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Document 52000IE1012

Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema «Herausforderungen der WWU für die Finanzmärkte»

ABl. C 367 vom 20.12.2000, p. 49–61 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

52000IE1012

Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema «Herausforderungen der WWU für die Finanzmärkte»

Amtsblatt Nr. C 367 vom 20/12/2000 S. 0049 - 0061


Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Herausforderungen der WWU für die Finanzmärkte"

(2000/C 367/14)

Der Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 2. März 2000, gemäß Artikel 23 Absatz 3 der Geschäftsordnung eine Stellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten: "Herausforderungen der WWU für die Finanzmärkte".

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 5. September 2000 an. Berichterstatter war Herr Pelletier.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 375. Plenartagung am 20. und 21. September 2000 (Sitzung vom 21. September) mit 73 gegen 13 Stimmen bei 10 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme.

1. Einleitung

1.1. Die Verwirklichung der Währungsunion stellte für die Akteure der Finanzmärkte eine doppelte Herausforderung dar: Auf technischer Ebene mussten gemeinsame Funktionsvorschriften festgelegt werden, während die verschiedenen Finanzmärkte bis dahin nach Methoden und Grundsätzen funktioniert hatten, die das Ergebnis einer langen Anpassung an nationale Bräuche waren.

1.2. Die zweite Herausforderung ergibt sich aus den kurzen Zeiträumen, die für die Durchführung der wichtigsten Schritte zur Verfügung stehen, wie z. B. die Umdenominierung aller auf den verschiedenen Märkten gehandelten Wertpapiere (Aktien - Schuldverschreibungen - Staatsanleihen) auf eine einzige Währung, den Euro, oder die schnelle Übernahme gemeinsamer Vorschriften für das Funktionieren der Märkte mit, um nur eine Schwierigkeit zu nennen, unterschiedlichen Feiertagen in den einzelnen Staaten der Euro-Zone.

1.3. Die Europäische Kommission vertraute die Untersuchung der Auswirkungen, die die Einführung des Euro auf der dritten Stufe der WWU auf die Finanzmärkte und die Marktkonventionen hat, sinnvollerweise Sachverständigengruppen unter dem Vorsitz der Herren Giovannini und Brouhns an(1).

1.4. Die Berichte dieser beratenden Gruppen waren für die Ausarbeitung dieser Stellungnahme sehr wertvoll.

1.5. Es zeigte sich aber sehr schnell, dass der Ausschuss nicht so vorgehen konnte wie die hervorragenden Finanzmarktexperten, die die Kommission zu Rate gezogen hat.

1.6. Eine erneute Analyse der Probleme, die kaum von derjenigen des Giovannini- oder Brouhns-Berichts abweichen könnten, hätte für den Wirtschafts- und Sozialausschuss, dessen Aufgabe es ist, den Adressaten seiner Stellungnahmen zusätzliche Informationen zu beschaffen, keinen praktischen Nutzen.

1.6.1. Der Ausschuss verfasste nicht weniger als zehn Stellungnahmen(2) zur WWU und zum Euro, die die verschiedenen Aspekte einer entscheidenden Entwicklung hin zu einer stärkeren Integration der Europäischen Union abdecken. In diesen verschiedenen Stellungnahmen hat sich der Ausschuss klar für die Einführung des Euro und die Währungsunion ausgesprochen. Diese weitere Stellungnahme soll weder den Standpunkt des Ausschusses in Frage stellen noch die Debatte über die Vor- und Nachteile des Euro wieder aufnehmen - diese Art von Debatte ist abgeschlossen. Gegenstand dieser Stellungnahme ist, wie im Titel klar zum Ausdruck kommt, eine Bestandsaufnahme der Herausforderungen, d. h. der Probleme, vor die sich die Finanzmärkte durch die WWU gestellt sehen.

1.7. Deshalb wurde es als sinnvoller angesehen, die verschiedenen technischen Herausforderungen nur kurz zu erwähnen und dabei die verdienstvollen Bemühungen der einzelnen Finanzplätze um die Übernahme gemeinsamer Lösungen sowie das - letztendlich entscheidende - spontane Handeln der Märkte zur Umsetzung dieser Anpassungen hervorzuheben.

1.8. Umgekehrt erscheint es nützlich, die noch nicht oder nicht zufriedenstellend gelösten Probleme aufzuzeigen, insbesondere mit Bezug auf den Termin Januar 2002, zu dem alle nationalen Währungen verschwinden.

1.9. Im Übrigen muss festgestellt werden, dass zwar die technische Analyse der Probleme im Zusammenhang mit dem Funktionieren der Finanzmärkte sorgfältig durchgeführt wurde, die Analyse der wirtschaftlichen Folgen eines großen einheitlichen Euromarktes aber wesentlich weniger in die Tiefe ging.

1.10. Es erscheint unabdingbar, unsere Analyse in den weiteren Zusammenhang der Globalisierung, der beinahe vollkommenen Liberalisierung des Kapitalverkehrs und der Entwicklung der neuen Finanzmarkttechniken zu stellen.

1.11. Betroffen macht zunächst die Tatsache, dass die Euro-Zone, so wichtig sie für die Mitgliedstaaten sein mag, sowohl hinsichtlich der Akteure als auch der eingesetzten Mittel - man denke nur an den außerordentlichen Konzentrationsprozess der Banken, der Geldinstitute und der Wertpapierbörsen und die rasante Zunahme der Möglichkeiten des elektronischen Börsenhandels (Internet) - lediglich eine Untereinheit eines Weltmarkts darstellt, auf dem die Vereinigten Staaten die Hauptrolle spielen und die Methoden und Funktionsweise eines weltumspannenden Finanzmarkts mit ihrem ganzen Gewicht beeinflussen.

1.12. Der wichtigste europäische Finanzplatz, London, spielt, obwohl es bisher außerhalb der Euro-Zone liegt, in der Praxis in den verschiedenen Segmenten der Finanzmärkte eine entscheidende Rolle.

1.13. Muss ohne Wenn und Aber eine der Kernaussagen der maßgeblichen Kommentare akzeptiert werden, die besagt, dass sich die Vertiefung des Marktes, seine höhere Liquidität, die Zunahme des transnationalen Wettbewerbs unbestreitbar positiv auf die Finanzierung aller Unternehmen, unabhängig von Größe oder Tätigkeitsbereich, auswirken?

1.14. Schließlich ist hervorzuheben, dass ein Finanzmarkt nur dann reibungslos funktioniert, wenn seine Akteure die Revolution, die die Einführung des Euro darstellt, vollkommen verarbeitet haben. Selbst wenn keine zuverlässigen statistischen Daten für die gesamte Euro-Zone vorliegen, ist deutlich, dass, von den bereits stark international ausgerichteten großen Konzernen und mächtigen Unternehmen sowie natürlich dem Banken- und Finanzsektor abgesehen, die restlichen - kleinen und mittleren - Unternehmen bis zum Jahr 2002 noch große Fortschritte zu leisten haben, um sich mit der veränderten Funktionsweise der Märkte vertraut zu machen(3).

1.15. Was die Privatpersonen angeht - deren Einbeziehung in das Funktionieren der Märkte grundlegend ist -, so deutet alles darauf hin, dass die gesamte Euro-Zone trotz der Informations- oder sogar Schulungsmaßnahmen der Europäischen Kommission sowie der verschiedenen Berufsorganisationen und öffentlichen Einrichtungen von der vollkommenen Umstellung der Methoden und Denkweisen auf das letztendlich zu erreichende Ziel noch sehr weit entfernt ist, selbst wenn je nach Staat Unterschiede festzustellen sind.(4)

1.16. Die Europäische Kommission hat die Mitgliedstaaten auf ihre Verpflichtungen bezüglich der Vermittlung des Euro hingewiesen: "Unsere größte Sorge ist, dass die KMU den Übergang zum Euro als unproblematisch ansehen, da viele von ihnen sich der strategischen Dimension nicht bewusst sind. Es muss vermieden werden, dass sich die Unternehmen im völligen Chaos wiederfinden. Unsere zweite Sorge betrifft die Sensibilisierung der sogenannten 'schwachen' Personen"(5).

2. Die Herausforderungen für das Bankwesen

2.1. Vor dem Hintergrund einer starken Internationalisierung der Märkte haben die europäischen Banken auf dem Kontinent in einem verstärkten Wettbewerb mit den britischen und amerikanischen Banken eine vergleichsweise schlechte Position, da sie in den letzten Jahren einer insgesamt weniger günstigen Konjunkturlage ausgesetzt waren. Diese Unterlegenheit wird anhand der Rentabilität der eingesetzten Aktiva(6) und der sich daraus ergebenden Börsenkursnotierungen gemessen. Diese Schwächen sind jedoch weit weniger gravierend, wenn man das gesamte Bankwesen der EU, einschließlich der in London niedergelassenen Banken von Drittländern, betrachtet.

2.2. Obwohl nun ein deutlicher Aufschwung verzeichnet wird, nehmen die Geschäftsmargen weiterhin ab, und die Rückstellungen für Wagnisse und Verlustgefahren sind im Verlauf der jüngsten Krise beträchtlich angestiegen, insbesondere im Immobiliengeschäft, bei Finanzierungen in Russland und Asien. Zudem senkte der sehr günstige Konjunkturverlauf in den Vereinigten Staaten den Rückstellungsbedarf der amerikanischen Banken für KMU und Privatpersonen im Vergleich zu denen der Euro-Zone.

2.3. Die Wiederbelebung der Wirtschaft in Europa seit 1999 ermöglicht es nach und nach, die Spuren dieser Krise in den Bilanzen zu mildern. Laut den neuesten Informationen der Rating-Agentur Fitch verbesserten sich die Ergebnisse im letzten Quartal 1999 und im ersten Quartal 2000 deutlich.

2.4. Der Umfang der verwalteten Aktiva, der Eigenmittel und der Gewinne nach Steuern des gesamten Bankensektors der EU übertraf 1999 die entsprechenden Ergebnisse des amerikanischen Bankensektors.

2.5. Ein weiterer Grund für die Abkehr der Investoren ist das Gefühl, dass die europäischen Banken trotz der technischen Entwicklungen der vergangenen Jahre immer noch stark von der "Old Economy" geprägt sind, der die High-Tech-Sektoren und die neuen Formen des elektronischen Marktzugangs der Nichtbanken gegenüberstehen.

2.6. Junge "Start-ups" und Unternehmen aus dem Nichtbankensektor setzen alles daran, die schwerfälligen und veralteten Formen der Kundenakquisition zu verdrängen. Diese aggressive Konkurrenz trägt dazu bei, dass sich der gesamte Finanzsektor der Notwendigkeit tiefgreifender Veränderungen bewusst wird, sowohl im internen Management als auch in den Strukturen des Gewerbes.(7)

2.7. Die Annäherungen unter Banken, die Fusionen, aber mehr noch die Vereinbarungen in Bezug auf Spezialisierungen sind die sichtbarsten Formen der Bewusstwerdung der Herausforderungen.

2.8. Zu den veränderten Strategien zählt auch - besonders in Deutschland - die Umstrukturierung von Finanzanlagen, mit der eine Abkehr von den traditionellen Formen der Industriebeteiligungen und allgemeiner Unternehmensbeteiligungen des Bankensektors einhergeht. Dieses Phänomen wurde durch die jüngste deutsche Steuerreform bezüglich Veräußerungsgewinnen erheblich gefördert.

3. Inwieweit sind die Währungsunion und der Euro für diesen umfassenden Umstrukturierungsprozess verantwortlich?

3.1. Die meisten Beobachter stimmen darin überein, dass die folgenden Faktoren der tatsächliche Auslöser waren:

- Die allgemeine Liberalisierung des Kapitalverkehrs, deren wichtigste Etappen die Einheitliche Akte vom Februar 1988 und der Vertrag von Maastricht waren, der den Fall der Grenzen in der Europäischen Union - auch für das Kapital - auf den 1. Juli 1990 festlegte.

- Die fast vollkommene Liberalisierung des Niederlassungsrechts ab dem 1. Januar 1993 durch die gegenseitige Anerkennung der von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union erteilten Zulassungen (Europäischer Pass). Öffnung der Märkte der Union, die de facto und de jure auf die Zweigniederlassungen der Kreditinstitute der Vereinigten Staaten, Japans usw. ausgedehnt wurde.

3.2. Ausgehend von diesen grundlegenden Gegebenheiten war der Weg frei für die Allmacht des Wettbewerbs und der internationalen Kapitalmärkte - in einer Größenordnung jenseits der Euro-Zone.

3.3. Die Schaffung der - voraussichtlich 12 der 15 Staaten umfassenden - Euro-Zone beschleunigte die Erkenntnis, "dass nichts mehr so wie vorher sein würde".

3.4. Dennoch ist es wahrscheinlich, dass die Strömungen, die zu einer Globalisierung der Kapitalbewegungen und der Bankenaktivität drängten, mit oder ohne die Währungsunion zu elft dieselben Folgen hervorgerufen hätten.

4. Die Herausforderung der Harmonisierung der Bankenaufsicht

4.1. Die Kontrolle und Überwachung der Einhaltung der aufsichtsrechtlichen Vorschriften ist eine der wichtigsten staatlichen Aufgaben, mit der in der Regel die Zentralbanken bzw. diesen nahestehenden Gremien oder in selteneren Fällen (z. B. in Deutschland) eine Behörde mit weitreichender Autonomie betraut werden.

4.2. In jedem Fall aber handelt es sich um sehr einflussreiche Inspektionsteams mit zahlreichen, hochqualifizierten Mitarbeitern, denen die Verwaltungsmethoden der Banken, deren Besonderheiten sowie ihre Stärken und Schwächen, insbesondere im Bereich der Risikoübernahme, bestens vertraut sind.

4.3. Die großen Banken haben aufgrund der Zahl der Anleger, des Umfangs der verwalteten Aktiva und ihrer vielfältigen wirtschaftlichen und finanziellen Beziehungen einen derartigen Einfluss auf die nationalen Märkte, dass die etwaigen Schwierigkeiten dieser Banken Auswirkungen auf die einzelstaatliche (und sogar die internationale) Wirtschaft sowie auf die Beschäftigung haben können.

4.4. Bei diesem Risikoniveau sind die Probleme der führenden Banken unmittelbar Sache der Regierungen, und der Grundsatz "too big to fail" kommt im vollen Umfang zum Tragen.

4.5. Die Bankenaufsichtskommissionen mögen zwar unabhängig sein, doch sind sie bei gravierenden Problemen in jedem Fall gehalten, die Regierungen zu informieren und deren Empfehlungen zu folgen.

4.6. Politische Maßnahmen im Bereich der Bankenaufsicht sind in Europa nicht üblich. Anlässlich der Erschütterung des japanischen Bankensystems griff die Regierung mit Unterstützung der Bank von Japan massiv ein, um die teilweise kurz vor dem Konkurs stehenden japanischen Banken zu retten.

4.6.1. Auch die amerikanische Regierung und die Federal Reserve intervenierten anlässlich der Krise mehrerer Hedge Funds wie LTCM, die in Anbetracht des Umfangs der gegenseitigen Verpflichtungen zwischen Banken und nicht der Bankenaufsicht unterstehenden Instituten einen Dominosteineffekt hätte nach sich ziehen können.

4.7. Die gravierenden Probleme des "Crédit Lyonnais" wurden von der Bankenaufsichtsbehörde und der Direktion des französischen Schatzamtes rechtzeitig aufgedeckt. Es drohte das Risiko eines Zusammenbruchs des gesamten Finanzmarktes.

4.8. In Anbetracht des Umfangs der systemimmanenten Risiken kann den Aufsichtsbehörden, die in diesen Fällen unter politischem Einfluss stehen, nicht ernsthaft vorgeworfen werden, die Öffentlichkeit nicht umfassend über das Ausmaß der Probleme zu informieren.

4.9. Im Fall gravierender Probleme einer führenden Bank ist es Aufgabe der Aufsichtsbehörden, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Stabilität der bestehenden Institute zu erhalten.

5. Auf dem Weg zur Schaffung einer europäischen Bankenaufsichtsinstanz?

5.1. Mit der Einführung des Euro, der spektakulären Zunahme grenzüberschreitender Zusammenschlüsse und Kooperationsvereinbarungen sowie der Intensivierung der Beziehungen zwischen den Finanzmärkten ist die Problematik der Bankenaufsicht auf die gemeinschaftliche Ebene gerückt.

5.2. Daher ist das Prinzip einer verstärkten Zusammenarbeit der Aufsichtsorgane auch Teil des von der Kommission am 11. Mai 1999 angenommenen Aktionsplans im Bereich der Finanzdienstleistungen.

5.3. Die Tatsache, dass die grundlegenden aufsichtsrechtlichen Vorschriften, insbesondere die über die Solvabilitätskoeffizienten, künftig vom Baseler Ausschuss auf weltweiter Ebene festgelegt werden, lässt es immer naheliegender erscheinen, dass zu gemeinsamen Regeln auch eine gemeinsame Aufsicht gehören muss.

5.4. Auf Initiative der EZB verständigten sich die Vertreter der Bankenkommissionen der EU-Mitgliedstaaten darauf, ein Bankenaufsichtsforum einzurichten. Dieses Forum soll einen Informationsaustausch über die Aufsichtsmethoden ermöglichen und deren Harmonisierung in die Wege leiten.

5.5. In Anbetracht der außerordentlichen Komplexität der Bankenaufsicht, der Vielfalt einzelstaatlicher Besonderheiten und der Sorge der nationalen Behörden um ihre Unabhängigkeit ist der Zeitpunkt für die Errichtung eines regelrechten europäischen Aufsichtsorgans sicher noch nicht gekommen, doch ist der Weg nach Ansicht zahlreicher Bankexperten vorgezeichnet und wird zum Erfolg führen, allerdings unter der Voraussetzung, dass keine Pyramide aus nationaler, europäischer und internationaler Aufsicht geschaffen wird, was eine lähmende Wirkung hätte.

5.6. Ein Problem wird darin bestehen, die neuen Formen des Börsenhandels per Internet und die Nichtbanken, die sich auf den verschiedenen Märkten immer stärker durchsetzen, denselben Regeln zu unterwerfen wie die Banken. Diese Besorgnis kam in früheren Stellungnahmen des Ausschusses deutlich zum Ausdruck(8).

6. Verbesserung des institutionellen Rahmens für die europäische Börsenregulierung

6.1. Die Argumente, die für die Einrichtung einer europäischen Bankenaufsichtsbehörde sprechen, lassen sich mit noch größerem Nachdruck auch im Bereich der Regulierung und Überwachung der Finanzmärkte und Börsenplätze anführen.

6.2. Die Börsenzusammenschlüsse und die Entwicklung des ECN(9) auf dem europäischen Markt werfen das Problem der europäischen Börsenregulierung auf.

6.3. Die Grundlagen für die europäische Börsenregulierung werden in den Richtlinien mit Mindestvorschriften definiert, die den Begriff des regulierten Marktes, die Regeln für das reibungslose Funktionieren der Märkte und für den Schutz der Anleger festlegen. Jede nationale Börsenbehörde legt auf der Ebene des heimischen Marktes ihre eigenen Regeln fest. Die verschiedenen einzelstaatlichen Behörden können zusammenarbeiten.

6.4. Zweieinhalb Jahre nach der Schaffung des "Forum of European Securities Commissions" (FESCO) haben die europäischen Regulierungsbeauftragten ihre Zusammenarbeit in einem gemeinsamen institutionellen Rahmen intensiviert, insbesondere um die Verhaltensregeln zu präzisieren, die die Erbringer von Investitionsdienstleistungen bei ihren grenzüberschreitenden Angeboten einzuhalten haben.

6.5. Das FESCO schlägt eine harmonisierte Definition des professionellen Anlegers vor, auf den nur einige wenige Verhaltensregeln Anwendung finden würden. Damit wird das Ziel verfolgt, der Debatte über die Regeln für den Herkunftsstaat im Verhältnis zu den Regeln für den Empfängerstaat ein Ende zu setzen.

6.6. Ferner wurde in dem Bestreben, die gegenseitige Anerkennung der Börsenprospekte zu erleichtern, ein harmonisiertes Referenzdokument entworfen; dies würde es einem Anbieter nach der Genehmigung dieses Dokuments in seinem Notierungsland ermöglichen, sein Angebot auf der Grundlage eines einfachen Vermerks und einer Zusammenfassung in der Landessprache auszudehnen.

6.7. Hiervon ausgehend wäre es wünschenswert, das Konzept einer supranationalen Regulierung zu entwickeln, die nicht eine weitere Stufe des einzelstaatlichen Verfahrens wäre, sondern nach und nach an die Stelle bestimmter Vorgänge treten würde, die die Mitgliedstaaten der Zuständigkeit der nationalen Behörden entziehen.

6.8. Das Netz der nationalen Regulierungsbeauftragten könnte flexibler auf die unterschiedliche Anwendung der Richtlinien reagieren. Den von den Regulierungsbeauftragten festzulegenden Normen müsste zweifellos Rechtskraft verliehen werden, und es sollte ein Mechanismus geschaffen werden, der es ermöglicht, rasch auf eine unterschiedliche Anwendung der Richtlinien zu reagieren. Dieses Regelwerk würde die Richtlinien nicht ersetzen, sondern ergänzen.

7. Die Währungsunion verändert die Finanzierungsmodalitäten der Unternehmen

7.1. Obwohl sich insbesondere die großen europäischen Unternehmen immer mehr am Markt finanzieren, weichen die Bezugsmodelle in Kontinentaleuropa einerseits sowie dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten andererseits (angelsächsisches Modell) nach wie vor stark voneinander ab.

7.2. In Kontinentaleuropa beruht die gängigste Finanzierungsform der Unternehmen - neben den in der Regel minderheitlichen Beteiligungen der Banken - weiterhin auf dem vermittelten Kredit.

7.3. Der Rückgriff auf den Finanzmarkt oder Konsortialkredite für die Direktfinanzierung von Unternehmen ist immer noch weniger stark entwickelt als in den Vereinigten Staaten oder in Großbritannien, was insbesondere für die KMU gilt. Die Emissionskosten (Bestimmungen, Anpassung der Rechnungslegung, Kommunikationspolitik) wirken auf die kleinsten Unternehmen der "Old Economy" nach wie vor abschreckend.

7.4. Durch die Internationalisierung der Märkte und die Schaffung der Euro-Zone bekommen die Wertpapierbörsen eine neue Funktion und können das Bankensystem ablösen. In ihrem Jahresbericht 1999 stellt die EZB fest, dass die Rolle der Märkte bei der Zuweisung der Finanzmittel gegenüber der Rolle der Finanzinstitute an Bedeutung gewinnt(10). Dennoch unterstützen die Banken den Marktzugang der Unternehmen in entscheidender Weise.

7.5. Die Börsengänge, die Aktienemissionen durch Kapitalerhöhung und die Ausgabe von Schuldverschreibungen ändern die Finanzierungsmethoden.

7.6. Die institutionellen Anleger, d. h. die - sehr oft amerikanischen - Verwalter von Anlage- und Pensionsfonds sind zu den einflussreichsten Akteuren der Finanzmärkte geworden. Dies rechtfertigt die Initiativen der Europäischen Kommission zur Förderung der Pensionsfonds in der Wirtschaftsunion.

7.7. Die auf Risikoanlagen spezialisierten Anlagegesellschaften - deren geringe Zahl noch vor kurzem zu den anerkannten Schwächen Europas gegenüber den Vereinigten Staaten gehörte - nehmen rasant zu.

7.8. Die Schaffung der NASDAQ 1971 in den Vereinigten Staaten machte Schule: So war in Europa die Entstehung neuer Börsenstrukturen (Neue Märkte) zu beobachten, deren Hauptzweck die Finanzierung neugegründeter, auf die "New Economy" und die High-Tech-Branche spezialisierter Unternehmen ist, die im Internet surfende Spekulanten ganz besonders schätzen.

7.9. Durch die Schaffung der Euro-Zone, die die Abschottung der einzelstaatlichen Währungsräume aufhebt, wird dem Markt eine in der jüngsten Vergangenheit unbekannte Tiefe und Liquidität geboten.

8. Die Finanzierungsbedingungen für die kleinen und mittleren Unternehmen weiterhin im Auge behalten

8.1. Die verstärkte Abhängigkeit der Unternehmensfinanzierung vom Markt hat weitreichende Folgen für die Beziehungen zwischen Schuldnern und Geldgebern.

8.2. Im Jahresbericht der Europäischen Zentralbank für 1999 heißt es: "In der Vergangenheit waren im Eurogebiet die Banken die wichtigsten Anbieter von Finanzdienstleistungen an relativ fragmentierten und geschützten nationalen Märkten. Durch den Abbau von Wettbewerbsbeschränkungen zwischen den verschiedenen nationalen und regionalen Märkten hat sich der Wettbewerb der Banken untereinander sowie mit anderen Finanzdienstleistern jedoch verstärkt"(11).

8.3. Durch den Fortschritt der Informationstechnologien ändern sich die traditionellen Formen der Beziehungen zwischen Banken und Kunden. Es ist einfach und kostengünstig geworden, die für Finanzierungsentscheidungen erforderlichen Informationen rasch zu erhalten.

8.4. Durch die rechnergestützten Techniken zur Steuerung der Kreditrisiken, die auf Unternehmen angewandt werden, sich aber auf die für Verbraucher- oder Wohnungsbaukredite genutzte Kreditwürdigkeitsprüfung stützen, ändert sich die traditionelle Geschäftspraxis der Banken. Diese Standardform der Risikobewertung ist für den Mittelstand weniger günstig.

8.5. Die Verschärfung der aufsichtsrechtlichen Vorschriften in Verbindung mit der Tätigkeit des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht drängt die Banken zu mehr Vorsicht bei der Verwaltung ihrer Bestände. Sie suchen "gute KMU", die über vertrauenswürdige Zeichnungsberechtigte verfügen.

8.6. Die Insolvenz zahlreicher Schuldner während der jüngsten Krise hinterließ ihre Spuren in den Köpfen der Führungskräfte, die mehr und mehr dazu neigen, auf die rechnergestützten Systeme zur Risikoberechnung zu vertrauen.

8.7. Die Entwicklung der grenzübergreifenden Finanzbeziehungen ist - außerhalb der Grenzgebiete - noch auf die großen und mittleren Unternehmen beschränkt, die nicht bis zur Währungsunion gewartet hatten, um transnationale Kontakte zu knüpfen.

8.8. Dagegen ist eine starke Zunahme von Kooperationsvereinbarungen zwischen Banken und Versicherungsgesellschaften festzustellen, die auf dem grenzübergreifenden Dienstleistungsverkehr beruhen.

8.9. Als eine mögliche Erklärung für diesen Rückstand beim Ausbau des von der Währungsunion induzierten innergemeinschaftlichen und grenzübergreifenden Wettbewerbs werden in der Regel der große Zeitaufwand und die hohen Kosten für die Durchdringung der relativ gesättigten Märkte der Wirtschaftsunion genannt.

8.10. Die institutionellen Hindernisse werden immer seltener angeführt, aber die Sachverständigen unterstreichen das Gewicht des "kulturellen Moments" und das "Fortbestehen nationaler Besonderheiten"(12). Die Unterschiede in Sprache, Steuerwesen und Rechnungslegung, die fehlende Harmonisierung des Konkursrechts usw. tragen dazu bei, grenzüberschreitende Niederlassungen und Finanzierungen zu hemmen.

9. Die Währungsunion verändert die Verkaufskanäle für Finanzdienstleistungen

9.1. Der Absatz von Finanzdienstleistungen über das Internet wirft das Problem des Anlegerschutzes auf.

9.2. In diesem Bereich ist ein maximales Schutzniveau äußerst wünschenswert. Der Vorschlag für eine Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen trägt diesem Anliegen mit dem Grundsatz der sog. maximalen Harmonisierung Rechnung.

9.3. Diese maximale Harmonisierung besteht in der Schaffung eines Bündels gemeinsamer Rechtsvorschriften für alle Mitgliedstaaten, die keine Möglichkeit haben, diese Vorschriften zu kürzen oder zu ergänzen.

9.4. Auf diese Weise wird in der Europäischen Gemeinschaft für die Anleger ein unverzichtbares Schutzniveau in dem Bewusstsein geschaffen, dass professionelle Anleger anderen, an ihren Kompetenz- und Informationsstand angepassten Regeln unterworfen sein könnten.

10. Der Einfluss der Währungsunion auf den Rentenmarkt

10.1. Es bestand allgemeines Einvernehmen darüber, dass der Euro für die gesamte Zone einen einheitlichen Zinsmarkt schaffen würde, mit einem stärkeren Wettbewerb zwischen den Emittenten und geringeren Kosten für die Anleihenehmer als Ergebnis. Der Sparer sollte von einem beträchtlichen Rückgang der Transaktionskosten profitieren, und das Gebührenaufkommen der traditionellen Banken sollte sinken.

10.2. Die Europäischen Kommission stellt fest: "... Das Volumen der auf Euro lautenden neuen Anleihen hat alle Erwartungen übertroffen (Tabelle 10 im Cardiff-Bericht). Im ersten Halbjahr 1999 hat das Volumen der internationalen Euro-Anleihen 40 % des gesamten Anleihevolumens (in allen Währungen) erreicht - gegenüber 30 % bzw. 20 % (in den Landeswährungen und in ECU) in den Jahren 1998 bzw. 1997. Die Gesamthöhe der auf Euro lautenden Anleihen (inkl. einheimische Ausgaben) nähert sich dem Wert der auf US-Dollar lautenden Anleihen - Beleg für die zunehmende Tiefe und Liquidität der europäischen Anleihemärkte. Diese Bedingungen werden die grenzüberschreitenden Transaktionen europäischer Anleger begünstigen"(13). 1999 überstieg der Wert der Emissionen in Euro den der Emissionen in US-Dollar. Allerdings sind die Emissionen in Euro meist Gegenstand von Swaps in US-Dollar, was sich auf den Dollarkurs auf den Devisenmärkten auswirkt. Nach den Statistiken von "Capital Data Bondware" hat der US-Dollar seine Vormachtstellung auf dem Rentenmarkt zurückgewonnen (43,87 % Marktanteil mit 342,9 Mrd. US-Dollar gegenüber 40,68 % und 317,9 Mrd. für die Emissionen in Euro).

10.3. Ein Beweis für die Präferenz des Marktes für risikoarme Geldanlagen ist das massive Übergewicht an mit Staatsschuldverschreibungen vergleichbaren Wertpapieren, wobei die Emissionen im zweiten Quartal 1999 zu 43 % ein AAA- und zu 44 % ein AA-Rating aufweisen. Als ermutigenden Aspekt der Markterweiterung nennt die Kommission die Tatsache, dass die Emissionen, die von den internationalen Agenturen ein A-Rating erhielten, von unter 2 % im Januar 1999 im Lauf des zweiten Quartals 1999 auf 10 % gestiegen sind.

11. Die WWU verändert die Beschaffenheit des europäischen Markts für Staatspapiere

11.1. Der gesamteuropäische Markt für Staatspapiere liegt von nun an auf Platz eins vor dem der Vereinigten Staaten.

11.2. "Durch den Wegfall des Wechselkursrisikos sowie die Beseitigung der Zinsunterschiede hat der Euro die Liquidität einzelner Anleihen zum Hauptfaktor bei der Renditenbewertung von Staatsanleihen gemacht und die Bedeutung des Kreditrisikos in den Hintergrund treten lassen"(14).

11.3. Die Finanzierungsbedingungen der Staaten hängen in Zukunft von der Liquidität ab, d. h. von ihrem Emissionsvolumen auf dem Euro-Markt. Die Analyse der öffentlichen Finanzen des emittierenden Staates verliert damit an Bedeutung. Diese Entwicklung ist für die Emissionen der kleinen Staaten ungünstig.

11.4. Gleichzeitig ist eine Zunahme der privaten Emissionen und der Kursunterschiede festzustellen, wodurch die Unterschiede zwischen den Kreditnehmern an Bedeutung zunehmen(15).

12. Die Auswirkungen der Wirtschafts- und Währungsunion auf die Funktionsweise des Finanzmarkts

12.1. Es ist noch zu früh, um die Auswirkungen der Revolution, die durch die Ausstellung aller Wertpapiere - Aktien, Anleihen und anderer Titel für öffentliche oder private Schulden - in Euro ab 1. Januar 1999 hervorgerufen wurde, ernsthaft zu bewerten.

12.2. Der Euro-Markt erreichte so ein dem der Vereinigten Staaten vergleichbares Volumen, mit einer überzeugenden "kritischen Masse". Selbst wenn die Transformation der Märkte längst noch nicht abgeschlossen ist, besteht die Möglichkeit, sich einen relativ zuverlässigen Überblick über die Haupttendenzen zu verschaffen.

12.3. Die Mehrheit der Sachverständigen ist sich über die positiven Auswirkungen der Währungsunion einig:

- Zunahme der grenzübergreifenden Wertpapiertransaktionen,

- Beschleunigung der Integration der nationalen Märkte und Erhöhung der Marktliquidität,

- Entstehung eines Marktes für Unternehmensschuldtitel (Corporate debt market), auf dem die Emittenten den Risikobewertungsverfahren der Vereinigten Staaten unterworfen sind,

- Völlige Umgestaltung der Bestimmungen für das Funktionieren der Märkte (Abwicklung - Lieferung, Abrechnung usw.).

12.4. Der Wettbewerb unter den Finanzplätzen und ganz besonders den Wertpapierbörsen begann aggressiv, wobei zwei große Organisationsschwerpunkte auszumachen sind:

- ein segmentierter Zusammenschluss der London Stock Exchange mit der Frankfurter Börse (bei gleichzeitiger Zusammenarbeit mit der NASDAQ) - ein Projekt, das infolge der negativen Reaktion zahlreicher Mitglieder des London Stock Exchange in Frage steht;

- eine sehr ausgeprägtes Modell der Integration zwischen den Börsen von Paris, Brüssel und Amsterdam (Euronext) in Verbindung mit einer Verknüpfung der Transaktionssysteme, die neben Euronext sieben internationale Börsenplätze, darunter New York Stock Exchange und die Börsen von Tokio und Hong Kong, in einem "Global Equity Market" zusammenfasst, der auf weltweiter Ebene rund um die Uhr funktioniert. Auf diesen enormen Markt werden mit 20000 Mrd. Dollar 60 % der weltweiten Börsenkapitalisierungen entfallen. (Grundsätzliche Zustimmung am 7. Juni 2000 in Tokio angekündigt).(16)

12.5. Im Allgemeinen sind die Sachverständigen der Ansicht, dass es in der Wirtschafts- und Währungsunion zu viele Börsen gibt und ihre durch die einheitsstiftende Rolle des Euro unterstützte Vereinigung zwingend geboten ist. Allerdings sollten bei dieser unvermeidlichen Konzentration die Wettbewerbsregeln eingehalten werden.

12.6. Diese Zusammenschlüsse erfolgen auf der Grundlage von Spezialisierungen: so hätte London eine herausragende Stellung auf dem Markt für Standardaktien und Frankfurt für Derivate und High-Tech-Werte.

12.7. Die Zusammenschlüsse auf dem Kontinent würden ebenfalls auf der Grundlage einer Spezialisierung jeder Börse vor sich gehen, es würde jedoch mit einem einzigen elektronischen Transaktionssystem gearbeitet.

12.8. Die technologischen Innovationen sind die Haupttriebkraft des Konsolidierungsprozesses. Durch die Einführung einer fortlaufenden elektronischen Notierung der Orders per Internet verliert der Begriff des örtlichen Börsenplatzes einen Teil seiner Bedeutung.

12.9. Die Routingmechanismen für die Orders, die Abrechnung, die Abwicklungen und Lieferungen der Wertpapiere spielen in einem letztlich weniger europäischen als weltweiten Wettbewerb eine entscheidende Rolle.

12.10. Das noch schlecht einschätzbare Risiko, dass der bedeutendere Teil der Transaktionen über nicht reglementierte Märkte abgewickelt wird, sei es direkt oder über die wachsende Zahl von "ECN", kann nicht völlig ausgeschlossen werden.

12.11. Die OTC(17)-Derivatemärkte sind in Europa sehr dynamisch. Den für diese Transaktionen geltenden Rahmenverträgen über die Finanzinstrumente müsste eine europäische Norm zugrunde liegen. Die EU-Bankvereinigung (FBE) hat mit "Euromaster" einen europäischen Rahmenvertrag geschaffen, der von allen europäischen Bankenvereinigungen anerkannt wird. Dieser Vertrag vereinheitlicht die Klauseln für die gesamte Union. Dieses Beispiel sollte in der Gemeinschaft Schule machen.

13. Die Märkte reagieren auf die Wechselkursparität zwischen Euro und Dollar

13.1. Die Internationalisierung des Marktes für europäische Wertpapiere - über die traditionellen "Blue Chips" hinaus - wurde durch die Vereinheitlichung der Notierungen in Euro beträchtlich verstärkt.

13.2. Der von den amerikanischen Pensionsfonds bei der europäischen Börsenkapitalisierung eingenommene Platz stellt einen positiven Aspekt der Währungsunion dar.

13.3. Die Beunruhigung rührt von der extremen Volatilität dieser Anlagen her.

13.4. Der Unterschied zwischen Euro und Dollar betrug bis zu 25 %. Dies führte zu einer starken Abkehr der internationalen Anleger von den europäischen Wertpapieren. Der Zahlungsbilanzposten für Wertpapiertransaktionen ist negativ. Die europäischen Investitionen in amerikanische Werte übersteigen die amerikanischen Anlagen in Europa.

13.5. Selbst wenn bei der Erklärung dieses Defizits zahlreiche Faktoren zu berücksichtigen sind - zu denen auch die unterschiedliche Dynamik der Volkswirtschaften dies- und jenseits des Atlantiks zählt -, muss festgehalten werden, dass der Euro im Vergleich zur vorherigen Situation der wichtigsten einzelstaatlichen Börsen zu einer verstärkten Volatilität der Märkte führte. Diesen Börsen kamen bei gleichzeitiger Weltoffenheit die treue Unterstützung der lokalen Anleger und deren festes Vertrauen in die Wechselkurse der einzelstaatlichen Währungen (Französischer Franc und Deutsche Mark) zugute.

13.6. Die Herausforderung, eine Parität zwischen Euro und US-Dollar herzustellen, die den wirtschaftlichen Grunddaten eher gerecht wird, wurde (bisher?) nicht gemeistert. Mit dieser paradoxen Differenz hatten die meisten Sachverständigen bei ihren Voraussagen nicht gerechnet.

13.7. Die Währungspolitik der mit dieser unvorhergesehenen Situation konfrontierten EZB löst das aus, was die Märkte am wenigsten mögen: ein Gefühl der Unsicherheit.

13.8. Die Aussicht, dass die EZB ausschließlich mit Zinserhöhungen reagieren könnte, um den Euro-Kurs wieder ansteigen zu lassen oder wenigstens seinen Verfall zu stoppen, erscheint den Hauptwirtschaftsakteuren unangemessen. Die EZB hat dieser Unsicherheit durch sehr moderate Angebungen ihres Refinanzierungssatzes Rechnung getragen (+0,25 % Ende August 2000).

13.9. Denn die Inflation ist niedrig, die langerwartete Wiederbelebung der Wirtschaft zeichnet sich nachdrücklicher ab. So könnten es die Märkte missverstehen, wenn die EZB angesichts der inflationistischen Wirkung des Ölpreisanstiegs, der mit den Grunddaten der Euro-Zone nichts zu tun hat, so reagieren würde, als sei ein globales Inflationsrisiko zu befürchten. In diesem Zusammenhang sind genaue Informationen der EZB über ihre Politik wesentlich.

13.10. Kaum verhüllt wurde von einigen Politikern die Frage nach der Fähigkeit der EZB gestellt, eine kohärente Politik zu verfolgen, die ein Gleichgewicht hält zwischen der notwendigen Wiederbelebung der Wirtschaft und dem Rückgang der Arbeitslosigkeit einerseits und der Stützung des Euro andererseits. Ohne die Unabhängigkeit der EZB in Frage stellen zu wollen, ist es nun Aufgabe des Rates und des Ratsvorsitzes einen entsprechenden kohärenten Diskurs zu entwickeln.

14. Die Herausforderung des Devisenmarkts

14.1. Das Funktionieren eines freien Marktes, der dem wechselhaften Verhalten, einschließlich der Launen, zahlreicher Teilnehmer ausgesetzt ist, stellt sicherlich streng genommen keine Herausforderung dar, da es zu den normalen Mechanismen einer Marktwirtschaft gehört, die im Prinzip von rationellem Handeln bestimmt wird.

14.2. Die Erklärungen für die Schwäche des Euro gegenüber dem Dollar wurden von den Wirtschaftswissenschaftlern und den großen Printmedien zur Genüge dargelegt. Diese Kommentare können hier zwar nicht umfassend analysiert werden, aber es ist doch möglich, folgende Faktoren zu nennen:

- eine anhaltende Differenz zwischen der Wirtschaftsleistung der Euro-Zone und der der Vereinigten Staaten in den letzten vier Jahren; das durchschnittliche Wachstum des realen BIP im Jahr 2000 wird in Europa auf 3,40 % gegenüber 5,30 % in den Vereinigten Staaten veranschlagt (2. Halbjahr 2000);

- die Differenz zwischen den Zinssätzen des nordamerikanischen und des europäischen Geldmarktes, die zum Nachteil des Euro eine Anziehungskraft auf das weltweit vagabundierende Kapital ausübt(18).

- das Vertrauen der Finanzwelt in die Politik der Federal Reserve, die darauf achtet, den Expansionsrhythmus nicht zu unterbrechen und gleichzeitig den mit der Vollbeschäftigung verbundenen Inflationsdruck unter Kontrolle zu halten;

- die spektakuläre Erholung der nordamerikanischen Staatsfinanzen, die dank der Expansion das traditionelle Defizit verschwinden ließ und sogar zu einem Haushaltsüberschuss führte;

- die außerordentliche Mühelosigkeit, mit der die Vereinigten Staaten dank der Spareinlagen aus aller Welt ein erhebliches Leistungsbilanzdefizit (339 Mrd. US-Dollar im Jahr 1999) finanzieren können und die enorme Menge weltweit thesaurierter US-Dollar, die einen zinslosen Kredit für die amerikanische Regierung darstellen. Diese Freiheit von der Sorge um das außenwirtschaftliche Gleichgewicht verschafft den US-Amerikanern weiterhin eine beispiellose Unabhängigkeit bei der Gestaltung ihrer Wirtschaftspolitik.

14.2.1. Kurz, die Grunddaten der nordamerikanischen Wirtschaft - das Außenhandelsdefizit ausgenommen - lassen mittelfristig einen weiterhin starken Druck in Richtung einer Höherbewertung des US-Dollar gegenüber dem Euro voraussehen.

14.3. Dem Management des Euro kommen längst nicht dieselben günstigen Faktoren zugute. Die EZB ist laut den Verträgen nicht für den Wechselkurs des Euro verantwortlich. Sie verfügt über die Möglichkeit, auf dem Devisenmarkt zu intervenieren, indem sie über die europäischen Zentralbanken und andere "befreundete" Intermediäre US-Dollar verkauft. Aber eine derartige Intervention ist im Allgemeinen kostspielig und nur bedingt wirksam. In ihrem letzten Monatsbericht (August 2000) scheint die EZB ein gewisses Unvermögen zur Beeinflussung des Wechselkursverhältnisses Euro/Dollar anzuerkennen.

14.4. Die Wertminderung des Euro begünstigt die Ausfuhren der Euro-Zone und spielt bei der derzeitigen Wiederbelebung der Wirtschaft eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Die Erinnerung an die von den europäischen Währungsbehörden unternommenen Anstrengungen, um nach Maastricht die Wechselkurse in der Euro-Zone stabil zu halten, die teilweise mit einem dramatischen Rückgang der Wirtschaftsaktivität bezahlt wurden, prägt die Regierungen und Behörden noch heute. Andererseits bietet der Wertverlust des Euro den Pensionsfonds und Unternehmen der Vereinigten Staaten beachtliche Möglichkeiten, kostengünstig die Kontrolle über europäische Unternehmen zu übernehmen. Ungefähr 50 % des französischen Börsenkapitals werden von nordamerikanischen und britischen Pensionsfonds gehalten. Das Phänomen beschränkt sich nicht auf Frankreich.

14.5. Der Gedanke, dass das Verhalten des Devisenmarkts auf ein Versagen der Regierungen der Euro-Zone zurückzuführen sei, ist nicht stichhaltig. Das beredte Schweigen der Politiker entspricht dem offensichtlichen Bemühen, die Marktteilnehmer nicht noch mehr zu beunruhigen. Die goldene Regel in diesen Dingen heißt schweigen, was nicht bedeutet, dass die Finanzminister der Währungsunion der Wertminderung des Euro gleichgültig gegenüberstehen, wie die fast ununterbrochene, enge Konzertierung des Euro-11-Rates beweist.

14.6. Die Erklärungen der hohen Währungsbehörden zur Stabilität des Euro und seinem Potential zur baldigen Erholung haben sich als wenig wirksam oder gar kontraproduktiv erwiesen. Auf einem nervösen Markt verstärken derartige Erklärungen die Beunruhigung und Skepsis der Teilnehmer.

14.7. In ihrem Monatsbericht vom Mai 2000 brachte die Bundesbank eine weit verbreitete Auffassung zum Ausdruck: "Für den Ruf der jungen Währung sind derartige Fehlbewertungen (des Euro) (...) nicht gut." Die Bemühungen, die psychologische Wirkung der Abwertung des Euro abzumildern, machen deutlich, dass diese Problematik zunehmend politisiert wird.

14.8. Die Globalisierung der Kapitalbewegungen zu akzeptieren heißt, sich damit abzufinden, dass die Marktpreise, also die Wechselkurse, nicht kontrolliert werden können. In jedem Fall verfügen die Währungsbehörden und die Regierungen nicht mehr über ausreichende Möglichkeiten zur Intervention auf den Märkten; sie können nur eine Politik verfolgen, die das Vertrauen in die Dynamik der 11 wiederkehren lässt.

14.9. Die einzige der EZB zur Verfügung stehende Waffe ist eine Anhebung der Zinssätze, die es ermöglicht, gegenüber dem US-Dollar wettbewerbsfähige Renditen zu bieten. Aber dieser Spielraum ist aufgrund der Gefahr, damit den Wachstumszyklus zu unterbrechen, gering, was der EZB eine schwere Verantwortung aufbürdet.

14.10. Letztlich wird deutlich, dass keinerlei Stabilisierungsmaßnahmen auf dem weltweiten Devisenmarkt ohne die Beteiligung der Vereinigten Staaten und der EZB an den Bemühungen der einzelstaatlichen Zentralbanken glaubwürdig sein können. Genauso offensichtlich ist, dass die Vereinigten Staaten jeglichen Gedanken an eine Intervention, die die Mechanismen des freien Marktes stören könnte, vollkommen ablehnen, wobei sie in Bezug auf den Dollarkurs eine Politik des "Benign Neglect" verfolgen.

15. Institutionalisierte Solidarität

15.1. Die Solidarität der Finanzplätze auf institutioneller Ebene hat konkrete Formen angenommen. Unter den Auspizien der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich wurde ein ständiger Euro-Währungsausschuss eingerichtet, der Krisen vorbeugen und sich bei seiner Tätigkeit auf eine größere Transparenz der grundlegenden Daten der Positionen der Zentralbanken, des öffentlichen Sektors und des Privatsektors der Euro-Zone stützen soll.

15.2. Dieser Ausschuss gelangte schließlich zu der Erkenntnis, dass es unmöglich ist, den Euro-Markt vom Rest der weltweiten Währungs- und Finanzaktivitäten zu isolieren. Anfang Februar 1999 wurde beschlossen, den ständigen Euro-Währungsausschuss in einen Ausschuss für das Weltfinanzsystem (Committee on the Global Financial System) umzuwandeln.

15.3. Dies darf als Eingeständnis dafür gewertet werden, dass eine unabhängig agierende und mit eigenen Befugnissen ausgestattete Euro-Zone illusorisch ist.

16. Die Schaffung eines WWU-gerechten Steuerwesens ist eine große Herausforderung

16.1. Die Erkenntnis, welch wichtige Rolle das Steuerwesen bei der Schaffung eines wirklichen EU-Binnenmarkts spielt, geht zurück bis zu den Ursprüngen der Union.

16.2. Es ist unmöglich, alle einschlägigen Mitteilungen und Berichte zu nennen, die bislang von der Kommission und mit dem Thema befassten Sachverständigengruppen vorgelegt wurden. Erwähnt werden sollten auch die Arbeiten des WSA, der sich in mehreren Stellungnahmen mit diesem zweifellos schwierigsten Aspekt der europäischen Integration auseinandergesetzt hat.

16.3. In ihrem Dokument vom 22. Oktober 1996 zum Thema "Die Steuern in der Europäischen Union - Bericht über die Entwicklung der Steuersysteme"(19) traf die Kommission folgende Feststellung: "In dem Maße, wie regulatorische Beschränkungen abgebaut werden, werden die noch bestehenden Steuerhindernisse oder Verzerrungen immer sichtbarer. Die Besteuerung gilt weithin als eines der wichtigsten Gebiete, in denen der Binnenmarkt noch nicht vollendet ist."

16.4. Durch die entfallenen Wechselkursrisiken, die konvergierenden Zinssätze und die gesunkenen Transaktionskosten verstärkt die WWU die Auswirkungen der steuerbedingten Verzerrungen. Ein vollständig fluider Markt macht die Besteuerung der Anlagen zu einem entscheidenden Kriterium für das Verhalten der Anleger.

16.5. Die Kapitalertragssteuer ist jedoch nur ein Kriterium - wahrscheinlich nicht das entscheidendste - für Ressourcenallokation und die Standortwahl.

16.6. Die Last der Zwangsabgaben, sowohl der steuerlichen als auch der sozialen, ihre Bemessungsgrundlage sowie die Vorschriften über die Berechnung der Unternehmenssteuern, die ebenso wichtig sind wie die eigentlichen Steuersätze, bleiben nicht ohne Folgen für das Wettbewerbsverhalten und das Funktionieren der WWU. Es muss festgestellt werden, dass der Wettbewerb zwischen den Steuersystemen eher zu- als abnimmt.

17. Ein pragmatischer Ansatz der Kommission, der die einzelstaatliche Souveränität achtet

17.1. Die Besteuerung berührt die Grundlagen der nationalen Souveränität. Starke Abweichungen bestehen sowohl in Bezug auf den Anteil der Abgaben am BIP als auch hinsichtlich der Aufteilung zwischen direkten Steuern, indirekten Steuern und Sozialabgaben.

17.2. Eine Vereinheitlichung und selbst eine weitgehende Angleichung der Bestimmungen über die Besteuerungsgrundlage und die Höhe der Zwangsabgaben sind beim derzeitigen Stand der Dinge utopisch.

17.3. Die Kommission ist sich der daraus erwachsenden Zwänge bewusst (einschließlich derer, dass für steuerpolitische Maßnahmen einstimmige Ratsentscheidungen erforderlich sind) und verfolgt deshalb folgenden pragmatischen Ansatz(20):

1) Beendigung des unlauteren Wettbewerbs durch Festlegung der zulässigen und unzulässigen Verfahrensweisen, auch für den Bereich der staatlichen Beihilfen steuerlicher Art, in einem Verhaltenskodex (Entschließung des Rates vom 1. Dezember 1997);

2) Berücksichtigung der Wettbewerbsfähigkeit der EU auf Weltebene (großes Problem angesichts der außerhalb der EU liegenden Steuerparadiese und Gegenstand einer Konzertierung im Rahmen der OECD);

3) Maßnahmen zur Beseitigung der Verzerrungen bei der Besteuerung der Kapitaleinkünfte:

- Diese Maßnahmen sollten sich nur auf die Zinsen erstrecken, die in einem Mitgliedstaat an natürliche Personen gezahlt werden, die steuerrechtlich nicht in diesem, sondern einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind.

- Koexistenz von zwei Systemen: entweder Einführung einer Mindestquellensteuer oder Erteilung von Auskünften über Spareinkünfte in anderen Mitgliedstaaten.

18. Wege zu einer Minimallösung

18.1. Die von der Kommission vorgeschlagene Lösung, über die ein weitgehender Konsens bestand, wurde im Dezember 1999 auf der Tagung des Europäischen Rates in Helsinki und am 7. und 8. April 2000 auf der Tagung des Rates "Wirtschaft und Finanzen" in Lissabon abgelehnt.

18.2. Auf der Ratstagung von Feira im Juni 2000 wurde eine Einigung auf das Nebeneinanderbestehen von zwei Systemen während etwa 10 Jahren erzielt:

- Quellensteuer, die die Wahrung des Bankgeheimnisses ermöglicht, während eines Übergangszeitraums von sieben Jahren;

- Aufhebung des Bankgeheimnisses und gleichzeitiger Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden - dieses System soll ab 2010 allgemein gelten.

18.3. Zudem dürfte die Vereinbarung von Feira die Entwicklung eines "Verhaltenskodex" ermöglichen, der bei der Unternehmensbesteuerung ein Minimum an Disziplin einführen soll.

18.4. Die Annahme eines Verhaltenskodex zu dem unternehmenspolitisch schädlichen Steuerwettbewerb scheint davon abzuhängen, ob es gelingt, im Rahmen der großen institutionellen Reform, die im Dezember 2000 auf dem Gipfeltreffen in Nizza erörtert werden soll, eine auf qualifizierte Mehrheitsentscheidungen gegründete Reform des steuerpolitischen Entscheidungsprozesses zu beschließen.

18.5. Die Vereinbarung von Feira ist an zwingende Bedingungen gebunden, zu denen die Übernahme der von der EU beschlossenen Maßnahmen durch die Schweiz, Liechtenstein und weitere internationale Finanzplätze zählt. Es müssen Verhandlungen "für die Annahme gleichwertiger Maßnahmen" in den Drittstaaten und den assoziierten Gebieten (Insel Man - Kanalinseln - Monaco usw.) aufgenommen werden.

18.6. Ende 2002 wird dem Rat eine Richtlinie auf der Grundlage der Vereinbarung von Feira vorgelegt. Bis dahin müssen wichtige Entscheidungen getroffen werden, insbesondere zu den Quellensteuersätzen in den Staaten, die diese Lösung wählen.

18.7. Das Ergebnis des Rates von Feira wurde ganz unterschiedlich bewertet. In jedem Fall scheint die endgültige Steuerharmonisierung in der EU ein fernes Ziel zu sein.

19. Schlussfolgerungen

19.1. Die größte Herausforderung, die die WWU bewältigen musste, bestand letztlich in dem Gelingen einer Währungsunion, die nicht von einer politischen Union begleitet war und somit kein geschichtliches Vorbild hatte.

19.2. Die meisten der weltweit renommierten Wirtschaftswissenschaftler und Institute für Wirtschaftsanalysen, einschließlich fast aller Wirtschaftsnobelpreisträger(21), hatten dem Euro nur geringe Erfolgschancen eingeräumt.

19.3. Für ein Urteil über das Gelingen der Währungsunion ist es noch zu früh. Es ist allerdings festzustellen, dass die gewaltige technische Herausforderung, die die Einführung des Euro darstellte, bewältigt wurde. Gleiches gilt für die Bekämpfung der Inflation und die ohne dramatische Folgen verlaufene Ausrichtung der EU-11 auf die Maastricht-Kriterien und -Disziplinarmaßnahmen(22).

19.4. Achtzehn Monate nach dem Übergang der Finanzmärkte zum Euro haben die europäischen Börsen unter dem gemeinsamen Einfluss von erneutem Wachstum, der in Europa aufkommenden "New Economy"-Dynamik und der technologischen Revolution des elektronischen Marktzugangs Rekordstände erreicht. Es herrscht breite Übereinstimmung darüber, dass die Wertpapierbörsen den künftigen Zustand der Volkswirtschaften vorwegnehmen. In Anbetracht dessen kann behauptet werden, dass sich die Euro-Zone jetzt in einem Konjunkturzyklus befindet, der ein dauerhaft hohes Wachstum bringen wird.

19.5. Die WWU hat den aufeinander folgenden Krisen in Asien (August 1997), Russland und Brasilien (1998) gut standgehalten.

19.6. Zu der Besorgnis, die man im Hinblick auf einen Überbewertungseffekt des Euro gegenüber Dollar und Yen hegen konnte, besteht kein Anlass mehr, solange keine unvorhersehbare Trendwende einsetzt.

19.7. Dennoch wäre es unvorsichtig, davon auszugehen, dass die Herausforderungen der WWU endgültig gemeistert sind. Letztere sind zweifellos eng mit dem übrigen Weltwirtschaftsgeschehen verknüpft, und zwar so eng, dass eine Unterscheidung zwischen den Herausforderungen, vor die uns die Globalisierung des Handels und die Liberalisierung des Kapitalverkehrs stellen, und denen, die sich aus der Währungsunion selbst ergeben, artifiziell erschiene.

19.8. Tatsache ist jedenfalls, dass der Wirtschafts- und Währungsunion eine sehr günstige Wirtschaftslage zugute kommt und sie noch nicht unter Beweis stellen musste, dass sie in der Lage ist, einem Systemschock oder gar einer Krise des internationalen Währungssystems standzuhalten. Vor derselben Herausforderung steht sie hinsichtlich ihrer Fähigkeit, sich im Wettbewerb mit der dynamischen US-Wirtschaft und den zunehmend erstarkenden Schwellenländern zu behaupten. Dennoch brachte der Wirtschafts- und Sozialausschuss mehrfach sein Vertrauen in die Fähigkeit der WWU zum Ausdruck, diese Probleme zu bewältigen. Für die Glaubwürdigkeit des Euro und damit die wirtschaftliche Attraktivität der Euro-Zone sind die Rolle der EZB und das Urteil der Märkte über die Richtigkeit ihrer Geldpolitik wesentlich. Sie muss bei der Darlegung ihrer Beschlüsse große Transparenz walten lassen, damit diese von den Märkten richtig verstanden werden können. Zudem besteht ihre Hauptaufgabe zwar darin, die Preisstabilität zu gewährleisten, aber sie soll auch die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft unterstützen. Deshalb ist dieses Anliegen in ihren Stellungnahmen zur Geldpolitik zu berücksichtigen, damit jegliche der Stabilität des Euro abträgliche Debatte vermieden wird.

19.9. Europa muss diese Wirtschaftslage unbedingt nutzen, um rasch einen harmonisierten europäischen Regelungsrahmen für die Finanzmärkte zu schaffen, der die in der Gemeinschaft bestehenden Finanzierungsformen wahrt und so zur Schaffung eines europäischen Entwicklungsmodells beiträgt.

19.9.1. Eineinhalb Jahre nach dem Übergang der Finanzmärkte in elf Staaten zum Euro und angesichts der sich daraus ergebenden Konzentrationen ist festzustellen, dass die letzte in diesem Bereich verabschiedete Richtlinie (die Richtlinie über Wertpapierdienstleistungen von 1993) 7 Jahre zurückliegt.

19.9.1.1. Es ist dringend geboten, den Anpassungsprozess für den europäischen Regelungsrahmen zu ändern, indem den einzelstaatlichen Regulierungsbeauftragten für die in den Richtlinien nicht näher erläuterten oder unzureichend entwickelten Fragen ein flexibleres und schnelleres Verfahren an die Hand gegeben wird. Es wäre demnach zweckmäßig, die Bedingungen für das Angebot und die Vermittlung von Kapital in Europa zu verbessern:

- durch die Klarstellung des Status der elektronischen Handelssysteme ("Alternative Trade System") im Vergleich zu den geregelten Märkten;

- durch die Schaffung eines europäischen Prospekts für Emissionen;

- durch die pragmatische Festlegung eines Statuts des erfahrenen Anlegers;

- durch die Annahme von auf börsennotierte Unternehmen abgestellte europäische Rechnungslegungsnormen.

19.9.1.2. Gleichzeitig empfiehlt es sich, die Nachfrage nach Kapital in Europa zu fördern. Zwei Richtlinienvorschläge sollten rasch verabschiedet werden:

- die alsbaldige Einrichtung von Pensionsfonds, die auf mittlere und lange Sicht für die europäischen Unternehmen zu einer Kapitalquelle würden;

- die Annahme eines überarbeiteten europäischen Passes für das Management von Anlagegesellschaften, der die Instrumente einer modernen Unternehmensführung einbezieht (Derivate, Feeder-Fonds usw.), wodurch die europäische Vermögensverwaltung mit den amerikanischen Wettbewerbern konkurrieren könnte.

19.9.2. Die Kreditfinanzierung wird vom europäischen Mittelstand nach wie vor bevorzugt. Für eine bestimmte Unternehmensgröße ist sie häufig kostengünstiger als die Finanzierung am Markt.

19.9.2.1. Deshalb ist es grundlegend, dass Kredite gegenüber der Finanzierung am Markt durch die im Rahmen des Solvabilitätskoeffizienten festgelegten Kennzahlen zur Kapital- und Liquiditätsausstattung der Kreditinstitute ("prudential ratios") nicht benachteiligt werden. In diesem Sinne wäre es wünschenswert, dass die Kommission Überlegungen zur Bildung von Vorabrückstellungen einleitet, durch die die Konjunkturzyklen geglättet und die Bedingungen für die Gewährung von Krediten an KMU erleichtert werden.

19.9.2.2. Für die Kleinstunternehmen, die in Europa eine wichtige Quelle für Arbeitsplätze darstellen, sollten die auf diese Kategorie von Aktiv- und Passivbeständen angewandten "prudential ratios" gesenkt werden, um sowohl der durch die Vielfalt der betroffenen Sektoren bedingten Risikostreuung als auch der geringen Höhe der einzelnen Beträge Rechnung zu tragen.

19.9.2.3. Zu diesem letzten Punkt unterbreiteten die europäischen Banken über die Vereinigung der Banken der Europäischen Union anlässlich der von der Europäischen Kommission eingeleiteten Konsultation zum europäischen Solvabilitätskoeffizienten konkrete Vorschläge. Die Kommission sollte diesem Anliegen gerecht werden.

19.9.3. Das europäische Entwicklungsmodell darf nicht nur ein Modell der Großmärkte sein. Für den Schutz der Verbraucher sind maximale Bestimmungen für die am wenigsten informierten unter ihnen erforderlich. Folglich ist der von der Kommission für die Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzprodukten gewählte Ansatz einer maximalen Harmonisierung der richtige. Er ist in sich schlüssig und muss auf die ebenfalls empfohlene harmonisierte Definition des erfahrenen Anlegers abgestimmt werden.

19.10. Die Auswirkungen der EU-Erweiterung und die mit ihr verbundene Gefahr einer Fragmentierung der Union, die die Euro-Zone zu einem "Klub" werden lässt, dessen Regeln und Ziele sich von denen der anderen Mitgliedstaaten unterscheiden, wurden im Allgemeinen und auf mittlere Sicht nicht evaluiert. Sie stellen mit Sicherheit eine neue Herausforderung dar, deren Dimension weit über die Finanzmärkte hinausreicht.

19.11. Der Ausschuss kann sich der Auffassung von Präsident Duisenberg nur anschließen, der in dem letzten Jahresbericht der EZB(23) feststellt: "Der Euro hatte einen guten Start, aber worauf es letztlich ankommt, ist der dauerhafte Erfolg des Euro und der Wirtschafts- und Währungsunion."

Brüssel, den 21. September 2000.

Die Präsidentin

des Wirtschafts- und Sozialausschusses

Beatrice Rangoni Machiavelli

(1) Zur Frage der Auswirkungen des Euro auf die Kapitalmärkte hatte die Kommission am 2. Juli 1997 eine Mitteilung vorgelegt (KOM(97) 337 endg.), in der die wichtigsten Empfehlungen des Giovannini-Berichts zu den auf den Renten-, Aktien- und Derivatemärkten zu erfuellenden Aufgaben wiedergegeben sind. Zu dieser Mitteilung verabschiedete der Ausschuss eine Stellungnahme (Berichterstatter: Herr Pelletier), ABl. C 73 vom 9.3.1998, S. 141.

(2) Stellungnahme vom 26. Oktober 1995 zum "Grünbuch über die praktischen Fragen des Übergangs zur einheitlichen Währung", ABl. C 18 vom 22.1.1996, S. 112; Stellungnahme vom 26. September 1996 zum Thema "Die Auswirkungen der Wirtschafts- und Währungsunion: wirtschaftliche und soziale Aspekte der Konvergenz und Sensibilisierung für die einheitliche Währung", ABl. C 30 vom 30.1.1997, S. 73; Stellungnahme vom 31. Oktober 1996 zum Thema "Die Auswirkungen der für den Übergang zur Einheitlichen Währung erforderlichen Gesetze und Regelungen auf den Markt", ABl. C 56 vom 24.2.1997, S. 65; Stellungnahme vom 29. Mai 1997 zum Thema "Die für die dritte Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion vorgesehenen Schritte: Stabilitäts- und Wachstumspakt zur Gewährleistung der Haushaltsdisziplin, verstärkte Förderung der wirtschaftlichen Konvergenz und neuer Wechselkursmechanismus", ABl. C 287 vom 22.9.1997, S. 74; Stellungnahme vom 11. Dezember 1997 zu der "Mitteilung der Kommission 'Praktische Aspekte der Einführung des Euro'", ABl. C 73 vom 9.3.1998, S. 130; Stellungnahme vom 26. März 1998 zu dem "Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen mit dem Titel 'Externe Aspekte der Wirtschafts- und Währungsunion'", ABl. C 157 vom 25.5.1998, S. 65; Stellungnahme vom 9. September 1998 zum Thema "Beschäftigung und Euro", ABl. C 407 vom 28.12.1998, S. 282; Stellungnahme vom 2. Dezember 1998 zum Thema "Beschäftigungspolitik und Rolle der wirtschaftlichen und sozialen Organisationen auf der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion", ABl. C 40 vom 15.2.1999, S. 37; Stellungnahme vom 21. Oktober 1999 zum Thema "Die Auswirkungen der Errichtung der WWU auf den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt", ABl. C 368 vom 20.12.1999, S. 87 und Stellungnahme vom 2. März 2000 zum Thema "Eine Bilanz der ersten Monate mit der einheitlichen europäischen Währung", ABl. C 117 vom 26.4.2000, S. 23.

(3) Laut der im Dezember 1999 veröffentlichten Erhebung der Europäischen Kommission erfolgen durchschnittlich 1,9 % der nationalen Zahlungen der Unternehmen und 0,8 % der von den Bürgern ausgeführten bargeldlosen Zahlungen in Euro.

(4) Mitteilung der Kommission zur "Kommunikationsstrategie in der letzten Phase der Vollendung der WWU" (KOM(2000) 57 endg.).

(5) Das Mitglied der Europäischen Kommission Pedro Solbes schlug am 13. Juli 2000 angesichts der Rückstände von Unternehmen und der Privatpersonen bei der Anpassung an den Euro Alarm. Der Ecofin-Rat vom 17. Juli 2000 lenkte die Aufmerksamkeit auf die unzureichende Sensibilisierung für die bevorstehende Änderung in den Staaten der Euro-Zone.

(6) Der Gewinn vor Steuern der Banken beträgt in Europa im Zeitraum 1995 bis 1998 0,68 % der Aktiva, gegenüber 1,58 % in den Vereinigten Staaten. Die Netto-Erträge aus dem Kreditgeschäft belaufen sich auf 1,83 % in der Europäischen Union und auf 2,96 % in den Vereinigten Staaten - vgl. Arbeitsdokument der Kommission - SEK(2000) 190.

(7) Laut einer Studie der DG Bank ging die Zahl der Banken in der Euro-Zone zwischen 1985 und November 1999 von 18851 auf 8312 zurück. Diese deutsche Bank ist der Ansicht, dass die Gesamtzahl der Institute in den elf Ländern bis zum Ende des Jahres 2000 auf 7700 schrumpfen wird.

(8) Stellungnahme vom 28. Januar 1998 zu der "Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, das Europäische Währungsinstitut und den Wirtschafts- und Sozialausschuss 'Stärkung des Vertrauens der Kunden in elektronische Zahlungsmittel im Binnenmarkt'", ABl. C 95 vom 30.3.1998, S. 15; Stellungnahme vom 27. Januar 1999 zu dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geldinstituten", und dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/780/EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute", ABl. C 101 vom 12.4.1999, S. 64.

(9) Electronic Communications Network.

(10) Jahresbericht der Europäischen Zentralbank für 1999, S. 4.

(11) Jahresbericht der Europäischen Zentralbank für 1999, S. 27.

(12) Vgl. W. R. White - The euro and European financial markets - I.M.F., 1997.

(13) Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen SEK(2000) 190 vom 8.2.2000.

(14) Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen SEK(2000) 190 vom 8.2.2000.

(15) Stellungnahme des WSA zum Thema "Die Rolle der Europäischen Investitionsbank (EIB) in der Europäischen Regionalpolitik" zur Rolle der EIB bei der Stützung des Euro-Obligationenmarktes (CES 778/2000).

(16) Nach dem Internationalen Verband der Wertpapierbörsen entsprach die Börsenkapitalisierung der gesamten Euro-Zone Ende 1999 4274430 Mio. Dollar gegenüber 13935045 Mio. Dollar an der New York Stock Exchange und der NASDAQ zusammen.

(17) Over the counter market (Freiverkehrsmarkt).

(18) Diese Differenz hatte stark abgenommen, Mitte Mai 2000 lag die Rendite für den T-BUND mit 10jähriger Laufzeit bei 5,40 %, für die OAT bei 5,50 % und für die FED-FUNDS mit 10jähriger Laufzeit bei 6,40 %. Seither hat diese Differenz infolge der Anhebung der FED-Sätze und der Stabilisierung der Sätze der EZB wieder etwas zugenommen. Am 8. Juni 2000 hob die EZB die Refinanzierungskosten der Banken auf 4,25 % (+0,50 %) an. Im Juni 2000 liegen die Drei-Monats-Gelder in den Vereinigten Staaten bei 6,52 % gegenüber 4,3 % in der EU. Unter Berücksichtigung der jeweiligen Teuerungsraten sind die realen Zinssätze vergleichbar.

(19) KOM(96) 546 endg. vom 22.10.1996, S. 5.

(20) Vgl. die Mitteilung der Kommission an den Rat - Koordinierung der Steuerpolitik in der Europäischen Union - Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des schädlichen Steuerwettbewerbs, KOM(97) 495 endg. vom 1.10.1997.

(21) Die einzige nennenswerte Ausnahme stellt die Ansicht von Professor Robert Mundell dar, der günstige Voraussagen für den Euro trifft.

(22) Nach Auffassung des Bundesbankpräsidenten ist der Erfolg der EZB eher an der Preisstabilität als an den Wechselkursen zu bemessen.

(23) Jahresbericht der Europäischen Zentralbank für 1999, S. 5.

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