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Document 32023R1668

    Delegierte Verordnung (EU) 2023/1668 der Kommission vom 25. Mai 2023 zur Ergänzung der Richtlinie (EU) 2019/2034 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Präzisierung der Messung von Risiken oder Risikokomponenten, die durch die in den Teilen 3 und 4 der Verordnung (EU) 2019/2033 des Europäischen Parlaments und des Rates festgelegten Eigenmittelanforderungen nicht oder nicht ausreichend abgedeckt sind, und der qualitativen Richtwerte für die Höhe der zusätzlichen Eigenmittel (Text von Bedeutung für den EWR)

    C/2023/3282

    ABl. L 214 vom 31.8.2023, p. 1–8 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, GA, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    Legal status of the document In force

    ELI: http://data.europa.eu/eli/reg_del/2023/1668/oj

    31.8.2023   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    L 214/1


    DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2023/1668 DER KOMMISSION

    vom 25. Mai 2023

    zur Ergänzung der Richtlinie (EU) 2019/2034 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Präzisierung der Messung von Risiken oder Risikokomponenten, die durch die in den Teilen 3 und 4 der Verordnung (EU) 2019/2033 des Europäischen Parlaments und des Rates festgelegten Eigenmittelanforderungen nicht oder nicht ausreichend abgedeckt sind, und der qualitativen Richtwerte für die Höhe der zusätzlichen Eigenmittel

    (Text von Bedeutung für den EWR)

    DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

    gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

    gestützt auf die Richtlinie (EU) 2019/2034 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2019 über die Beaufsichtigung von Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinien 2002/87/EG, 2009/65/EG, 2011/61/EU, 2013/36/EU, 2014/59/EU und 2014/65/EU (1), insbesondere auf Artikel 40 Absatz 6 Unterabsatz 4,

    in Erwägung nachstehender Gründe:

    (1)

    Um eine unionsweit harmonisierte Anwendung der zusätzlichen Eigenmittelanforderungen zu gewährleisten, sollte für die Messung der Risiken und Risikokomponenten eine einheitliche Vorgehensweise festgelegt werden, um die Höhe des Kapitals zu bestimmen, das angemessen wäre, um alle wesentlichen Risiken, denen Wertpapierfirmen ausgesetzt sein könnten, abzudecken. Die zuständigen Behörden sollten daher sicherstellen, dass Wertpapierfirmen über angemessene zusätzliche Eigenmittel verfügen, um jede Risikokategorie (Kundenrisiko, Firmenrisiko und Marktrisiko) sowie alle sonstigen wesentlichen Risiken abzudecken.

    (2)

    Damit die zuständigen Behörden das Risikoprofil von Wertpapierfirmen angemessen überwachen und wesentliche Risiken ermitteln, bewerten und quantifizieren können, sollte eine detaillierte und umfassende Methodik festgelegt werden, die der Art, dem Umfang und der Komplexität der Tätigkeiten der Wertpapierfirma angemessen ist und alle verfügbaren Informationsquellen, einschließlich der für die Zwecke des Artikels 36 der Richtlinie (EU) 2019/2034 gesammelten Informationen einbezieht.

    (3)

    Eine zusätzliche Eigenmittelanforderung ist dann als ausreichend anzusehen, wenn sie die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls der Wertpapierfirma verringert und das Risiko einer ungeordneten Abwicklung begrenzt, die für die Kunden der Wertpapierfirma und den Markt als Ganzes, auch für andere Finanzinstitute, Marktinfrastrukturen oder den Markt insgesamt eine Bedrohung darstellen würden. Aufgrund der doppelten Zielsetzung dieser zusätzlichen Eigenmittelanforderung und entsprechend der in den Teilen 3 und 4 der Verordnung (EU) 2019/2033 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) festgelegten Struktur der Eigenmittelanforderungen sollten die zuständigen Behörden die mit den laufenden Tätigkeiten von Wertpapierfirmen verbundenen Risiken und das Risiko einer ungeordneten Abwicklung separat betrachten.

    (4)

    Um sicherzustellen, dass alle Risiken oder Risikokomponenten, denen eine Wertpapierfirma ausgesetzt ist oder die sie für andere mit sich bringt, gebührend abgedeckt sind, und um zu gewährleisten, dass sie im Falle einer geordneten Abwicklung die dabei anfallenden zusätzlichen betrieblichen Ausgaben schultern kann, sollte die Wertpapierfirma über ausreichende Eigenmittel verfügen, die dem Geschäftsmodell, dem Umfang und der Komplexität ihrer Tätigkeiten Rechnung tragen. Um die Angemessenheit solcher Eigenmittel auch unter besonderen wirtschaftlichen Umständen zu gewährleisten, sollten die zuständigen Behörden bei dem nach Artikel 36 der Richtlinie (EU) 2019/2034 durchgeführten aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsverfahren verschiedene plausible wirtschaftliche Szenarien zugrunde legen. So dürfen während des Abwicklungsprozesses insbesondere die Betriebskontinuität, der Anlegerschutz und die Marktintegrität nicht gefährdet werden. Zu diesem Zweck sollte die Wertpapierfirma auch während dieses Verfahrens Kosten und Verluste, denen keine ausreichenden Gewinne gegenüberstehen, absorbieren können. Bei der Festlegung der zusätzlichen Eigenmittelanforderung sollten die zuständigen Behörden berücksichtigen, dass die Dauer des Abwicklungsprozesses je nach Umständen im Einzelfall sehr unterschiedlich sein könnte. Auch wegen der möglichen unterschiedlichen Rechtsformen von Wertpapierfirmen sollten die zuständigen Behörden dem geltenden nationalen Insolvenz-, Gesellschafts- und Handelsrecht, das sich auf die Länge der Abwicklungsprozesse auswirken könnte, sowie den zugehörigen Kosten und Risiken Rechnung tragen.

    (5)

    Um bei der Festlegung der zusätzlichen Eigenmittelanforderung Verhältnismäßigkeit zu gewährleisten, sollten Risiken und Risikokomponenten, die durch die in Artikel 15 der Verordnung (EU) 2019/2033 genannte K-Faktor-Anforderung nicht oder nicht ausreichend abgedeckt sind, nur für Wertpapierfirmen gemessen werden, die der in diesem Artikel genannten K-Faktor-Anforderung unterliegen, nicht aber für kleine und nicht verflochtene Firmen, die die in Artikel 12 Absatz 1 der genannten Verordnung festgelegten Bedingungen erfüllen. Für Wertpapierfirmen bestehen darüber hinaus noch andere Risiken, die durch die in den Teilen 3 und 4 der Verordnung (EU) 2019/2033 festgelegten Eigenmittelanforderungen in keiner Weise abgedeckt sind, wozu auch die von diesen Eigenmittelanforderungen ausdrücklich ausgenommenen Risiken zählen. Aus diesem Grund sollte präzisiert werden, dass die zuständigen Behörden diese Risiken nach Maßgabe der Größe und des Geschäftsmodells der Wertpapierfirma sowie des Umfangs, der Art und der Komplexität ihrer Tätigkeiten bewerten und messen.

    (6)

    Um eine korrekte Messung und Abdeckung aller Risiken sicherzustellen, die in den Teilen 3 und 4 der Verordnung (EU) 2019/2033 genannt, aber durch diese Anforderungen nicht vollständig oder nicht angemessen abgedeckt sind, sollten solche Risiken für jede Risikokategorie (Kundenrisiko, Marktrisiko und Firmenrisiko) einzeln gemessen werden. Aus demselben Grund sollten die in den Teilen 3 und 4 der genannten Verordnung nicht abgedeckten Risiken, einschließlich der von diesen Anforderungen ausdrücklich ausgenommenen Risiken, auf Einzelrisikobasis gemessen werden. In Fällen, in denen die Messung pro Risikokategorie oder auf Einzelrisikobasis für Wertpapierfirmen, deren Anfangskapitalanforderung unter der in Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2019/2034 festgelegten Anforderung liegt, allerdings zu aufwendig oder nicht möglich ist, sollte das Risiko unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf aggregierter Ebene gemessen werden.

    (7)

    Um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen aufsichtlichen Erwägungen und einer verhältnismäßigen Anwendung zu gewährleisten, sollte bei Wertpapierfirmen, die der in Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2019/2034 festgelegten Anfangskapitalanforderung unterliegen, von einer Risikomessung auf aggregierter Ebene abgesehen werden. Bei Wertpapierfirmen mit höheren Anfangskapitalanforderungen sollte das Risiko pro Risikokategorie und auf Einzelrisikobasis gemessen werden.

    (8)

    Um eine kohärente Messung der wesentlichen Risiken zu gewährleisten, die Wertpapierfirmen für andere darstellen oder denen sie selbst ausgesetzt sein könnten, sollten sich die zuständigen Behörden auf einen harmonisierten Satz qualitativer Mindestrichtwerte stützen. Da Risiken sich über den Geschäftszyklus einer Firma hinweg weiterentwickeln, sollten die zuständigen Behörden nicht nur eine statische Bewertung vornehmen, sondern diese Richtwerte auch einer historischen Trendanalyse unterziehen. Um alle relevanten Risiken angemessen abzudecken, sollten für Wertpapierfirmen mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen und Tätigkeiten unterschiedliche Richtwerte verwendet werden. Um unter Berücksichtigung des jeweiligen Geschäftsmodells oder der jeweiligen Tätigkeit, der Rechtsform oder der Verfügbarkeit verlässlicher Daten alle relevanten Risiken der Wertpapierfirma angemessen abzudecken, sollten die zuständigen Behörden die Richtwerte unter bestimmten Bedingungen, die insbesondere auf die Besonderheiten des Geschäftsmodells oder der Datenqualität einer Wertpapierfirma zurückzuführen sind, anpassen und diese angepassten Richtwerte verwenden oder, falls dies nicht möglich ist, alternative Richtwerte nutzen, die der Größe, der Komplexität, dem Geschäftsmodell und dem Betriebsmodell der Wertpapierfirma angemessen sind und eine angemessene Risikobewertung gewährleisten würden.

    (9)

    Die vorliegende Verordnung beruht auf dem Entwurf technischer Regulierungsstandards, der der Kommission von der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde übermittelt wurde.

    (10)

    Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde hat zu diesem Entwurf öffentliche Konsultationen durchgeführt, die damit verbundenen potenziellen Kosten- und Nutzeneffekte analysiert und die Stellungnahme der nach Artikel 10 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates (3) eingesetzten Interessengruppe Bankensektor eingeholt —

    HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

    Artikel 1

    Risiko einer ungeordneten Abwicklung

    (1)   Wenn die zuständigen Behörden eine Wertpapierfirma gemäß Artikel 36 der Richtlinie (EU) 2019/2034 ihrem aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsverfahren unterziehen, messen sie unter Berücksichtigung der Rechtsform, des Geschäftsmodells, der Geschäfts- und Risikostrategie sowie des Umfangs und der Komplexität der Tätigkeiten dieser Firma das Risiko einer ungeordneten Abwicklung und bestimmen den Kapitalbetrag, der für diese Firma als angemessen zu betrachten wäre, um sie unter Zugrundelegung plausibler Szenarien geordnet abwickeln zu können.

    (2)   Die in Absatz 1 genannte Messung muss der Komplexität, dem Risikoprofil und dem Umfang der Tätigkeiten der Wertpapierfirma sowie den potenziellen Auswirkungen ihrer Abwicklung auf Kunden und Märkte angemessen sein und Folgendes umfassen:

    a)

    die Schätzung eines realistischen Zeitrahmens für die Abwicklung der Wertpapierfirma,

    b)

    eine Einschätzung der operativen und rechtlichen Aufgaben der Wertpapierfirma während des Abwicklungsprozesses, wobei ein realistischer Zeitrahmen zugrundezulegen ist,

    c)

    die Ermittlung und Bemessung der wesentlichen fixen und variablen Kosten,

    d)

    die Ermittlung und Einschätzung der wesentlichen Risiken oder Risikokomponenten, die während des Abwicklungsprozesses eintreten könnten,

    e)

    jeden anderen für den Abwicklungsprozess relevanten Aspekt.

    (3)   In Fällen, in denen die Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (4) Anwendung findet, berücksichtigen die zuständigen Behörden für die Zwecke des Absatzes 2 Buchstaben b und c die Informationen, die zu Sanierungsmaßnahmen und Regelungen für die Unternehmensführung im Sanierungs- oder Gruppensanierungsplan der Wertpapierfirma verfügbar sind, wenn sie diese für hinreichend glaubwürdig und zuverlässig halten.

    (4)   Bei Wertpapierfirmen, die der in Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2019/2034 festgelegten Anfangskapitalanforderung unterliegen, beziehen die zuständigen Behörden in ihre Bewertung Folgendes ein:

    a)

    für die Zwecke von Absatz 2 Buchstabe c die mit einer Schließung verbundenen Kosten, einschließlich Prozesskosten,

    b)

    für die Zwecke von Absatz 2 Buchstabe d die im Zusammenhang mit dem Abwicklungsprozess erwarteten Erlösausfälle und Verluste beim Nettoveräußerungswert der Vermögenswerte.

    (5)   Die zuständigen Behörden ermitteln und quantifizieren die wesentlichen Kosten, Risiken oder Risikokomponenten und bestimmen gemäß den Absätzen 1 und 2 das Kapital, das für deren Absorbierung als angemessen betrachtet wird.

    Die zuständigen Behörden verwenden die in Artikel 6 Absatz 1 genannten maßgeblichen qualitativen Richtwerte und kombinieren diese mit einer statischen und historischen Trendanalyse, wobei sie sich gegebenenfalls auf ihr fachliches Urteil stützen.

    (6)   Das zur Abdeckung des Risikos einer ungeordneten Abwicklung einer Wertpapierfirma als angemessen betrachtete Kapital, das nach diesem Artikel bemessen wird, entspricht zumindest der gemäß Artikel 13 der Verordnung (EU) 2019/2033 berechneten Anforderung für fixe Gemeinkosten, die diese Wertpapierfirma erfüllen muss.

    Artikel 2

    Wesentliche Risiken oder Risikokomponenten, die durch die in Teil 3 Titel II der Verordnung (EU) 2019/2033 festgelegte K-Faktor-Anforderung nicht oder nicht vollständig abgedeckt sind

    (1)   Wenn die Wertpapierfirma die in Artikel 12 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2019/2033 festgelegten Bedingungen für eine Einstufung als kleine und nicht verflochtene Wertpapierfirma nicht erfüllt, messen die zuständigen Behörden bei ihren gemäß den Artikeln 36 und 37 der Richtlinie (EU) 2019/2034 durchgeführten Überprüfungen unter Berücksichtigung des Geschäftsmodells, der Rechtsform, der Geschäfts- und Risikostrategie sowie des Umfangs und der Komplexität der Tätigkeiten der Wertpapierfirma alle wesentlichen Risiken oder Risikokomponenten, die sich aus den laufenden Tätigkeiten der Wertpapierfirma für die Firma selbst, für ihre Kunden und für den Markt ergeben und die durch die in Teil 3 Titel II der Verordnung (EU) 2019/2033 festgelegte K-Faktor-Anforderung nicht oder nicht vollständig abgedeckt sind.

    Die zuständigen Behörden bestimmen das Kapital, das zur Abdeckung der relevanten Risiken im Zusammenhang mit der K-Faktor-Anforderung als angemessen zu betrachten wäre.

    (2)   Die in Absatz 1 genannte Messung wird für jede der in Artikel 15 der Verordnung (EU) 2019/2033 als „Kundenrisiko“ (RtC), „Marktrisiko“ (RtM) und „Firmenrisiko“ (RtF) bezeichnete Risikokategorie getrennt vorgenommen.

    Abweichend von Unterabsatz 1 wird bei Wertpapierfirmen, deren Anfangskapitalanforderung unter der in Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2019/2034 festgelegten Anforderung liegt, die Messung auf aggregierter Ebene durchgeführt, wenn die zuständigen Behörden eine detailliertere Quantifizierung für nicht durchführbar oder für zu aufwendig halten.

    (3)   Bei der in Absatz 2 genannten Messung werden ausgehend von den in Artikel 6 Absätze 2, 3 und 4 festgelegten qualitativen Richtwerten und dem fachlichen Urteil der zuständigen Behörden für jede Risikokategorie wesentliche Risiken oder Risikokomponenten ermittelt und quantifiziert, wozu auch Risiken zählen, die sich aus der Anwendung des in Artikel 22 Buchstabe c der Verordnung (EU) 2019/2033 genannten, auf einem alternativen internen Modell beruhenden Ansatzes ergeben.

    (4)   Die zuständigen Behörden sorgen dafür, dass das zur Abdeckung wesentlicher Risiken im Zusammenhang mit der K-Faktor-Anforderung als angemessen betrachtete Kapital nicht unter der Gesamtanforderung für K-Faktoren liegt.

    Artikel 3

    Wesentliche Risiken oder Risikokomponenten, die durch die in den Teilen 3 und 4 der Verordnung (EU) 2019/2033 festgelegten Eigenmittelanforderungen nicht abgedeckt sind

    (1)   Wenn eine Wertpapierfirma die in Artikel 12 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2019/2033 festgelegten Bedingungen für eine Einstufung als kleine und nicht verflochtene Wertpapierfirma nicht erfüllt, messen die zuständigen Behörden bei ihrem gemäß Artikel 36 der Richtlinie (EU) 2019/2034 durchgeführten aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsverfahren unter Berücksichtigung des Geschäftsmodells, der Rechtsform, der Geschäfts- und Risikostrategie sowie des Umfangs und der Komplexität der Tätigkeiten der Wertpapierfirma alle wesentlichen Risiken oder Risikokomponenten, die sich aus den laufenden Tätigkeiten der Wertpapierfirma ergeben, nicht in Artikel 2 der vorliegenden Verordnung genannt sind und nicht schon durch die in den Teilen 3 und 4 der Verordnung (EU) 2019/2033 festgelegten Eigenmittelanforderungen für diese Firma abgedeckt sind, indem sie auf Einzelrisikobasis das zur Abdeckung der wesentlichen Risiken oder Risikokomponenten als angemessen betrachtete zusätzliche Kapital bestimmen.

    (2)   Die in Absatz 1 genannte Messung umfasst die Ermittlung, die Einschätzung und — soweit angemessen — die Quantifizierung der folgenden Risikobereiche:

    a)

    die Risiken für die Sicherheit des Netzwerks und der Informationssysteme, die die Wertpapierfirma zur Gewährleistung der Vertraulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit ihrer Verfahren, Daten und Vermögenswerte einsetzt,

    b)

    das Zins- und Kreditrisiko bei Geschäften außerhalb des Handelsbuchs.

    Bei Wertpapierfirmen, deren Anfangskapitalanforderung unter der in Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2019/2034 festgelegten Anforderung liegt, wird die Messung auf aggregierter Ebene durchgeführt, wenn die zuständigen Behörden eine detailliertere Quantifizierung für nicht durchführbar oder für zu aufwendig halten.

    (3)   Bei der in den Absätzen 1 und 2 genannten Messung stützen die zuständigen Behörden sich auf die in Artikel 6 Absatz 5 genannten relevanten qualitativen Richtwerte und kombinieren diese mit einer statischen und historischen Trendanalyse, wobei sie sich gegebenenfalls auf ihr fachliches Urteil stützen.

    Artikel 4

    Durch die in den Teilen 3 und 4 der Verordnung (EU) 2019/2033 festgelegten Eigenmittelanforderungen nicht oder nicht vollständig abgedeckte wesentliche Risiken insgesamt

    (1)   Die zuständigen Behörden berechnen den Gesamtbetrag an zusätzlichem Kapital, der zur Abdeckung der wesentlichen Risiken oder Risikokomponenten aus den laufenden Tätigkeiten der Wertpapierfirma als angemessen betrachtet wird, als Summe des nach den Artikeln 2 und 3 berechneten, als angemessen betrachteten Kapitals.

    (2)   Die zuständigen Behörden messen die durch die in den Teilen 3 und 4 der Verordnung (EU) 2019/2033 festgelegten Eigenmittelanforderungen nicht oder nicht vollständig abgedeckten wesentlichen Risiken insgesamt, indem sie zur Bestimmung der Höhe der verlangten zusätzlichen Eigenmittel die Differenz zwischen dem höheren der beiden nach Artikel 1 oder Absatz 1 des vorliegenden Artikels berechneten Beträge und den Eigenmittelanforderungen in Teil 3 oder Teil 4 der Verordnung (EU) 2019/2033 verwenden.

    Artikel 5

    Allgemeine qualitative Richtwerte für die Bestimmung der zusätzlichen Eigenmittelanforderung

    (1)   Wenn die zuständigen Behörden für die Zwecke der Artikel 1, 2 und 3 die Höhe der zusätzlichen Eigenmittelanforderungen festlegen, berücksichtigen sie dabei Folgendes:

    a)

    die Ergebnisse der in Artikel 24 der Richtlinie (EU) 2019/2034 dargelegten Verfahren der Wertpapierfirma zur Beurteilung der Angemessenheit des internen Kapitals und zur internen Risikobewertung,

    b)

    die gemäß den Artikeln 54 und 55 der Verordnung (EU) 2019/2033 gemeldeten Daten,

    c)

    das Ergebnis der gemäß den Artikeln 36 und 37 der Richtlinie (EU) 2019/2034 durchgeführten Überprüfungen,

    d)

    die Ergebnisse etwaiger anderer Aufsichtstätigkeiten,

    e)

    andere relevante Eingangsparameter, einschließlich des Urteils von Aufsichtsbehörden.

    (2)   Bei der Quantifizierung der zusätzlichen Eigenmittelanforderung, die allen unter ihre Aufsicht fallenden Wertpapierfirmen vorgeschrieben wird, stellen die zuständigen Behörden Vergleichbarkeit sicher.

    Artikel 6

    Qualitative Richtwerte

    (1)   Für die Zwecke von Artikel 1 Absatz 5 Unterabsatz 2 sind die qualitativen Richtwerte Folgende:

    a)

    die Zahl der vertraglich gebundenen Vermittler im Vergleich zur Mitarbeiterzahl insgesamt,

    b)

    die durchschnittliche Dauer einer Abwicklung in dem betreffenden Land unter Berücksichtigung der Komplexität der Geschäfte der Wertpapierfirma,

    c)

    der Anteil der nicht kündbaren Verträge und deren Restlaufzeit,

    d)

    die Märkte, an denen die Wertpapierfirma der Hauptdienstleister ist,

    e)

    der Wert und die Liquidität der Sachanlagen, die die Wertpapierfirma bei einer Abwicklung veräußern müsste,

    f)

    die durchschnittlichen Abfindungen, die im Falle einer Abwicklung unter Berücksichtigung der arbeitsrechtlichen Vorschriften und der Beschäftigungsverträge zu zahlen wären.

    (2)   Für die Zwecke des Artikels 2 sind die qualitativen Richtwerte für die Messung des Kundenrisikos (RtC) Folgende:

    a)

    die Höhe der in den vorangegangenen fünf Jahren gehaltenen Kundengelder,

    b)

    die Höhe der in den vorangegangenen fünf Jahren verwalteten Vermögenswerte,

    c)

    die Höhe der in den vorangegangenen fünf Jahren für Kunden verwahrten und verwalteten Vermögenswerte,

    d)

    die Höhe der Verluste oder Schäden, die der Wertpapierfirma aufgrund von Verletzung ihrer gesetzlichen oder vertraglichen Pflichten im Laufe der mindestens fünf vorangegangenen Jahre entstanden sind, einschließlich Verlusten, die zurückzuführen sind auf:

    i)

    eine ungeeignete Anlegerberatung und damit verbundene Entschädigungszahlungen an Anleger,

    ii)

    das Versäumnis, geeignete Verfahren zur Verhinderung von Pflichtverletzungen einzurichten, umzusetzen und beizubehalten,

    iii)

    Fehler bei Handel oder Bewertung,

    iv)

    Betriebsunterbrechungen, Systemausfälle, Ausfälle der Transaktionsabwicklung oder des Prozessmanagements,

    v)

    eine Handlung der vertraglich gebundenen Vermittler oder benannten Vertreter der Wertpapierfirma, für die die Wertpapierfirma haftet;

    e)

    insbesondere bei Wertpapierfirmen, die Kundengelder halten, jede Unfähigkeit der Wertpapierfirma, Kundengelder auf Verlangen fristgerecht zurückzuzahlen, und die damit verbundenen finanziellen Konsequenzen in den vergangenen fünf Jahren.

    (3)   Für die Zwecke des Artikels 2 sind die qualitativen Richtwerte für die Messung des Marktrisikos (RtM) Folgende:

    a)

    die Veränderlichkeit der Positionswerte, auch aufgrund sich wandelnder Marktbedingungen,

    b)

    der Anteil komplexer und illiquider Produkte am Handelsbuch der Wertpapierfirma in Bezug auf Volumen und Nettoertrag,

    c)

    insbesondere bei Wertpapierfirmen, die interne Modelle verwenden, die Verfügbarkeit regelmäßiger Rückvergleiche der für aufsichtsrechtliche Zwecke verwendeten Modelle.

    (4)   Für die Zwecke des Artikels 2 sind die qualitativen Richtwerte für die Messung des Firmenrisikos (RtF) Folgende:

    a)

    der tägliche Handelsstrom und der durchschnittliche tägliche Handelsstrom in den vorangegangenen fünf Jahren,

    b)

    jedes bedeutende betriebliche Ereignis im Zusammenhang mit dem täglichen Handelsstrom und damit verbundene finanzielle Verluste in den vorangegangenen fünf Jahren, einschließlich Fehlern bei der Verarbeitung,

    c)

    die Veränderlichkeit der Erträge und Erlöse der Wertpapierfirma in den vorangegangenen fünf Jahren,

    d)

    alle etwaigen Verluste, die auf Schwankungen bei Positionen in Finanzinstrumenten, Fremdwährungen und Waren zurückzuführen sind, in den vorangegangenen fünf Jahren,

    e)

    die Ausfallquote von Kunden oder Gegenparteien und die damit verbundenen Verluste in den vorangegangenen fünf Jahren,

    f)

    alle etwaigen Verluste aufgrund wesentlicher Änderungen beim Buchwert von Vermögenswerten, die auch auf veränderte Marktbedingungen und eine veränderte Kreditwürdigkeit von Gegenparteien zurückzuführen sein können,

    g)

    die Höhe und Veränderlichkeit von Zahlungen oder Beiträgen im Rahmen eines Altersversorgungssystems mit Leistungszusagen in den vorangegangenen fünf Jahren,

    h)

    jede Vermögenswertkonzentration bei der Wertpapierfirma, worunter auch eine Kunden- und Gegenparteien-Konzentration sowie eine Konzentration auf bestimmte Sektoren und geografische Gebiete zählt,

    i)

    der Anteil außerbilanzieller Risikopositionen an den gesamten Vermögenswerten und das damit verbundene Kreditrisiko.

    (5)   Für die Zwecke des Artikels 3 sind die qualitativen Richtwerte Folgende:

    a)

    jeder Hinweis auf bedeutende finanzielle Risiken, die nicht durch die Eigenmittelanforderungen in Artikel 11 der Verordnung (EU) 2019/2033 abgedeckt sind, insbesondere

    i)

    die auf operationelle Risiken zurückzuführenden durchschnittlichen Gesamtverluste bei den Bruttoerträgen in den vorangegangenen fünf Jahren,

    ii)

    jedes bedeutende betriebliche Ereignis und die damit verbundenen finanziellen Verluste in den vorangegangenen fünf Jahren,

    iii)

    der Anteil der Nettoerträge der Wertpapierfirma aus Dienstleistungen oder Tätigkeiten, die nicht in Anhang I Abschnitt A der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (5) aufgeführt sind;

    b)

    jeder Hinweis auf bedeutende Risiken im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT), insbesondere

    i)

    die allgemeine Komplexität der IKT-Architektur, einschließlich des Anteils der ausgelagerten IKT-Dienste,

    ii)

    die Anzahl der wesentlichen Änderungen innerhalb der IKT-Umgebung in den vorangegangenen fünf Jahren,

    iii)

    jeder Verlust aufgrund von Störungen, die durch Zwischenfälle mit Auswirkungen auf kritische IKT-Dienste zurückzuführen sind, in den vorangegangenen fünf Jahren,

    iv)

    die Zahl der Cyberangriffe und der damit verbundenen Verluste in den vorangegangenen fünf Jahren;

    c)

    jeder Hinweis auf bedeutende Zinsrisiken bei Geschäften außerhalb des Handelsbuchs, insbesondere

    i)

    der Umfang der außerhalb des Handelsbuchs der Wertpapierfirma getätigten Geschäfte, die auf Zinssätzen basieren oder in anderer Weise von Zinssätzen abhängen,

    ii)

    die Richtlinien der Wertpapierfirma für die Absicherung von Geschäften außerhalb des Handelsbuchs und potenzielle Inkongruenzen zwischen Position und Absicherung.

    (6)   Die zuständigen Behörden können die in den Absätzen 1 bis 5 enthaltene Liste der qualitativen Richtwerte erweitern, wenn sie dabei sicherstellen, dass die zusätzlichen Richtwerte der Größe, der Komplexität, dem Geschäftsmodell und dem Betriebsmodell der Wertpapierfirma angemessen sind.

    (7)   Die zuständigen Behörden passen die in den Absätzen 1 bis 5 genannten Richtwerte an und verwenden diese angepassten Werte, wenn eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:

    a)

    der Richtwert ist mit Blick auf die spezifische Rechtsform, auf strukturelle Veränderungen und auf das Geschäfts- und Betriebsmodell der Wertpapierfirma nicht angemessen,

    b)

    die Schätzung des Richtwerts ist angesichts des Umfangs und der Komplexität der Tätigkeiten der Wertpapierfirma mit zu hohem Aufwand verbunden,

    c)

    der Richtwert lässt sich nicht schätzen, weil verlässliche Daten fehlen (für den Fall, dass diese Daten nicht unter die Artikel 54 und 55 der Verordnung (EU) 2019/2033 oder unter Artikel 39 Absatz 2 Buchstabe j der Richtlinie (EU) 2019/2034 fallen),

    d)

    der Richtwert lässt sich nicht schätzen, weil verlässliche historische Daten fehlen, wodurch der historische Analysezeitraum irrelevant wird. In solchen Fällen beschränken die zuständigen Behörden die historische Analyse auf den Zeitraum seit dem letzten aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsverfahren gemäß Artikel 36 der Richtlinie (EU) 2019/2034.

    Ist es den zuständigen Behörden nicht möglich, die in Unterabsatz 1 genannten Richtwerte anzupassen, verwenden sie — soweit angemessen — alternative Richtwerte, wenn sie dabei sicherstellen, dass diese alternativen Richtwerte der Größe, der Komplexität, dem Geschäftsmodell und dem Betriebsmodell der Wertpapierfirma angemessen sind.

    Artikel 7

    Inkrafttreten

    Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

    Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

    Brüssel, den 25. Mai 2023

    Für die Kommission

    Die Präsidentin

    Ursula VON DER LEYEN


    (1)  ABl. L 314 vom 5.12.2019, S. 64.

    (2)  Verordnung (EU) 2019/2033 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2019 über Aufsichtsanforderungen an Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010, (EU) Nr. 575/2013, (EU) Nr. 600/2014 und (EU) Nr. 806/2014 (ABl. L 314 vom 5.12.2019, S. 1).

    (3)  Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission (ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 12).

    (4)  Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 190).

    (5)  Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 349).


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