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Document 52001AE1491

    Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der "Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Wirtschafts- und Sozialausschuss: Unterstützung nationaler Strategien für zukunftssichere Renten durch eine integrierte Vorgehensweise"

    ABl. C 48 vom 21.2.2002, p. 101–106 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

    52001AE1491

    Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der "Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Wirtschafts- und Sozialausschuss: Unterstützung nationaler Strategien für zukunftssichere Renten durch eine integrierte Vorgehensweise"

    Amtsblatt Nr. C 048 vom 21/02/2002 S. 0101 - 0106


    Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der "Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Wirtschafts- und Sozialausschuss: Unterstützung nationaler Strategien für zukunftssichere Renten durch eine integrierte Vorgehensweise"

    (2002/C 48/23)

    Die Kommission beschloss am 5. Juli 2001, den Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu der vorgenannten Mitteilung zu ersuchen.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 7. November 2001 an. Berichterstatterin war Frau Cassina.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 386. Plenartagung (Sitzung vom 29. November 2001) mit 92 Ja-Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme.

    1. Einleitung

    1.1. Im Rahmen des ihr von den Europäischen Räten von Stockholm(1) und Göteborg(2) übertragenen Mandats veröffentlichte die Kommission am 3. Juli 2001 eine "Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Wirtschafts- und Sozialausschuss: Unterstützung nationaler Strategien für zukunftssichere Renten durch eine integrierte Vorgehensweise"(3).

    1.2. Die Erörterung und die dabei erfolgende Bewertung des Inhalts dieser Mitteilung werden zur Ausarbeitung eines Berichts für den Gipfel von Laeken (Dezember 2001) beitragen. Dort sollten die Mitgliedstaaten zu einer Einigung über die Ziele und Methoden zur Gewährleistung der Zukunftssicherheit der Rentensysteme in der EU kommen. Dies sollte im Zuge einer freiwilligen Zusammenarbeit, der Koordinierung, des Austauschs bewährter Praktiken und der Vergleichbarmachung von Erhebungen und Daten entsprechend den Leitlinien geschehen, die von der Kommission bereits in ihrer sich allgemeiner mit dem Sozialschutz befassenden Mitteilung von 1999(4) entwickelt wurden.

    1.3. Der Wirtschafts- und Sozialausschuss hatte bereits vor dem Eingang der Befassung zu der in Ziffer 1.1 erwähnten Mitteilung beschlossen, einen Unterausschuss zur Ausarbeitung einer Initiativstellungnahme zum Thema "Wirtschaftswachstum, Besteuerung und Nachhaltigkeit der Rentensysteme in der EU" einzusetzen. Die Stellungnahme des Unterausschusses befasst sich vor allem mit den Passagen der Mitteilung, die insbesondere auf die Verflechtung von Wachstum, Besteuerung und Nachhaltigkeit der Renten eingehen, während sich die vorliegende Stellungnahme vor allem auf einige Aspekte im Zusammenhang mit der Kohärenz zwischen den betroffenen Politiken und den methodischen Problemen bei der Entwicklung der Zusammenarbeit im Rentenbereich konzentriert. So ergänzen sich die beiden Stellungnahmen und bilden zusammen einen umfassenden Beitrag des Ausschusses zu der gegenwärtigen Debatte.

    2. Wesentlicher Inhalt der Mitteilung der Kommission

    2.1. Die Kommission teilt die von ihr vorgeschlagenen gemeinsamen Ziele in drei große Gruppen ein:

    - Angemessenheit des Rentenniveaus

    - Finanzielle Tragfähigkeit von öffentlichen und privaten Altersvorsorgeinstrumenten

    - Modernisierung der Rentensysteme(5)

    2.2. Die Kommission schlägt auch die Entwicklung von Indikatoren zur Untermauerung der Methode der offenen Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten vor, um zu einem umfassenden und integrierten Ansatz der Ziele (soziale und finanzielle Tragfähigkeit) und Politiken (Beschäftigungs-, Sozialschutz- und Wirtschaftspolitik) sowie zu einer Koordinierung zwischen allen relevanten Akteuren in dem Prozess zu gelangen.

    2.3. Auf dem Gipfel von Laeken wird ein Bericht (siehe Ziffer 1.2) über die Ziele und Methoden im Rentenbereich vorgelegt werden. Danach werden alle Mitgliedstaaten bis Juli 2002 ihre jeweiligen Strategien festlegen, die dann von der Kommission bewertet werden, die die bewährten Praktiken und innovativen Ansätze besonders herausstellen wird; diese werden Eingang in einen gemeinsamen Bericht von Kommission und Rat für das Gipfeltreffen im Frühjahr 2003 finden. Die Strategieberichte der Mitgliedstaaten sollen alljährlich aktualisiert und die Rentenfrage 2005 einer umfassenden Überprüfung unterzogen werden.

    2.4. Der Ausschuss für Sozialschutz (SPC) wird die nationalen Strategien und ihre Vereinbarkeit mit den Zielen, der Beschäftigungsausschuss (EMCO) die Fortschritte im Rahmen der Europäischen Beschäftigungsstrategie und der Ausschuss für Wirtschaftspolitik (EPC) im Rahmen der multilateralen Überwachung die Auswirkungen der Alterung der Bevölkerung auf die öffentlichen Haushalte bewerten.

    3. Allgemeine Bemerkungen

    3.1. Die allgemeinen Rahmenbedingungen

    3.1.1. Um sich ein umfassendes Urteil über die Mitteilung, die Gegenstand dieser Stellungnahme ist, bilden zu können, muss man sich nach Ansicht des Ausschusses stets das vom Europäischen Rat von Lissabon im März 2000 gesteckte strategische Ziel für das neue Jahrzehnt vor Augen halten, das darin besteht, "die Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen, (...) der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen".

    3.1.2. Dies verlangt von der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten eine Reihe von Verpflichtungen zur Förderung von Maßnahmen und zur Übernahme der Verantwortung dafür: Woran sich die verschiedenen Maßnahmen orientieren müssen, ist ein strategisches Ziel von der Tragweite des Ziels von Lissabon, wobei gleichzeitig danach zu streben ist, die Kohärenz und Vereinbarkeit der verschiedenen Strategien untereinander sicherzustellen, um das Ziel zu erreichen. Mit anderen Worten: das "Szenario von Lissabon" ist eine politische Entscheidung, eine strategische Etappe der Integration, wobei die EU und die Mitgliedstaaten auf ihre Glaubwürdigkeit in den Augen der europäischen Bürger setzen, wie dies im Hinblick auf den Binnenmarkt und die WWU der Fall war.

    3.1.3. Im Rahmen der Grundsatzentscheidung von Lissabon stellt die Steigerung der Erwerbsbeteiligung im Interesse einer guten Entwicklung jeder wirtschaftlichen, sozialen und im vorliegenden Fall Rentenstrategie das vordringlich zu verfolgende Ziel dar.

    3.1.4. Der Ausschuss wundert sich, dass die Kommission die Bewerberländer nicht erwähnt und weist darauf hin, dass vor der Überprüfung der Strategie, die für 2005 geplant ist, mehrere heutige Bewerberländer bereits EU-Mitglied sein werden. Deshalb ist es unerlässlich, dass die Bewerberländer schon jetzt in die Zusammenarbeit im Rentenbereich einbezogen werden.

    3.2. Die Subsidiarität

    3.2.1. Der Ausschuss begrüßt es, wie sorgsam die Kommission in ihrer Mitteilung das Subsidiaritätsprinzip beachtet hat, wo es doch um eine so komplexe und heikle Materie wie die Renten geht, möchte hier jedoch seinen schon in früheren Stellungnahmen geäußerten Standpunkt erneut bekräftigen: Die Subsidiarität ist nicht nur ein Prinzip, das regelt, wann die EU und wann die Mitgliedstaaten für etwas zuständig sind, sondern ist auch und vor allem ein dynamisches Prinzip, wodurch sich in dem komplizierten institutionellen und sozialen Gefüge der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten eine Vernetzung der Kompetenzen und Zuständigkeiten der jeweiligen Akteure auf den verschiedenen Ebenen ergibt. Der Ausschuss weist darauf hin, dass sich die Konvergenz, die mit der Methode der offenen Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit erreicht werden soll, unter voller Beachtung des Subsidiaritätsprinzips auf der Basis autonomer Politikentscheidungen der Mitgliedstaaten vollziehen muss. Die Hauptverantwortung für die Entscheidungen im Rentenbereich liegt nämlich weiterhin bei den einzelstaatlichen Gesetzgebern. Da es sich aber um Entscheidungen handelt, die das Leben aller Bürger tiefgreifend beeinflussen, müssen diese Entscheidungen unter systematischer Einbeziehung der regionalen und lokalen Verwaltungen, der Sozialpartner und der Organisationen der Zivilgesellschaft vorbereitet werden, denen die Möglichkeit gegeben werden sollte, entsprechend den in den jeweiligen Mitgliedstaaten bestehenden Regelungen und/oder Gepflogenheiten an der Festlegung und Anwendung der verschiedenen Strategien mitzuwirken, worauf in Ziffer 3.4 noch näher eingegangen wird.

    3.3. Die Ziele

    3.3.1. Die zehn Ziele, die die Kommission in ihrer Mitteilung vorschlägt, die Gegenstand dieser Stellungnahme ist, wurden bereits weitgehend in der Stellungnahme des Unterausschusses (siehe Ziffer 1.3) analysiert und bewertet. Im Folgenden sollen daher nur einige wenige Ziele oder Teilziele erörtert werden.

    3.3.1.1. Das erste Ziel(6) ist ganz allgemeiner Art, da es die Solidarität als unabdingbaren Wert des europäischen Sozialmodells bekräftigt. Der Ausschuss möchte betonen, wie wichtig es ist, auch bei der Modernisierung und Anpassung der Rentensysteme starke Instrumente der Solidarität (zwischen den Generationen, zwischen Erwerbstätigen und Erwerbslosen, zwischen Wohlhabenden und Bedürftigen) aufrechtzuerhalten und noch zu verstärken, die, obwohl sie sich im Laufe der Zeit wandeln, doch weiterhin das verbindende Element in unseren Gesellschaften darstellen müssen. Das erste Ziel ist als Erfuellung des Anspruchs aller älteren Menschen (auch solcher, die sich keine Beitragszahlungen leisten konnten und/oder unter körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderungen, Invalidität u. ä. zu leiden haben) auf menschenwürdige Lebensverhältnisse zu verstehen, die es ihnen ermöglichen, sich als aktive Teile der Gesellschaft und des Wirtschaftssystems, worin sie leben, zu erfahren. Dieses äußerst wichtige Ziel ist auf die Verwirklichung des sozialen Zusammenhalts, der gesellschaftlichen Gleichberechtigung und der Verhütung der Gefahr der Ausgrenzung der älteren Menschen gerichtet.

    3.3.1.2. Bei dem zweiten Ziel(7) geht es um die Zugangsmöglichkeit zu angemessenen Rentensystemen, wobei unter "Angemessenheit" vor allem zu verstehen ist, dass die Systeme in der Lage sind, den Erwartungen der Bürger auf dem Gebiet der Altersvorsorge gerecht zu werden und ihnen die verantwortungsbewusste Planung eines befriedigenden und erfuellten Lebens zu ermöglichen. Der WSA gibt zu bedenken, dass sich die Lebenserwartung erheblich erhöht hat, was allerdings fast immer auch eine Verlängerung der Zeitspanne bedeutet, während der Rente bezogen wird. Deshalb ist es sehr wichtig, die voraussichtliche Zeit, die ein Mensch (nach Beendigung seiner Erwerbstätigkeit) noch ohne fremde Hilfe leben wird, und die Lebenszeit, die ihm nach dem Verlust der Fähigkeit, ein Leben ohne fremde Hilfe zu führen, noch bleiben wird, zu kennen und zu bewerten. Der Ausschuss weist darauf hin, dass die Zahl der hilfsbedürftigen älteren Menschen in allen EU-Staaten wächst, was nicht nur erhebliche Probleme im Zusammenhang mit den hierdurch anfallenden Betreuungs- oder Fürsorgekosten aufwirft, sondern auch die Gefahr der zunehmenden Ausgrenzung dieser Menschen heraufbeschwört, der vorgebeugt werden muss.

    3.3.1.3. Das dritte(8), das vierte(9) und das fünfte(10) Ziel werden in der oben in Ziffer 1.3 erwähnten Stellungnahme des Unterausschusses ausführlich analysiert und bewertet.

    3.3.1.4. Das sechste(11) und siebte(12) Ziel werden in der Stellungnahme des Unterausschusses (siehe obige Ziffer 1.3) untersucht. Der Ausschuss beschränkt sich darauf, seiner Befriedigung über den Ratschlag Ausdruck zu verleihen, für die Instrumente der zweiten und dritten Säule auf nationaler und EU-Ebene Rechtsrahmen zu schaffen, die eine gute und zweckdienliche Verwaltung dieser Instrumente gewährleisten, um dazu beizutragen, dass die Versicherten die Rentenleistungen erhalten, auf die sie Anspruch haben (siebtes Ziel). Was den Beitrag, den die Instrumente der zweiten und dritten Säule zur Erhaltung des Gleichgewichts zwischen Erwerbspersonen und Rentnern leisten können, und die Erreichung der sozialen Ziele anbelangt, so hält der Ausschuss diesen Beitrag für zweckmäßig und notwendig. Die mit den Instrumenten der ersten Säule bezweckte umfassende Alterssicherung muss gewahrt bleiben. Der WSA wäre mit einer Aushöhlung der ersten Säule und einer allgemeinen (im übrigen von der Kommission nicht vorgeschlagenen) Verlagerung der Leistungen auf die Instrumente der privaten Altersvorsorge nicht einverstanden. Allerdings ist das Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Instrumenten eine heikle Frage, für die auf nationaler Ebene eine Lösung gefunden werden muss.

    3.3.1.5. Was das achte Ziel(13) anbelangt, so stellt der Ausschuss fest, dass hierbei an Arbeitsverträge gedacht ist, bei denen es um keine unbefristete Vollzeittätigkeit, sondern um Teilzeitarbeit, Zeitarbeit und andere neue Formen der abhängigen oder quasiabhängigen Beschäftigung geht, die seit einigen Jahrzehnten beträchtlich zunehmen. Grundsätzlich sollte ein gerechtes und ausgewogenes Rentensystem diejenigen, die solche neuartigen Beschäftigungsverhältnisse eingegangen sind, die sich zur Arbeitsmobilität im Inland oder im Ausland entschlossen haben oder die eine selbständige Tätigkeit ausüben, nicht benachteiligen. Leider gibt es diese Benachteiligung aber in bestimmten Fällen noch wegen der noch unzulänglichen Flexibilität der derzeitigen Rentensysteme und des Arbeitsmarktes und wegen des vielfach immer noch quantitativ und qualitativ unzureichenden Angebots an Arbeitsplätzen. Der erste Schritt in Richtung auf die Gleichstellung aller Beschäftigungsformen muss deshalb in der Minimierung des Risikos, Rentenansprüche zu verlieren, und in der Beseitigung der Hemmnisse für die richtige Anwendung der neuen Beschäftigungsformen - in einem klaren rechtlichen Rahmen - bestehen. Das Kernproblem liegt nach Ansicht des Ausschusses darin, auch den Arbeitnehmern mit atypischen Arbeitsverhältnissen, den Wanderarbeitnehmern und den selbständig Beschäftigten einen Sicherheitsspielraum bei der Gestaltung ihres Arbeitslebens zu geben. Im Rahmen des geplanten Benchmarking wird es nützlich sein, die besten Praktiken auf diesem Gebiet in Betracht zu ziehen, die von Versicherungen zeitweiliger Risiken zur Deckung von in Zeiten der Arbeitslosigkeit nicht geleisteten Beiträgen, zu Steuerermäßigungen für Ausbildungs- und Umschulungszeiten oder Zeiten, in denen die Arbeitnehmer unabhängig von ihrer Arbeitswilligkeit keinen Lohn erhalten, usw. gehen können.

    3.3.1.6. Auf das neunte Ziel(14) wird in der Stellungnahme des Unterausschusses eingegangen, doch sei an dieser Stelle die Bedeutung des zehnten Ziels(15) hervorgehoben. Bis vor etwas mehr als einem Jahrzehnt war die Rente noch eine Voraussetzung für einen praktisch automatisch abgesicherten Ruhestand. Heute ist man sich der Notwendigkeit, genau - wenn auch mit den unvermeidbaren Sicherheitsmargen - zu planen, was man im Laufe seines Lebens tut, vom ersten Arbeitstag an, wenn nicht gar schon in der Schulzeit bewusst. Es darf aber nicht so sein, dass wir gezwungen sind, unseren ursprünglichen "Lebensplan" von heute auf morgen anzupassen; deshalb muss eine systematische umfassende Information über die großen (demografischen, sozialen, wirtschaftlichen usw.) Entwicklungen stattfinden, damit jeder sich frühzeitig auf den Wandel der Systeme oder Instrumente der Altersvorsorge einstellen kann. Jede Veränderung dieser Systeme und Instrumente muss mit Maßnahmen einhergehen, die den Arbeitnehmern die Möglichkeit geben, etwaige negative Auswirkungen der Veränderungen auszugleichen, mit Maßnahmen und Möglichkeiten, die die Arbeitnehmer auf verantwortliche Weise in Anspruch nehmen können, um ihren ursprünglichen Lebensplan im Wesentlichen aufrechterhalten zu können.

    3.4. Die Methode

    3.4.1. Das in der Mitteilung zu Recht hervorgehobene entscheidende methodische Ziel besteht in der Erreichung einer starken Kohärenz und Synergie von Sozial-, Beschäftigungs- und Wirtschaftspolitik. Unbeschadet der Kompetenzen und Verantwortlichkeiten der nationalen Gesetzgeber und Behörden kann dieses Kohärenzziel besser dadurch erreicht werden, dass auf allen Ebenen die Sozialpartner als Hauptakteure jedes Entwicklungsprozesses der Gesellschaft systematisch einbezogen werden. Wer sich an diese methodische Vorgabe nicht hält, verurteilt jede Rentenstrategie zum Scheitern. Der Ausschuss stellt fest, dass die Kommission diesen Aspekt, den sie nur an zwei Stellen der Mitteilung beiläufig erwähnt, nicht genügend beachtet, und erinnert daran, dass in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Stockholm die Rolle der Sozialpartner bei der Gestaltung des Wandels hervorgehoben wurde.

    3.4.2. Die Einbeziehung der Sozialpartner muss auch im beschäftigungs- und vor allem im wirtschaftspolitischen Bereich gefördert und/oder intensiviert werden. Die Kommission empfiehlt beispielsweise, die Möglichkeit der Einrichtung von Reservefonds in Betracht zu ziehen, doch die Einrichtung solcher Fonds muss dort, wo sie möglich ist, im Rahmen von Verhandlungen und/oder Regelungen erfolgen, in denen Gestaltung und Struktur, Finanzierung, Funktionsweise und Verwendung dieser Fonds genau festgelegt werden.

    3.4.3. Für die Erreichung des sozialen Konsenses reicht es nicht aus, dass die Bevölkerung richtig und umfassend informiert wird, vielmehr muss die bewusste und aktive Beteiligung aller betroffenen Organisationen der Zivilgesellschaft neben den Sozialpartnern gewährleistet sein. Die Sozialpartner sind Organisationen, die ihre Vertretung durch Verfahren der internen Beteiligung strukturieren, wozu ein ständiger ausführlicher Dialog mit ihren Mitgliedern gehört. Deshalb hat das diesen Organisationen übertragene Mandat der Interessenvertretung einen hohen Stellenwert.

    3.4.4. Der Erfolg der offenen Koordinierungsmethode darf deshalb nicht nur vom Austausch von Informationen und bewährten Praktiken zwischen den Verwaltungen und Sachverständigen der Mitgliedstaaten und der Kommission sowie von den Lehren abhängig gemacht werden, die aus den sicherlich erfolg- und aufschlussreichen Arbeiten der verschiedenen Ausschüsse (SPC, EMCO und EPC) zu ziehen sind. Der WSA hat in einigen seiner vorangegangenen Stellungnahmen(16) betont, dass alles was mit der Entwicklung der Sozial- und Rentenpolitik zu tun hat, mit den Sozialpartnern und den Organisationen, die die Interessen der Betroffenen vertreten, abgestimmt werden muss. Jeder Mitgliedstaat hat sein eigenes Beteiligungssystem und seine eigenen Beteiligungsforen, und es wird hier nicht vorgeschlagen, Strukturen und Verhaltens- oder Verfahrensweisen zu vereinheitlichen. Dennoch hätte die Mitteilung eine ausdrückliche klare Aufforderung enthalten sollen, alle sozialen Akteure in starkem Maße einzubeziehen.

    3.4.5. Die Kommission sollte die einzelstaatlichen Vertreter in den zitierten Ausschüssen ersuchen, Informations-, Konsultations- und Beteiligungsrunden für die Sozialpartner vorzusehen und dabei auch die regionale und lokale Ausprägung der Probleme zu berücksichtigen; so hängt beispielsweise die - unterschiedliche - Lebensqualität der Rentner davon ab, ob ihre Lebensverhältnisse ihnen leichten Zugang zu qualitativ und quantitativ guten Sozial- und Gesundheitsdiensten und allgemeinen Infrastruktureinrichtungen gestatten. Die Schaffung guter Voraussetzungen für die soziale Nachhaltigkeit der Instrumente der Altersvorsorge hängt nicht nur von den Zielparametern der nationalen Instrumente ab, sondern auch von der Anpassung und der Angemessenheit der Verhältnisse auf lokaler Ebene.

    3.4.6. Wenn von Reformen die Rede ist, geht es zunächst darum, die Gründe und damit die Notwendigkeit sowie die erforderliche Tragweite der betreffenden Veränderungen zu beurteilen, und auch diese Beurteilung muss unter Mitwirkung aller betroffenen Akteure erfolgen. Wenn es dann um mehr oder weniger einschneidende Reformen geht, die zu einer erheblichen Veränderung des Besteuerungssystems, der Bedingungen für den Erwerb von (Renten)Ansprüchen und der Formen der Bereitstellung von Rentenleistungen führen könnten, muss für das Verhandlungs- oder Konzertierungsverfahren - in Ländern, in denen es Tradition hat, gängige Praxis oder Vorschrift ist - genügend Zeit zur Verfügung stehen, damit eine Einigung über die zu ergreifenden Maßnahmen erzielt werden kann; wird allerdings kein Konsens erzielt oder wird bei den Verhandlungen eine vorher festgelegte angemessene Frist überschritten, liegt die Entscheidung auf jeden Fall beim Gesetzgeber.

    3.4.7. Außerdem ist es unbedingt erforderlich, dass die den Beteiligten unterbreiteten Szenarien und Prognosen klar, fundiert und übersichtlich sind und dass bei der Festlegung der Reform auch auf nationaler Ebene(17) eine Überprüfung ihrer Auswirkungen binnen einer festgelegten Frist vorgesehen wird. Die Sozialpartner müssen ihrerseits ihre Mitglieder richtig und umfassend informieren und für sie, wie dies bereits in vielen Ländern der Fall ist, Beratungsstellen einrichten, die den Arbeitnehmern dabei behilflich sein können, persönliche oder kollektive Rentenmodelle zu entwickeln und damit ihre Rente vorauszuplanen.

    3.4.8. Dass die Strategien für zukunftssichere Renten und die Wirtschafts- und Haushaltspolitik in einem gewissen Verhältnis zueinander stehen, liegt auf der Hand, doch bestehen darüber hinaus auch noch vielfältige Beziehungen zwischen den Rentenpolitiken und anderen (praktisch allen) Politiken. Im Allgemeinen ist es nicht wünschenswert, Änderungen bei den Instrumenten der Altersvorsorge, und seien sie auch nur partiell, haushaltsrechtlich zu regeln, da sonst die Ziele der allgemeinen Zukunftsfähigkeit unweigerlich der rein finanziellen Zukunftsfähigkeit untergeordnet würden und zudem Politiken, die naturgemäß mittel- und langfristigen Szenarien folgen, als nebensächlich abgetan würden und kaum eine Chance hätten.

    4. Die Indikatoren

    4.1. Gemäß der Mitteilung sollten "angemessene Indikatoren" verwendet werden, "die vergleichbare Informationen zu den wichtigsten Trends aus den Bereichen Wirtschaft, Finanzen und Demografie liefern sollten, die für die langfristige Tragfähigkeit der Renten von Bedeutung sind und darüber hinaus Informationen über den Fortschritt der Rentenreform und ihre voraussichtliche Auswirkung; daneben sollte genügend Spielraum für die breite Vielfalt nationaler Rentensysteme verbleiben." Der Ausschuss stellt fest, dass die Indikatoren in der Mitteilung nicht spezifiziert werden, da der Unterausschuss für Indikatoren des Sozialausschusses (SPC) hiermit zurzeit noch beschäftigt ist und da der Ausschuss für Wirtschaftspolitik (EPC) in seinem Bericht vom November 2000(18) bereits eine Reihe von Indikatoren verwendet hat. Der WSA wünscht, dass die drei Ausschüsse (SPC, EMCO und EPC) eng zusammenarbeiten, um zu gewährleisten, dass die offene Koordinierungsmethode mithilfe der Indikatoren, die vorgeschlagen werden sollen, effektiv durch eine Reihe von vergleichbaren Erhebungen untermauert werden kann, anhand derer man sich ein vollständiges Bild von den Verhältnissen und Abläufen in den Mitgliedstaaten verschaffen kann.

    4.2. Nach Ansicht des Ausschusses müssen u. a. unbedingt ausreichend differenzierte Indikatoren entwickelt werden, anhand derer wirklich alle sich aus den Analysen und Szenarien ergebenden Implikationen beurteilt werden können; in diesem Zusammenhang erinnert er an die Bemerkungen, die er in seiner Stellungnahme zum Thema "Qualitative Dimension der Sozial- und Beschäftigungspolitik"(19) zu guten und vergleichbaren Indikatoren und verlässlichen statistischen Daten geäußert hat.

    4.3. An dieser Stelle und im Zusammenhang mit seinen Bemerkungen zum zweiten Ziel schlägt der Ausschuss als Beispiel vor, den Indikator für die Lebenserwartung durch einen zusätzlichen Unterindikator "Lebenserwartung ohne Hilfsbedürftigkeit"(20) zu untergliedern. Außerdem sind die ermittelte Lebensqualität der Rentner(21) wie auch die Qualität der Arbeit und die Lebensqualität der älteren oder behinderten Arbeitnehmer wichtige Elemente, die von verschiedenen so gut wie nie statistisch erfassten Faktoren wie der Kommunikationsmöglichkeit und der Mobilität, dem Grad der sozialen Integration in das Wohnumfeld, dem Status als Wohnungseigentümer oder -mieter, der Sicherheit des Lebensumfelds und der Zugänglichkeit von Dienstleistungen und Freizeiteinrichtungen abhängen. Diese Faktoren sollten ebenfalls in der Analyse der einzelstaatlichen Rentensysteme Berücksichtigung finden, und zwar nicht nur, weil sie eine Beurteilung der sozialen Zukunftsfähigkeit der Rentensysteme und der bereits durchgeführten und noch durchzuführenden Reformen ermöglichen, sondern auch weil sie erhebliche Auswirkungen auf die finanzielle Zukunftsfähigkeit der Systeme haben. Der Ausschuss behält sich deshalb das Recht vor, zu dieser speziellen Problematik eine eigene Stellungnahme abzugeben, sobald das Dokument über die Indikatoren, das der Unterausschuss für Indikatoren des Ausschusses für Sozialschutz (SPC) zurzeit ausarbeitet, veröffentlicht ist.

    Brüssel, den 29. November 2001.

    Der Präsident

    des Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Göke Frerichs

    (1) "Insbesondere auf dem Gebiet der Renten sollte das Potenzial der offenen Koordinierungsmethode unter gebührender Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips soweit angebracht in vollem Umfang ausgeschöpft werden."

    (2) Empfehlung, "... auf der Grundlage einer Mitteilung der Kommission über die Ziele und Arbeitsmethoden im Bereich der Renten einen Fortschrittsbericht an den Europäischen Rat (Laeken) (zu) erstellen".

    (3) KOM(2001) 362 endg.

    (4) KOM(1999) 347 endg.: "Eine konzertierte Strategie zur Modernisierung des Sozialschutzes".

    (5) Die ausführlichen Beschreibungen der zehn Ziele sind im Anhang der Stellungnahme des Unterausschusses zu finden und werden jeweils unter nachstehender Ziffer 3.3 zitiert.

    (6) "Sicherstellung, dass alle älteren Menschen in den Genuss eines angemessenen Lebensstandards gelangen, am wirtschaftlichen Wohlstand ihres Landes teilhaben und aktiv am öffentlichen, sozialen und kulturellen Leben teilnehmen können."

    (7) "Sicherstellung, dass jeder Einzelne die Möglichkeit hat, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um den eigenen Lebensstandard oder den Lebensstandard von Angehörigen im Fall von Ruhestand, Invalidität oder Tod zu wahren, indem jedem Einzelnen Zugang zu angemessenen Rentensystemen geboten wird."

    (8) "In Verbindung mit der Beschäftigungsstrategie Erreichung eines hohen Beschäftigungsniveaus, so dass das Verhältnis zwischen Erwerbspersonen und Rentnern möglichst günstig bleibt."

    (9) "Sicherstellung, dass Rentensysteme und insbesondere Vorruhestands- und Invaliditätsregelungen sowie deren Wechselwirkung mit Abgaben- und Sozialleistungssystemen wirksame Anreize für die Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitnehmer bieten; dass die Inanspruchnahme von Vorruhestandsregelungen nicht gefördert wird und der Verbleib auf dem Arbeitsmarkt über das übliche Rentenalter hinaus nicht bestraft wird; dass die Rentensysteme die Möglichkeit zum schrittweisen Übergang in den Ruhestand fördern."

    (10) "Im Rahmen der Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen und der Notwendigkeit, mit den Auswirkungen der Alterung auf die Haushalte fertig zu werden, sicher stellen, dass öffentliche Ausgaben für Renten als Anteil am BIP auf einem Niveau gehalten werden, das den Erfordernissen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes gerecht wird. Dies kann auch die Einrichtung zweckgebundener Reservefonds umfassen, sofern die zuständigen Stellen dies für geeignet halten."

    (11) "Schaffung eines fairen Gleichgewichts zwischen Erwerbspersonen und Rentnern durch angemessene Anpassungen der Beitrags- und Steuersätze und der Rentenansprüche."

    (12) "Sicherstellung, durch angemessene Rechtsrahmen auf europäischer und nationaler Ebene und durch gute Verwaltung, dass Instrumente der privaten Altersvorsorge weiterhin in der Lage sein werden, die Rentenansprüche der Mitglieder mit zunehmender Effizienz und Kostengünstigkeit zu befriedigen."

    (13) "Sicherstellung, dass Rentensysteme mit den Erfordernissen der Flexibilität und Sicherheit auf dem Arbeitsmarkt vereinbar sind, dass Arbeitsmarktmobilität innerhalb der Mitgliedstaaten und über die Grenzen hinweg sowie atypische Beschäftigungsverhältnisse keine unangemessenen Einbußen bei Rentenansprüchen zur Folge haben, und dass selbständige Erwerbstätigkeit nicht durch Rentensysteme gehemmt wird."

    (14) "Überprüfung der Rentensysteme, um Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts zu beseitigen und die Ursachen für geschlechtsspezifische Ungleichheiten bei Rentenansprüchen (z. B. Unterbrechungen der Berufstätigkeit aus familiären Gründen, versicherungsmathematische Faktoren) zu beseitigen."

    (15) "Verbesserung von Transparenz, Vorhersagbarkeit und Anpassungsfähigkeit von Rentensystemen an sich wandelnde Gegebenheiten. Bereitstellung zuverlässiger und leicht verständlicher Informationen über die langfristigen Perspektiven von Rentensystemen einschließlich Bewertungen der Folgen des demografischen, sozialen und wirtschaftlichen Wandels und der Folgen der ins Auge gefassten politischen Maßnahmen auf die Leistungsfähigkeit von Rentensystemen, insbesondere im Hinblick auf die voraussichtliche Entwicklung von Leistungsniveaus und der Beitragssätze. Verbesserung der methodischen Grundlagen für eine effiziente Überwachung von Rentenreformen und Rentenpolitik."

    (16) Beispielsweise Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der "Mitteilung der Kommission: Eine konzertierte Strategie zur Modernisierung des Sozialschutzes" - ABl. C 117 vom 26.4.2000.

    (17) Es sei darauf hingewiesen, dass die Mitteilung eine allgemeine Überprüfung des vorgeschlagenen Systems im Jahr 2005 vorsieht.

    (18) "Progress Report to the Ecofin Council on the Impact of Ageing Populations on Public Pension Systems" (EPC/ECFIN/581- Rev., November 2000).

    (19) ABl. C 311 vom 7.11.2001.

    (20) Ein solcher Indikator wird bereits von Eurostat verwendet, das den Mitgliedstaaten Daten über die "disability-free life expectancy" zur Verfügung stellt.

    (21) Als Beispiel sei auf eine Studie von Merrill Lynch ("Progress Report European Pension Reform", 17.1.2001) verwiesen, in der dem Indikator des Lebensstandards der Rentner eine große Bedeutung beigemessen wird.

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