission auf, über die Widersprüchlichkeit und die mangelnde Ausgewogenheit nachzudenken, die im Verzug bei der Schaffung eines Gemeinschaftsrechts für eine legale Zuwanderung und der Verabschiedung so harter Maßnahmen gegen die illegale Zuwanderung, wie es die Ausweisung und zwangsweise Rückführung darstellen, zum Ausdruck kommen.

Brüssel, den 11. Dezember 2002.

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Roger Briesch

(1) Ziffer 1.2.2 zweiter Absatz der Mitteilung.

(2) Siehe auch die Stellungnahme des EWSA zu diesem Grünbuch.

(3) Ziffer 2.3.1 erster Absatz der Mitteilung.

(4) Ziffer 2.3.1 zweiter Absatz der Mitteilung.

(5) Ziffer 2.3.2 vierter Absatz der Mitteilung.

(6) Ziffer 2.3.5 siebter Absatz der Mitteilung.

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