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Document 52015IP0413

    Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. November 2015 zu der politischen Lage in Kambodscha (2015/2969(RSP))

    ABl. C 366 vom 27.10.2017, p. 132–134 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    27.10.2017   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 366/132


    P8_TA(2015)0413

    Kambodscha

    Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. November 2015 zu der politischen Lage in Kambodscha (2015/2969(RSP))

    (2017/C 366/11)

    Das Europäische Parlament,

    unter Hinweis auf seine vorangegangenen Entschließungen zu Kambodscha,

    unter Hinweis auf die vor Ort abgegebene Erklärung der EU vom 27. Oktober 2015 zu der Lage in Kambodscha,

    unter Hinweis auf die dem Sprecher des Generalsekretärs der Vereinten Nationen zugeschriebene Erklärung vom 17. November 2015 zu Kambodscha,

    unter Hinweis auf die Pressemitteilung der Sprecherin des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Ravina Shamdasani, vom 30. Oktober 2015,

    unter Hinweis auf die Erklärungen der Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen zu der Lage der Menschenrechte in Kambodscha, Professor Rhona Smith, vom 23. November 2015 und vom 24. September 2015,

    unter Hinweis auf den Bericht der Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen zu der Lage der Menschenrechte in Kambodscha vom 20. August 2015,

    unter Hinweis auf die Resolution des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen vom 2. Oktober 2015 zu Kambodscha,

    unter Hinweis auf die Erklärung des Sprechers des EAD vom 15. Juli 2015 zu dem Gesetz über Vereinigungen und nichtstaatliche Organisationen in Kambodscha,

    unter Hinweis auf die Erklärung des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen zu dem Recht auf Freiheit zu friedfertiger Versammlung und Vereinigung vom 22. Juni 2015,

    unter Hinweis auf die abschließenden Feststellungen der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen vom 27. April 2015 zum zweiten periodischen Bericht Kambodschas,

    unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948,

    unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966,

    unter Hinweis auf die EU-Leitlinien von 2008 zu Menschenrechtsverteidigern,

    unter Hinweis auf das Kooperationsabkommen von 1997 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Kambodscha,

    unter Hinweis auf Artikel 35 der Verfassung Kambodschas, in dem das Recht auf Vereinigungsfreiheit und das Recht auf aktive Teilhabe am politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Leben der Nation garantiert wird,

    gestützt auf Artikel 135 Absatz 5 und Artikel 123 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

    A.

    in der Erwägung, dass die Staatsorgane Kambodschas am 13. November 2015 Haftbefehl gegen Sam Rainsy erlassen haben, der sich derzeit außer Landes befindet und Vorsitzender der „Partei der nationalen Rettung Kambodschas“ (Cambodia National Rescue Party, CNRP, die wichtigste Oppositionspartei des Landes) ist, und dass die Nationalversammlung ihm am 16. November 2015 sein Abgeordnetenmandat entzogen hat, wodurch er die parlamentarische Immunität verloren hat und in Verbindung mit einem sieben Jahre zurückliegenden Fall von Verleumdung bei seiner Rückkehr nach Kambodscha verhaftet werden kann;

    B.

    in der Erwägung, dass Sam Rainsy am 20. November 2015 von einem Gericht vorgeladen wurde und am 4. Dezember 2015 dazu vernommen werden soll, dass auf seiner öffentlichen Facebook-Seite ein Beitrag des oppositionellen Senators Hong Sok Hour veröffentlicht wurde, der seit August 2015 dieses Jahres wegen Fälschung und Anstiftung zu einer Straftat in Haft ist, nachdem er auf Sam Rainsys Facebook-Seite ein Video veröffentlicht hatte, in dem ein mutmaßlich gefälschtes Dokument im Zusammenhang mit dem Grenzvertrag von 1979 mit Vietnam gezeigt wird;

    C.

    in der Erwägung, dass am 26. Oktober 2015 in Phnom Penh eine Gruppe regierungsfreundlicher Demonstranten zwei Oppositionsabgeordnete der CNRP, Nhay Chamrouen und Kong Sakphea, brutal überfallen und außerdem die Sicherheit der Privatresidenz des Ersten Vizepräsidenten der Nationalversammlung gefährdet hat; in der Erwägung, dass laut Berichten die Polizei und andere Sicherheitskräfte des Staates den Vorfällen untätig zusahen;

    D.

    in der Erwägung, dass am 30. Oktober 2015 Kem Sokha, stellvertretender Vorsitzender der Oppositionspartei CNRP, von der regierenden Kambodschanischen Volkspartei (Cambodian People’s Party, CPP) während einer von der CNRP boykottierten Sitzung seines Amtes als Vizepräsident der Nationalversammlung enthoben wurde; in der Erwägung, dass die regierende CPP im Juli 2014 als eines ihrer zentralen Zugeständnisse der CNRP das Amt des Vizepräsidenten der Nationalversammlung überließ und die CNRP anschließend ihren nach der Wahl 2013 begonnenen einjährigen Boykott des Parlaments beendete;

    E.

    in der Erwägung, dass Premierminister Hun Sen seit über 30 Jahren im Amt ist und seine Sicherheitskräfte trotz schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen Straflosigkeit genießen;

    F.

    in der Erwägung, dass elf Oppositionsaktivisten Haftstrafen zwischen sieben und 20 Jahren verbüßen, weil sie an einem „Aufstand“ teilgenommen oder ihn angeführt haben sollen;

    G.

    in der Erwägung, dass die Parteien CPP und CNRP 2014 einen politischen Burgfrieden geschlossen hatten und daraus die Hoffnung erwachsen war, es habe eine neue Phase der konstruktiven Beilegung politischer Differenzen begonnen; in der Erwägung, dass das politische Klima in Kambodscha trotz dieser Einigung nach wie vor gespannt ist;

    H.

    in der Erwägung, dass in der Verfassung Kambodschas in Artikel 41 das Recht auf freie Meinungsäußerung und in Artikel 35 und das Recht auf politische Teilhabe verankert ist;

    I.

    in der Erwägung, dass unlängst trotz breit gefächerter Kritik der Zivilgesellschaft und der internationalen Gemeinschaft das Gesetz über Vereinigungen und nichtstaatliche Organisationen in Kraft getreten ist, auf dessen Grundlage die Staatsorgane befugt sind, nach eigenem Ermessen Menschenrechtsorganisationen zu schließen und deren Gründung zu verhindern, und dass dieses Gesetz bereits insofern abschreckende Wirkung gezeitigt hat, als Menschenrechtsverfechter in Kambodscha nicht tätig werden und die Tätigkeit der Zivilgesellschaft behindert wird;

    J.

    in der Erwägung, dass der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen zu dem Recht auf Freiheit zu friedfertiger Versammlung und Vereinigung erklärt hat, dass die Zivilgesellschaft in Kambodscha in die Ausarbeitung dieses Gesetzes nicht einbezogen wurde;

    K.

    in der Erwägung, dass die Regierung Kambodschas am 13. November 2015 den Entwurf eines Gesetzes über Gewerkschaften gebilligt hat;

    L.

    in der Erwägung, dass die EU der wichtigste Partner Kambodschas im Bereich Entwicklungshilfe ist und dass für den Zeitraum 2014–2020 weitere 410 Mio. EUR bewilligt wurden; in der Erwägung, dass die EU viele Menschenrechtsinitiativen unterstützt, die von nichtstaatlichen kambodschanischen Organisationen und anderen Organisationen der Zivilgesellschaft durchgeführt werden; in der Erwägung, dass Kambodscha in hohem Maße von Entwicklungshilfe abhängig ist;

    1.

    erklärt sich zutiefst besorgt über die Verschlechterung des politischen Klimas in Kambodscha, die Oppositionspolitiker und -aktivisten, Menschenrechtsverfechter, gesellschaftliche Aktivisten und Umweltschützer betrifft, und verurteilt sämtliche Akte von Gewalt und alle politisch motivierten Anklageerhebungen, Gerichtsentscheidungen und Urteile gegen Oppositionspolitiker, Aktivisten und Menschenrechtsverfechter in Kambodscha;

    2.

    fordert die Staatsorgane Kambodschas auf, den Haftbefehl gegen Sam Rainsy und Mitglieder der Nationalversammlung und des Senats, die der CNRP angehören, aufzuheben und sämtliche Anklagepunkte gegen sie fallenzulassen, auch gegen Senator Hong Sok Hour und andere Aktivisten und Organisatoren der CNRP, sie ungehindert und ohne Angst vor Verhaftung und strafrechtlicher Verfolgung arbeiten zu lassen und nicht mehr mit politischer Motivation die Gerichte zu befassen, um andere Personen mit politisch begründeten, frei erfundenen Anschuldigungen strafrechtlich zu verfolgen;

    3.

    fordert die Nationalversammlung auf, Sam Rainsy unverzüglich sein Abgeordnetenmandat zurückzugeben und seine parlamentarische Immunität wiederherzustellen;

    4.

    fordert die Regierung Kambodschas nochmals auf, den rechtmäßigen und sinnvollen Beitrag der Zivilgesellschaft, der Gewerkschaften und der politischen Opposition zur allgemeinen wirtschaftlichen und politischen Entwicklung Kambodschas zu würdigen;

    5.

    legt der Regierung nahe, auf eine Stärkung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit hinzuwirken und die Menschenrechte und Grundfreiheiten zu achten, also auch die verfassungsrechtlichen Bestimmungen über Pluralismus, Vereinigungsfreiheit und Meinungsfreiheit uneingeschränkt zu befolgen;

    6.

    weist erneut darauf hin, dass es für die politische Stabilität, die Demokratie und eine friedliche Gesellschaft von entscheidender Bedeutung ist, dass der demokratische Dialog in einem gefahrlosen Umfeld geführt werden kann, und fordert die Regierung auf, alle Maßnahmen zu ergreifen, die notwendig sind, um für die Sicherheit aller demokratisch gewählten Vertreter Kambodschas unabhängig von ihrer politischen Zugehörigkeit zu sorgen;

    7.

    stellt fest, dass durch die „Kultur des Dialogs“ zwischen den Anführern der CPP und der CNRP Hoffnungen geschürt wurden, dass die Demokratie in Kambodscha auf einem guten Weg sei; fordert die Regierung Kambodschas und die Opposition auf, in einen ernst gemeinten und sinnhaften Dialog einzutreten;

    8.

    fordert die Regierung auf, für umfassende und unparteiische Ermittlungen zu sorgen, die unter Beteiligung der Vereinten Nationen geführt werden und in die strafrechtliche Verfolgung all derjenigen münden, die für den unlängst von Angehörigen der Streitkräfte verübten brutalen Überfall auf zwei CNRP-Mitglieder der Nationalversammlung sowie für den übermäßigen Einsatz von Gewalt durch Militär und Polizei zur Niederschlagung von Demonstrationen, Streiks und gesellschaftlichen Unruhen verantwortlich sind;

    9.

    fordert die Regierung auf, das Gesetz über Vereinigungen und nichtstaatliche Organisationen aufzuheben, das unlängst in Kraft getreten ist und auf dessen Grundlage die Staatsorgane befugt sind, nach eigenem Ermessen Menschenrechtsorganisationen zu schließen und deren Gründung zu verhindern, und dass es bereits insofern abschreckende Wirkung gezeitigt hat, als Menschenrechtsverfechter in Kambodscha nicht tätig werden;

    10.

    fordert Regierung und Parlament auf, echte und ernst gemeinte Konsultationen mit allen aufzunehmen, die von Gesetzesentwürfen betroffen sind, beispielsweise von den Gesetzen über Gewerkschaften, Cyberkriminalität und Telekommunikation, und dafür zu sorgen, dass die Gesetzestexte mit den Menschenrechtsverpflichtungen Kambodschas und seinen verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Verpflichtungen im Einklang stehen;

    11.

    fordert die Regierung Kambodschas auf, willkürlichen Verhaftungen und dem auffälligen Verschwindenlassen von Personen ein Ende zu setzen und Freiwilligen- und Menschenrechtsorganisationen ungehindert tätig werden zu lassen; fordert die Regierung Kambodschas auf, wirklich glaubwürdige Ermittlungen im Fall des Verschwindens von Khem Sapath einzuleiten;

    12.

    fordert die zuständigen Behörden auf, die strafrechtliche Verfolgung von Menschenrechtsverfechtern einzustellen, bei der auf andere geltende Rechtsvorschriften zurückgegriffen wird, um diese Personen wegen ihres Engagements für die Menschenrechte zu belangen, und fordert die zuständigen Behörden außerdem auf, alle Personen unverzüglich und bedingungslos freizulassen, die im Zuge politisch begründeter, frei erfundener Anschuldigungen inhaftiert wurden;

    13.

    fordert die Mitgliedstaaten, die Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Europäischen Auswärtigen Dienst und die Kommission auf, im Einklang mit dem Strategischen Rahmens der EU für Menschenrechte und Demokratie die genannten Anliegen und Empfehlungen unverzüglich gegenüber den Staatsorganen Kambodschas zur Sprache zu bringen;

    14.

    beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Vizepräsidentin der Kommission und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Rat und der Kommission sowie dem Sekretariat des Verbands südostasiatischer Nationen, dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen und der Regierung und der Nationalversammlung des Königreichs Kambodscha zu übermitteln.


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