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Document 31979Y0103(01)

Bekanntmachung der Kommission vom 18. Dezember 1978 über die Beurteilung von Zulieferverträgen nach Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft

ABl. C 1 vom 3.1.1979, p. 2–3 (DA, DE, EN, FR, IT, NL)

Dieses Dokument wurde in einer Sonderausgabe veröffentlicht. (ES, PT, CS, ET, LV, LT, HU, MT, PL, SK, SL, BG, RO, HR)

31979Y0103(01)

Bekanntmachung der Kommission vom 18. Dezember 1978 über die Beurteilung von Zulieferverträgen nach Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft

Amtsblatt Nr. C 001 vom 03/01/1979 S. 0002 - 0003
Spanische Sonderausgabe: Kapitel 08 Band 2 S. 0063
Portugiesische Sonderausgabe: Kapitel 08 Band 2 S. 0063


Bekanntmachung der Kommission vom 18. Dezember 1978 über die Beurteilung von Zulieferverträgen nach Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft

1. In dieser Bekanntmachung legt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften dar, wie sie Zulieferverträge im Hinblick auf Artikel 85 Absatz 1 des EWG-Vertrags beurteilt. Diese Verträge bilden eine moderne Form der Arbeitsteilung, die Unternehmen jeder Grössenordnung offensteht, vor allem aber Entwicklungsmöglichkeiten für kleine und mittlere Unternehmen bietet.

Nach Auffassung der Kommission fallen Verträge, durch die ein Unternehmen, der "Auftraggeber", - gegebenenfalls nach Eingang einer Bestellung von dritter Seite - ein anderes Unternehmen, den "Zulieferer", beauftragt, nach seinen Weisungen Erzeugnisse herzustellen, Dienstleistungen zu erbringen oder Arbeiten zu verrichten, die für den Auftraggeber bestimmt sind oder für seine Rechnung ausgeführt werden, als solche nicht unter das Verbot des Artikels 85 Absatz 1.

Die Erfuellung bestimmter Zulieferverträge gemäß den Weisungen des Auftraggebers kann die Verwendung besonderer Kenntnisse oder Betriebsmittel erfordern, die der Auftraggeber dem Zulieferer zur Verfügung zu stellen hat. Um den wirtschaftlichen Wert dieser Kenntnisse und Betriebsmittel zu erhalten, kann sich der Auftraggeber veranlasst sehen, ihre Benutzung durch den Zulieferer auf die Erfuellung des Vertrages zu beschränken. Es stellt sich daher die Frage, ob derartige Beschränkungen von Artikel 85 Absatz 1 erfasst werden. Bei der Würdigung dieser Beschränkungen ist der besondere Zweck der genannten Verträge zu berücksichtigen, der sie von gewöhnlichen Patent- und Know-how-Lizenz-Verträgen unterscheidet.

2. Nach Auffassung der Kommission erfasst das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 nicht Vertragsklauseln, wonach - die vom Auftraggeber stammenden Kenntnisse oder Betriebsmittel nur zum Zweck der Vertragserfuellung benutzt werden dürfen,

- die vom Auftraggeber stammenden Kenntnisse oder Betriebsmittel Dritten nicht zur Verfügung gestellt werden dürfen,

- die mit ihrer Hilfe hergestellten Erzeugnisse, erbrachten Dienstleistungen oder verrichteten Arbeiten nur für den Auftraggeber bestimmt sind oder nur für seine Rechnung ausgeführt werden dürfen,

wenn und soweit diese Kenntnisse oder Betriebsmittel erforderlich sind, um den Zulieferer in die Lage zu versetzen, unter angemessenen Bedingungen die den Weisungen des Auftraggebers entsprechenden Erzeugnisse herzustellen, Dienstleistungen zu erbringenn oder Arbeiten zu verrichten. Insofern übt der Zulieferer gewerbliche Tätigkeiten aus, ohne als selbständiger Anbieter auf dem Markt in Erscheinung zu treten.

Dies trifft regelmässig dann zu, wenn die Erfuellung des Zuliefervertrags davon abhängt, daß der Zulieferer - gewerbliche Schutzrechte in Form von Patenten, Gebrauchsmustern, Geschmacksmustern oder ähnlichen Rechte oder

- geheime technische Kenntnisse oder Herstellungsverfahren (Know-how)

benutzt, die der Auftraggeber besitzt oder über die er verfügt, aber auch dann, wenn der Zulieferer für die Erfuellung des Zuliefervertrags - vom Auftraggeber oder für dessen Rechnung ausgearbeitete Entwürfe, Pläne oder sonstige Unterlagen oder

- dem Auftraggeber gehörende Stanzen, Formen oder Werkzeuge und deren Zubehör

benötigt, für die zwar kein gewerbliches Schutzrecht besteht oder die keinen geheimen Charakter tragen, mit deren Hilfe aber ein Erzeugnis hergestellt werden kann, das sich nach Form, Funktion oder Zusammensetzung von anderen hergestellten oder auf dem Markt befindlichen Erzeugnissen unterscheidet.

Die Anwendung der genannten Vertragsklauseln ist dagegen nicht gerechtfertigt, wenn der Zulieferer bereits über die erforderlichen Kenntnisse und Betriebsmittel verfügt, um die gewünschten Erzeugnisse herzustellen, Dienstleistungen zu erbringen oder Arbeiten zu verrichten, oder wenn er sie sich unter angemessenen Bedingungen verschaffen kann. Diese Voraussetzung liegt in aller Regel dann vor, wenn der Auftraggeber sich darauf beschränkt, allgemeine Angaben zu liefern, die nur der Beschreibung des Auftrags dienen. In solchen Fällen würde dem Zulieferer durch Beschränkungen der oben bezeichneten Art die Möglichkeit genommen, im Vertragsbereich eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit zu entfalten.

3. Im Zusammenhang mit der Weitergabe von technischen Kenntnissen durch den Auftraggeber können nach Auffassung der Kommission auch die folgende Beschränkungen in Zulieferverträgen vereinbart werden, ohne zu Beanstandungen im Hinblick auf Artikel 85 Absatz 1 Anlaß zu geben: - die Verpflichtung jedes Vertragspartners, geheime technische Kenntnisse oder Herstellungsverfahren sowie von dem anderen Partner während der Vertragsverhandlungen oder bei der Durchführung des Vertrages mitgeteilte vertrauliche Informationen nicht zu offenbaren, solange sie nicht Allgemeingut geworden sind;

- die Verpflichtung des Zulieferers, geheime technische Kenntnisse oder Herstellungsverfahren, die ihm während der Laufzeit des Vertrages mitgeteilt werden, auch nach Vertragserfuellung nicht selbst zu verwerten, solange sie nicht Allgemeingut geworden sind;

- die Verpflichtung des Zulieferers, technische Verbesserungen, die er während der Laufzeit des Vertrages entwickelt hat, dem Auftraggeber auf nichtausschließlicher Grundlage bekanntzugeben oder bei patentfähigen Erfindungen des Zulieferers dem Auftraggeber für die Laufzeit seines Grundpatents nichtausschließliche Lizenzen auf das Verbesserungs- oder Anwendungspatent zu erteilen.

Falls die vom Zulieferer während der Laufzeit des Vertrages entwickelten Verbesserungen oder die von ihm gemachten Erfindungen ohne Benutzung der geheimen technischen Kenntnisse oder des Grundpatents des Auftraggebers nicht verwertbar sind, kann die Verpflichtung des Zulieferers zugunsten des Auftraggebers ausschließlichen Charakter tragen, zumal sie dann den Wettbewerb nicht spürbar einschränkt.

Dagegen ist jede Verpflichtung des Zulieferers, die dessen Verfügungsrecht über die künftigen, selbständig verwertbaren Ergebnisse seiner eigenen Forschungs- oder Entwicklungsarbeiten betrifft, geeignet, den Wettbewerb einzuschränken. In diesen Fällen bietet der Zweck des Zuliefervertrags keine ausreichende Rechtfertigung, um von den allgemeinen Wettbewerbsregeln abzuweichen, die für die Verwertung gewerblicher Schutzrechte und geheimer technischer Kenntnisse gelten.

4. Ist der Zulieferer im Rahmen des Zuliefervertrags zur Benutzung eines Warenzeichens, eines Handelsnamens oder einer bestimmten Aufmachung ermächtigt, so kann ihm untersagt werden, diese für Erzeugnisse, Dienstleistungen oder Arbeiten zu verwenden, welche nicht für den Auftraggeber bestimmt sind.

5. Mit der vorliegenden Bekanntmachung wird in der Regel das Interesse der Unternehmen entfallen, eine Klärung der Rechtslage durch Einzelentscheidungen der Kommission herbeizuführen. Die beteiligten Unternehmen haben gleichwohl die Möglichkeit, ein Negativattest im Sinne von Artikel 2 der Verordnung Nr. 17 (1) zu beantragen oder die Vereinbarung gemäß ihrem Artikel 4 Absatz 1 bei der Kommission anzumelden.

Die Bekanntmachung von 1968 über die zwischenbetriebliche Zusammenarbeit (2), die eine Reihe von Vereinbarungen aufzählt, welche ihrem Wesen nach den Wettbewerb nicht einschränken, wird durch die vorliegende Bekanntmachung im Hinblick auf die Zulieferverträge ergänzt. Die Kommission erinnert ausserdem daran, daß sie zur Erleichterung der Zusammenarbeit zwischen kleinen und mittleren Unternehmen eine "Bekanntmachung über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die nicht unter Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft fallen" (3), veröffentlicht hat.

Die vorliegende Bekanntmachung greift einer etwaigen Beurteilung der betreffenden Verträge durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nicht vor.

(1) Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 EWG-Vertrag, ABl. Nr. 13 vom 21.2.1962, S. 204/62. (2) Bekanntmachung über Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine zwischenbetriebliche Zusammenarbeit betreffen, ABl. Nr. C 75 vom 29.7.1968, S. 3. (3) ABl. Nr. C 313 vom 29.12.1977, S. 3.

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