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Document 52001AE1473

    Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Ein Programm für den Schutz von Kindern im Internet"

    ABl. C 48 vom 21.2.2002, p. 27–32 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

    52001AE1473

    Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Ein Programm für den Schutz von Kindern im Internet"

    Amtsblatt Nr. C 048 vom 21/02/2002 S. 0027 - 0032


    Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Ein Programm für den Schutz von Kindern im Internet"

    (2002/C 48/06)

    Der Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 28. Februar 2001 gemäß Artikel 23 Absatz 3 der Geschäftsordnung, eine Stellungnahme zu dem vorgenannten Thema auszuarbeiten.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 6. November 2001 an. Berichterstatterin war Frau Davison.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 386. Plenartagung am 28. und 29. November 2001 (Sitzung vom 28. November) mit 112 Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme.

    1. Einleitung

    1.1. Der Wirtschafts- und Sozialausschuss hat sich bereits in mehreren Stellungnahmen mit der Notwendigkeit auseinandergesetzt, Kinder im Internet zu schützen. Seit 1997 die erste dieser Stellungnahmen vorgelegt wurde (Berichterstatterin: Dame Jocelyn Barrow) hat sich die Nutzung des Internet in vielen europäischen Staaten enorm ausgeweitet, so dass derzeit ca. 100 Millionen Personen über einen Internetzugang verfügen(1). Abgesehen von den offenkundigen Vorteilen, die die Nutzung des Internet birgt, hat dadurch aber die Wahrscheinlichkeit zugenommen, auf schädliche Internetinhalte zu stoßen. Neben der ungesetzlichen Verbreitung von Kinderpornographie über das Internet sind wie schon zuvor in den USA nun auch in Europa die ersten Fälle von versuchter und tatsächlicher Kindesentführung durch Pädophile, die sich für ihre Annäherung des Internet bedienen, aufgetreten.

    1.2. Der Ausschuss fordert daher alle Akteure, Regierungen, die Internetindustrie, Kultusbehörden, die Anbieter von Inhalten, Elternvereinigungen und die Nutzergruppen, die mit Eltern zusammenarbeiten, auf, die erforderlichen umfassenden Anstrengungen zu unternehmen, um einen wirksamen Schutz von Kindern zu gewährleisten und viele für Kinder geeignete Webseiten bereitzustellen. Diese Initiative des Ausschusses für den Schutz der Kinder im Internet soll den EU-Internetaktionsplan ergänzen und die im Ausschuss vertretenen wirtschaftlichen und sozialen Interessengruppen für die Bedeutung entsprechender Maßnahmen sensibilisieren.

    1.3. Das Internet bietet Kindern große Vorteile; sie nutzen es für Kommunikations-, Unterhaltungs-, Bildungs- und Informationszwecke. Mit der Entwicklung des Internet in Europa treten jedoch auch hier die Probleme auf, die die Vereinigten Staaten bereits kennen. Pädophile haben sich im Schutz der Anonymität des Internet als Kinder ausgegeben und Treffen herbeigeführt, die in mehreren Fällen mit einer Vergewaltigung endeten. Bei dieser Art der Annäherung bedienen sich Pädophile häufig der Chatrooms. In jüngster Zeit hat die von Schweden ausgehende strafrechtliche Verfolgung von Mitgliedern eines europaweiten Kinderpornographierings die neuen Möglichkeiten des Netzmissbrauchs herausgestellt. Polizeiberichten zufolge werden Tausende von Kindern für Fotos und Videofilme missbraucht, die ins Netz gestellt werden. Von den kriminellen Aktivitäten einmal abgesehen, geht aus Umfragen unter Kindern hervor bzw. lässt sich nach nur ein paar Minuten zufälligen Surfens feststellen, wie leicht der Zugriff auf schädliche Inhalte ist(2).

    1.4. Pornographie: Schätzungsweise 30 % aller Besuche und circa 50 bis 60000 Webseiten sind pornographischer Art. Diejenigen, die Softpornographie verbreiten, haben dabei meistens nicht Kinder im Visier, die nicht zahlungskräftig und daher keine guten Kunden sind - doch der Zugang ist außerordentlich einfach.

    1.4.1. Der Besuch einiger pornographischer Websites ist gebührenpflichtig, und die entsprechenden Warnhinweise werden von Kindern leicht übersehen. In einigen, doch nicht allen Ländern warnen die Telefongesellschaften ihre Kunden im Falle überhöhter Rechnungen. Doch auch dann können sich die Rechnungen bereits auf über 200 EUR belaufen.

    1.5. Glücksspiele: Das Glücksspiel im Internet ist so gut wie nicht reguliert, obwohl einige Länder wie z. B. Frankreich Spiel um Geld im Internet verboten haben. Viele Websites haben keine Altersbegrenzung und bieten Glücksspiele zur Unterhaltung oder um Geld an. Sobald sich ein Surfer auf einer Glücksspiel-Site befindet, erscheinen Banner-Ads für weitere Glücksspielseiten auf dem Bildschirm. Umfragen in Griechenland haben ergeben, dass Kinder an Glücksspielen mit den Kreditkarten ihrer Eltern teilgenommen haben, und Studien in Österreich und dem Vereinigten Königreich zufolge wird das Thema Glücksspiel von Kindern selbst als sehr problematisch eingestuft(3).

    1.6. Gewalt: Für zwei maßgebliche US-Berichte wurden 1000 Forschungsartikel aus einem Zeitraum von über 30 Jahren ausgewertet; sie gelangten zu der Schlussfolgerung, dass Kinder durch Gewalt in Medien bezüglich Aggressivität, Abstumpfung und Furcht negativ beeinflusst werden. Den Berichten zufolge gelangen die Studien überwiegend zu der übereinstimmenden Schlussfolgerung, dass Gewalt in Medien Gewalt im Alltag begünstigt(4). Bezüglich Rassismus und Fremdenfeindlichkeit siehe auch die Stellungnahme zum Thema Computerkriminalität(5).

    1.6.1. Über das Internet können Kinder jedoch ohne Wissen ihrer Eltern Zugang zu gewalttätigen Computerspielen und -videos erlangen. Auf einer Internetsite werden Fotos von echten Mord- und Selbstmordopfern gezeigt. Finnische Gerichte beurteilten dies als völlig legal. Auf der Website einer Gruppe, die sich für "weiße Vorherrschaft" einsetzt, wird eine sogenannte Kinderseite angeboten, während eine Fußball-Hooligan-Site Möglichkeiten für die Organisation von Kämpfen bietet.

    1.7. Weitere Probleme ergeben sich dadurch, dass Kinder Zugriff auf Tabak- und Alkoholangebote im Internet haben.

    2. Frühere Stellungnahmen des Ausschusses

    2.1. Der Ausschuss befürwortet einen breitestmöglichen Zugang zum Internet und Bildungsmaßnahmen für seine Nutzung. In seiner Stellungnahme zu "eEurope: eine Informationsgesellschaft für alle" vom 24. Januar 2001(6) stellte der Ausschuss fest, dass es "keine europäischen Bürger gleich welchen Bildungsniveaus und keine Unternehmen gleich welcher Größenordnung geben [dürfe], die von sich behaupten können, dass sie nicht die Gelegenheit und die Möglichkeit gehabt haben, sich mit der Informationsgesellschaft vertraut zu machen". Er forderte die Modernisierung von Schulen im Hinblick auf die Einbeziehung des neuen Mediums in den Schulunterricht und die Unterstützung von benachteiligten Regionen.

    2.2. Nach Ansicht des WSA sollte eine Regulierung des Internet behutsam erfolgen, mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Einklang stehen, Gleichbehandlung gewährleisten und so wenig wie möglich die Privatsphäre und die freie Meinungsäußerung beeinträchtigen. Einen gewissen Grad der Regulierung hält er jedoch für erforderlich, um Jugendliche, Frauen und ethnische Minderheiten zu schützen; außerdem schreckt die Besorgnis über schädliche und ungesetzliche Internetinhalte einigen Untersuchungen zufolge die Verbraucher von der Nutzung des Internet ab. In seiner Stellungnahme zur Gewährleistung des Jugendschutzes und des Schutzes der Menschenwürde in den audiovisuellen und den Informationsdiensten aus dem Jahr 1998(7) äußerte der Ausschuss die Besorgnis, dass die Nutzung des Internet beeinträchtigt wird, "weil ein Schutz der Jugendlichen vor rechtswidrigen und schädigenden Inhalten nicht gegeben ist"(8).

    2.3. In seiner Stellungnahme zu dem Grünbuch über den Jugendschutz und den Schutz der Menschenwürde in den audiovisuellen und den Informationsdiensten(9) schlug der Ausschuss vor, "eine Art unabhängiges europäisches Selbstverwaltungsgremium" zu schaffen, "dem wiederum ein übergeordnetes internationales Gremium vorstehen würde und das dafür zuständig wäre, Beschwerden über illegale und/oder schädigende Inhalte entgegenzunehmen und die Übeltäter aufzuspüren, die Beseitigung der ungesetzlichen Inhalte zu fordern und, wenn die Verantwortlichen nicht kooperieren, strafrechtliche Maßnahmen einzuleiten".

    2.4. 1998 plädierte der WSA für:

    - die Verwendung von Kennzeichnungssystemen und Filterprogrammen;

    - die Durchführung von Informations- und Sensibilisierungskampagnen;

    - einen europäischen (bzw. sogar einen weltweit anerkannten) Rahmen von Verhaltenskodizes, Leitlinien und Basismaßnahmen wie z. B. "Hotlines" und Jugendschutzbeauftragte.

    2.5. Nach diesen Stellungnahmen und aufbauend auf diesen Überlegungen wurde ein Aktionsplan der Gemeinschaft zur Förderung einer sichereren Nutzung des Internet aufgelegt. Dennoch vertrat der Ausschuss jüngst in seiner Stellungnahme zu den Grundsätzen und Leitlinien für die audiovisuelle Politik der Gemeinschaft im digitalen Zeitalter(10) die Auffassung, dass die Gewährleistung des Jugendschutzes im digitalen Zeitalter immer schwieriger sei, und er plädiert darin für strengere Normen und Verfahren, bspw. in Bezug auf folgende Aspekte:

    - Es besteht die Möglichkeit, Kinderschutzmechanismen, die das höchstmögliche Schutzniveau bieten, in Fernsehgeräte und Computer einzubauen. Gleichzeitig könnten diese Schutzvorrichtungen dem individuellen Bedarf entsprechend eingeschränkt bzw. ganz entfernt werden;

    - Informationen über den Schutz der Würde der Kinder/Menschen, über Schutzmechanismen und über Altersbegrenzungen sollten über das Internet sowie über Broschüren und entsprechend bedruckte Mouse-Pads an den Verkaufsstellen verbreitet werden;

    - Obligatorische Klassifizierung von Programmen/Inhalten;

    - Die Verwendung von Bereichsnamen, um das Film-Klassifizierungssystem auf das Internet übetragen zu können;

    - Ein konkretes Beispiel für ein proaktives Konzept für qualitätsbezogene und attraktive Programmgestaltung bietet der deutsche "Kinderkanal".

    2.6. In seiner Stellungnahme zur Bekämpfung der Computerkriminalität(11) sprach sich der Ausschuss gegen die Anonymität im Internet aus und plädierte für eine internationale Organisation für die Verwaltung des Netzes unter ausführlicher Mitwirkung der öffentlichen Behörden.

    3. Der Aktionsplan der Gemeinschaft zur Förderung einer sichereren Nutzung des Internet(12)

    3.1. Am 25. Januar 1999 nahm die Kommission einen mehrjährigen Aktionsplan der Gemeinschaft zur Förderung einer sichereren Nutzung des Internet durch die Bekämpfung illegaler und schädigender Inhalte in globalen Netzen an und reagierte damit u. a. auch auf die Arbeiten des Ausschusses.

    3.2. Der Aktionsplan zur Förderung einer sichereren Nutzung des Internet umfasst vier Aktionsbereiche:

    - Schaffung eines sichereren Umfelds

    - Schaffung eines europäischen Hotline-Netzes, damit die Benutzer Inhalte melden können, bei denen der Verdacht auf Kinderpornographie besteht(13).

    - Förderung der Selbstkontrolle und von Verhaltenskodizes.

    - Entwicklung von Filter- und Bewertungssystemen

    - Demonstration der Vorteile von Filterung und Bewertung, z. B. ICRA

    - Erleichterung internationaler Abkommen über Bewertungssysteme.

    - Förderung von Sensibilisierungsmaßnahmen

    - Vorbereitung der Sensibilisierungsmaßnahmen

    - Förderung der Durchführung groß angelegter Sensibilisierungsmaßnahmen.

    - Flankierende Maßnahmen

    - Prüfung der rechtlichen Auswirkungen

    - Koordinierung mit ähnlichen internationalen Maßnahmen

    - Evaluierung der Auswirkungen der Gemeinschaftsmaßnahmen.

    3.3. Für diesen breit angelegten Ansatz sprechen die Ergebnisse einer umfassenden Studie der Bertelsmann-Stiftung.

    Der Internet-Aktionsplan hat bereits Resultate erzielt. Durch die Hotlines bspw. konnte bereits ein Pädophiliering ausgehoben werden. Hotlines oder entsprechende Einrichtungen, bei denen Internetnutzer Kinderpornographie melden können, gibt es inzwischen in allen Mitgliedstaaten außer Griechenland und Portugal.

    3.4. Durch den Aktionsplan geförderte Sensibilisierungsmaßnahmen, die Eltern und Kinder im Visier haben, wie z. B. entsprechende Codes, tragen dazu bei, Kinder davon abzuhalten, sich mit "Netzbekanntschaften" zu treffen. Filter- und Bewertungskriterien, die auf dem ICRA-Modell (Internet Content Rating Association) aufbauen, werden den Nutzern unentgeltlich zur Verfügung gestellt.

    3.5. Im Rahmen des Aktionsplans wurde die Entwicklung einer Reihe von Inhaltsfiltersystemen vorangetrieben. ICRA baut darauf auf, dass die Inhaltsanbieter ihre Sites freiwillig anhand von Kriterien wie bspw. Sex, Nacktheit, Glücksspiel usw. klassifizieren können. Die Kriterien stützen sich auf PICS-Standards (Platform for Internet Content Selection).

    3.6. Die Benutzer entscheiden selbst, welche Internetseiten ausgeblendet werden sollen, wenn sie das System laden. Der Browser oder eine andere Software liest die Beschreibung und unterbindet den Zugriff auf diese Inhalte, wenn nicht ein Password eingegeben wird. Die Anbieter von Betriebssystemen und Internetanschluss-Programmen müssen gedrängt werden, rasch intelligentere Filtersysteme zu entwickeln, die den Zusammenhang berücksichtigen und den Zugang zu bestimmten wissenschaftlichen Websites und Nachschlagewerken (bspw. zu Themen der Biologie oder Sexualkunde) nicht ungerechtfertigt blockieren, und diese in ihre Programme zu integrieren.

    3.7. Es gibt auch andere Systeme. Der Benutzer kann eine Software oder ein ISP-Paket erwerben, in dem bereits kategorisierte Websites angeboten werden oder die über Schlüsselbegriffe oder Bilder dynamisch den Inhalt von Websites analysieren. Über Software können Tätigkeiten überwacht, Unterhaltungen in Chatrooms verfolgt, E-Mail-Listen von Kindern kontrolliert und das Absenden bestimmter Informationen wie Kreditkartennummern verhindert werden.

    3.8. Das ICRA-System hat dank dem Internet-Aktionsplan den Vorteil, dass es den Benutzern unentgeltlich zur Verfügung steht und in den großen Browsern bereits installiert ist.

    3.9. Keines dieser Programme kann verhindern, dass Inhalte ins Netz gestellt werden. Sie ermöglichen es jedoch den Endnutzern, auszuwählen, auf welche Inhalte sie oder ihre Kinder Zugriff haben.

    4. Vorschläge des WSA für ein Programm zum Schutz der Kinder im Internet

    4.1. In dem mehr oder weniger weltweit anerkannten "Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes"(14) wird die Notwendigkeit hervorgehoben, "die Erarbeitung geeigneter Richtlinien zum Schutz des Kindes vor Informationen und Material, die sein Wohlergehen beeinträchtigen [zu] fördern".

    4.2. Ungesetzliche Tätigkeiten

    4.2.1. Die gerichtliche Verfolgung der für Kinderpornographie Verantwortlichen dauert viel zu lang. Die Polizei kann nur einen Bruchteil der Tausenden von Kindern identifizieren, die Opfer von Online-Missbrauch geworden sind. Die Polizei benötigt mehr Personal, eine bessere Ausbildung in Sachen Internetverbrechen und eine wirksame internationale Zusammenarbeit. Diesbezüglich müssen sowohl Europol als auch Interpol ausgebaut werden. Die Hotlines müssen in allen Mitgliedstaaten fest etabliert und mit ausreichenden Mitteln ausgestattet werden, um eine ihrer wichtigen Rolle angemessene Öffentlichkeitsarbeit betreiben zu können. Die spezialisierte Polizei muss mit den modernsten, auf ihre Ermittlungen abgestimmten Materialien und Computerprogrammen ausgerüstet werden, um mit gleichen Waffen kämpfen zu können.

    4.2.2. Die Abgrenzung zwischen dem Anspruch auf Privatsphäre (bspw. das Recht, die Verwendung persönlicher finanzieller Daten einzuschränken) und der Rückverfolgbarkeit wird nach den Angriffen auf die Vereinigten Staaten sicherlich neu definiert werden. Der (rechtmäßige) polizeiliche Zugriff auf potentiell verdächtige Online-Inhalte würde dann verbessert. Die Anbieter von Inhalten sollten die realen Adressen registrieren, und die Zulassung von Anruferidentifikationssperren im Netz sollte überprüft werden.

    4.2.3. Die bestehenden Rechtsvorschriften müssen verdeutlicht und angepasst werden, um auch Verbrechen, bei denen Kinder durch Tricks oder Verführungskünste zu Treffen verleitet werden, zu erfassen. Der Ausschuss begrüßt in diesem Zusammenhang die Errichtung des Europäischen Forums für Cyberkriminalität und schlägt vor, ein vergleichbares Forum oder eine Task-Force einzusetzen, das die wesentlichen Probleme im Zusammenhang mit der Nutzung des Internet durch Kinder (einschließlich schädlicher Inhalte) untersucht und Lösungen im Zusammenspiel mit den Maßnahmen zur Bekämpfung der Cyberkriminalität erarbeitet.

    4.2.4. Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein; Strafverfolgung und Strafmaß sollten im Rahmen des Möglichen europa- und weltweit genau definiert werden. Dieses unersetzliche Kommunikationsmittel, das Personen und Kulturen verbindet sowie die allgemeine und berufliche Bildung, die Freizeit und den Handel fördert, muss auch weiterhin ein Raum der freien Meinungsäußerung, des freien Handels, der freien Wirtschaft sowie der Achtung des Briefgeheimnisses und der Privatsphäre sein. Jede Maßnahme, durch die diese Grundfreiheiten beschränkt würden, sollte streng verhältnismäßig und durch den Schutz übergeordneter Interessen der Gesellschaft gerechtfertigt sein, so z. B. bei der Fahndung nach und Festnahme von natürlichen Personen sowie bei Ermittlungen und Maßnahmen gegen juristische Personen, die für strafrechtliche Vergehen oder Verbrechen verantwortlich sind.

    4.3. Sensibilisierung

    4.3.1. Ein Teil der Lösung besteht darin, dass Eltern besser darauf achten, auf welche Inhalte ihre Kinder im Internet zugreifen können, und vernünftige Regeln aufstellen. Die Eltern sind die Hauptverantwortlichen für ihre Kinder; allerdings liegt hier der sehr ungewöhnliche Fall vor, dass Kinder sehr viel mehr über ein Thema wissen als ihre Eltern (und sogar ihre Lehrer) und dass dieses Wissen so weitreichende praktische Folgen hat. Daher kommt der Informationsarbeit bei Eltern und Lehrern außerordentlich hohe Bedeutung zu. Den Anbietern von Inhalten muss bewusst gemacht werden, dass Kinder beim Surfen im Allgemeinen allein sind, und ihnen daher eine gewisse moralische Verantwortung zukommt.

    4.3.2. Die im Internet-Aktionsplan vorgesehenen Sensibilisierungsmaßnahmen sind sehr wichtig. Die EU sollte diese Aspekte auch in ihre Projekte für lebenslanges Lernen und bspw. die Aktionspläne eEurope und eLearning aufnehmen. Die Mitgliedstaaten sollten Informationen über bewährte Verfahrensweisen austauschen. In Portugal z. B. läuft ein Pilotprogramm, bei dem mit Computern ausgerüstete Minibusse Schulen anfahren, damit Kinder ihren Eltern die Nutzung des Internet beibringen können.

    4.3.3. Unternehmen, Gewerkschaften, Lehrer, Verbraucher und Familienorganisationen können alle zur Sensibilisierung von Kindern und Eltern beitragen. Eltern und Lehrer sollten Vorschriften, wie sie im Anhang aufgeführt sind, in Computernähe anbringen. ISPs sollten auf ihrer Homepage unübersehbar darauf hinweisen und Mousepads usw. mit entsprechenden Aufdrucken versehen. Angesichts der Vorkommnisse von pädophilem Stalking im Internet ist es außerordentlich wichtig, Kindern zu vermitteln, dass sie sich nicht mit der erstbesten Internetbekanntschaft verabreden sollen, ohne dass ein Elternteil mitkommt und das Treffen an einem öffentlichen Ort stattfindet.

    4.4. Schädliche Inhalte

    4.4.1. Da nun schon ein sechsjähriges Kind relativ einfach auf Pornographie zugreifen kann, ist es umso wichtiger, schädliche Inhalte zu definieren und Schutz davor zu bieten(15).

    4.4.2. Einige Inhalte stellen eine besondere Gefährdung der Bevölkerung dar, wenn sie Gewaltverherrlichung, Sexismus oder Rassenhass propagieren. Bestimmte rassistische Websites bieten besondere Kinderseiten an, andere erteilen Ratschläge für die Herstellung von Bomben und für Selbstmord. Der Ausschuss plädiert für die Erweiterung des Begriffs der schädlichen Inhalte. Frankreich bspw. hat rassistische Websites verboten. In seiner Stellungnahme zur Computerkriminalität hat sich der Ausschuss für die Angleichung der Rechtsvorschriften und Sanktionen bei der Bekämpfung von Sekten, rassistischem Gedankengut, Sexismus und allgemein der Förderung von Pornographie und Gewalttätigkeit ausgesprochen.

    4.4.3. Das Problem besteht darin, die Regeln gegenüber Websites aus Drittstaaten, insbesondere anonymen Websites, durchzusetzen. Gegen das französische Verbot wird in den Vereinigten Staaten vor Gericht geklagt. Es bedarf eines Übereinkommens oder einer internationalen Vereinbarung darüber, dass die Gesetze zur Anwendung kommen, die im Land des Nutzers gelten. Diesbezüglich begrüßt der Ausschuss die Arbeiten des Europarates.

    4.4.4. In Bezug auf schädliche, aber nicht ungesetzliche Inhalte plädiert der Ausschuss für ein Verfahren nach dem Motto "Meldung und Beseitigung" in Verbindung mit einem wirksameren Einsatz von Taxierung und Filtersystemen. Entsprechende Beschwerden über Websites würden einem Bewertungsgremium vorgelegt, das, so es die Beschwerde als begründet einstuft, ISPs und Suchmaschinen auffordern würde, den Zugang zu unterbinden; in einigen Mitgliedstaaten wird auf diese Weise bei Beschwerden über aggressive Werbung verfahren.

    4.4.5. Der Ausschuss ist enttäuscht über den geringen Anteil an gekennzeichneten Internetinhalten. Das Prinzip der Freiwilligkeit hat versagt und die Regierungen müssen nun durch einen Zuckerbrot-und-Peitsche-Ansatz für eine rasche Durchsetzung der Klassifizierung sorgen.

    4.4.6. Die EU sollte sich nachdrücklich und öffentlich dafür einsetzen, dass alle Anbieter ihre Inhalte zumindest im Einklang mit der ICRA-Norm kennzeichnen. Anbieter, die dazu nicht bereit sind, sollten aus dem Markt gedrängt werden, da ihre Inhalte von den Filtersystemen nicht erkannt werden können. Auf sämtlichen Computern, die auf dem europäischen Markt verkauft werden, sollten herstellermäßig Kinderschutzprogramme vorinstalliert und standardmäßig auf ein hohes Sicherheitsniveau eingestellt sein, das die Verbraucher anschließend herabsetzen oder löschen können. Damit einhergehen sollte leicht verständliches Informationsmaterial seitens der Verkaufsstelle über die Grundlagen der Internetsicherheit, der Filterung und Bewertung. Für ältere Computer sollten einfache und preiswerte Möglichkeiten für die Installation solcher Systeme vorgesehen werden. Online-Vertrauensnetze sollten ihre Mitglieder automatisch zum Rating ihrer Sites verpflichten.

    4.4.7. Auch in der "modernen" Familie müssen Eltern, so oft sie können, ihre Kinder beim Surfen beaufsichtigen. Vor allem die Eltern brauchen Information über die technischen Möglichkeiten, mit denen Kinder vor schädlichen Inhalten und Stalking geschützt werden können. Dazu gehören die sog. "walled gardens" (beschränkter Zugang auf einige für sicher befundene Web-Seiten), Negativlisten, die den Zugang zu den größten Übeltätern blockieren, und Rating-Systeme, die es den Eltern ermöglichen, eigene Positivlisten zu formulieren. Umfragen zeigen deutlich die Grenzen der vorhandenen Systeme auf, und es müssen Anstrengungen unternommen werden, um sie wirksam und verbraucherfreundlich zu machen.

    4.4.8. Es sollten ferner dringend die Anbieter von Inhalten und die ISP in die Verantwortung genommen werden, um Eltern zu unterstützen und um diejenigen Kinder zu schützen, deren Eltern nicht in der Lage oder nicht willens sind, dies zu tun. Außer den wenigen ISP, die ausschließlich auf erwachsene Mitglieder abstellen, sollten ISP kinderfreundliche Suchmaschinen und speziell auf Kinder zugeschnittene Benutzeroberflächen anbieten. Dies sollte als nachahmenswerte Praxis verbreitet werden. Auch im digitalen Zeitalter müssen die europäische Werte des öffentlichen Rundfunks gewahrt werden.

    4.5. Gebührenpflichtige Downloads

    Der Zugriff auf Gewalt verherrlichende Spiele und Inhalte sollte nur möglich sein, wenn nachweislich ein Erwachsener die Bestellung aufgibt, und gebührenpflichtige Downloads sollten nur bei Bestätigung durch die Unterschrift eines Erwachsenen zugelassen werden. Hierbei sollte auf die in den Vereinigten Staaten gemachten Erfahrungen mit der obligatorischen Bestätigung durch Erwachsene bei Internetkäufen zurückgegriffen werden. Telefonunternehmen sollten ihre Kunden wie in Frankreich per Brief oder Anruf rasch warnen, sobald auf ihrer Abrechnung ungewöhnlich hohe Gebühren erscheinen.

    4.6. Chatrooms

    4.6.1. ISPs, die Kindern Zugang zu ihren Netzen und damit zu Internet-Chatrooms oder anderen Foren geben, sollten auch speziell auf Kinder zugeschnittene und moderierte Chats anbieten und fördern. Chat-Sicherheitshinweise sollten auffällig bei oder in Chatrooms angebracht werden und es sollte Verfahren geben, die es ermöglichen, verdächtige Verhaltensweisen gegenüber Kindern rasch festzustellen, weiterzuleiten und zu verfolgen. Chat-Moderatoren müssen ebenso eine Ausbildung nachweisen können wie andere mit der Beaufsichtigung von Kindern betraute Erwachsene.

    4.6.2. Die derzeitigen ISP-Verfahren sollten überarbeitet werden, um, wann immer möglich, Chatroom-Unterhaltungen aufzunehmen und in Verbindung mit der angegebenen Identität der Teilnehmer zu speichern, wie dies bei gebührenpflichtigen Telefondiensten bereits der Fall ist. Die damit verbundenen Kosten können durch den Einsatz von Kompressionssoftware zur Vergrößerung der Kapazität bzw. des Speicherplatzes niedrig gehalten werden.

    4.7. Sonderangebote und Werbung

    Die EU sollte sicherstellen, dass Online-Sonderangebote nicht die Impulsivität und mangelnde Erfahrung von Kindern ausnutzen können. Außerdem sollten Beschränkungen der Tabak- und Alkoholwerbung online wirksam umgesetzt werden.

    5. Schlussfolgerungen

    5.1. Der Ausschuss hebt die Vorteile hervor, die das Internet für Kinder bietet, und betont die Notwendigkeit, die Kultur des öffentlichen Rundfunks auf das neue Medium zu übertragen, um eine breite und vielfältige Palette an kindergeeigneten Inhalten zu schaffen. Gleichzeitig muss konsequent gegen schädliche Inhalte vorgegangen werden.

    5.2. Der Ausschuss nimmt mit Sorge zur Kenntnis, dass die Polizei nach wie vor nicht in der Lage ist, die meisten der für online-Kinderpornographie missbrauchten Kinder zu finden. Er begrüßt die Absicht der Kommission, die Zusammenarbeit in diesem Bereich zu verbessern. Dabei müssen insbesondere Europol und Interpol ins Visier genommen werden.

    5.3. Der Ausschuss befürwortet den Internet-Aktionsplan und plädiert für eine bessere Mittelausstattung. Der Plan muss jedoch durch Rechtsvorschriften und in einigen Fällen durch neue Institutionen sowie durch engagiertes Handeln seitens der Regierungen, ISPs und der wirtschaftlichen und sozialen Interessengruppen untermauert werden. Der Ausschuss kann es nicht tolerieren, dass die üblichen Regeln im neuen Medienumfeld außer Acht gelassen werden sollten.

    Brüssel, den 28. November 2001.

    Der Präsident

    des Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Göke Frerichs

    (1) NUA Internet Surveys (http://www.nua/ie).

    (2) Im Juli 1999 gab bspw. eins von fünf Kindern an, dass sie auf Informationen gestoßen seien, die sie verstört hätten, und niemandem davon erzählt hätten, um nicht den Zugang zum Internet zu verlieren.

    (3) Forschung im Rahmen des EU-Internetaktionsplans, durchgeführt von European Research into Consumer Affairs, E.K.A.T.O., Griechenland und LAK, Österreich (siehe Anlage 3).

    (4) American Academy of Paediatrics, American Psychiatric Association, American Psychological Association, American Medical Association and American Academy of Child and Adolescent Psychiatry, Joint Statement on the Impact of Entertainment Violence on Children, Congressional Public Health Summit, July 26, 2000 and Children, Violence and the Media; A Report for Parents and Policy Makers; Senate Committee on the Judiciary; Senator Orrin G. Hatch; Utah; Chairman; Committee on the Judiciary Prepared by Majority Staff Senate Committee on the Judiciary September 14, 1999.

    (5) ABl. C 311 vom 7.11.2001.

    (6) ABl. C 123 vom 25.4.2001, S. 36.

    (7) ABl. C 214 vom 10.7.1998, S. 25.

    (8) Einer britischen Untersuchung zufolge sind 70 % der Eltern entsetzt darüber, dass ihre Kinder Zugang zu unerwünschten Online-Inhalten haben könnten - NOP Juli 2000.

    (9) ABl. C 287 vom 22.9.1997, S. 11.

    (10) ABl. C 116 vom 20.4.2001, S. 30.

    (11) ABl. C 311 vom 7.11.2001.

    (12) http://europa.eu.int/ISPO/iap/index.html.

    (13) Für solche Meldungen gibt es folgende Hotlines: melding@stopline.at in Österreich, gpj@gpj.be in Belgien, redbarnet@redbarnet.dk in Dänemark, contact@afa-france.com in Frankreich, hotline@jugendschutz.net und hotline@fsm.de in Deutschland, report@hotline.ie in Irland, crimino@unige.it in Italien, meldpunt@meldpunt.org in den Niederlanden, acpi@eresmas.net in Spanien, rb-hotline@telia.com oder minor@press.rb.se in Schweden, report@iwf.org.uk im Vereinigten Königreich. Portugal hat eine Website unter der Adresse www.pgr.pt/english/index.htm.

    (14) "Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes an, vor wirtschaftlicher Ausbeutung geschützt und nicht zu einer Arbeit herangezogen zu werden, die Gefahren mit sich bringen, die Erziehung des Kindes behindern oder die Gesundheit des Kindes oder seine körperliche, geistige, seelische, sittliche oder soziale Entwicklung schädigen könnte." Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes, 1989, Artikel 32 Absatz 1.

    (15) http://europa.eu.int/ISPO/iap/index.html.

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