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Document 52023XC0104(01)

    Mitteilung der Kommission Finanzielle Sanktionen in Vertragsverletzungsverfahren 2023/C 2/01

    C/2022/9973

    ABl. C 2 vom 4.1.2023, p. 1–16 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, GA, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    4.1.2023   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 2/1


    MITTEILUNG DER KOMMISSION

    Finanzielle Sanktionen in Vertragsverletzungsverfahren

    (2023/C 2/01)

    1.   EINLEITUNG – ENTWICKLUNG EINES VERHÄLTNISMÄSSIGEN UND ABSCHRECKENDEN ANSATZES

    Wenn die Kommission einen Mitgliedstaat aufgrund eines Verstoßes gegen eine Verpflichtung aus den Verträgen vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) verklagt, kann sie dem Gerichtshof nach dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) in zwei Fällen vorschlagen, finanzielle Sanktionen gegen diesen Mitgliedstaat zu verhängen:

    wenn der Mitgliedstaat nicht die erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, um einem früheren Urteil des Gerichtshofs, in dem ein Verstoß gegen Unionsrecht festgestellt wurde, nachzukommen (Artikel 260 Absatz 2 AEUV) (1),

    wenn der Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtung verstoßen hat, Maßnahmen zur Umsetzung einer gemäß einem Gesetzgebungsverfahren erlassenen Richtlinie mitzuteilen (Artikel 260 Absatz 3 AEUV).

    In beiden Fällen kann die vom Gerichtshof verhängte Sanktion aus einem Pauschalbetrag, der für die Fortsetzung des Verstoßes bis zur Verkündung des Urteils oder bis zur vollständigen Einhaltung der Vorschriften, falls dies früher geschieht, zu zahlen ist, und einem täglichen Zwangsgeld bestehen, um den betreffenden Mitgliedstaat zu veranlassen, den Verstoß möglichst bald nach der Verkündung des Urteils abzustellen. Die Kommission schlägt dem Gerichtshof die Beträge für die finanziellen Sanktionen vor, doch es liegt im Ermessen des Gerichtshofs (2), die Beträge festzulegen, die er den Umständen entsprechend für angemessen hält und die sowohl in einem angemessenen Verhältnis zu dem festgestellten Verstoß als auch zur Zahlungsfähigkeit des betreffenden Mitgliedstaats stehen (3).

    Die Befugnis des Gerichtshofs, finanzielle Sanktionen gegen Mitgliedstaaten zu verhängen – und für die Kommission, die Verhängung solcher Sanktionen zu beantragen – geht auf den Maastrichter Vertrag von 1992 zurück. Um Transparenz und Gleichbehandlung zu gewährleisten, hat die Kommission seit 1996 eine Reihe von Mitteilungen und Vermerken veröffentlicht, in denen sie ihre Politik und die von ihr bei der Berechnung der finanziellen Sanktionen angewandte Methode darlegt (4).

    In dieser Mitteilung werden alle Mitteilungen der Kommission über finanzielle Sanktionen, die von 1996 bis 2021 angenommen wurden, aufgearbeitet (siehe Liste in Anhang II). Sie ersetzt und fasst ihren Inhalt zusammen und aktualisiert sie, sofern dies im Lichte der jüngsten Rechtsprechung des Gerichtshofs erforderlich ist. Dies gilt insbesondere für die Streichung jeglicher Bezugnahme auf das institutionelle Gewicht des betreffenden Mitgliedstaats bei der Berechnung der finanziellen Sanktionen, die die Kommission dem Gerichtshof vorschlägt (siehe Abschnitt 3.4).

    Diese Mitteilung gilt auch für den Euratom-Vertrag, da Artikel 106a AEUV die Anwendbarkeit von Artikel 260 AEUV auf die unter diesen Vertrag fallenden Angelegenheiten vorsieht.

    2.   ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE

    Auch wenn die endgültige Entscheidung über die Verhängung der in Artikel 260 AEUV vorgesehenen Sanktionen beim Gerichtshof liegt, spielt die Kommission eine zentrale Rolle, da sie den Fall vor den Gerichtshof bringt und einen Vorschlag für die Höhe der finanziellen Sanktionen unterbreitet. Im Interesse der Transparenz und der Gleichbehandlung hat die Kommission die Kriterien, die sie bei ihren Vorschlägen für finanzielle Sanktionen anwendet, stets veröffentlicht.

    Nach Ansicht der Kommission müssen bei der Festlegung der finanziellen Sanktionen drei Kriterien (5) zugrunde gelegt werden:

    die Schwere des Verstoßes,

    die Dauer des Verstoßes,

    die erforderliche Abschreckungswirkung der finanziellen Sanktionen, um einen erneuten Verstoß zu verhindern.

    Um die Wirksamkeit der Sanktionen zu gewährleisten, müssen die Beträge ausreichend hoch angesetzt werden, um eine abschreckende Wirkung zu entfalten. Die Verhängung rein symbolischer Sanktionen würde dem Sanktionsmechanismus nach Artikel 260 AEUV, der das Vertragsverletzungsverfahren ergänzt, seine Wirksamkeit nehmen und seinem eigentlichen Ziel, der Gewährleistung einer vollständigen Einhaltung des Unionsrechts, zuwiderlaufen.

    Die Sanktionen, die die Kommission dem Gerichtshof vorschlägt, sollten kohärent und für die Mitgliedstaaten vorhersehbar sein und nach einer Methode festgelegt werden, bei der die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten gewahrt werden. Mit einer klaren und einheitlichen Methode wird auch sichergestellt, dass die Kommission die Berechnung der Höhe der von ihr vorgeschlagenen Sanktionen vor dem Gerichtshof ordnungsgemäß begründet (6).

    Die Kommission schlägt dem Gerichtshof stets vor, gegen den betreffenden Mitgliedstaat sowohl einen Pauschalbetrag als auch ein Zwangsgeld zu verhängen. Dies gilt sowohl für Klagen gemäß Artikel 260 Absatz 2 AEUV (Nichtdurchführung eines früheren Urteils des Gerichtshofs) als auch für Klagen gemäß Artikel 260 Absatz 3 AEUV (Nichtmitteilung der Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie).

    Wenn ein Mitgliedstaat den Verstoß während des Gerichtsverfahrens abstellt, zieht die Kommission ihre Klage nicht zurück, sondern hält ihren Antrag auf Verhängung eines Pauschalbetrags aufrecht, der die Dauer des Verstoßes bis zu dem Zeitpunkt abdeckt, zu dem der Verstoß abgestellt wurde. Sobald ein Verstoß abgestellt wurde, ganz gleich in welcher Phase des Gerichtsverfahrens, setzt die Kommission den Gerichtshof unverzüglich davon in Kenntnis. Gleiches gilt, wenn ein Mitgliedstaat im Anschluss an ein Urteil nach Artikel 260 Absatz 2 und Artikel 260 Absatz 3 AEUV die nötigen Maßnahmen trifft und somit die Verpflichtung zur Zahlung eines Zwangsgeldes endet.

    Die vom Gerichtshof verhängten finanziellen Sanktionen, die von den Mitgliedstaaten in Form von Pauschalbeträgen oder Zwangsgeldern gezahlt werden, stellen „sonstige Einnahmen“ der Union im Sinne von Artikel 311 AEUV und des Beschlusses 2007/436/EG, Euratom (7) dar.

    2.1.   Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

    Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs (8) müssen finanzielle Sanktionen den Umständen angemessen sein und sowohl im Verhältnis zu dem festgestellten Verstoß als auch zu der Zahlungsfähigkeit des betreffenden Mitgliedstaats stehen. Die Kommission prüft in jedem Einzelfall sorgfältig, wie diese Grundsätze bei der Anwendung der verschiedenen Kriterien für die Berechnung der Sanktionen, die sie dem Gerichtshof vorschlägt, am besten berücksichtigt werden können. Insbesondere sollten die Sanktionen gegebenenfalls im Voraus die Möglichkeit einer Änderung der Umstände berücksichtigen (9).

    Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und besonders dem Grundsatz, den Umständen angemessene Sanktionen vorzuschlagen, können mehrere Folgerungen gezogen werden:

    Es mag sich als angemessen erweisen, Sanktionen auf der Grundlage einer mathematischen degressiven Formel vorzuschlagen, um den Fortschritten eines Mitgliedstaats bei der Erfüllung seiner Verpflichtungen gegenüber der Union Rechnung zu tragen. Ein mögliches Beispiel wäre, wenn ein Mitgliedstaat gegen das Unionsrecht verstoßen hat, weil er eine Reihe illegaler Deponien betreibt, weil einige seiner Städte die Normen für die Qualität des kommunalen Abwassers nicht einhalten oder weil die Luftqualitätsgebiete nicht konform sind. Lassen sich die Fortschritte des Mitgliedstaats bei der Einhaltung der Vorschriften (z. B. als prozentualer Anteil an der Gesamtzahl der Deponien, Städte oder Luftqualitätsgebiete) bei Verstößen, die durch eine rein „ergebnisorientierte“ Verpflichtung gekennzeichnet sind, mathematisch bewerten, kann die Kommission dem Gerichtshof eine degressive Formel vorschlagen (10).

    Es können auch Umstände eintreten, in denen die Kommission vorschlägt, dass die angefallenen Zwangsgelder erst nach regelmäßigen Zeitabständen gezahlt werden, z. B. sechs Monate oder ein Jahr nach einem gemäß Artikel 260 Absatz 2 AEUV ergangenen Gerichtsurteil (11). Dies kann angebracht sein, wenn die Einhaltung der Vorschriften nur in regelmäßigen Abständen beurteilt werden kann oder wenn die Methode zur Beurteilung der Einhaltung von der Verfügbarkeit von Überwachungsergebnissen abhängt. Dies kann in den einschlägigen Rechtsvorschriften vorgesehen sein. Damit soll sichergestellt werden, dass die von der Kommission vorgeschlagene Sanktion tatsächlich der Anzahl der Tage entspricht, an denen der Verstoß angedauert hat; dies lässt sich manchmal erst nach einer gewissen Zeit feststellen, wenn ausreichende Informationen zur Einhaltung der Vorschriften vorliegen.

    2.2.   Grundsätze im Zusammenhang mit Artikel 260 Absatz 3 AEUV

    Artikel 260 Absatz 3 AEUV (12) soll den Mitgliedstaaten einen Anreiz bieten, Richtlinien, die im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens (13) erlassen wurden, innerhalb der vom Unionsgesetzgeber festgelegten Fristen umzusetzen und somit die tatsächliche Wirksamkeit der Rechtsvorschriften der Union zu gewährleisten. Dabei handelt es sich nicht nur um die Wahrung der allgemeinen Interessen, die mit den Rechtsvorschriften der Union verfolgt werden, sondern auch und vor allem um den Schutz der Interessen der EU-Bürgerinnen und -Bürger, die in den Genuss der sich aus diesen Rechtsvorschriften ergebenden Rechte und Leistungen kommen. Verzögerungen sind in beiderlei Hinsicht nicht hinnehmbar. Letztlich wird die Glaubwürdigkeit des Unionsrechts insgesamt untergraben, wenn ein Mitgliedstaat Unionsrecht später als vorgesehen in nationales Recht umsetzt.

    Dies bedeutet, dass bei Verstößen, die unter Artikel 260 Absatz 3 AEUV fallen, d. h. bei der Nichtmitteilung von Maßnahmen zur Umsetzung einer im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens erlassenen Richtlinie, die Anrufung des Gerichtshofs unmittelbar mit einem Antrag auf Verhängung finanzieller Sanktionen gegen den betreffenden Mitgliedstaat verbunden ist. Im Gegensatz zu Verstößen, die ausschließlich in den Anwendungsbereich von Artikel 258 AEUV fallen, ist bei solchen Verstößen kein zweites, gesondertes Verfahren für die Verhängung finanzieller Sanktionen erforderlich.

    Nach Artikel 260 Absatz 3 AEUV darf die vom Gerichtshof verhängte finanzielle Sanktion den von der Kommission vorgeschlagenen Betrag nicht übersteigen.

    Die Kommission hat stets die Auffassung vertreten, dass der in Artikel 260 Absatz 3 AEUV vorgesehene Sanktionsmechanismus prinzipiell in allen Fällen angewandt werden sollte, in denen ein Mitgliedstaat einer unter diese Bestimmung fallenden Verpflichtung nicht nachkommt. Die Bedeutung, die der Umsetzung der Richtlinien durch die Mitgliedstaaten innerhalb der in diesen Richtlinien festgelegten Fristen zukommt, gilt für alle Richtlinien gleichermaßen. Die Kommission hat sich ihrerseits eine Frist von zwölf Monaten gesetzt, um den Gerichtshof mit Vertragsverletzungsverfahren zu befassen, wenn die Nichtumsetzung einer Richtlinie andauert.

    Artikel 260 Absatz 3 AEUV findet keine Anwendung auf die Nichtmitteilung von Maßnahmen zur Umsetzung von Richtlinien, die nicht im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens erlassen wurden, durch einen Mitgliedstaat. Verstößt der Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtung, Maßnahmen im Zusammenhang mit solchen Richtlinien ohne Gesetzescharakter mitzuteilen, ruft die Kommission den Gerichtshof an, und zwar zunächst im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens nach Artikel 258 AEUV und, wenn der Mitgliedstaat einem Urteil, in dem ein Verstoß festgestellt wird, nicht nachkommt, durch eine zweite Anrufung des Gerichtshofs gemäß Artikel 260 Absatz 2 AEUV. Ebenso kann Artikel 260 Absatz 3 AEUV nicht angewandt werden, wenn ein Mitgliedstaat es versäumt, Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinien mitzuteilen, die gemäß den Artikeln 31 und 32 des EURATOM-Vertrags erlassen wurden. In solchen Fällen wendet die Kommission das gleiche doppelte Befassungsverfahren an wie bei Richtlinien ohne Gesetzescharakter nach dem AEUV.

    Artikel 260 Absatz 3 AEUV gilt sowohl für die vollständige als auch für die teilweise Nichtmitteilung von Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie. Eine teilweise Nichtmitteilung kann entweder vorliegen, wenn die mitgeteilten Umsetzungsmaßnahmen nicht das gesamte Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats abdecken oder wenn die Mitteilung unvollständig ist, da sie nicht alle Umsetzungsmaßnahmen enthält, die einem Teil der Richtlinie entsprechen.

    Die Verpflichtung des Mitgliedstaats zur Mitteilung der Umsetzungsmaßnahmen gemäß Artikel 260 Absatz 3 AEUV schließt die Verpflichtung ein, hinreichend klare und genaue Informationen (14) darüber zu machen, mit welchen nationalen Vorschriften die entsprechenden Bestimmungen einer Richtlinie umgesetzt werden. Das Versäumnis, solche klaren und genauen Informationen zu erteilen, kann gemäß Artikel 260 Absatz 3 AEUV mit Sanktionen belegt werden.

    Die Kommission ist der Ansicht, dass Mitteilungen von Umsetzungsmaßnahmen, aus denen nicht eindeutig hervorgeht, mit welcher nationalen Bestimmung die jeweilige Bestimmung einer Richtlinie umgesetzt wird, die Einleitung eines Verfahrens nach Artikel 260 Absatz 3 AEUV rechtfertigen. Ohne diese Informationen kann die Kommission nicht überprüfen, ob der Mitgliedstaat die betreffende Richtlinie tatsächlich und vollständig umgesetzt hat. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit würde die Kommission jedoch, wenn eine Mitteilung selbsterklärend ist, kein Verfahren nach Artikel 260 Absatz 3 AEUV einleiten, auch wenn in der Mitteilung nicht für jede Bestimmung einer Richtlinie die entsprechende nationale Umsetzungsmaßnahme angegeben ist. Die Kommission ruft daher nur dann den Gerichtshof gemäß Artikel 260 Absatz 3 AEUV an, wenn keine eindeutigen Informationen darüber vorliegen, mit welchen Bestimmungen des nationalen Rechts einzelne Bestimmungen einer Richtlinie umgesetzt werden. Diese Informationen sollten in Form von erläuternden Dokumenten zur Verfügung gestellt werden, denen eine Entsprechungstabelle beigefügt werden kann, in der die Bestimmungen der Richtlinie systematisch mit dem nationalen Recht abgeglichen werden.

    Richtlinien enthalten in der Regel eine Klausel, nach der die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, entweder direkt in den zur Umsetzung der Richtlinie erlassenen nationalen Rechtsvorschriften oder bei deren Veröffentlichung auf die Richtlinie zu verweisen (Bezugsklausel). Diese Verpflichtung ermöglicht es den Betroffenen, den Umfang ihrer Rechte und Pflichten in dem vom Unionsrecht geregelten Bereich zu bestimmen.

    Der Gerichtshof hat wiederholt entschieden, dass bei einer Bezugsklausel eine spezifische Umsetzungsmaßnahme erforderlich ist (15). Der bloße Verweis eines Mitgliedstaats bei der Mitteilung von Umsetzungsmaßnahmen an die Kommission auf bereits bestehende nationale Rechtsvorschriften kann nicht als spezifische Umsetzungsmaßnahme gelten. Nationale Rechtsakte, die vor der Richtlinie erlassen wurden, können als spezifische Umsetzungsmaßnahme gelten, sofern der Mitgliedstaat in einer amtlichen Veröffentlichung auf sie verweist. Darin muss eindeutig angegeben werden, mit welchen bereits bestehenden Rechts- oder Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaat den Verpflichtungen aus einer Richtlinie nachzukommen gedenkt. Eine solche amtliche Veröffentlichung sollte in der Mitteilung an die Kommission enthalten sein.

    Etwaige Streitigkeiten über die Angemessenheit der mitgeteilten Umsetzungsmaßnahmen, d. h. die Frage, ob diese Maßnahmen eine ordnungsgemäße Umsetzung der entsprechenden Bestimmungen einer Richtlinie darstellen, werden im Rahmen des in Artikel 258 AEUV vorgesehenen Verfahrens behandelt.

    3.   ZWANGSGELD

    Bei dem von den Mitgliedstaaten zu zahlenden Zwangsgeld handelt es sich um einen Betrag, der grundsätzlich pro Verzugstag berechnet wird – unbeschadet eines abweichenden Bezugszeitraums in besonderen Fällen - und der von dem Tag an, an dem der Gerichtshof sein Urteil gemäß Artikel 260 Absatz 2 oder 3 AEUV erlässt, bis zu dem Tag läuft, an dem der Mitgliedstaat den Verstoß abstellt. Das Zwangsgeld soll den betreffenden Mitgliedstaat dazu veranlassen, den Verstoß gegen seine Verpflichtungen so bald wie möglich nach Erlass des Urteils des Gerichtshofs abzustellen.

    Der Tagessatz für das Zwangsgeld wird wie folgt berechnet:

    Multiplikation eines Grundbetrags mit einem Schwerekoeffizienten und einem Dauerkoeffizienten,

    Multiplikation des ermittelten Ergebnisses mit einem festen Betrag je Mitgliedstaat (Faktor n), der die Zahlungsfähigkeit des betreffenden Mitgliedstaats widerspiegelt.

    Die folgende Formel fasst die daraus resultierende Berechnungsmethode für das Zwangsgeld zusammen:

    Tz = (GbZ× Sk × Dk) × n

    Dabei sind Tz = Tagessatz für das Zwangsgeld, GbZ = Grundbetrag des Zwangsgeldes, Sk = Schwerekoeffizient, Dk = Dauerkoeffizient und n = Faktor, der die Zahlungsfähigkeit des betreffenden Mitgliedstaats widerspiegelt.

    3.1.   Grundbetrag

    Der Grundbetrag ist der feste Betrag, auf den die Multiplikatorkoeffizienten angewandt werden. Der Betrag trägt der Verletzung des Legalitätsprinzips Rechnung, das gemäß Artikel 260 AEUV für alle Fälle gilt. Er wurde in einer Höhe festgesetzt, die gewährleistet, dass

    die Kommission bei der Anwendung des Schwerekoeffizienten über einen großen Ermessensspielraum verfügt,

    er für alle Mitgliedstaaten tragbar ist,

    er nach Multiplizierung mit dem Schwerekoeffizienten hoch genug ist, um auf den betreffenden Mitgliedstaat hinreichend großen Druck auszuüben.

    Der für Zwangsgelder geltende Grundbetrag ist in Punkt 1 des Anhangs festgelegt.

    3.2.   Anwendung des Schwerekoeffizienten (Faktor zwischen 1 und 20)

    Ein Verstoß, der darin besteht, dass ein Mitgliedstaat einem Urteil nicht nachgekommen ist oder es versäumt hat, Maßnahmen zur Umsetzung einer im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens erlassenen Richtlinie mitzuteilen, wird immer als schwerwiegend angesehen. Um die Höhe der Sanktion an die besonderen Umstände des Falles anzupassen, bestimmt die Kommission den Schwerekoeffizienten auf der Grundlage von zwei Parametern: der Bedeutung der verletzten oder nicht umgesetzten Unionsvorschriften und den Auswirkungen des Verstoßes auf allgemeine und besondere Interessen.

    Unter Berücksichtigung der nachstehenden Erwägungen wird die Schwere des Verstoßes durch einen von der Kommission festgelegten Koeffizienten bestimmt, der zwischen mindestens 1 und höchstens 20 liegt.

    3.2.1.    Nichtbefolgung eines Urteils (Artikel 260 Absatz 2 AEUV)

    3.2.1.1.   Bedeutung der Bestimmungen, gegen die verstoßen wurde

    Um die Bedeutung des fortbestehenden Verstoßes gegen das Unionsrecht zu bestimmen, orientiert sich die Kommission an der Rechtsnatur und der Tragweite der betreffenden Bestimmungen und weniger an deren Stellung in der Normenhierarchie. So ist ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot unabhängig davon, ob dabei eine im EU-Vertrag oder in einer Verordnung oder Richtlinie verankerte Bestimmung verletzt wurde, stets als sehr schwerwiegend zu betrachten. Verstöße gegen die Grundrechte oder die im EU-Vertrag festgelegten vier Grundfreiheiten sollen grundsätzlich als besonders schwere Verstöße angesehen werden, die mit einer der Schwere entsprechenden finanziellen Sanktion zu ahnden sind.

    Erhebt die Kommission eine Klage nach Artikel 260 Absatz 2 AEUV, so sollte der Umstand, dass der Mitgliedstaat einem Urteil, das Teil der ständigen Rechtsprechung ist (z. B. wenn dieses Urteil ähnlichen Urteilen folgt, die in einem Vertragsverletzungsverfahren oder auf ein Vorabentscheidungsersuchen hin ergangen sind), nicht nachkommt, als erschwerender Umstand angesehen werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Gerichtshof den betreffenden Mitgliedstaat bereits früher wegen eines Verstoßes gegen ähnliche Bestimmungen des Unionsrechts verurteilt hat.

    Ebenso stellt die unzureichende Zusammenarbeit eines Mitgliedstaats mit der Kommission während des Verfahrens, das zu einer Anrufung des Gerichtshofs gemäß Artikel 260 Absatz 2 Unterabsatz 1 AEUV führt, einen erschwerenden Umstand dar.

    Die Tatsache, dass ein Mitgliedstaat Maßnahmen ergriffen hat, die er für ausreichend hält, um den ihm vorgeworfenen Verstoß zu beheben, die die Kommission jedoch für unzureichend hält, sollte anders behandelt werden als die Situation, in der der Mitgliedstaat es unterlässt, jedwede Maßnahme zur Behebung des Verstoßes zu ergreifen (in diesem Fall verstößt der Mitgliedstaat eindeutig gegen Artikel 260 Absatz 1 AEUV).

    Schließlich sind auch mildernde Umstände zu berücksichtigen, wie die Tatsache, dass das zu vollstreckende Urteil tatsächliche Auslegungsfragen aufwirft, oder besondere Schwierigkeiten bei der kurzfristigen Befolgung (z. B. die Notwendigkeit, eine Infrastruktur zu planen, zu genehmigen, zu finanzieren und zu bauen, um die Verpflichtung zu erfüllen).

    3.2.1.2.   Auswirkungen des Verstoßes auf allgemeine und besondere Interessen

    Die Folgen der Verstöße für das Gemeinwohl oder die Interessen Einzelner sind im Einzelfall zu beurteilen. Beispiele der im Einzelfall zu bewertenden Folgen:

    Einbußen an Eigenmitteln der Union,

    ernste Schäden für die finanziellen Interessen der EU,

    Auswirkung des Verstoßes auf das Funktionieren der Union (z. B. Verstöße, die die ausschließlichen Zuständigkeiten der Union gemäß Artikel 2 Absatz 1 AEUV in Verbindung mit Artikel 3 AEUV betreffen, sowie Verstöße, die die Fähigkeit der nationalen Justizsysteme, zur wirksamen Anwendung des EU-Rechts beizutragen, beeinträchtigen),

    ernste oder nicht wiedergutzumachende Schäden im Bereich der Volksgesundheit oder der Umwelt,

    wirtschaftlicher oder nichtwirtschaftlicher Schaden zum Nachteil von Privatpersonen und Wirtschaftsbeteiligten,

    Umfang der finanziellen Auswirkungen des Verstoßes,

    etwaiger finanzieller Vorteil des Mitgliedstaats, der dem Urteil des Gerichtshofs nicht nachgekommen ist,

    relative Bedeutung des Verstoßes unter Berücksichtigung des Umsatzes oder der Wertschöpfung des betreffenden Wirtschaftszweiges,

    Zahl der vom Verstoß betroffenen Bevölkerung,

    Verantwortung der EU gegenüber Drittländern,

    die Natur des Verstoßes, d. h. der systemische oder strukturelle Charakter des Verstoßes oder das anhaltende Versäumnis eines Mitgliedstaats, das EU-Recht korrekt anzuwenden.

    Zu erwägen wäre auch, ob es sich um einen einmaligen Verstoß handelt oder um die Wiederholung eines früheren Verstoßes.

    Mit der Berücksichtigung der Interessen Einzelner bei der Festlegung der Sanktion stellt die Kommission nicht auf den Schadenersatz ab, der von dem Geschädigten auf nationaler Ebene eingeklagt werden kann. Vielmehr soll den Folgen des Verstoßes für Einzelpersonen und Wirtschaftsbeteiligte Rechnung getragen werden. So sind zum Beispiel die Folgen einer Vertragsverletzung, die eine vereinzelte Fehlanwendung (Fehlen der Anerkennung eines Diploms) betrifft, nicht die gleichen wie die einer fehlenden Umsetzung einer Richtlinie zur gegenseitigen Anerkennung der Diplome. Im letzten Fall wären die Interessen eines ganzen Berufskreises betroffen.

    3.2.2.   Nichtmitteilung von Umsetzungsmaßnahmen (Artikel 260 Absatz 3 AEUV)

    Bei Klagen nach Artikel 260 Absatz 3 AEUV wendet die Kommission systematisch einen Schwerekoeffizienten von 10 an, wenn die Umsetzungsmaßnahmen nicht vollständig mitgeteilt wurden. In einer Union, in der das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit gilt, sind alle Richtlinien als gleichrangig zu betrachten und müssen von den Mitgliedstaaten innerhalb der von ihnen gesetzten Fristen vollständig umgesetzt werden.

    Bei einer teilweisen Nichtmitteilung von Umsetzungsmaßnahmen ist die Bedeutung der Umsetzungslücke bei der Festsetzung des Schwerekoeffizienten zu berücksichtigen, der niedriger als 10 ist. Darüber hinaus können die Auswirkungen des Verstoßes auf allgemeine und besondere Interessen in Betracht gezogen werden (siehe die Erwägungen in Abschnitt 3.2.1.2).

    3.3.   Anwendung des Dauerkoeffizienten

    Bei der Berechnung des Zwangsgeldes wird die folgende Dauer des Verstoßes zugrunde gelegt:

    Bei Klagen nach Artikel 260 Absatz 2 AEUV wird der Zeitraum ab dem ersten Urteil des Gerichtshofs bis zur Entscheidung der Kommission, den Gerichtshof anzurufen, berücksichtigt.

    Bei Klagen nach Artikel 260 Absatz 3 AEUV wird der Zeitraum ab dem Tag nach Ablauf der Umsetzungsfrist für die betreffende Richtlinie bis zur Entscheidung der Kommission, den Gerichtshof anzurufen, berücksichtigt.

    Der Dauerkoeffizient wird als Multiplikator zwischen 1 und 3 ausgedrückt. Er wird zu einem Satz von 0,10 pro Monat ab dem Datum des ersten Urteils oder ab dem Tag nach Ablauf der Frist für die Umsetzung der betreffenden Richtlinie berechnet.

    Der Gerichtshof hat bestätigt, (16) dass die Dauer des Verstoßes sowohl beim Zwangsgeld als auch beim Pauschalbetrag berücksichtigt werden muss, da jede dieser Sanktionen ihre eigene Funktion hat.

    3.4.   Zahlungsfähigkeit eines Mitgliedstaats

    Die Höhe des Zwangsgeldes muss sowohl angemessen sein als auch eine abschreckende Wirkung entfalten. Die abschreckende Wirkung des Zwangsgeldes dient einem doppelten Zweck. Die Sanktion muss hinreichend hoch sein, um die zweifache Abschreckungswirkung zu entfalten:

    der Mitgliedstaat beendet den Verstoß (die Sanktion muss also höher sein als der wirtschaftliche Vorteil, den der Mitgliedstaat aus dem Verstoß zieht),

    der Mitgliedstaat unterlässt eine Wiederholung.

    Wie hoch Sanktionen sein müssen, damit sie eine abschreckende Wirkung haben, hängt von der Zahlungsfähigkeit der Mitgliedstaaten ab. Diese Abschreckungswirkung spiegelt sich im Faktor n wider. Er ist definiert als ein gewichteter geometrischer Mittelwert des Bruttoinlandsprodukts (BIP) (17) des betreffenden Mitgliedstaats im Vergleich zum durchschnittlichen BIP der Mitgliedstaaten mit einer Gewichtung von zwei und der Bevölkerungszahl des betreffenden Mitgliedstaats im Vergleich zum Durchschnitt der Bevölkerungszahlen der Mitgliedstaaten mit einer Gewichtung von eins. Dies entspricht der Zahlungsfähigkeit des betreffenden Mitgliedstaats im Verhältnis zur Zahlungsfähigkeit der anderen Mitgliedstaaten.

    Formula

    Die Berechnung des Faktors n im Rahmen dieser Mitteilung wurde gegenüber der bisherigen Berechnung des Faktors n geändert. In früheren Mitteilungen wurden sowohl das BIP der Mitgliedstaaten als auch ihr institutionelles Gewicht berücksichtigt. Letzteres wurde durch die Verwendung eines Proxys ausgedrückt, zuletzt durch die Anzahl der jedem Mitgliedstaat zugewiesenen Sitze im Europäischen Parlament.

    In seinem Urteil vom 20. Januar 2022 in der Rechtssache Kommission/Griechenland (18) prüfte der Gerichtshof die Elemente, die für die Beurteilung der Zahlungsfähigkeit eines Mitgliedstaats im Hinblick auf die Verhängung finanzieller Sanktionen gemäß Artikel 260 AEUV als maßgeblich angesehen werden. In diesem Urteil stellte der Gerichtshof fest, dass „unbeschadet der Möglichkeit der Kommission, auf einer Vielzahl von Kriterien beruhende finanzielle Sanktionen vorzuschlagen, um es u. a. zu ermöglichen, eine angemessene Differenzierung zwischen den verschiedenen Mitgliedstaaten beizubehalten, für die Festsetzung hinreichend abschreckender und verhältnismäßiger Sanktionen bei der Beurteilung der Zahlungsfähigkeit der Hellenischen Republik auf ihr BIP als vorrangigen Faktor abzustellen [ist], ohne das institutionelle Gewicht der Hellenischen Republik zu berücksichtigen“ (19). Der Gerichtshof stellt fest, dass „das Ziel, Sanktionen festzusetzen, die hinreichend abschreckend sind, nicht zwingend verlangt, das institutionelle Gewicht des betreffenden Mitgliedstaats in der Union heranzuziehen“ und dass „[d]ie Berücksichtigung des institutionellen Gewichts des betreffenden Mitgliedstaats … daher nicht unerlässlich [erscheint], um eine hinreichende Abschreckung zu gewährleisten und diesen Mitgliedstaat zu einer Änderung seines gegenwärtigen oder zukünftigen Verhaltens … zu veranlassen.“ (20)

    Die Kommission hat daher beschlossen, ihre Methode zur Berechnung des Faktors n zu überarbeiten. Er stützt sich nun in erster Linie auf das BIP der Mitgliedstaaten und erst in zweiter Linie auf ihre Bevölkerungszahl als demografisches Kriterium, das eine angemessene Abweichung zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten ermöglicht. Durch die Berücksichtigung der Bevölkerungszahl der Mitgliedstaaten zu einem Drittel bei der Berechnung des Faktors n werden die Abweichungen zwischen den Faktoren n der Mitgliedstaaten im Vergleich zu einer Berechnung, die ausschließlich auf dem BIP der Mitgliedstaaten beruht, auf ein angemessenes Maß reduziert. Dadurch erhält die Berechnung des Faktors n auch ein stabiles Element, da die Bevölkerungszahl auf jährlicher Basis wahrscheinlich nicht stark schwanken wird. Im Gegensatz dazu kann das BIP eines Mitgliedstaats stärkeren jährlichen Schwankungen unterliegen, insbesondere in Zeiten einer Wirtschaftskrise. Da das BIP eines Mitgliedstaats nach wie vor zwei Drittel der Berechnung ausmacht, bleibt es der wichtigste Faktor für die Beurteilung der Zahlungsfähigkeit eines Mitgliedstaats.

    Die Faktoren n für jeden Mitgliedstaat sind in Punkt 3 des Anhangs festgelegt.

    4.   PAUSCHALBETRAG

    Um dem abschreckenden Charakter des Pauschalbetrags und den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung in vollem Umfang Rechnung zu tragen, schlägt die Kommission dem Gerichtshof eine Methode vor, die aus zwei Komponenten besteht:

    einem festen Mindestpauschalbetrag und

    einem Berechnungsmodus, bei dem ein Tagessatz mit der Anzahl der Tage, an denen die Zuwiderhandlung nicht abgestellt ist, multipliziert wird; diese Methode kommt zur Anwendung, wenn sich aus der Berechnung ein höherer Betrag als der feste Mindestpauschalbetrag ergibt.

    4.1.   Mindestpauschalbeträge

    Bei jeder Anrufung des Gerichtshofs gemäß Artikel 260 AEUV schlägt die Kommission unabhängig vom Ergebnis der Berechnung nach Abschnitt 4.2 mindestens einen für jeden Mitgliedstaat anhand des Faktors n bestimmten festen Mindestpauschalbetrag vor.

    Dieser feste Mindestpauschalbetrag trägt dem Grundsatz Rechnung, dass jede fortdauernde Missachtung eines Urteils des Gerichtshofs durch einen Mitgliedstaat oder jede Nichtumsetzung einer Richtlinie durch einen Mitgliedstaat unabhängig von erschwerenden Umständen gleich welcher Art in einer Rechtsgemeinschaft einen Verstoß gegen das Legalitätsprinzip darstellt, der mit einer wirksamen Sanktion geahndet werden muss. Darüber hinaus wird mit dem Mindestpauschalbetrag vermieden, dass rein symbolische Beträge ohne jeden abschreckenden Charakter genannt werden, die die Autorität der Urteile des Gerichtshofs eher schwächen als stärken würden.

    Der Mindestpauschalbetrag für jeden Mitgliedstaat ist in Punkt 5 des Anhangs festgelegt.

    4.2.   Berechnungsmethode für den Pauschalbetrag

    Die Berechnung des Pauschalbetrags erfolgt weitgehend wie die Berechnung des Zwangsgeldes, d. h. durch

    Multiplikation eines Grundbetrags mit einem Schwerekoeffizienten,

    Multiplikation des Ergebnisses mit dem Faktor n,

    Multiplikation des Ergebnisses mit der anhaltenden Dauer des Verstoßes in Tagen (siehe Abschnitt 4.2.1).

    Die folgende Formel fasst die Berechnungsmethode für den Pauschalbetrag zusammen:

    Pb = GbPb x Sk x n x Vd

    Dabei sind

    Pb = Pauschalbetrag, GbPb = Grundbetrag „Pauschalbetrag“, Sk = Schwerekoeffizient, n = Faktor, der die Zahlungsfähigkeit des betreffenden Mitgliedstaats widerspiegelt, Vd = anhaltende Dauer des Verstoßes in Tagen.

    Ergibt sich aus dieser Berechnung ein höherer Betrag als der Mindestpauschalbetrag für den betreffenden Mitgliedstaat, schlägt die Kommission dem Gerichtshof einen Pauschalbetrag vor, der anhand dieser Formel ermittelt wird.

    4.2.1.    Anhaltende Dauer des Verstoßes in Tagen

    Zur Berechnung des Pauschalbetrags wird der Tagessatz mit der Anzahl der Tage, an denen der Mitgliedstaat dem Urteil nicht nachkommt, multipliziert. Die Letztere ist wie folgt gerechnet:

    bei Klagen nach Artikel 260 Absatz 2 AEUV die Anzahl der Tage ab dem Datum des ersten Urteils bis zu dem Tag, an dem der Verstoß abgestellt wird bzw. in Fällen, in denen der Verstoß fortbesteht, dem Tag der Urteilsverkündung gemäß Artikel 260 AEUV,

    bei Klagen nach Artikel 260 Absatz 3 AEUV die Anzahl der Tage nach Ablauf der Umsetzungsfrist der betreffenden Richtlinie bis zu dem Tag, an dem der Verstoß abgestellt wird bzw. in Fällen, in denen der Verstoß fortbesteht, dem Tag der Urteilsverkündung gemäß Artikel 260 AEUV.

    Bei Klagen nach Artikel 260 Absatz 2 AEUV beginnt die Frist für die Berechnung des Pauschalbetrags an dem Tag zu laufen, an dem das Urteil ergeht, mit dem festgestellt wird, dass der betreffende Mitgliedstaat gegen das Unionsrecht verstoßen hat (21).

    Nach Auffassung des Gerichtshofs muss die Durchführung eines solchen Urteils durch einen Mitgliedstaat „sofort“ in Angriff genommen und „innerhalb kürzest möglicher Frist“ abgeschlossen werden (22). Bevor die Kommission eine Klage nach Artikel 260 Absatz 2 AEUV erhebt, muss sie dem Mitgliedstaat eine ausreichende, im Hinblick auf den betreffenden Verstoß bemessene Frist einräumen, um einem solchen Urteil nachzukommen. Jedoch ist dann, wenn der Mitgliedstaat eine entsprechend eingeräumte Umsetzungsfrist hat verstreichen lassen, von einer ab dem ersten Urteil vorliegenden Verletzung der Pflicht des Mitgliedstaats auszugehen, die Durchführung des Urteils sofort in Angriff zu nehmen und innerhalb kürzest möglicher Frist abzuschließen.

    Bei Klagen nach Artikel 260 Absatz 3 AEUV beginnt die maßgebliche Frist am Tag nach Ablauf der in der betreffenden Richtlinie festgelegten Umsetzungsfrist zu laufen.

    4.2.2.    Andere Elemente der Berechnungsmethode für Pauschalbeträge

    Bei der Berechnung des Pauschalbetrags zieht die Kommission den gleichen Schwerekoeffizienten und den gleichen Faktor n wie bei der Berechnung des Zwangsgeldes heran (siehe Abschnitte 3.2 und 3.4). Für die Festsetzung des Pauschalbetrags nach Artikel 260 Absatz 3 AEUV berücksichtigt die Kommission den Grad der Umsetzung bei der Bestimmung der Schwere der Nichtumsetzung.

    Der Grundbetrag für den Pauschalbetrag ist niedriger als der für das Zwangsgeld. Ein im Vergleich zum Pauschalbetrag höherer Tagessatz für das Zwangsgeld scheint in der Tat angemessen, da der Verstoß eines Mitgliedstaats zum Zeitpunkt eines Urteils nach Artikel 260 AUEV aufgrund der Tatsache, dass der Mitgliedstaat dem Urteil des Gerichtshofs nicht nachkommt, an Schwere zunimmt.

    Der für Pauschalbeträge geltende Grundbetrag ist in Punkt 2 des Anhangs festgelegt.

    Anders als bei der Berechnung des Zwangsgeldes wird bei der Berechnung des Pauschalbetrags kein Dauerkoeffizient herangezogen, da der Dauer des Verstoßes durch die Multiplizierung eines Tagessatzes mit der Anzahl der Tage, an denen der Verstoß anhält, Rechnung getragen wird.

    5.   ÜBERGANGSREGELUNGEN FÜR DAS VEREINIGTE KÖNIGREICH

    Am 31. Januar 2020 ist das Vereinigte Königreich aus der Union ausgetreten. Gemäß dem Austrittsabkommen, das am 1. Februar 2020 in Kraft trat, blieb es jedoch verpflichtet, das Unionsrecht bis zum Ende des Übergangszeitraums (der am 31. Dezember 2020 auslief) anzuwenden und einzuhalten.

    Darüber hinaus behalten die Kommission und der Gerichtshof gemäß Artikel 12 Absatz 4 des Protokolls zu Irland/Nordirland und Artikel 12 des Protokolls über die Hoheitszonen des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland auf Zypern die ihnen durch die Verträge übertragenen Befugnisse im Zusammenhang mit der Anwendung des Unionsrechts, das durch diese Protokolle auf das und in dem Vereinigten Königreich anwendbar wird, in Bezug auf Nordirland und die Hoheitszonen. Nach Artikel 160 des Austrittsabkommens bleibt der Gerichtshof gemäß Artikel 258, 260 und 267 AEUV für die Auslegung und Anwendung einiger Bestimmungen von Teil Fünf des Austrittsabkommens zuständig.

    Gemäß diesen Bestimmungen kann die Kommission den Gerichtshof ersuchen, finanzielle Sanktionen gegen das Vereinigte Königreich nach dem 31. Dezember 2020 zu verhängen. Dabei wird die Kommission finanzielle Sanktionen vorschlagen, die in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des betreffenden Verstoßes, zur Dauer des Verstoßes und zur Zahlungsfähigkeit des Vereinigten Königreichs stehen. Zu diesem Zweck wird sich die Kommission auf die gleiche Formel stützen, die in dieser Mitteilung für die Mitgliedstaaten festgelegt wurde (23).

    6.   WIRKSAMWERDEN DER ZAHLUNGSVERPFLICHTUNG

    Verhängt der Gerichtshof gegen einen Mitgliedstaat eine Sanktion nach Artikel 260 Absatz 2 AEUV, so wird die Verpflichtung zur Zahlung dieser Sanktion normalerweise am Tag der Urteilsverkündung wirksam.

    Verhängt der Gerichtshof gegen einen Mitgliedstaat eine Sanktion nach Artikel 260 Absatz 3 AEUV, so gilt die Zahlungsverpflichtung nach dieser Bestimmung „ab dem vom Gerichtshof in seinem Urteil festgelegten Zeitpunkt“. So kann der Gerichtshof den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Verpflichtung entweder auf den Zeitpunkt der Urteilsverkündung oder auf einen späteren Zeitpunkt festlegen. Von der Möglichkeit, einen späteren Zeitpunkt als den des Urteils festzulegen, hat der Gerichtshof bisher noch keinen Gebrauch gemacht.

    7.   ANWENDUNGSDATUM

    Die Kommission wird die in dieser Mitteilung dargelegten Regelungen und Kriterien nach Veröffentlichung der Mitteilung im Amtsblatt auf alle nach Artikel 260 AEUV getroffenen Entscheidungen zur Anrufung des Gerichtshofs anwenden.


    (1)  Oder wenn der Mitgliedstaat nicht die erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, um einem Urteil des Gerichtshofs nachzukommen, in dem ein Verstoß gegen einen Beschluss über staatliche Beihilfen gemäß Artikel 108 Absatz 2 AEUV festgestellt wurde.

    (2)  Dieser Ermessensspielraum ist in Fällen nach Artikel 260 Absatz 3 AEUV eingeschränkt, da der Gerichtshof nicht über den von der Kommission festgelegten Betrag hinausgehen kann.

    (3)  Siehe Urteile des Gerichtshofs vom 12. Juli 2005, Kommission/Frankreich (C-304/02, EU:C:2005:444, Rn. 103), vom 14. März 2006, Kommission/Frankreich (C-177/04, EU:C:2006:173, Rn. 61) und vom 10. Januar 2008, Kommission/Portugal (C-70/06, EU:C:2008:3, Rn. 38).

    (4)  Siehe Anhang II „Liste der früheren Mitteilungen über finanzielle Sanktionen“.

    (5)  Der Gerichtshof hat diese Kriterien in seiner ständigen Rechtsprechung inhaltlich gebilligt. Siehe u. a. Urteil des Gerichtshofs vom 4. Juli 2000, Kommission/Republik Griechenland (C-387/97, EU:C:2000:356, Rn. 92), Urteil des Gerichtshofs vom 25. Februar 2021, Kommission/Spanien (C-658/19, EU:C:2021:138, Rn. 63), Urteil des Gerichtshofs vom 16. Juli 2020‚ Kommission/Irland (C-550/18‚ EU:C:2020:564‚ Rn. 81), Urteil des Gerichtshofs vom 25. Februar 2021, Kommission/Spanien (C-658/19, EU:C:2021:138, Rn. 73).

    (6)  Siehe Urteil vom 16. Juli 2020, Kommission/Rumänien (C-549/18, EU:C:2020:563, Rn. 51).

    (7)  Beschluss 2007/436/EG, Euratom des Rates vom 7. Juni 2007 über das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 163 vom 23.6.2007, S. 17).

    (8)  Rechtssache C-658/19, Kommission/Spanien (EU:C:2021:138, Rn. 63), Rechtssache C-550/18, Kommission/Irland (EU:C:2020:564, Rn. 81), Rechtssache C-658/19, Kommission/Spanien, EU:C:2021:138, Rn. 73).

    (9)  Siehe Urteil vom 25. November 2003, Kommission/Spanien (C-278/01, EU:C:2003:635).

    (10)  Siehe Rechtssache C-278/01, Kommission/Spanien, zur Qualität der Badegewässer gemäß Richtlinie 76/160/EWG, in der der Gerichtshof feststellte, dass „eine vollständige Umsetzung der Richtlinie für die Mitgliedstaaten besonders schwierig“ sein kann und „ein beklagter Mitgliedstaat den Grad der Durchführung der Richtlinie beträchtlich erhöhen [könnte], ohne kurzfristig eine vollständige Durchführung zu erreichen“. Nach Ansicht des Gerichtshofs in seinem Urteil „wäre eine Sanktion, die etwaige Fortschritte eines Mitgliedstaats bei der Erfüllung seiner Verpflichtungen unberücksichtigt ließe, weder den Umständen angemessen noch verhältnismäßig“.

    (11)  Siehe Urteil in der Rechtssache C-278/01, Kommission/Spanien, Rn. 43-46 und Urteil in der Rechtssache C-304/02, Kommission/Frankreich, Rn. 111 und 112.

    (12)  Siehe Urteil vom 8. Juli 2019, Kommission/Belgien (C-543/17, EU:C:2019:573), in der der Gerichtshof die Sanktionsregelung nach Artikel 260 Absatz 3 AEUV erstmals angewandt hat.

    (13)  Es handelt sich um Richtlinien, die im Rahmen der in den Verträgen vorgesehenen ordentlichen oder besonderen Gesetzgebungsverfahren erlassen werden. Ausgenommen sind insbesondere die von der Kommission gemäß den Artikeln 290 und 291 AEUV erlassenen delegierten Richtlinien und Durchführungsrichtlinien sowie die gemäß dem EURATOM-Vertrag erlassenen Richtlinien.

    (14)  Siehe Rechtssache C-543/17, Kommission/Belgien, Rn. 51 und 59.

    (15)  Urteile vom 29. Oktober 2009, Kommission/Polen (C-551/08, EU:C:2009:683, Rn. 23), vom 11. Juni 2015, Kommission/Polen (C-29/14, EU:C:2015:379, Rn. 49), vom 4. Oktober 2018, Kommission/Spanien (C-599/17, EU:C:2018:813, Rn. 21) und vom 16. Juli 2020, Kommission/Irland (C-550/18, EU:C:2020:564, Rn. 31).

    (16)  Siehe Urteil in der Rechtssache C-304/02, Kommission/Frankreich, Rn. 84.

    (17)  Quelle: Nominales BIP – Eurostat. Eurostat veröffentlicht regelmäßig BIP-Daten für die Mitgliedstaaten (nama_10_gdp).

    (18)  Urteil vom 20. Januar 2022, Kommission/Griechenland (C-51/20, EU:C:2022:36).

    (19)  Rechtssache C-51/20, Kommission/Griechenland, Rn. 116.

    (20)  Rechtssache C-51/20, Kommission/Griechenland, Rn. 113 und 115.

    (21)  Siehe Rechtssache C-304/02, Kommission/Frankreich.

    (22)  Siehe Urteil vom 12. November 2019, Kommission/Irland (C-261/18, EU:C:2019:955, Rn. 123).

    (23)  

    Formula


    ANHANG I

    Daten, die zur Festlegung der dem Gerichtshof vorgeschlagenen finanziellen Sanktionen verwendet werden

    Die Daten in diesem Anhang werden von der Kommission jährlich unter Berücksichtigung der Entwicklung der Inflation, des BIP der Mitgliedstaaten und ihrer Bevölkerungszahl auf Basis der von Eurostat veröffentlichten offiziellen Daten überprüft und aktualisiert.

    1.   Grundbetrag für das Zwangsgeld

    Der Grundbetrag für das in Abschnitt 3.1 dieser Mitteilung angeführte Zwangsgeld wird auf 3000 EUR pro Tag festgesetzt.

    2.   Grundbetrag für den Pauschalbetrag

    Der Grundbetrag für den in Abschnitt 4.2.2 dieser Mitteilung angeführten Pauschalbetrag wird auf 1000 EUR pro Tag festgesetzt und liegt damit bei einem Drittel des Grundbetrags für das Zwangsgeld.

    3.   Faktoren N

    Die in den Abschnitten 3.4 und 4.2.2 dieser Mitteilung genannten Faktoren n sind:

     

    Faktor n1  (1)

    Belgien

    0,84

    Bulgarien

    0,18

    Tschechien

    0,49

    Dänemark

    0,52

    Deutschland

    6,16

    Estland

    0,06

    Irland

    0,55

    Griechenland

    0,41

    Spanien

    2,44

    Frankreich

    4,45

    Kroatien

    0,14

    Italien

    3,41

    Zypern

    0,05

    Lettland

    0,07

    Litauen

    0,12

    Luxemburg

    0,09

    Ungarn

    0,35

    Malta

    0,03

    Niederlande

    1,39

    Österreich

    0,68

    Polen

    1,37

    Portugal

    0,46

    Rumänien

    0,61

    Slowenien

    0,10

    Slowakei

    0,22

    Finnland

    0,42

    Schweden

    0,83

    4.   Referenzpauschalbetrag

    Der Referenzpauschalbetrag, der für die Berechnung der Mindestpauschalbeträge je Mitgliedstaat herangezogen wird, wird auf 2 800 000 EUR festgelegt (2).

    5.   Mindestpauschalbeträge je Mitgliedstaat

    Die Mindestpauschalbeträge entsprechen dem Referenzpauschalbetrag multipliziert mit den Faktoren n.

    Die in Abschnitt 4.1 dieser Mitteilung genannten Mindestpauschalbeträge (3) werden wie folgt festgesetzt:

     

    Mindestpauschalbeträge (in EUR)

    Belgien

    2 352 000

    Bulgarien

    504 000

    Tschechien

    1 372 000

    Dänemark

    1 456 000

    Deutschland

    17 248 000

    Estland

    168 000

    Irland

    1 540 000

    Griechenland

    1 148 000

    Spanien

    6 832 000

    Frankreich

    12 460 000

    Kroatien

    392 000

    Italien

    9 548 000

    Zypern

    140 000

    Lettland

    196 000

    Litauen

    336 000

    Luxemburg

    252 000

    Ungarn

    980 000

    Malta

    84 000

    Niederlande

    3 892 000

    Österreich

    1 904 000

    Polen

    3 836 000

    Portugal

    1 288 000

    Rumänien

    1 708 000

    Slowenien

    280 000

    Slowakei

    616 000

    Finnland

    1 176 000

    Schweden

    2 324 000


    (1)  Auf Grundlage des BIP 2020 und der Bevölkerungszahl (Jahr n-2), die am 7. September 2022 extrahiert und auf zwei Dezimalstellen gerundet wurden.

    (2)  Im Jahr 2005 verwendete die Kommission in ihrer Mitteilung über die Anwendung von Artikel 228 EG-Vertrag 500 000 EUR als Referenzpauschalbetrag. Der Referenzpauschalbetrag wurde im Laufe der Jahre nach mehreren Überarbeitungen aufgrund der Inflation und verschiedener Änderungen der Methode erhöht. In der letzten Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Aktualisierung der Daten zur Berechnung von Pauschalbeträgen und Zwangsgeldern, die die Kommission dem Gerichtshof der Europäischen Union in Vertragsverletzungsverfahren vorschlägt“ (C(2022) 568), wurde zur Berechnung der Mindestpauschalbeträge ein Referenzpauschalbetrag von 2 255 000 verwendet. Er wird nun auf 2 800 000 EUR festgesetzt, um sicherzustellen, dass die Mindestpauschalbeträge unter Berücksichtigung ihrer bisherigen Höhe und der in dieser Mitteilung dargelegten Änderung der Methode in Bezug auf den Faktor n weiterhin ausreichend abschreckend wirken.

    (3)  Auf Grundlage des BIP 2020 und der Bevölkerungszahl (Jahr n-2), die am 7. September 2022 extrahiert und auf das nächste Tausend gerundet wurden.


    ANHANG II

    Liste der früheren Mitteilungen über finanzielle Sanktionen

    Mit der vorliegenden Mitteilung werden alle nachstehend genannten Mitteilungen der Kommission über finanzielle Sanktionen von 1996 bis 2021 überarbeitet:

    Im Jahr 1996 veröffentlichte die Kommission eine Mitteilung über die Anwendung von Artikel 171 EG-Vertrag (1). Es handelte sich dabei um einen ersten Ansatz, der noch weiter verfeinert werden sollte, der jedoch den Grundstein für die heutige Politik im Bereich der finanziellen Sanktionen legte. So wurde festgelegt, dass die Höhe der Strafe anhand von drei grundlegenden Kriterien zu berechnen ist, nämlich der Schwere des Verstoßes, seiner Dauer und der erforderlichen Abschreckungswirkung, um einen erneuten Verstoß zu verhindern.

    Im Jahr 1997 veröffentlichte die Kommission erstmals eine Mitteilung über Verfahren für die Berechnung des Zwangsgeldes nach Artikel 171 EG-Vertrag (2). Zum damaligen Zeitpunkt gab es noch keine Methode zur Berechnung des Pauschalbetrags. Nach der festgelegten Methode sollte der Tagessatz des Zwangsgeldes als einheitlicher Grundbetrag berechnet werden, der mit einem Schwerekoeffizienten und einem Dauerkoeffizienten multipliziert wird, wobei das Ergebnis mit einem besonderen Faktor (dem sogenannten „Faktor n“) multipliziert wird, der der Zahlungsfähigkeit des betreffenden Mitgliedstaats und der Anzahl seiner Stimmen im Rat entspricht. Mit dem Faktor n, der damals sowohl wirtschaftliches als auch institutionelles Gewicht hatte, sollte sichergestellt werden, dass die Sanktionen gerecht und verhältnismäßig sind, aber auch hinreichend abschreckend wirken, damit die Mitgliedstaaten den Verstoß abstellen und nicht wiederholen. In dem Dokument wurde ferner erläutert, wie die Schwere- und Dauerkoeffizienten zu bestimmen sind, und es wurden die ersten Werte für den Faktor n festgelegt (3).

    Im Jahr 2001 wurde in einem internen Beschluss (4) der Kommission festgelegt, dass der Dauerkoeffizient ab dem siebten Monat nach dem Urteil des Gerichtshofs auf Basis von 0,1 pro Monat (mit einem Höchstwert von 3) berechnet werden sollte.

    Im Jahr 2005 veröffentlichte die Kommission eine Mitteilung zur Anwendung von Artikel 228 EG-Vertrag (5), um insbesondere im Hinblick auf die neue Rechtsprechung des Gerichtshofs, den Beitritt neuer Mitgliedstaaten zur EU und die Entwicklung der Wachstums- und Inflationsraten eine Aktualisierung vorzunehmen. Dabei wurden allgemeine Grundsätze aufgestellt, die bei der Beantragung finanzieller Sanktionen zu beachten sind und die nach wie vor gelten. Außerdem wurde erstmals eine Methode zur Berechnung des Pauschalbetrags, einschließlich Mindestpauschalbeträgen für jeden Mitgliedstaat, festgelegt, die Berechnung des Faktors n aktualisiert (6) und die Grundbeträge für die Berechnung des Zwangsgeldes und des Pauschalbetrags festgelegt (7).

    Nachdem im Vertrag von Lissabon die Möglichkeit eingeführt wurde, bei Nichtmitteilung von Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinien finanzielle Sanktionen zu beantragen, hat die Kommission 2010 eine Mitteilung über die Anwendung von Artikel 260 Absatz 3 AEUV (8) veröffentlicht. In dieser Mitteilung erläuterte die Kommission, wie sie die bestehenden Methoden zur Berechnung von Pauschalbeträgen und Zwangsgeldern auf die von Artikel 260 Absatz 3 erfassten Fälle anwenden würde.

    Im Jahr 2019 veröffentlichte die Kommission eine neue Mitteilung mit dem Titel „Änderung der Berechnungsmethode für Pauschalbeträge und Tagessätze für das Zwangsgeld, die von der Kommission im Rahmen von Vertragsverletzungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgeschlagen werden“ (9). Diese Mitteilung folgte auf ein Urteil des Gerichtshofs (10), in dem dieser festgestellt hatte, dass die Kommission nicht mehr die Anzahl der Stimmen eines jeden Mitgliedstaats im Rat als Indikator für das institutionelle Gewicht heranziehen kann, da sich das Abstimmungsverfahren seit dem 1. April 2017 geändert hat. Bei dieser Gelegenheit aktualisierte die Kommission auch den Referenzwert für das BIP (der bisher das BIP Luxemburgs war) und ersetzte ihn bei der Berechnung des Faktors n durch den Durchschnitt des BIP der Mitgliedstaaten (11). Um sicherzustellen, dass die sich daraus ergebenden finanziellen Sanktionen weitgehend mit den früheren Niveaus übereinstimmen, führte die Kommission schließlich einen Anpassungskoeffizienten von 4,5 ein.

    Zuletzt hat die Kommission im Jahr 2021 die Berechnung der Pauschalbeträge und Zwangsgelder aufgrund des Austrittes des Vereinigten Königreichs aus der EU angepasst (12). Da der Faktor n den Durchschnitt des BIP aller Mitgliedstaaten berücksichtigte, führte der Austritt des Vereinigten Königreichs zu einer Erhöhung des Faktors n, was zu höheren von der Kommission vorgeschlagenen finanziellen Sanktionen führte. Die Kommission wendete daher einen Anpassungskoeffizienten von 0,836 an, um sicherzustellen, dass die Erhöhung auf die Inflation beschränkt bleibt.


    (1)  Mitteilung über die Anwendung von Artikel 171 EG-Vertrag (ABl. C 242 vom 21.8.1996, S. 6).

    (2)  Mitteilung der Kommission über Verfahren für die Berechnung des Zwangsgeldes nach Artikel 171 EG-Vertrag (ABl. C 063 vom 28.2.1997, S. 2).

    (3)  

    Formula

    (4)  Siehe Dok. PV(2001) 1517/2 vom 2. April 2001.

    (5)  Mitteilung der Kommission – Anwendung von Artikel 228 EG-Vertrag (SEK(2005) 1658).

    (6)  

    Formula

    (7)  Für Zwangsgelder wurde ein Betrag von 600 EUR pro Tag und für Pauschalbeträge ein Betrag von 200 EUR festgelegt.

    (8)  Mitteilung der Kommission – Anwendung von Artikel 260 Absatz 3 AEUV (SEK(2010) 1371 endg.).

    (9)  Mitteilung der Kommission – Änderung der Berechnungsmethode für Pauschalbeträge und Tagessätze für das Zwangsgeld, die von der Kommission im Rahmen von Vertragsverletzungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgeschlagen werden (ABl. C 70 vom 25.2.2019, S. 1).

    (10)  Urteil vom 14. November 2018, Kommission/Griechenland (C-93/17, EU:C:2018:903).

    (11)  

    Formula

    (12)  Mitteilung der Kommission – Anpassung der Berechnung der von der Kommission im Rahmen von Vertragsverletzungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgeschlagenen Pauschalbeträge und Zwangsgelder nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs (ABl. C 129 vom 13.4.2021, S. 1).


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