EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 30.9.2020
SWD(2020) 322 final
ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN
Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2020
Länderkapitel zur Lage der Rechtsstaatlichkeit in Rumänien
Begleitunterlage zur
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN
Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2020
Die Lage der Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union
{COM(2020) 580 final} - {SWD(2020) 300 final} - {SWD(2020) 301 final} - {SWD(2020) 302 final} - {SWD(2020) 303 final} - {SWD(2020) 304 final} - {SWD(2020) 305 final} - {SWD(2020) 306 final} - {SWD(2020) 307 final} - {SWD(2020) 308 final} - {SWD(2020) 309 final} - {SWD(2020) 310 final} - {SWD(2020) 311 final} - {SWD(2020) 312 final} - {SWD(2020) 313 final} - {SWD(2020) 314 final} - {SWD(2020) 315 final} - {SWD(2020) 316 final} - {SWD(2020) 317 final} - {SWD(2020) 318 final} - {SWD(2020) 319 final} - {SWD(2020) 320 final} - {SWD(2020) 321 final} - {SWD(2020) 323 final} - {SWD(2020) 324 final} - {SWD(2020) 325 final} - {SWD(2020) 326 final}
Zusammenfassung
Seit dem Beitritt Rumäniens zur EU im Jahr 2007 begleitet die Kommission die rumänischen Reformen in den Bereichen Justiz und Korruptionsbekämpfung im Rahmen des Kooperations- und Kontrollverfahrens (CVM), das sie als wichtigen Rahmen für Fortschritte beim Erreichen der Vorgaben sieht.
Im Jahr 2020 hat die rumänische Regierung erneut ihren Willen bekräftigt, nach den Rückschlägen in der Zeit zwischen 2017 und 2019 den im Bereich der Justizreform eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Dies führte zu einem deutlichen Rückgang der Spannungen mit der Justiz. Die vor Kurzem erfolgte Ernennung einer neuen Leitung der wichtigsten Staatsanwaltschaften könnte den Weg hin zu einer effizienteren Strafverfolgung ebnen. Aufgrund der COVID-19-Pandemie und der bevorstehenden nationalen Wahlen verzögerten sich jedoch die Änderungen der betreffenden Gesetze. Die umstrittenen Maßnahmen, die sich negativ auf die Unabhängigkeit der Justiz auswirken, gelten daher weiter; so existiert nach wie vor die Abteilung für die Untersuchung von Straftaten im Justizwesen, deren einzige Aufgabe darin besteht, von Richtern und Staatsanwälten begangene Straftaten zu verfolgen. Diese Maßnahmen erhöhen die Unsicherheit für die Funktionsweise des Justizsystems, insbesondere durch ihr Zusammenwirken. Darüber hinaus können sich einige dieser Maßnahmen auch negativ auf die Humanressourcen im Justizwesen auswirken, was wiederum Folgen für seine Effizienz hat.
Rumänien verfügt über einen umfassenden nationalen strategischen Rahmen zur Korruptionsbekämpfung, der sich auf die breite Beteiligung nationaler und lokaler institutioneller Akteure stützt. Trotz der Fortschritte, die Rumänien in den vergangenen zehn Jahren im Bereich der Korruptionsbekämpfung gemacht hat, und trotz seiner diesbezüglichen Erfolgsbilanz haben die Herausforderungen, mit denen sich die Justiz in der Zeit zwischen 2017 und 2019 konfrontiert sah, Zweifel hinsichtlich der Nachhaltigkeit der Antikorruptionsreformen aufgeworfen. Auch wenn der aktuelle politische Kontext für ein geringeres Maß an Konfrontationen steht, sehen sich die wichtigsten Institutionen mit einem schwierigen Umfeld mit Auswirkungen auf die Umsetzung des Rechtsrahmens und die institutionellen Kapazitäten konfrontiert. Obwohl wichtige zuständige Institutionen ihre Arbeit fortgesetzt haben, könnte dies in Zukunft die bisher erfolgreiche Strafverfolgung und Verurteilung im Bereich der Korruption auf hoher Ebene erschweren. Die anhängigen Änderungen des Strafgesetzbuches und der Strafprozessordnung erzeugen Unsicherheit, was die Effektivität des Rechtsrahmens für die Korruptionsbekämpfung angeht; deshalb ist es wichtig, dass rechtliche und politische Lösungen gefunden werden, die wichtigen Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs Rechnung tragen. Die aktuelle Regierung hat erneut ihren Willen bekundet, durch die umfassende nationale Strategie zur Korruptionsbekämpfung Fortschritte im Bereich der Prävention zu erzielen.
Die einschlägigen rechtlichen Garantien in Bezug auf Medienfreiheit und -pluralismus sind bereits vorhanden. Gleichwohl stellen sich Fragen im Zusammenhang mit der Umsetzung und Durchsetzung des bestehenden Rechtsrahmens. Die Transparenz der Eigentumsverhältnisse in den Medien weist Lücken auf und die Regulierungsbehörde für audiovisuelle Medien verfügt nicht über ausreichend Ressourcen, um ihren Aufgaben in vollem Umfang nachzukommen. Medien sind anfällig für politischen Druck, da spezifische rechtliche Garantien für die redaktionelle Unabhängigkeit weitgehend fehlen; es gibt lediglich eine gewisse Selbstregulierung auf Redaktions- und Verlagsebene.
Das für die Ausarbeitung und Verabschiedung von Gesetzen geltende ordentliche Gesetzgebungsverfahren ist gut konzipiert und umfasst auch ein erweitertes institutionelles System der Gewaltenteilung, seine Effektivität schwankt jedoch. Nach wie vor macht die Regierung häufig von Dringlichkeitsanordnungen (ordonanțe de urgență) Gebrauch, und aufeinanderfolgende unkoordinierte Gesetzesänderungen wirken sich ebenfalls auf die Qualität der Gesetzgebung und die Rechtssicherheit einschließlich der Rahmenbedingungen für Unternehmen aus. Für die Zivilgesellschaft, die eine aktive Kraft ist und Versuche, ihre Aktivitäten einzuschränken, bisher erfolgreich abwehren konnte, sind die rechtlichen Rahmenbedingungen günstig. Bei der Verteidigung der Rechtsstaatlichkeit in Rumänien hat die Zivilgesellschaft eine wichtige Rolle gespielt.
Eine Besonderheit, die nicht nur für Rumänien, sondern auch für Bulgarien gilt, ist das Kooperations- und Kontrollverfahren (CVM), das beim Beitritt der beiden Länder zur Europäischen Union im Jahr 2007 als Übergangsmaßnahme eingeführt wurde, um sie bei ihren anhaltenden Bemühungen hinsichtlich der Reform des Justizwesens und der Korruptionsbekämpfung voranzubringen.
Im Einklang mit der Entscheidung zur Einrichtung des Verfahrens wird das CVM abgeschlossen, wenn alle für Rumänien festgelegten Vorgaben in zufriedenstellender Weise erfüllt sind
. In ihren Berichten vom Januar 2017 nahm die Kommission eine umfassende Bewertung der Fortschritte vor, die in Rumänien in den zehn Jahren des Kooperations- und Kontrollverfahrens erreicht wurden. Zudem gab sie mit 12 abschließenden zentralen Empfehlungen, deren Erfüllung ausreichen würde, um die Ziele des CVM zu erreichen, einen Weg zum Abschluss des Verfahrens vor. Aufgrund der anschließenden Entwicklungen in Rumänien gab die Kommission im November 2018 acht weitere Empfehlungen ab. In ihrem letzten CVM-Bericht, der im Oktober 2019 angenommen wurde, kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass Rumänien bei der Umsetzung der Empfehlungen der Berichte vom Januar 2017 und November 2018 noch Fortschritte machen müsse. Im Jahr 2019 legten rumänische Gerichte dem Gerichtshof der Europäischen Union mehrere Vorabentscheidungsersuchen vor, die sich auf die Pflichten Rumäniens im Rahmen des Kooperations- und Kontrollverfahrens und die Weiterverfolgung der CVM-Empfehlungen bezogen.
Die Fälle sind derzeit noch anhängig.
I. Justizsystem
Das rumänische Justizsystem ist in vier zivil- und militärgerichtliche Instanzen gegliedert: Die erstinstanzlichen Amtsgerichte (Judecǎtorii), die Landgerichte (Tribunale), die Fachgerichte (Tribunale specializate), die Berufungsgerichte (Curţi de Apel)
und der Oberste Gerichts- und Kassationshof (Înalta Curte de Casaţie şi Justiţie). Der Oberste Gerichts- und Kassationshof entscheidet in erster und zweiter Instanz in Strafverfahren für besondere Personengruppen
und Berufungen für bestimmte Zivil- und Verwaltungsverfahren. Eine grundlegende Aufgabe dieses Gerichts besteht darin, die einheitliche Auslegung und Anwendung des Rechts durch die anderen Gerichte zu gewährleisten. Der Oberste Rat der Magistratur (Consiliul Superior al Magistraturii), der über die Unabhängigkeit der Justiz wacht, ist in zwei Sektionen untergliedert: die Sektion für Richter und die Sektion für Staatsanwälte. Die Sektionen haben die ausschließliche Zuständigkeit für die Einstellung und Verwaltung der Laufbahn von Richtern und Staatsanwälten und fungieren als Disziplinargerichte in Disziplinarsachen. An der Spitze der Staatsanwaltschaft steht der Generalstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft beim Obersten Gerichts- und Kassationshof. Innerhalb der Staatsanwaltschaft sind Fachabteilungen mit besonderer Zuständigkeit und Organisation tätig: die Nationale Direktion für Korruptionsbekämpfung (DNA) und die Direktion für Ermittlungen gegen das organisierte Verbrechen und den Terrorismus (DIICOT), die leitenden Staatsanwälten unterstehen, und seit 2018 die Staatsanwaltschaftliche Sektion für die Untersuchung von Straftaten im Justizwesen (SIIJ).
Es gibt auch Militärstaatsanwaltschaften. Der Generalstaatsanwalt und die leitenden Staatsanwälte der Fachabteilungen DNA und DIICOT werden vom Präsidenten auf Vorschlag des Justizministers und nach Einholung einer unverbindlichen Stellungnahme des Obersten Rates der Magistratur ernannt.
Der Landesverband der rumänischen Rechtsanwaltskammern (UNBR) ist eine juristische Person öffentlichen Rechts, in der alle 41 Anwaltskammern Rumänien organisiert sind. Der Verfassungsgerichtshof ist für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen und die Beilegung von Konflikten verfassungsrechtlicher Natur zwischen Behörden zuständig.
Unabhängigkeit
Mehrere Änderungen der Justizgesetze in den Jahren 2018 und 2019 geben nach wie vor Anlass zu Bedenken, was ihre Auswirkungen auf die Unabhängigkeit der Justiz angeht. Die Justizgesetze regeln die Stellung von Richtern und Staatsanwälten, die Organisation des Justizsystems und die Arbeitsweise des Obersten Rates der Magistratur. Die Änderungen sind im Juli und Oktober 2018 in Kraft getreten und wurden durch mehrere Dringlichkeitsanordnungen der Regierung weiter modifiziert. Die Maßnahmen gaben Anlass zur Besorgnis, zumal ihr Zusammenwirken von mehreren nationalen und internationalen Interessenträgern als ernsthafte Bedrohung für die Unabhängigkeit der Justiz angesehen wurde.
Es wurden große Probleme bei der Schaffung der Staatsanwaltschaftlichen Sektion für die Untersuchung von Straftaten im Justizwesen (SIIJ), dem System der zivilrechtlichen Haftung von Richtern und Staatsanwälten, den Vorruhestandsregelungen, dem Berufseinstieg, der Stellung und Ernennung hochrangiger Staatsanwälte festgestellt. Von Anfang an hat ihre Umsetzung die Bedenken bestätigt, die im Hinblick auf die Ausübung von Druck auf Richter und Staatsanwälte sowie hinsichtlich der Unabhängigkeit, Effizienz und Qualität des Justizwesens bestanden.
Darüber hinaus hat die weitere Anwendung der Gesetze – zusätzlich zu den bereits erkannten Problemen – neue Fragen aufgeworfen.
Die verlängerte Umsetzung der geänderten Justizgesetze hat die Unsicherheit für die Funktionsweise des Justizsystems erhöht. Die derzeitige Regierung hat zwar ihre Bereitschaft zu einem Dialog mit der Justiz und den politischen Parteien über die Rückgängigmachung der umstrittenen Maßnahmen bekundet, aber sie hat auch darauf hingewiesen, dass die derzeitige politische Lage nicht die richtigen Voraussetzungen bietet, um im Parlament einen breiten Konsens und die notwendige Mehrheit für umfassende Reformen zu erreichen.
Es ist unwahrscheinlich, dass solche Reformen vor der Durchführung neuer Parlamentswahlen umgesetzt werden. Der Umstand, dass diese Änderungen weiterhin in Kraft sind, schafft Unsicherheiten für die Funktionsweise des Justizsystems im Allgemeinen, aber auch für einzelne Richter und Staatsanwälte, insbesondere im Hinblick auf ihre Unabhängigkeit, ihr Statut und ihre berufliche Laufbahn. Diese Unsicherheit wird weiter verschärft durch den Umstand, dass das Justizsystem hinsichtlich der Frage, welche Lösungen zur Änderung der Justizgesetze vorgeschlagen werden sollen, intern stark gespalten ist. In diesem Kontext sollte der Oberste Rat der Magistratur ausgehend von den ihm übertragenen Aufgaben eine leitende Rolle übernehmen und einen Konsens herbeiführen. Allerdings ist seine jüngste Arbeit durch interne Spaltungen und Kontroversen gekennzeichnet.
Die Wahrnehmung der Unabhängigkeit der Justiz in der breiten Öffentlichkeit ist gering, und zeigt in den letzten Jahren eine rückläufige Tendenz. Die Wahrnehmung der richterlichen Unabhängigkeit in der breiten Öffentlichkeit ist nach wie vor gering (37 %) und hat damit weiter abgenommen.
Die Wahrnehmung der Unabhängigkeit durch Unternehmen liegt im Durchschnitt (53 %).
In beiden Fällen wurden als Gründe für den wahrgenommenen Mangel an Unabhängigkeit von Gerichten und Richtern Einflussnahme und Druck durch Staat und Politik am häufigsten genannt
. Die öffentliche Debatte über die Justiz war von starken Spannungen und öffentlichen Angriffen auf die Justiz seitens Politik und Medien geprägt
; diese Spannungen haben jedoch unter der derzeitigen Regierung deutlich abgenommen. Der Oberste Rat der Magistratur hat zwar auf einige Beschwerden reagiert, die ihm im Zusammenhang mit dem Schutz der Unabhängigkeit, des Ansehens und der Unparteilichkeit der Richter und Staatsanwälte vorgetragen wurden, doch schien seine Reaktion angesichts des Ausmaßes des Problems eher verhalten.
Die Staatsanwaltschaftliche Sektion für die Untersuchung von Straftaten im Justizwesen (SIIJ) besteht nach wie vor, trotz vielfacher Kritik. Die einzige Aufgabe dieser Sektion
besteht in der Verfolgung von Straftaten, die von Richtern und Staatsanwälten begangen wurden. Darüber hinaus ist sie auch für die Verfolgung anderer Personen zuständig, gegen die gemeinsam mit den jeweiligen Richtern oder Staatsanwälten ermittelt wird.
Die Venedig-Kommission hat festgestellt, dass die Schaffung einer solchen Sektion nicht durch die tatsächliche Situation gerechtfertigt wird
und ihre Einrichtung und ihre Arbeit wurden sowohl im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die Unabhängigkeit der Richter und Staatsanwälte, als auch wegen der negativen Auswirkungen, die sie auf die Wirksamkeit der Strafverfolgung haben könnten, kritisiert.
Darüber hinaus wirkt sich die Wahrnehmung, dass der Druck der Sektion die Unabhängigkeit der Justiz beeinträchtigen kann, auch nachteilig auf den Eindruck der Unabhängigkeit aus, der für sich genommen eine wesentliche Voraussetzung für die richterliche Unabhängigkeit darstellt.
Der derzeitige Justizminister hat Konsultationen über den Entwurf eines Vorschlags zur Auflösung der Sektion und zur Wiedereinführung des früheren Organisationsmodells der Staatsanwaltschaften eingeleitet
, aber sowohl die COVID-19-Pandemie als auch die politische Lage haben diese Schritte behindert, und die Sektion ist nach wie vor einsatzfähig. Am 21. Juli 2020 lehnte das Parlament einen von einer Gruppe von Mitglieder des Parlaments eingebrachten Initiativentwurf zur Auflösung der Sektion ab, zu dem sich auch der Oberste Rat der Magistratur im Rahmen einer beratenden Stellungnahme ablehnend geäußert hatte.
Obwohl die Sektion nach Berichten von Behörden und Interessenträger seit Oktober 2019 die Praxis der Rücknahme von Rechtsmitteln eingestellt hat und die Zahl der gegen Richter und Staatsanwälte eingeleiteten Verfahren zurückgegangen ist, bestehen weiterhin Bedenken, dass sie auch künftig als Instrument zur Ausübung von Druck auf Richter und Staatsanwälte eingesetzt werden könnte. Im Jahr 2019 legten rumänische Gerichte dem Gerichtshof der EU mehrere Ersuchen zur Vorabentscheidung vor, in denen sie die Vereinbarkeit der Schaffung der Sektion mit dem EU-Recht, insbesondere mit Artikel 19 Absatz 1 EUV und Artikel 47 der Charta, in Frage stellten.
Die Fälle sind derzeit noch anhängig.
2019 wurden neue Leiter der Staatsanwaltschaften ernannt; die seit langem bestehenden Bedenken hinsichtlich des Verfahrens zur Ernennung und Entlassung hochrangiger Staatsanwälte konnten dadurch jedoch nicht ausgeräumt werden. Im Oktober 2019 waren die Leitungspositionen aller Staatsanwaltschaften unbesetzt
. Eine der ersten Handlungen des derzeitigen Justizministers bestand darin, die Auswahlverfahren transparenter zu gestalten und einen Führungsprozess für die Staatsanwaltschaft voranzubringen.
Zwar wurde nach einer befürwortenden Stellungnahme des Obersten Rates der Magistratur ein neuer Leitender Staatsanwalt für die DNA ernannt. Die Ernennung des Generalstaatsanwalts und des Leitenden Staatsanwalts für die DIICOT erfolgte jedoch trotz einer ablehnenden Stellungnahme des Rates. Diese Situation machte die seit langem bestehenden Unzulänglichkeiten deutlich, auf die die Kommission bereits früher hingewiesen hatte; diese hatte im Rahmen des CVM empfohlen, dass Ernennungsverfahren robuster und unabhängiger ausgestaltet werden müssten und dass es einer zukunftsfähigen Lösung bedürfe, die am besten mit Unterstützung der Venedig-Kommission erreicht werden könnte.
Die Entlassung der ehemaligen leitenden Staatsanwältin der Direktion für Korruptionsbekämpfung im Jahr 2018 wurde vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) überprüft. Im Zusammenhang mit der Entlassung der Leitenden Staatsanwältin der DNA wurde ein Verstoß Rumäniens gegen Artikel 6 Absatz 1 („Recht auf ein faires Verfahren“) und Artikel 10 („Recht auf freie Meinungsäußerung“) der Europäischen Menschenrechtskonvention festgestellt
. Der EGMR vertrat die Auffassung, dass die ehemalige leitende Staatsanwältin nicht die Möglichkeit gehabt habe, die Gründe für ihre Entlassung gerichtlich überprüfen zu lassen.
In diesem Zusammenhang machte der EGMR auf die zunehmende Bedeutung der Beteiligung einer von der Exekutive und der Legislative unabhängigen Behörde an den Entscheidungen, die die Ernennung und Entlassung von Staatsanwälten betreffen, aufmerksam.
In Bezug auf das Recht auf freie Meinungsäußerung wies der EMGR ferner darauf hin, dass die Entlassung eine abschreckende Wirkung haben und andere Staatsanwälte und Richter davon abhalten könnte, sich an der öffentlichen Debatte über Gesetzesreformen, die das Justizwesen betreffen, zu beteiligen und sich ganz allgemein zu Fragen, die die Unabhängigkeit der Justiz betreffen, zu äußern.
Was die Teilnahme von Richtern und Staatsanwälten an der öffentlichen Debatte anbelangt, wurden in den CVM-Berichten Bedenken hinsichtlich der Praxis der Justizinspektion
geäußert, Disziplinarverfahren gegen Richter und Staatsanwälte auf Grundlage ihrer öffentlichen Äußerungen zu den Justizreformen einzuleiten
.
Änderungen des Gesetzes über das Statut der Richter und Staatsanwälte haben zu geänderten Regeln für die zivilrechtliche Haftung von Richtern und Staatsanwälten geführt.
Nach den neuen Regelung kann das Finanzministerium prüfen, ob ein Fehlurteil bösgläubig oder grob fahrlässig ergangen ist, und in der Folge Schadensersatzklagen gegen Richter wegen des durch ihre Urteile verursachten Schadens einleiten. Nach der neuen Rechtslage muss ein Gericht für eine Bejahung der zivilrechtlichen Haftung eines Richters zunächst feststellen, dass das betreffende Urteil einen Rechtsfehler enthält und dass die geschädigte Partei eine Entschädigung erhalten sollte; der Richter, der die angefochtene Entscheidung getroffen hat, ist an diesem ersten Gerichtsverfahren nicht beteiligt. Im Anschluss daran kann das Finanzministerium – ausgehend von seiner eigenen Bewertung der Frage, ob das Fehlurteil auf die bösgläubige oder grob fahrlässige Ausübung von Pflichten und Befugnissen zurückzuführen ist – eine Schadensersatzklage gegen den Richter einleiten.
Obwohl das Ministerium verpflichtet ist, die Justizinspektion in dieser Sache zu konsultieren, ist deren Meinung nicht bindend. Der Europarat hat bestätigt, dass es zwar legitim sein kann, eine persönliche Haftung eines Richters für Schäden vorzusehen, die durch eine in bösem Glauben oder durch grobe Fahrlässigkeit ergangene Entscheidung verursacht werden; eine solche Möglichkeit müsse jedoch anhand klarer Schutzbestimmungen
eingegrenzt werden, um die Richter vor Missbrauch zu schützen und zu verhindern, dass die Exekutive unangemessenen Druck auf die Richter ausübt. Es wurden Bedenken hinsichtlich der Befugnisse geäußert, über die das Finanzministerium in diesem Zusammenhang verfügt
. Der Europarat hat festgestellt, dass diese neue Rechtslage eine potenziell abschreckende Wirkung auf Richter und Staatsanwälte haben könnte, insbesondere in Verbindung mit der Schaffung der neuen Sektion für die Untersuchung von Straftaten im Justizwesen (SIIJ)
. Ein Ersuchen um eine Vorabentscheidung über das neue System der zivilrechtlichen Haftung von Richtern und Staatsanwälten ist derzeit beim Gerichtshof anhängig
.
Qualität
Die Personalausstattung der Justiz hat sich weiter verschlechtert. Im Dezember 2019 waren mehr als 12 % der Richterstellen und fast 20 %
der Staatsanwaltsstellen unbesetzt
. Es gibt Bedenken, dass die Justiz zunehmend unterbesetzt sein könnte, sobald die neue Vorruhestandsregelung für hochrangige Richter
in Kraft tritt
. Zwar wurde das Inkrafttreten der Vorruhestandsregelung verschoben
; allerdings ist dies nur eine Übergangslösung, die die Bedenken nicht vollständig ausräumt
. Darüber hinaus dürften auch die unteren Gerichte von Personalmangel betroffen sein, da durch die neuen Bestimmungen die Dauer der Ausbildung und des Vorbereitungsdienstes für angehende Richter verlängert wurde
und die COVID-19-Pandemie zu Verzögerungen bei den Verfahren für Neueinstellungen geführt hat; hinzu kommt, dass der Oberste Rat der Magistratur keine Personalstrategien vorgelegt hat. Darüber hinaus hat der Verfassungsgerichtshof entschieden, dass eine Bestimmung, die dem Obersten Rat der Magistratur die Aufgabe überträgt, die Verordnung über die Organisation und Durchführung des Auswahlverfahrens für die Zulassung zum Richteramt zu genehmigen, verfassungswidrig ist
, was zu weiteren Verzögerungen bei den Neueinstellungen führen könnte
.
Die Zusammenarbeit der Spitzen der Justizverwaltung hat nicht die erwarteten Ergebnisse gebracht. Im Jahr 2017 nahmen die Spitzen der Justizverwaltung eine Zusammenarbeit auf, um die wesentlichen strategischen Fragen im Zusammenhang mit dem Justizwesen anzugehen und die wichtigsten Institutionen, die für das Funktionieren des Justizwesens verantwortlich sind, zusammenzubringen.
Außerdem hatten sie die Aufgabe, die Umsetzung des Strategischen Aktionsplans für die Entwicklung des Justizwesens 2015-2020
sicherzustellen, der die Reformdynamik des CVM verinnerlichen und dadurch zum Hauptmotor der Justizreform werden sollte. Der Aktionsplan umfasste Lösungen für Themen wie den Mangel an Gerichtsbediensteten, die übermäßige Arbeitsbelastung und die Verzögerungen bei der Begründung von Gerichtsentscheidungen. Die Zusammenarbeit der Spitzen der Justizverwaltung verlief jedoch nicht wie vorgesehen und der Aktionsplan harrt nach wie vor seiner Umsetzung.
Die rumänische Justiz verfügt über einen insgesamt guten Digitalisierungsgrad, der weiter verbessert werden soll. Gegenwärtig ist es in den meisten Gerichten möglich, Ladungen zu übermitteln, das Verfahren online zu verfolgen sowie eine Klage auf elektronischem Wege einzureichen
. Allerdings sind nur wenige Urteile online verfügbar.
Es werden laufend Anstrengungen zur Verbesserung des Fallbearbeitungssystems unternommen, mit dessen Hilfe die Zahl der Endurteile, bei denen öffentliche Einrichtungen Schuldner oder Gläubiger sind, ermittelt werden soll. Gegenwärtig wird eine Analyse entwickelt, um die für eine Modernisierung des Systems notwendigen Maßnahmen zu ermitteln, einschließlich von Funktionen wie der elektronischen Zugänglichkeit von Verfahrensdokumenten, der elektronischen Archivierung und der elektronischen Signatur. Die Analyse sollte Ende 2020 vorliegen.
Effizienz
Das Justizsystem bewältigt sein Fallaufkommen insgesamt auf effiziente Weise. Im Jahr 2018 verringerte sich die Verfahrensdauer von Zivil- und Handelsverfahren (1. Instanz)
im Vergleich zu 2017 leicht, während sie bei Verwaltungssachen nahezu unverändert blieb
Die Abschlussquote ist gestiegen und liegt nun über 100 %
, was bedeutet, dass das Justizsystem in der Lage ist, mehr Verfahren abzuschließen, als an den Gerichten anhängig gemacht werden. Im Allgemeinen ist die Verfahrensdauer in bestimmten Bereichen des EU-Rechts vergleichsweise gering
, mit Ausnahme der Geldwäschefälle
.
Gesetzesänderungen, die sich auf die Personalausstattung auswirken, könnten Rumäniens Bemühungen um eine Verkürzung der Dauer von Gerichtsverfahren konterkarieren. Mehrere Gesetzesänderungen seit dem Jahr 2018 könnten die Bemühungen, die überlange Dauer von Zivil- und Strafverfahren zu senken, gefährden.
Die Bestimmungen der Zivilprozessordnung zu Kammerverfahren des Rats, die darauf abzielten, die Effizienz der Fallbearbeitung zu verbessern, wurden gestrichen.
Den größten Anlass zur Sorge geben jedoch die Änderungen der Justizgesetze, die zu einer Verschärfung des Personalmangels beitragen könnten (siehe oben), aber auch zusätzliche Richter für bestimmte Spruchkörper
oder ein höheres Dienstalter in den Fachabteilungen der Staatsanwaltschaften erfordern. Interessenträger äußern auch Bedenken hinsichtlich der Effizienz des Justizsystems.
Daraufhin hat der Oberste Rat der Magistratur zwei Projekte in Angriff genommen, die darauf abzielen, die für die Entwicklung des Justizsystems erforderlichen Instrumente zu ermitteln und die Ursachen für die Überlastung der Gerichte anzugehen
.
II. Rahmen für die Korruptionsbekämpfung
In Rumänien ist der gesetzliche und institutionelle Rahmen für die Korruptionsbekämpfung weitgehend vorhanden. Die Umsetzung der aktuellen nationalen Strategie zur Korruptionsbekämpfung für den Zeitraum 2016-2020 ist im Gange. Die Koordination der Umsetzung wird vom Justizministerium gewährleistet. Die für die Korruptionsbekämpfung zuständige Fachabteilung der Staatsanwaltschaft, die Nationale Direktion für Korruptionsbekämpfung (DNA), ist für die Untersuchung von Korruptionsfällen auf mittlerer und hoher Ebene zuständig; die Generalstaatsanwaltschaft untersucht alle anderen Korruptionsfälle. Im Innenministerium gibt es eine Fachabteilung für Korruptionsbekämpfung, die für Integritäts- und Korruptionsfragen innerhalb des Personals des Ministeriums, einschließlich der Polizei, zuständig ist. Die Nationale Integritätsbehörde (ANI) ist für die Überwachung und Überprüfung von Vermögenswerten, Interessenkonflikten und Unvereinbarkeiten von Ämtern, auch derer der gewählten Amtsträger, zuständig. Die Nationale Agentur für die Verwaltung sichergestellter Vermögenswerte (ANABI) ist für die Verwaltung sichergestellten und eingezogenen unrechtmäßig erworbenen Vermögens zuständig.
Rumänien belegt im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International mit 44 von 100 Punkten Platz 19 in der EU und Platz 70 weltweit.
83 % der rumänischen Befragten sind der Auffassung, dass Korruption in Rumänien weitverbreitet sei (EU-Durchschnitt: 71 %), während 64 % erklären, in ihrem Alltagsleben persönlich von Korruption betroffen zu sein (EU-Durchschnitt: 26 %).
97 % der befragten Unternehmen erklären, dass Korruption in Rumänien weitverbreitet sei (EU-Durchschnitt: 63 %), während 88 % die Auffassung vertreten, dass Korruption für ihre geschäftlichen Tätigkeiten in Rumänien ein Problem darstellt (EU-Durchschnitt: 37 %). Gleichzeitig sind 58 % der Befragten der Auffassung, dass die Strafverfolgung in Rumänien genügend Wirkung zeigt, um vor Korruptionspraktiken abzuschrecken (EU-Durchschnitt: 36 %), während 37 % der Unternehmen die Auffassung vertreten, dass Personen und Unternehmen, die der Bestechung eines hochrangigen Beamten überführt werden, angemessen bestraft werden (EU-Durchschnitt: 31 %).
Rumänien verfügt über einen umfassenden nationalen strategischen Rahmen zur Korruptionsbekämpfung, der sich auf die breite Beteiligung nationaler und lokaler institutioneller Akteure stützt. Die aktuelle nationale Antikorruptionsstrategie (NAS), die den Zeitraum 2016-2020 abdeckt, sieht die freiwillige Beteiligung eines sehr großen Teils der öffentlichen Verwaltung, einschließlich der Kommunalverwaltung und staatseigener Unternehmen, sowie der Strafverfolgung, der Staatsanwaltschaft, der Gerichte und der Zivilgesellschaft vor. Die Präventionsinstrumente basieren auf Plänen zur Korruptionsprävention, die von den teilnehmenden Institutionen durch Selbsteinschätzung und Risikobewertungen sowie gemeinsam entwickelte Methoden und Peer-Review-Bewertungen entwickelt wurden. Die Wirksamkeit der Strategie hängt stark von der politischen Selbstverpflichtung ab, und ihre Umsetzung ist im Zeitraum 2017-2019 trotz der von der Regierung im August 2016 gesetzten Fristen eher verhalten ausgefallen. Im Jahr 2019 hat die Selbstverpflichtung der aktuellen Regierung zur Bekämpfung der Korruption der Umsetzung der präventiven nationalen Antikorruptionsstrategie neue Impulse gegeben. Die Umsetzung der Strategie hat an Fahrt aufgenommen und präventive Maßnahmen werden sowohl auf nationaler als auch auf lokaler Ebene weiterverfolgt. Das Justizministerium evaluiert die Strategie derzeit auch im Hinblick auf die Erstellung der nächsten Strategie.
Die Wirksamkeit der Untersuchung und die strafrechtliche Ahnung von Korruptionsfällen wurden durch den Druck, der auf den rechtlichen und institutionellen Rahmen ausgeübt wurde, beeinträchtigt. Für den Zeitraum 2013-2017 konnten die Institutionen, die an der Untersuchung und Verfolgung von und den Entscheidungen über Korruptionsfälle auf hoher und mittlerer Ebene beteiligt sind, eine überzeugende und beständige Erfolgsbilanz ausweisen. In den Jahren 2018 und 2019 untersuchten und ahndeten die Institutionen zwar weiterhin Korruptionsdelikte auf hoher Ebene, den CVM-Berichten zufolge gerieten die führenden Einrichtungen zur Korruptionsbekämpfung jedoch unter Druck und es wuchs die Besorgnis, dass sich der anhaltende Druck nachteilig auswirken könnte. Sowohl die DNA als auch der Generalstaatsanwalt
meldeten für das Jahr 2019 Rückschritte bei den Ergebnissen im Bereich der Korruptionsbekämpfung. Die Tatsache, dass die Leitungsposten über einen längeren Zeitraum ad interim besetzt waren, beeinträchtigte ihre Fähigkeit, dem ständigen Druck und den wiederholten Herausforderungen standzuhalten. Durch die nachteiligen Änderungen der Justizgesetze im Personalbereich wurde ihre institutionelle Kapazität weiter beeinträchtigt.
Auch die Schaffung der Besonderen Abteilung zur Untersuchung von durch Richter und Staatsanwälte begangene Straftaten (SIIJ) wirkte sich auf die Ergebnisse des Kampfes gegen Korruption auf hoher Ebene aus.
Darüber hinaus hatte eine Reihe von Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs besondere Auswirkungen auf Korruptionsfälle auf hoher Ebene; hierbei ging es insbesondere um Entscheidungen, die die Praxis der Einsetzung der drei- und fünfköpfigen Strafsenate am Obersten Kassations- und Gerichtshof
, die technischen Überwachungsmethoden (Abhören)
und Amtsmissbrauch mit Korruptionsbezug betrafen
. Der DNA zufolge wirkt sich das Zusammenwirken dieser Entscheidungen besonders schwerwiegend aus und führt zur Einstellung von Ermittlungen und zur Aufhebung von Urteilen, zur Aufhebung rechtskräftiger Urteile und zur Wiederaufnahme von Verfahren in der Sache selbst, wobei die Gefahr einer Umgehung der strafrechtlichen Verantwortung für Korruptionsdelikte besteht. In den ersten Monaten des Jahres 2020 scheint sich die Situation dank der Verringerung des politischen Drucks und der Ernennung stabiler Führungsteams verbessert zu haben. Dennoch sind die laufenden Ermittlungen und Verfahren in Korruptionsfällen auf hoher Ebene nach wie vor mit Unsicherheit behaftet. In der Zeit zwischen 2015 und 2019 war Rumänien der EU-Mitgliedstaat mit der zweithöchsten Anzahl an OLAF-Untersuchungen (40), die mit einer finanziellen Empfehlung unter den Mitgliedstaaten abgeschlossen wurden.
Die anhaltende Unsicherheit im Hinblick auf Änderungen des Strafgesetzbuches und der Strafprozessordnung gefährdet die Korruptionsbekämpfung. Eine Reihe von Änderungen des Strafgesetzbuches und der Strafprozessordnung sind längst überfällig.
Diese Änderungen sollten insbesondere rechtliche und politische Lösungen für eine Reihe weitreichender Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs seit 2014 bereitstellen, durch die Bestimmungen der beiden Gesetzbücher aufgehoben wurden und die sich insbesondere auf die Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität auswirkten.
Das rumänische Parlament verabschiedete jedoch im April 2019 in einem Dringlichkeitsverfahren Änderungen am Strafgesetzbuch, an der Strafprozessordnung und am Sondergesetz über Korruption, die sich möglicherweise negativ auf die Verbrechensbekämpfung im Allgemeinen und die Korruptionsbekämpfung im Besonderen auswirken könnten. Diese Änderungen, die auf einen ersten gescheiterten Versuch aus dem Jahr 2018, das Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung zu schwächen, folgten
, wurden vielfach kritisiert und im Juli 2019 für verfassungswidrig erklärt
. Sie traten daher nicht in Kraft. Die Aufgabe, das Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung mit allen Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs in Einklang zu bringen, harrt jedoch weiterhin ihrer Erledigung. Die Rechtsunsicherheit und die Risiken für die Nachhaltigkeit der Korruptionsbekämpfung bleiben daher bestehen.
Es bestehen nach wie vor weitere Hindernisse für eine wirksame Strafverfolgung. Ein spezielles Problem betrifft die Rechenschaftspflicht des Parlaments für seine Entscheidungen über Anträge der Staatsanwaltschaft auf Genehmigung von Präventivmaßnahmen (z. B. Durchsuchungen oder Festnahmen) und auf Genehmigung von Ermittlungen gegen ein Mitglie des Parlaments, das ebenfalls Minister ist oder war. Entsprechend den CVM- und GRECO-Empfehlungen
änderte die Abgeordnetenkammer im Jahr 2019 unter Bezugnahme auf die von der Venedig-Kommission definierten Kriterien ihre Geschäftsordnung. Das neue Verfahren wurde noch nicht in der Praxis erprobt, und im Senat gibt es kein vergleichbares Verfahren. Zwei Anträge der Staatsanwaltschaft aus dem Jahr 2019 auf die Einleitung von Ermittlungen gegen zwei ehemalige Minister und Parlamentsmitglieder wurden abgelehnt.
Die Nationale Integritätsbehörde (ANI) leistet nach wie vor gute Arbeit, doch ist ihre Leistungsfähigkeit aufgrund der Schwächung ihres gesetzlichen Rahmens und der knapper werdenden Ressourcen unter Druck geraten. Die ANI ist für die Untersuchung von Fällen von Interessenkonflikten, Unvereinbarkeit von Ämtern und ungerechtfertigter Bereicherung in der Verwaltung zuständig und kann eine gute Erfolgsbilanz vorweisen. Die Sanktionierung von Unvereinbarkeitsfällen und Interessenkonflikten ist ein wichtiger Bestandteil der Korruptionsprävention. Die ANI hat zudem wirksame Instrumente zur Verhütung von Interessenkonflikten in der Verwaltung entwickelt, insbesondere im Bereich der öffentlichen Vergabeverfahren, und allgemeine Sensibilisierungskampagnen, auch in Bezug auf nationale und lokale Wahlen, auf den Weg gebracht. In CVM-Berichten wurde auf die anhaltenden Herausforderungen im Hinblick auf den Rechtsrahmen zur Integrität und die Notwendigkeit von Stabilität und Klarheit sowie eines robusten und stabilen Rahmens hingewiesen.
Mehrere 2019 in Kraft getretene Gesetzesänderungen haben die für Unvereinbarkeiten von Ämtern und Interessenkonflikte geltenden Regelungen geschwächt.
Die ANI musste infolgedessen eine erhebliche Anzahl laufender Ermittlungen einstellen und es wurden weitere Urteile aufgehoben. Der ANI zufolge wurde die Anwendung von Sanktionen gegen lokale Amtsträger auf Grundlage von rechtskräftigen Urteilen vermehrt angefochten, mit dem Ergebnis, dass die Strafen für unvereinbare Ämter und Interessenkonflikte nicht angewendet werden, was wiederum Auswirkungen auf die Anwendung der Integritätsregeln für Wahlen hat. Die Agentur hat vorgeschlagen, bei der Überprüfung der Integritätsgesetze und der Schaffung eines kohärenten und konsolidierten Rechtsrahmens mit dem Justizministerium und Interessenträgern zusammenzuarbeiten. Obwohl die Arbeitsbelastung der Agentur in Wahlzeiten erheblich zunimmt, wurde ihr Budget reduziert.
In den letzten Jahren wurden zusätzlich zu den bestehenden Verhaltenskodizes für den öffentlichen Dienst Ethik- und Verhaltenskodizes für Mitglieder des Parlaments
und der Regierung
eingeführt. Die Wirksamkeit des Mechanismus zur Durchsetzung des Verhaltenskodex für Parlamentarier muss jedoch erst noch unter Beweis gestellt werden, da es bisher nur in wenigen Fällen zu einer Verhängung von Disziplinarstrafen gegen Parlamentarier gekommen ist.
Die Nationale Agentur für die Verwaltung sichergestellter Vermögenswerte (ANABI) ist voll funktionsfähig. Die Aufgabe der ANABI besteht darin, durch eine effiziente Verwaltung der sichergestellten Vermögenswerte, die von Staatsanwälten und Richtern an die Agentur verteilt werden, eine effektive Vollstreckungsrate der in Strafsachen erlassenen Einziehungsentscheidungen zu gewährleisten. Sie hat Fortschritte beim Aufbau eines nationalen integrierten Systems zur Überwachung der Maßnahmen gemacht, die von den Behörden in den einzelnen Phasen des Verfahrens zur Einziehung von Vermögenswerten ergriffen werden. Im Dezember 2019 forderten über 30 Nichtregierungsorganisationen die Regierung auf, die Bestimmungen des ANABI-Mandats zur „sozialen Wiederverwendung“
wieder in Kraft zu setzen; über diese Bestimmungen könne sichergestellt werden, dass ein Teil der beschlagnahmten Erträge aus Straftaten zur Finanzierung von in der Gesellschaft sichtbaren Projekten zur Verbrechensverhütung verwendet wird
.
Seit 2004 verfügt Rumänien über ein spezielles Gesetz zum Schutz von Hinweisgebern (Whistleblowing-Gesetz). Die Lobbyarbeit wird durch nicht zwingendes Recht geregelt, insbesondere durch die Einrichtung eines freiwilligen Transparenzregisters. Die „Drehtür“-Aspekte sind in speziellen gesetzlichen Bestimmungen geregelt.
Gesetzliche Bestimmungen gewährleisten den Schutz von Mitarbeitern von Behörden, öffentlichen Einrichtungen und anderen Stellen, wenn sie Gesetzesverstöße melden.
Viele Einrichtungen haben operative Abläufe zur Umsetzung der Whistleblowing-Gesetzgebung und anderer Integritätsinstrumente eingeführt. Allerdings enthalten die bestehenden Gesetze keine Regelungen für den privaten Sektor.
III.Medienpluralismus
In der rumänischen Verfassung sind das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie das Recht auf Zugang zu allen Informationen von öffentlichem Interesse verankert. Das Gesetz über audiovisuelle Medien legt die Aufgaben und die Zusammensetzung der Medienaufsicht fest und verpflichtet diese, Transparenz im Hinblick auf Organisation, Funktionsweise und Finanzierung der Massenmedien im audiovisuellen Sektor zu gewährleisten.
Aufsichtsbehörde im Bereich der audiovisuellen Medien ist der Nationale Rat für audiovisuelle Medien (CNA). Seine Aufgaben werden im Gesetz über audiovisuelle Medien definiert.
Der CNA ist eine autonome Behörde unter parlamentarischer Kontrolle und Garant des öffentlichen Interesses im Bereich der audiovisuellen Kommunikation.
Die Entscheidungen und Stellungnahmen des CNA sind auf seiner Website öffentlich zugänglich.
Der Rat setzt sich aus 11 Mitgliedern zusammen, die vom Parlament – mit der Mehrheit der anwesenden Senatoren und Abgeordneten, für eine Amtszeit von sechs Jahren – auf Vorschlag des Senats (drei Mitglieder), der Abgeordnetenkammer (drei Mitglieder), des Präsidenten von Rumänien (zwei Mitglieder) und der Regierung (drei Mitglieder) ernannt werden. Der Überwachungsmechanismus für Medienpluralismus (MPM 2020) hat im Hinblick auf die Unabhängigkeit und Leistungsfähigkeit der Medienbehörde ein geringes Risiko festgestellt. Allerdings verfügen dem MPM zufolge einige der ernannten Mitglieder nur über begrenzte Fachkenntnisse und gibt es keinen Konsens über Normen.
Im Rahmen des Länderbesuchs wurde in Erfahrung gebracht, dass das vom Staat zur Finanzierung der Aktivitäten des CNA bereitgestellte Budget durch die COVID-19-Krise in Mitleidenschaft gezogen wurde und die Behörde unterbesetzt ist, insbesondere, was die zusätzlichen Aufgaben im Zusammenhang mit dem digitalen Umfeld anbelangt.
Was die Selbstregulierung im Pressebereich angeht, werden berufsständische Normen auf Redaktions- und Verlagsebene festgelegt. Dem MPM 2020 zufolge gibt der Umstand, dass spezifische Garantien für die redaktionelle Unabhängigkeit und berufsständische Normen in Form von Gesetzen oder im Wege der Selbstregulierung fehlen, Anlass zur Sorge.
Im Hinblick auf die Eigentumsverhältnisse in den Medien ist offenbar nur teilweise Transparenz gewährleistet. Gemäß dem Gesetz über audiovisuelle Medien
ist es Aufgabe des Rats, die Transparenz im Hinblick auf die Organisation, Funktionsweise und Finanzierung der Massenmedien im audiovisuellen Sektor zu gewährleisten. Vorschriften, die die Transparenz der Eigentumsverhältnisse in den Medien regeln, sind auch im Gesellschaftsrecht
enthalten.
Berichten zufolge wird staatliche Werbung als Methode für staatliche Einmischung verwendet. Der MPM 2020 weist in diesem Zusammenhang ein hohes Risiko für den Medienpluralismus aus. Interessenträger berichten, dass die gesetzlichen Regelungen im Bereich der Offenlegungspflichten Lücken aufweisen, was als ein Faktor angesehen wird, der das Transparenzproblem verschärft und das Missbrauchspotenzial erhöht
. Auch die willkürliche Verteilung staatlicher Werbegelder ist ein Instrument, das von staatlichen Behörden eingesetzt wird, um Einfluss auf die Medien zu nehmen, insbesondere auf lokaler Ebene.
Obwohl das Recht auf freie Meinungsäußerung in der rumänischen Verfassung verankert ist
und der Zugang zum Journalistenberuf uneingeschränkt möglich ist, gehen einige der berichteten Probleme auf die Umsetzung des Rechtsrahmens zurück. Der MPM 2020 spricht einige Risiken im Zusammenhang mit dem Schutz der freien Meinungsäußerung an und gelangt zur Einschätzung, dass diese Risiken eher auf Probleme bei der Umsetzung als auf den Rahmen selbst zurückzuführen sind. Die Gesetze zum Schutz der Würde und des Ansehens des Menschen verlangen, dass diese Interessen gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung abgewogen werden. Dem MPM 2020 zufolge gibt es Inkohärenzen bei der Auslegung des Gesetzes und der Schwere der Sanktionen, die in diesem Kontext verhängt wurden.
Verleumdung und Beleidigung wurden jedoch bei der Überarbeitung des Strafgesetzbuches im Jahr 2014 entkriminalisiert.
Die Durchsetzung des verfassungsmäßigen Rechts auf Zugang zu allen Informationen von öffentlichem Interesse stößt auf Hindernisse. Dem MPM 2020 zufolge gibt es Probleme bei der Durchsetzung dieses Rechts, wenn es um den Zugang zu Dokumenten im Besitz von Behörden geht. Interessenträger berichten, dass Antworten oft verspätet
und/oder unvollständig eingehen. Andererseits, so der MPM 2020, werden die Urteile in allen strittigen Fällen, in denen es um Fragen wie den Zugang von Journalisten, die Nutzung von Dokumenten oder den Quellenschutzes geht, im Einklang mit der Rechtsprechung des EGMR gesprochen.
Einige Interessenträger
erwähnten Fälle mutmaßlichen Missbrauchs der Datenschutzgesetzgebung, die darauf abzielten, die Medienfreiheit einzuschränken. Das rumänische Datenschutzgesetz sieht für die Verarbeitung personenbezogener Daten für journalistische Zwecke Ausnahmen vor.
Im MPM 2020 wird die Auffassung vertreten, dass die „nationale Version der DSGVO“ keinen angemessenen Schutz für journalistische Arbeit biete, und über einen Fall berichtet, in dem die rumänische Datenschutzbehörde (DPA) von einem Nachrichtenorgan die Offenlegung seiner Quellen verlangt haben soll.
Berichten zufolge wurden rumänische Journalisten aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit bedroht. In den Jahren 2019 und 2020 veröffentlichte die Plattform des Europarates zur Förderung des Schutzes des Journalismus und der Sicherheit von Journalisten vier Warnungen zu Rumänien: Zwei Warnungen betrafen missbräuchliche Diffamierungsklagen, eine Warnung eine Morddrohung gegen einen Investigativjournalisten
und eine Warnung eine zwangsweise Sendeunterbrechung eines Fernsehsenders.
IV.Sonstige institutionelle Fragen im Zusammenhang mit der Gewaltenteilung
Rumänien ist eine semipräsidentielle repräsentative demokratische Republik. Das rumänische Parlament besteht aus zwei Kammern, dem Senat (das Oberhaus) und der Abgeordnetenkammer (das Unterhaus). Die Regierung, Abgeordnete, Senatoren oder eine Gruppe von nicht weniger als 100 000 Bürgern haben das Recht auf gesetzgeberische Initiative.
Der Verfassungsgerichtshof ist Garant für den Vorrang der Verfassung und für die Überprüfung von Gesetzen zuständig.
Der Prozess der Ausarbeitung und Verabschiedung von Gesetzen ist gut geregelt, einschließlich eines erweiterten institutionellen Systems der Gewaltenteilung. Gemäß der Verfassung ist das Parlament die gesetzgebende Gewalt, während die Regierung im Gesetzgebungsverfahren nur über übertragene Befugnisse verfügt. Das ordentliche Gesetzgebungsverfahren sieht vor, dass ein Gesetzesentwurf von den für seine Anwendung zuständigen Behörden befürwortet und zum Gegenstand einer öffentlichen Konsultation gemacht werden muss.
Darüber hinaus gibt der Legislativrat (Consiliul Legislativ), ein beratendes Expertengremium des Parlaments, eine Stellungnahme zu allen neuen Gesetzesentwürfen ab, sorgt für die systematische Vereinheitlichung und Koordinierung der gesamten Rechtsvorschriften und führt das offizielle Rechtsverzeichnis (Repertoriul legislației României).
Wird die Gesetzgebungsinitiative von der Regierung ausgeübt, muss der Gesetzesentwurf dem Parlament vorgelegt werden, wo er von beiden Kammern erörtert und verabschiedet wird. Der rumänische Präsident verkündet das Gesetz, hat jedoch das Vorrecht, das Gesetz einmal zur erneuten Prüfung an das Parlament zurückzureichen.
Die Durchführung einer Ex-ante-Prüfung der Verfassungsmäßigkeit kann vom Präsidenten der Abgeordnetenkammer, vom Präsidenten des Senats, von der Regierung, von einer Gruppe von Mitgliedern des Parlaments, vom Obersten Kassations- und Gerichtshof, vom rumänischen Präsidenten oder vom Bürgerbeauftragten (Avocatul Poporului din România) beantragt werden.
Das ordentliche Gesetzgebungsverfahren wird häufig durch die weit verbreitete Anwendung von Dringlichkeitsanordnungen (ordonanțe de urgență) der Regierung verdrängt.
Nach der Verfassung ist der Erlass von Dringlichkeitsanordnungen nur bei außergewöhnlicher und begründeter Dringlichkeit möglich und bei bestimmten Gesetzeskategorien wie Verfassungsgesetzen oder Gesetzen, die die Grundrechte berühren, ausgeschlossen. Gleichwohl haben aufeinanderfolgende Regierungen in vielen Bereichen Gebrauch von Dringlichkeitsanordnungen gemacht, um unter anderem in Justiz- und Wahlangelegenheiten, und in Bereichen, die die Grundrechte berühren, Gesetze zu erlassen, und dabei damit Bedenken hinsichtlich der Qualität der Gesetzgebung, der Rechtssicherheit und der Achtung der Gewaltenteilung genährt.
Im Gegensatz zum ordentlichen Gesetzgebungsverfahren gibt es keine Konsultationspflicht und die institutionellen Kontrollen können nicht ausgeübt werden.
Obwohl der Bürgerbeauftragte („Avocatul Poporului“) vor dem Verfassungsgerichtshof gegen die Inanspruchnahme von Dringlichkeitsanordnungen vorgehen kann, wurde von diesem Vorrecht nur selten Gebrauch gemacht. In einer Volksabstimmung im Mai 2019, die auf Initiative des Präsidenten der Republik
durchgeführt wurde, sprach sich die Mehrheit der Bürger dafür aus, den Gebrauch von Dringlichkeitsanordnungen im Bereich der Justiz zu untersagen und das Recht, Verordnungen direkt vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten, auch auf andere Behörden als den Bürgerbeauftragten auszudehnen.
Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie wurde der Notstand ausgerufen. Der Notstand wurde am 16. März vom Präsidenten der Republik mit Zustimmung des Parlaments ausgerufen.
In diesem Zusammenhang notifizierte Rumänien dem Europarat eine Abweichung von den Verpflichtungen aus der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Auf ein Ersuchen des Bürgerbeauftragten zu den Geldstrafen, die unter anderem für die Nichteinhaltung der Quarantänevorschriften verhängt werden können
, hin befand der Verfassungsgerichtshof, dass die beanstandeten Bestimmungen verfassungswidrig seien, da sie die Grundrechte und -freiheiten der Bürger oder der grundlegenden Institutionen des Staates einschränkten oder beeinträchtigten und daher in Form eines Gesetzes, als formeller Akt des Parlaments, und nicht durch eine Dringlichkeitsanordnung verabschiedet werden müssten
.
Gesetzesänderungen mangelt es häufig an Vorhersehbarkeit und Qualität und sie geben Anlass zu Bedenken im Hinblick auf das öffentliche Interesse. Institutionellen Interessenträgern zufolge werden wichtige Gesetze zu oft geändert, während das Ziel der Änderungen oft unklar und die daraus resultierenden Gesetze widersprüchlich sind.
Die raschen Änderungen der Rechtsvorschriften durch den Erlass von Dringlichkeitsanordnungen und die mangelnde Rechtssicherheit sind zudem nachteilig für das Investitionsumfeld.
In verschiedenen Politikbereichen hat das Parlament in den vergangenen drei Jahren zahlreiche Gesetzesänderungen initiiert und verabschiedet, die bestimmte Gesetze auch mehrfach betrafen und teils in sich widersprüchlich waren. Während des Gesetzgebungsverfahrens übt der Legislativrat häufig sein Vorrecht aus, auf den widersprüchlichen Charakter von Änderungsentwürfen sowie auf eine mögliche Verfassungswidrigkeit hinzuweisen; seine Stellungnahmen haben jedoch nur beratenden Charakter. Ein großer Teil der vom Parlament angenommenen Gesetzesvorschläge wird jedoch vor ihrer Verkündung dem Verfassungsgerichtshof zur Überprüfung vorgelegt.
Trotz des Vorhandenseins eines Rechtsrahmens wird nicht ausreichend Gebrauch von Folgenabschätzungen und öffentlichen Konsultationen gemacht. Zwar werden die Entwürfe von Rechtsakten den betroffenen Behörden erst nach Abschluss des öffentlichen Konsultationsverfahrens zur Analyse und Genehmigung vorgelegt, allerdings wird dieses Konsultationsverfahren als Formalität angesehen.
Viele lokale und zentrale Behörden veröffentlichen die vorgeschlagenen Gesetze jedoch nicht zur öffentlichen Debatte und berufen sich häufig auf das Vorliegen eines Notfalls oder auf Gründe der nationalen Sicherheit, um die Transparenz einzuschränken.
Die Regierung hat Maßnahmen zur Verbesserung der Transparenz und der Rechenschaftspflicht ergriffen. Diese auf nationaler und lokaler Ebene ergriffenen Maßnahmen zielen darauf ab, die Verwaltung durch die Annahme von Open-Government-Grundsätzen und -Initiativen transparenter zu gestalten. Die Regierung hat zudem eine spezielle offene Datenplattform zur Verfügung gestellt, auf der eine Liste offener Datensätze öffentlich zugänglich ist.
Im Bewertungsrahmen der Kommission für die öffentliche Verwaltung und Regierungsführung schneidet Rumänien in Bezug auf die Qualität der Daten zur öffentlichen Auftragsvergabe und die Transparenz im öffentlichen Beschaffungswesen sehr schlecht ab.
Die Regierung hat sich zur Ausarbeitung eines Aktionsplans verpflichtet, um die Frage der Umsetzung von Gerichtsentscheidungen und die Anwendung der Rechtsprechung der Gerichte durch die öffentliche Verwaltung anzugehen. Auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hin, das den Umstand, dass der rumänische Staat oder juristische Personen unter seiner Verantwortung rechtskräftige innerstaatliche Gerichtsentscheidungen nicht oder nur mit erheblicher Verzögerung umsetzen, als Verstoß Rumäniens gegen Artikel 6 Absatz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention gewertet hatte
, muss Rumänien strukturelle Maßnahmen ergreifen, um die Vollstreckung von Urteilen (mit oder ohne finanzielle Auswirkungen) durch die öffentliche Verwaltung zu gewährleisten. Rumänien steht bei der Vollstreckung dieses Urteils unter der verstärkten Überwachung des Ministerkomitees des Europarates.
Die rumänische Regierung hat am 3. April 2019 ein Memorandum über Maßnahmen gebilligt, die gewährleisten sollen, dass Urteile gegen einen öffentlichen Schuldner im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte betreffend die Nichtvollstreckung oder verzögerte Vollstreckung der gegen einen öffentlichen Schuldner ergangenen Urteile vollstreckt werden. Dieser Plan sieht einen Mechanismus für die Erstellung genauer Statistiken vor, um künftig ein besseres Monitoring zu ermöglichen.
Unabhängige Behörden spielen eine Rolle beim Schutz der Grundrechte und der Rechtsstaatlichkeit. Das Rumänische Institut für Menschenrechte IRDO ist ein nicht akkreditiertes assoziiertes Mitglied des Europäischen Netzwerks nationaler Menschenrechtsinstitutionen (European Network on National Human Rights Institutions)
, hat einen Förderauftrag und befasst sich mit einem breiten Spektrum von Menschenrechtsfragen in Rumänien. Im Jahr 2020 wurde ein Gesetzgebungsverfahren zur Präzisierung der Auftrags und der Aufgaben des IRDO eingeleitet, das ihm die Befugnis einräumt, auf Ersuchen von Parlamentsausschüssen Stellungnahmen zu Entwürfen oder anderen Themen mit Menschenrechtsbezug, die im Parlament geprüft werden, abzugeben.
Der Bürgerbeauftragte
hat den Auftrag, die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen in ihren Beziehungen zu den Behörden zu verteidigen. Der Bürgerbeauftragte ist eine eigenständige, von anderen Behörden unabhängige Behörde. Zu seinen Befugnissen gehört es, den Verfassungsgerichtshof mit der nachträglichen Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen und Regierungsanordnungen, einschließlich von Dringlichkeitsanordnungen der Regierung, zu befassen.
Die rumänische Zivilgesellschaft setzt sich aktiv für den Rechtsstaat ein und hat auf Versuche reagiert, die Aktivitäten von Nichtregierungsorganisationen zu beschränken. Die Vereinigungsfreiheit ist in der Verfassung verankert, und die Regierungsverordnung 26/2000 regelt die Gründung von Vereinigungen und Stiftungen
. Dieser Rechtsakt schafft den Rahmen für die Erleichterung des Zugangs von Vereinigungen und Stiftungen zu privaten und öffentlichen Ressourcen sowie für die Partnerschaft zwischen den Behörden und den juristischen Personen privaten Rechts ohne Gewinnerzielungsabsicht. Die starke Einbeziehung der Zivilgesellschaft in die Bemühungen im Bereich der Korruptionsbekämpfung hat eine zentrale Rolle dabei gespielt, Reformen voranzubringen. Zwischen 2017 und 2019 äußerte die Zivilgesellschaft Kritik an umstrittenen Reformen
und brachte ihre nachdrückliche Unterstützung für die Rechtsstaatlichkeit zum Ausdruck. Interessenträgern zufolge gab es mehrere Versuche, Einfluss auf die Aktivitäten von Nichtregierungsorganisationen
zu nehmen; dies wurde jedoch durch die gemeinsame Reaktion der Zivilgesellschaft verhindert
. Insbesondere äußerten Interessenträger Bedenken, dass die Umsetzung der EU-Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung in rumänisches Recht
sich insofern auf die Nichtregierungsorganisationen auswirken könnte, als diese zur Veröffentlichung aller Begünstigter ihrer Aktivitäten und all ihrer Geldgeber im Register des Justizministeriums verpflichtet werden; Organisationen der Zivilgesellschaft haben sich gegen eine solche Pflicht ausgesprochen
.
Anhang I: Verzeichnis mit Quellenangaben (alphabetisch geordnet)*.
*Die Liste der Beiträge, die im Rahmen der Konsultation zum Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2020 eingegangen sind, ist abrufbar unter (Website der Kommission).
Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (2020), Mitteilung an die Europäische Kommission im Rahmen der Erstellung des ersten Jahresberichts über die Rechtsstaatlichkeit.
Beirat Europäischer Richter (CCJE) (2019), Stellungnahme des CCJE-Präsidiums auf eine Anfrage des Rumanian Judges Forum zur Lage der Unabhängigkeit der Justiz in Rumänien.
Beirat Europäischer Staatsanwälte (CCPE) (2019), Stellungnahme des CCPE-Präsidiums zu einer Anfrage der Rumänischen Bewegung zur Verteidigung der Stellung der Staatsanwälte zur Lage der Unabhängigkeit der Staatsanwälte in Rumänien.
CEPEJ (2018), Europäische Justizsysteme: Wirksamkeit und Qualität der Justiz (European judicial systems – Efficiency and quality of justice, in englischer Sprache).
CIVICUS (2020), Länderprofil Rumänien.
https://monitor.civicus.org/country/romania/
.
Eurocommerce (2020), Bericht über die Hindernisse im Binnenmarkt.
Europäische Kommission (2013, 2014, 2015, 2016, 2017, 2018, 2019, 2020), EU-Justizbarometer.
Europäische Kommission (2017), Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über Rumäniens Fortschritte im Rahmen des Kooperations- und Überprüfungsverfahrens, COM(2017) 44 final).
Europäische Kommission (2017), Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über Rumäniens Fortschritte im Rahmen des Kooperations- und Überprüfungsverfahrens, COM(2017) 751 final).
Europäische Kommission (2017), Technischer Bericht Rumänien 2019 SWD(2017) 701 final.
Europäische Kommission (2017), Technischer Bericht Rumänien 2019 SWD(2017) 25 final.
Europäische Kommission (2018), Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über Rumäniens Fortschritte im Rahmen des Kooperations- und Überprüfungsverfahrens, COM(2018) 851 final).
Europäische Kommission (2018), Technischer Bericht Rumänien 2019 SWD(2018) 551 final.
Europäische Kommission (2019), Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über Rumäniens Fortschritte im Rahmen des Kooperations- und Überprüfungsverfahrens, COM(2019) 499 final).
Europäische Kommission (2019), Bewertungsrahmen für die öffentliche Verwaltung und Regierungsführung.
Europäische Kommission (2019), Technischer Bericht Rumänien 2019 SWD(2019) 393 final.
Europäische Kommission (2020), Der OLAF-Bericht 2019.
Europäische Kommission (2020), Europäisches Semester: Länderbericht – Rumänien.
Europäisches Netz der Räte für das Justizwesen (ENCJ) (2020) – Unabhängigkeit und Rechenschaftspflicht der Justiz – ENCJ-Befragung zur Unabhängigkeit von Richtern, 2019.
Europarat: Ministerkomitee (2016), Empfehlung CM/Rec(2016)4 zum Schutz des Journalismus und zur Sicherheit von Journalisten und anderen Medienakteuren.
Europarat: Ministerkomitee des Europarats (2010), Empfehlung CM/Rec(2010)12 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten zur Unabhängigkeit, Leistungsfähigkeit und Zuständigkeiten von Richtern.
European Network on National Human Rights Institutions (2020), Beitrag des Europäischen Netzwerks nationaler Menschenrechtsinstitutionen für den Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2020.
Funky Citizens (2020), Beitrag für die Online-Konsultation der Interessenträger für den Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2020.
Generaldirektion Kommunikation (2016, 2017, 2018, 2019, 2020), Eurobarometer: Unabhängigkeit der nationalen Justizsysteme der EU-Mitgliedstaaten in der öffentlichen Wahrnehmung.
Gerichtshof der Europäischen Union, Associação Sindical dos Juízes Portugueses, Rechtssache C-64/16, Urteil vom 27. Februar 2018.
GRECO (2014), Vierte Evaluierungsrunde – Evaluierungsbericht zur Korruptionsprävention in Bezug auf Abgeordnete, Richter und Staatsanwälte – Rumänien.
GRECO (2019), Folgebericht zum Ad-hoc-Bericht über Rumänien (Regel 34).
GRECO (2019), Vierte Evaluierungsrunde – Evaluierungsbericht zur Korruptionsprävention in Bezug auf Abgeordnete, Richter und Staatsanwälte – Compliance-Bericht Rumänien.
MEDEL (2020), Beitrag für die Online-Konsultation der Interessenträger für den Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2020.
National Union of Romanian Judges e a. (2020), Bericht zum Zustand des Justizsystems und der Rechtsstaatlichkeit in Rumänien.
Oberster Rat der Magistratur (2020), Schriftlicher Beitrag zum Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2020.
Rumänische Regierung (2020), Schriftlicher Beitrag zum Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2020.
Venedig-Kommission (2012), Stellungnahme zur Vereinbarkeit von Maßnahmen, die die Regierung und das Parlament Rumäniens in Bezug auf andere staatliche Institutionen ergriffen haben, mit den Verfassungsgrundsätzen und der Rechtsstaatlichkeit sowie zur Dringlichkeitsanordnung der Regierung zur Änderung des Gesetzes Nr. 47/1992 über die Organisation und Funktionsweise des Verfassungsgerichts und zur Dringlichkeitsanordnung der Regierung zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes Nr. 3/200 über die Durchführung einer Volksabstimmung in Rumänien, CDL-AD(2012)026.
Venedig-Kommission (2019), Stellungnahme zu den Dringlichkeitsanordnungen Nr. 7 und Nr. 12 zur Änderung der Justizgesetze.
Virtueller Länderbesuch in Rumänien anlässlich des Berichts über die Rechtsstaatlichkeit 2020.
Anhang II: Länderbesuch in Rumänien
Im Juni 2020 fanden virtuelle Treffen der Kommissionsdienststellen mit den folgenden Teilnehmern statt:
·der „Association of Romanian Judges“
·der Vereinigung „Mișcarea pentru apărarea statutului procurorilor“
·dem „Center for independent journalism“ (Zentrum für unabhängigen Journalismus)
·Expertforum
·Freedom House
·Funky Citizens
·dem Obersten Kassations- und Gerichtshof
·der Vereinigung „Initiative for Justice“
·der Rechtskommission der Abgeordnetenkammer
·dem Legislativrat
·der Media Association – Cluj
·dem Justizministerium
·der Nationalen Agentur für die Verwaltung sichergestellter Vermögenswerte
·der Nationalen Direktion für Korruptionsbekämpfung DNA
·der nationalen Antikorruptionsstrategie
·dem Nationalen Rat für audiovisuelle Medien
·der Nationalen Integritätsbehörde ANI
·der „National Union of Romanian Judges“
·dem Bürgerbeauftragten
·OCCRP
·der Staatsanwaltschaft beim Obersten Gerichts- und Kassationshof
·dem Romanian Judges‘ Forum
·dem Generalsekretariat der Regierung
·dem Obersten Rat der Magistratur
* Darüber hinaus fand eine Reihe horizontaler Treffen der Kommission mit den folgenden Organisationen statt:
·Amnesty International
·Civil Liberties Union for Europe
·Civil Society Europe
·Konferenz Europäischer Kirchen
·EuroCommerce
·European Center for Not-for-Profit Law
·Europäisches Zentrum für Presse- und Medienfreiheit
·European Civic Forum
·Free Press Unlimited
·Front Line Defenders
·ILGA-Europe
·Internationale Juristenkommission (International Commission of Jurists, ICJ)
·Internationale Föderation für Menschenrechte (International Federation for Human Rights)
·International Press Institute
·Lifelong learning Platform
·Open Society Justice Initiative/Open Society European Policy Institute
·Reporter ohne Grenzen
·Transparency International EU