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Document 52007IE1002

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Euregios

    ABl. C 256 vom 27.10.2007, p. 131–137 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    27.10.2007   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 256/131


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Euregios“

    (2007/C 256/23)

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 17. Januar 2006 gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung, eine Stellungnahme zu erarbeiten: „Euregios“.

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 21. Juni 2007 an. Berichterstatter war Herr ZUFIAUR.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 437. Plenartagung am 11./12. Juli 2007 (Sitzung vom 11. Juli) mit 108 Stimmen bei einer Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

    1.   Hintergrund

    1.1   Definition

    1.1.1

    Euregios sind dauerhafte Strukturen für die grenzübergreifende Zusammenarbeit zwischen direkt benachbarten regionalen und lokalen Gebietskörperschaften beiderseits einer Staatsgrenze.

    1.1.1.1

    Zu den Wesensmerkmalen (1) von Euregios und ähnlichen Strukturen zählt u.a., dass sie

    keine neue Verwaltungs- oder Regierungsebene sind, sondern eine Plattform für den Austausch und die grenzübergreifende, „horizontale“ Zusammenarbeit zwischen lokalen und regionalen Behörden und so eine stärkere „vertikale“ Zusammenarbeit zwischen den lokalen bzw. regionalen Gebietskörperschaften, den nationalen Regierungen und den europäischen Institutionen fördern;

    ein Zusammenschluss von lokalen und regionalen Gebietskörperschaften beiderseits einer Staatsgrenze sind, der in manchen Fällen über eine parlamentarische Versammlung verfügt;

    ein grenzübergreifender Zusammenschluss mit einem ständigen Sekretariat, einem Fach- und Verwaltungsmitarbeiterstab und eigenen Ressourcen sind;

    in manchen Fällen eine privatrechtliche Einrichtung auf der Grundlage von gemeinnützigen Verbänden oder Stiftungen dies- oder jenseits einer Staatsgrenze im Einklang mit den jeweiligen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und in anderen Fällen eine Einrichtung nach öffentlichem Recht auf der Grundlage von zwischenstaatlichen Verträgen sind, die u.a. für die Einbindung der Gebietskörperschaften und ihre Zusammenarbeit Sorge trägt;

    vielfach nicht nur durch ihre geografischen oder politisch-administrativen Grenzen definiert sind, sondern auch gemeinsame wirtschaftliche, soziale und kulturelle Wesensmerkmale teilen.

    1.1.2

    Es gibt zahlreiche unterschiedliche Bezeichnungen für die verschiedenen Euregios: Euregio, Euroregion, Europaregion, Großregion, Regio u.a.

    1.2   Ziele

    1.2.1

    Euregios und ähnliche Strukturen (2) streben in erster Linie die grenzübergreifende Zusammenarbeit an; jede hat ihre eigenen Prioritäten, die sich nach den jeweiligen regionalen und geografischen Besonderheiten richten. In der Anfangsphase bzw. im Falle von Arbeitsgemeinschaften, die zu ganz speziellen Zwecken eingerichtet wurden, wird vor allem auf die Förderung des gegenseitigen Verständnisses, den Aufbau kultureller Beziehungen sowie die Stärkung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit abgezielt. Euregios, die über stärker integrierte Strukturen und Eigenmittel verfügen, haben sich hingegen ehrgeizigere Ziele gesetzt: Sie befassen sich mit Fragen aller Art, die mit der grenzübergreifenden Zusammenarbeit zu tun haben, d.h. mit der Förderung gemeinsamer Interessen in den verschiedensten Bereichen bis hin zur Konzipierung und Durchführung grenzübergreifender Programme und konkreter Projekte.

    1.2.2

    Die grenzübergreifenden Tätigkeiten betreffen nicht nur die soziale und wirtschaftliche Entwicklung und die kulturelle Zusammenarbeit, sondern auch andere Bereiche von gemeinsamem Interesse für die grenznahe Bevölkerung, insbesondere die Bereiche Soziales, Gesundheit, Aus- und Weiterbildung, Forschung und Entwicklung, Abfallwirtschaft, Umweltschutz und Landschaftspflege, Tourismus und Freizeitwirtschaft, Naturkatastrophen, Verkehr und Kommunikationsinfrastruktur.

    1.2.3

    Die Euregios werden als geeigneter Rahmen für die Verwirklichung der Freizügigkeit und die Förderung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts in der EU angesehen, da kooperative Verfahrensweisen in den Grenzregionen zur Anwendung kommen, mit denen Kompetenzkonflikte vermieden werden.

    1.2.4

    Sie tragen von unten und aus dem Alltagsleben heraus dynamisch zum Aufbau und zur Integration der Europäischen Union bei.

    1.2.5

    Die grenzübergreifende Zusammenarbeit führt zu neuen Wegen dafür, wie gemeinsame Problemstellungen organisatorisch und praktisch gelöst werden können, wie z.B. interregionale Gewerkschaftsverbände, die Zusammenarbeit zwischen Unternehmerverbänden und Handelskammern, die Einrichtung eines Wirtschafts- und Sozialrates auf Euregio-Ebene o.Ä.

    1.2.6

    Von der Arbeit eines solchen Gremiums auf Euregio-Ebene konnte sich die mit der Ausarbeitung dieser Stellungnahme beauftragte Studiengruppe dank der Einladung des Wirtschafts- und Sozialausschusses der Großregion (3) zu einer Anhörung am 13. Februar 2007 in Luxemburg selbst ein Bild machen.

    1.3   Historische Entwicklung

    1.3.1

    Der Europarat mit Sitz in Straßburg ist die europäische Organisation, die sich seit Jahrzehnten mit Euregios und der grenzübergreifenden Zusammenarbeit im Allgemeinen befasst.

    1.3.2

    Die ersten Erfahrungen mit der grenzübergreifenden Zusammenarbeit wurden Ende der 40er Jahre gemacht. Das BENELUX-Abkommen aus dem Jahr 1948 war eine erste Initiative zur Überwindung der Trennlinien entlang von Staatsgrenzen. Die Euregio wurde 1958 in dem Gebiet um das niederländische Enschede und das deutsche Gronau gegründet. Kurz darauf wurden auch außerhalb der damaligen Europäischen Gemeinschaft, und zwar in Skandinavien, verschiedene Initiativen ins Leben gerufen, wie die Region Öresund, die Region Nordkalott und die Region Kvarken über die Grenzen Dänemarks, Finnlands, Norwegens und Schwedens hinweg.

    1.3.3

    Zwischen 1975 und 1985 wurde eine Reihe von Arbeitsgemeinschaften (ARGE) zwischen Regionen verschiedener Länder eingerichtet (beispielsweise die Arbeitsgemeinschaft des Jura CTJ oder die Arbeitsgemeinschaft der Pyrenäen CTP), die jedoch nur über einen begrenzten Handlungsspielraum verfügten.

    1.3.4

    Die regionale grenzübergreifende Zusammenarbeit und die Einrichtung von Euregios finden seit 1990 verstärkt Zuspruch (4). Diese Entwicklung wurde u.a. durch folgende Faktoren begünstigt:

    die Fortschritte in der europäischen Integration, insbesondere mit der Errichtung des Binnenmarktes, der Einführung des Euro und der Erweiterung der EU;

    die verstärkte Dezentralisierung und Regionalisierung in Europa;

    die Intensivierung der grenzübergreifenden Arbeit;

    die, wenn auch begrenzte, Anerkennung der Rolle der Regionen in den Beschlussfassungsprozessen der europäischen Institutionen;

    der Start von Gemeinschaftsinitiativen für die grenzübergreifende Zusammenarbeit, wie z.B. INTERREG.

    1.3.5

    Mit den letzten Erweiterungsrunden von 15 auf nunmehr 27 Mitgliedstaaten hat sich die Zahl der Grenzregionen erheblich erhöht und die Palette ihrer Wesensmerkmale stark erweitert. Konkret ist die Zahl der NUTS-II-Grenzregionen um 38 gestiegen, und die Grenzen haben jetzt eine Gesamtlänge von 14 300 km anstelle von 7 137 km.

    1.3.6

    Das Europäische Parlament vertrat in seiner Entschließung (5) von Dezember 2005 die Auffassung, dass die grenzübergreifende Zusammenarbeit für die europäische Kohäsion und Integration von grundlegender Bedeutung ist, und forderte die Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission auf, den Einsatz von Euroregionen zu fördern und zu unterstützen. Die grenzübergreifende Zusammenarbeit wurde auch in den Entwurf für einen europäischen Verfassungsvertrag aufgenommen (Artikel III-220).

    1.4   Arten der Zusammenarbeit

    1.4.1

    In der Gemeinschaftsinitiative INTERREG III zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen Regionen hat die Europäische Kommission drei Arten der Zusammenarbeit unterschieden:

    A — Grenzübergreifende Zusammenarbeit

    Ziel der grenzübergreifenden Zusammenarbeit ist die wirtschaftliche und soziale Integration durch die Umsetzung gemeinsamer Entwicklungsstrategien und die Durchführung eines strukturierten Austausches zwischen den Partnern beiderseits der Grenze.

    B — Transnationale Zusammenarbeit

    Ziel der transnationalen Zusammenarbeit zwischen nationalen, regionalen und lokalen Behörden ist es, durch die Bildung größerer Gruppen europäischer Regionen, sog. Makroregionen, ein höheres Maß an territorialer Integration zu erreichen.

    C — Interregionale Zusammenarbeit

    Ziel der interregionalen Zusammenarbeit ist die Intensivierung des Informations- und Erfahrungsaustausches, ohne dass es sich dabei unbedingt um Grenzregionen handeln muss.

    Die Euregios gehören insbesondere zum Typ A, immer stärker jedoch auch zum Typ B.

    2.   EU-Kontext

    2.1

    In jüngster Zeit wurde der allgemeine Rahmen für die Arbeit der Euregios durch die Vorlage verschiedener Gemeinschaftsvorschläge gestärkt. Im ersten Halbjahr 2006 wurden einige wichtige Entscheidungen mit Auswirkungen auf die grenzübergreifende Zusammenarbeit durch das Europäische Parlament und den Rat der Europäischen Union angenommen.

    2.2   Finanzielle Vorausschau

    2.2.1

    Die Europäische Kommission hat ihren ursprünglichen Vorschlag für die Überarbeitung der finanziellen Vorausschau für den Zeitraum 2007-2013 (6) im Jahr 2004 vorgelegt, in dem sie das Ausgabenniveau für eine Union mit 27 Mitgliedstaaten für diesen Zeitraum mit 1,14 % des BNE veranschlagt hat. Angesichts der wichtigen Herausforderungen, denen sich die Europäische Union stellen muss, hat sich der Ausschuss in seiner diesbezüglichen Stellungnahme (7) für eine Anhebung der Eigenmittelobergrenze auf 1,30 % des BNE (also mehr als die früheren 1,24 %) ausgesprochen. Der Europäische Rat hat im Dezember 2005 die Gesamtausgaben für den Zeitraum 2007-2013 auf 1,045 % des BNE festgelegt. Nach Verhandlungen zwischen dem Rat und dem Europäischen Parlament beläuft sich der endgültige Vorschlag nunmehr auf 864,316 Mrd. EUR, d.h. 1,048 % des BNE.

    2.2.2

    Diese deutliche Kürzung wirkt sich auf die Maßnahmen zugunsten des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts aus, für die anstelle von 0,41 % des BNE in der EU der 15 nur mehr 0,37 % des BNE in der EU der 27 zur Verfügung stehen. Und dies gerade in einer Zeit, in der aufgrund des Beitritts der neuen Mitgliedstaaten und anderer Herausforderungen wie der Globalisierung, denen sich die EU stellen muss, eine Aufstockung und keinesfalls eine Kürzung der Mittel notwendig wäre.

    2.2.3

    Im Zusammenhang mit der europäischen territorialen Zusammenarbeit sind für das neue Ziel 3 rund 8,72 Mrd. EUR (d.h. 2,44 % der insgesamt für den Zusammenhalt vorgesehenen 0,37 % des BNE) veranschlagt im Vergleich zu den 13 Mrd. EUR, die die Europäische Kommission in ihrem ursprünglichen Vorschlag gefordert hatte. Einem Mehr an Aufgaben wird also ein Weniger an Mitteln gegenüberstehen.

    2.2.4

    Die finanzielle Unterstützung der EU für die grenzübergreifende Zusammenarbeit wurde zwar im Vergleich zum Zeitraum 2000-2006 erhöht, doch ist aufgrund der Kürzungen im Vergleich zum ursprünglichen Vorschlag der Europäischen Kommission eine engere Zusammenarbeit zwischen den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften und eine stärkere Nutzung öffentlich-privater Partnerschaften erforderlich. Die veranschlagten Mittel betreffen nach der Aufnahme der zwölf neuen Mitgliedstaaten nunmehr eine größere Zahl an Grenzregionen, insbesondere in Mittel- und Osteuropa.

    2.3   Neue Verordnungen

    2.3.1

    Die Europäische Kommission hat im Juli 2004 Vorschläge für die Strukturfonds für den Zeitraum 2007-2013 vorgelegt, mit denen ein Ziel „Konvergenz“ anstelle des bisherigen Ziels 1, ein Ziel „Regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung“ anstelle von Ziel 2 und ein neues Ziel 3 „Europäische territoriale Zusammenarbeit“ festgelegt werden, in dem den Maßnahmen im Bereich der grenzübergreifenden Zusammenarbeit ein größerer Stellenwert eingeräumt wird.

    2.3.2

    So wird insbesondere das neue Ziel 3 (8), das sich auf die Erfahrungen aus der Gemeinschaftsinitiative INTERREG stützt, der Förderung einer ausgewogenen Integration innerhalb der Europäischen Union durch die Unterstützung der grenzübergreifenden, transnationalen und interregionalen Zusammenarbeit gewidmet sein.

    2.3.3

    Der Ausschuss hat 2005 mehrere einschlägige Stellungnahmen zur Reform der Strukturfonds sowie des Kohäsionsfonds verabschiedet (9). Der Rat und das Europäische Parlament haben die neuen Verordnungsvorschläge 2006 (10) angenommen.

    2.4   Kohäsionspolitik: Strategische Leitlinien

    2.4.1

    Die Mitteilung der Europäischen Kommission zu den strategischen Leitlinien für die Kohäsionspolitik (11) wurde nach Annahme der verschiedenen Strukturfondsverordnungen ebenfalls gebilligt. In dieser Mitteilung wird die Bedeutung des neuen Ziels 3 „Europäische territoriale Zusammenarbeit“ in seinen drei Ausrichtungen bekräftigt: grenzübergreifende, transnationale und interregionale Zusammenarbeit.

    2.4.2

    Das neue Ziel der Zusammenarbeit dient der Förderung einer stärkeren Integration des EU-Gebiets und einer Verringerung des „Grenzschrankeneffekts“ durch grenzübergreifende Zusammenarbeit und den Austausch bewährter Praktiken.

    2.4.3

    Die strategischen Leitlinien für die europäische Kohäsionspolitik sollen

    a)

    die Anziehungskraft der Regionen im Hinblick auf den Ausbau der Investitionstätigkeit stärken,

    b)

    Innovation und Unternehmergeist fördern und

    c)

    Arbeitsplätze schaffen. Und schließlich sollen sie besonders der territorialen Dimension in der Kohäsionspolitik Rechnung tragen.

    2.4.4

    Staatsgrenzen stehen bekanntermaßen der Entwicklung des gesamten Gemeinschaftsraums oft im Wege, wodurch das volle Wettbewerbspotenzial der EU beschnitten wird. Eines der wichtigsten Ziele der grenzübergreifenden Zusammenarbeit in der EU ist daher die Beseitigung des „Grenzschrankeneffekts“ zwischen den Mitgliedstaaten sowie die Schaffung von Synergien, um gemeinsame Lösungen für gemeinsame Probleme zu finden.

    2.4.5

    Die Kohäsionspolitik sollte sich vorrangig auf Maßnahmen konzentrieren, die einen Mehrwert für grenzübergreifende Tätigkeiten bedeuten, wie z.B. Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von Grenzgebieten durch Innovation, Forschung und Entwicklung, sowie die Verbindung immaterieller (Dienstleistungs-) oder materieller (Verkehrs-) Netze zwecks Stärkung einer grenzübergreifenden Integration und damit auch der europäischen Identität; die Förderung der Mobilität und der Transparenz des grenzübergreifenden Arbeitsmarktes, eine grenzübergreifende Wasserwirtschaft und ein grenzübergreifender Hochwasserschutz, die Entwicklung des Tourismus, die Stärkung der Einbindung der sozioökonomischen Interessengruppen, die Aufwertung des kulturellen Erbes, eine bessere der Raumplanung usw.

    2.5   Neue Rechtsgrundlage für die territoriale Zusammenarbeit

    2.5.1

    Rückblickend gesehen, hat das Fehlen eines einheitlichen europarechtlichen Rahmens für die grenzübergreifende Zusammenarbeit die Entwicklung einschlägiger Maßnahmen in diesem Bereich gebremst.

    2.5.2

    Die Europäische Kommission hat 2004 die Errichtung europäischer Verbünde für grenzüberschreitende Zusammenarbeit (EVGZ) vorgeschlagen, eine Bezeichnung, die in dem endgültigen Kommissionsvorschlag von „grenzüberschreitend“ in „territorial“ geändert wurde.

    2.5.3

    In der am 31. Juli 2006 angenommenen Verordnung (12) werden folgende Punkte anerkannt:

    Es bedarf geeigneter Maßnahmen zur Reduzierung der Schwierigkeiten, vor welchen die Mitgliedstaaten und insbesondere die Regionen und die lokalen Behörden bei der Durchführung und Verwaltung der Aktionen der territorialen Zusammenarbeit im Rahmen der unterschiedlichen nationalen Vorschriften und Verfahren stehen.

    Zur Überwindung der Hindernisse für die territoriale Zusammenarbeit bedarf es eines Instruments der Zusammenarbeit auf gemeinschaftlicher Ebene, um im Gebiet der Gemeinschaft einen Kooperationsverbund mit eigener Rechtspersönlichkeit unter der Bezeichnung „Europäischer Verbund für territoriale Zusammenarbeit“ (EVTZ) zu gründen.

    Die territoriale Zusammenarbeit sollte gemäß dem in Artikel 5 des Vertrags niedergelegten Subsidiaritätsprinzip geschaffen werden. Gemäß dem ebenda genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Erreichung ihrer Ziele erforderliche Maß hinaus, da die Errichtung eines EVTZ fakultativ ist und im Einklang mit der Verfassungsordnung der jeweiligen Mitgliedstaaten erfolgt.

    3.   Wirtschaftliche Integration und territorialer und sozialer Zusammenhalt

    3.1   Integration und Spezialisierung

    3.1.1

    In den bisherigen großen Mitgliedstaaten ist ein großer Teil der Wirtschaftstätigkeit in zentralen Landesteilen und vielfach in der Hauptstadt und größeren Städten geballt. In jedem Land hat sich eine gewisse wirtschaftliche Spezialisierung unter den Regionen entwickelt.

    3.1.2

    Die europäische Integration fördert die Schaffung neuer Räume für die Zusammenarbeit, wie beispielsweise die Euregios. Mit der europäischen Integration findet die regionale Spezialisierung nicht mehr nur innerhalb der einzelnen Staaten, sondern immer stärker auf gesamteuropäischer Ebene statt. Die Grenzen zwischen den einzelnen Staaten sind keine unüberbrückbare Schranke für Handel und Austausch mehr. Dadurch wird der Aufbau neuer Beziehungen zwischen Regionen, auch mit unterschiedlichem Entwicklungsstand, in den verschiedenen Mitgliedstaaten erleichtert, die allerdings gemeinsame Ziele im Rahmen einer immer stärkeren Spezialisierung auf europäischer Ebene verfolgen.

    3.1.3

    Eine derartige Zusammenarbeit ist insbesondere in Bereichen notwendig, in denen eine Tätigkeit in einem begrenzten Handlungsumfeld ausgeübt und durch den Grenzeffekt stärker beeinträchtigt wird, wie beispielsweise im Fall der KMU.

    3.1.4

    Nach Meinung des Ausschusses sollten die Euregios umfassend zu den Zielen der Politik für den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt der EU beitragen. Die vorrangigen Ziele in dem neuen Vorschlag für eine Territorialpolitik der Europäischen Union lauten dementsprechend Konvergenz, Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und Schaffung neuer Arbeitsplätze, insbesondere in den weniger entwickelten Regionen sowie in den Regionen, die neuen Herausforderungen im Bereich der Spezialisierung gegenüberstehen.

    3.2   Wettbewerbsfähigkeit

    3.2.1

    Die Euregios ermöglichen Kosteneinsparungen. Grundsätzlich bedeutet die Einrichtung einer Euregio größere Märkte (Einsparungen durch Agglomeration), Komplementarität der Produktionsfaktoren und stärkere Anreize für Investitionen. So können bestimmte Innovations- und Entwicklungsinvestitionen durchaus eine direkte Wirkung in einem Radius von 250-500 Kilometern entfalten. Auch wenn einige Euregios diesen Resonanzradius noch übertreffen, so gilt für die meisten doch ein Radius von 50 bis höchstens 100 Kilometern.

    3.2.2

    Die Euregios sind von grundlegender Bedeutung, um in bestimmten Bereichen eine ausreichende kritische Masse zu erreichen, die wiederum eine Reihe von Investitionen in wesentliche Dienste ermöglicht, die ohne grenzübergreifende Zusammenarbeit gar nicht erbracht werden könnten.

    3.2.3

    Die grenzübergreifende Zusammenarbeit zwischen lokalen und regionalen Gebietskörperschaften kann verschiedene öffentliche Dienstleistungen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit bieten:

    Informations-, Kommunikations-, Energie- und Verkehrsnetze sowie weitere grenzübergreifende Infrastrukturen;

    öffentliche Dienstleistungen wie Schulen, Krankenhäuser und Notfalldienste;

    Einrichtungen und Dienste zur Förderung der privaten Wirtschaftstätigkeit, einschl. der Entwicklung des Handels, des Unternehmergeistes und der Zusammenarbeit von grenzübergreifenden Unternehmen, sowie zur Förderung der Schaffung neuer Arbeitsplätze und der Mobilität der Arbeitnehmer.

    3.3   Kohäsion: Schwierigkeiten des grenzübergreifenden Arbeitens

    3.3.1

    Der Großteil der Euregios setzt sich aus Regionen zusammen, die sich in ihrem Entwicklungsniveau ähneln. Es gibt allerdings auch Euregios, die Regionen mit unterschiedlichem Entwicklungsstand umfassen. Ein Zweck der Euregios ist es, wirtschaftliche und andere Tätigkeiten zu fördern, die die Unterschiede zwischen den Regionen mindern. Daher ist ein stärkeres Engagement der betreffenden Mitgliedstaaten und der EU von grundlegender Bedeutung.

    3.3.2

    In Grenzregionen werden die sozialen Investitionen in grundlegende Dienstleistungen oftmals in geringerem Umfang im Vergleich zu dem, was in den zentraler gelegenen Regionen eines Landes investiert wird, vorgenommen. Dies ist häufig darauf zurückzuführen, dass Randgebiete in den Zentren der Beschlussfassung weniger wahrgenommen werden. Dies geht oft mit einer unzureichenden Verfügbarkeit hochwertiger, diversifizierter und rentabler Dienstleistungen einher, insbesondere für besonders schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen (Kinder, Einwanderer, Familien mit geringer Kaufkraft, Menschen mit Behinderungen, chronisch Kranke u.a.).

    3.3.3

    Die Euregios können von großem Nutzen für die Entwicklung derartiger Dienstleistungen sein und so dazu beitragen, diese Bevölkerungsgruppen durch einen grenzübergreifenden Ansatz besser zu schützen. Sie können außerdem den Abbau eines Großteils der rechtlichen, verwaltungstechnischen und finanziellen Hürden und Ungleichheiten fördern, die der Entfaltung ihrer Bürger im Wege stehen. Sie tragen ferner dazu bei, historische Vorurteile auszuräumen, eine gemeinsame Betrachtungsweise zu finden und für ein besseres gegenseitiges Verständnis ihrer jeweiligen Unterschiede zu sorgen.

    3.3.4

    Die Rechtslücken und die unzureichende Rechtsangleichung in Bezug auf die Freizügigkeit von Grenzgängern konnten bislang nur teilweise durch den Acquis communautaire und den Europäischen Gerichtshof geschlossen werden. Angesichts der immer größeren Zahl von Grenzgängern hat sich dies zu einem relevanten Faktor auf europäischer Ebene ausgewachsen, insbesondere im Steuerwesen und im Bereich der sozialen Sicherheit und der Sozialdienste, in denen nach wie vor unterschiedliche Definitionen und Handhabungsweisen von Konzepten wie des Aufenthaltsortes, der familiären Verhältnisse und der Rückerstattung von Gesundheitsausgaben, der Doppelbesteuerung sowie weitere bürokratische Hürden bestehen (13).

    4.   Die grenzübergreifende Zusammenarbeit — ein Mehrwert für die europäische Integration

    4.1   Grenzen überwinden

    4.1.1

    Die Notwendigkeit, über Integrationshindernisse hinwegzukommen, ist Teil des Alltags der Bürgerinnen und Bürger in den Grenzregionen. Es geht nicht darum, die Souveränität der Staaten einzuschränken oder zu verletzen, sondern eine wirksame Zusammenarbeit in allen Lebensbereichen über alle Grenzen hinweg zu ermöglichen, um die Lebensbedingungen für die Bürger zu verbessern und das Europa der Bürger Wirklichkeit werden zu lassen.

    4.1.2

    Die innergemeinschaftlichen Grenzen haben ihre Bedeutung als echte Schranken großteils verloren, doch es bestehen nach wie vor wirtschaftliche, soziokulturelle, verwaltungstechnische und rechtliche Unterscheide, die insbesondere an den Außengrenzen der EU zu spüren sind. Daher ist es das Ziel der grenzübergreifenden Zusammenarbeit, gemeinsame Strukturen, Verfahren und Instrumente zu finden, mit denen die administrativen und normativen Hürden abgebaut und die historisch trennenden Faktoren beseitigt werden können und die Nachbarschaft zu einem Faktor für Mobilität, Wirtschaftsentwicklung und sozialen Fortschritt werden kann. In einem Wort: es gilt, die grenzübergreifenden Regionen zu „Gebieten gemeinsamen Wohlstands“ zu machen.

    4.2   Mehrwert

    4.2.1

    Dank der grenzübergreifenden Zusammenarbeit und ihrer Verwirklichung in Form von Euregios können nicht nur Konflikte vermieden, Katastrophen bewältigt und Barrieren in den Köpfen überwunden, sondern auch die Entwicklung beiderseits der Grenze deutlich verbessert werden. Dieser Mehrwert kann in der Politik, im institutionellen Gefüge, in der Wirtschaft, im sozialen Bereich, in der Kultur und in der europäischen Integration festgemacht werden. Die grenzübergreifende Zusammenarbeit ist ein wertvoller Beitrag zur Förderung des Zusammenlebens, der Sicherheit und der europäischen Integration. Sie ist ein sehr wirkungsvolles Mittel, um die gemeinschaftlichen Grundsätze von Subsidiarität, Partnerschaft sowie wirtschaftlichem, sozialem und territorialem Zusammenhalt umzusetzen und die vollständige Eingliederung neuer Mitgliedstaaten in die EU zu fördern.

    4.2.2

    Diese dauerhaften Strukturen der grenzübergreifenden Zusammenarbeit ermöglichen die aktive und nachhaltige Einbindung der Bürger und der Behörden wie auch länderübergreifender politischer und sozialer Gruppen und fördern das gegenseitige Verständnis und den Aufbau einer vertikalen und horizontalen Partnerschaft ausgehend von den unterschiedlichen Strukturen und Zuständigkeiten in den betreffenden Ländern. Sie ermöglichen darüber hinaus die Verwaltung grenzübergreifender Programme und Projekte oder Mittel aus unterschiedlichen Quellen (EU-, staatliche oder Eigenmittel sowie Mittel von Dritten). Nach Ansicht des Ausschusses hat die gemeinsame Entwicklung derartiger Initiativen bessere Aussichten auf Erfolg, wenn die Zivilgesellschaft eine wichtige Rolle übernimmt.

    4.2.3

    In sozioökonomischer Hinsicht ermöglichen diese Strukturen der grenzübergreifenden Zusammenarbeit die Mobilisierung des Potenzials aller Akteure (Handelskammern, Verbände, Unternehmen, Gewerkschaften, soziale und kulturelle Einrichtungen, Umweltorganisationen, Tourismusverbände usw.), die Öffnung der Arbeitsmärkte und die Harmonisierung der beruflichen Qualifikationen, die Förderung der Wirtschaftsentwicklung und der Schaffung neuer Arbeitsplätze durch Maßnahmen in anderen Bereichen, wie Infrastruktur, Verkehr, Tourismus, Umwelt, Bildung, Forschung und KMU-Zusammenarbeit.

    4.2.4

    Im soziokulturellen Bereich liegt der Mehrwert der grenzübergreifenden Zusammenarbeit in der ständigen Verbreitung des allgemeinen Wissens, also einer Verbreitung sozusagen in Form eines „grenzübergreifenden Kontinuums“, das in unterschiedlichen Veröffentlichungen und Formaten aufgegriffen werden kann. Auf diese Weise können auch Netze von Einrichtungen angesprochen werden, die ihrerseits als Multiplikatoren agieren, beispielsweise Bildungseinrichtungen, Umweltschutzorganisationen, Kulturverbände, Bibliotheken und Museen. Die grenzübergreifende Zusammenarbeit trägt außerdem zur Chancengleichheit und zur guten Beherrschung der Sprache des Nachbarlandes einschl. örtlicher Dialekte bei — beides grundlegende Elemente der grenzübergreifenden regionalen Entwicklung und Grundvoraussetzungen für die Kommunikation.

    4.2.5

    Eine derartige grenzübergreifende Zusammenarbeit in Form dauerhafter Strukturen, wie es Euregios sind, bringt aufgrund der Komplementarität der grenzübergreifenden Programme und Projekte, der freigesetzten Synergien, der gemeinsamen Forschung und Innovation, der Schaffung dynamischer und stabiler Netze, des Austausches von Erfahrungen und bewährter Verfahren, der indirekten Auswirkungen des Wegfalls der Grenzen sowie der grenzübergreifenden, effektiven Verwaltung der zur Verfügung stehenden Ressourcen einen zusätzlichen Nutzen für die nationalen Maßnahmen.

    4.3   Hindernisse

    Allerdings gibt es nach wie vor bestimmte Umstände, die die grenzübergreifende Zusammenarbeit behindern (14). Zu nennen sind hier u.a.:

    rechtliche Einschränkungen für grenzübergreifende Tätigkeiten der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften aufgrund der einzelstaatlichen Gesetzgebung;

    unterschiedliche Strukturen und Befugnisse der einzelnen Verwaltungsebenen beiderseits der Grenze;

    fehlendes politisches Engagement, insbesondere auf nationaler Ebene, zur Aufhebung dieser Einschränkungen, beispielsweise durch nationale Regelungen oder bilaterale Abkommen;

    fehlender gemeinsamer Rahmen im Steuerwesen und im Bereich der sozialen Sicherheit sowie fehlende Anerkennung von Hochschuldiplomen und Berufsbefähigungsnachweisen;

    unterschiedliche Wirtschaftsstrukturen beiderseits der Grenze;

    sprachliche, kulturelle und psychologische Barrieren, insbesondere Vorurteile und historische Gegnerschaften zwischen den Völkern.

    4.4   Allgemeine Grundsätze der grenzübergreifenden Zusammenarbeit

    4.4.1

    Mittels zahlreicher Beispiele aus ganz Europa kann eine Reihe allgemeiner Grundsätze für den Erfolg der grenzübergreifenden Zusammenarbeit ausgemacht werden:

    Bürgernähe: Die Menschen in den Grenzregionen wollen die Zusammenarbeit, um die Schwierigkeiten zu überwinden, denen sie gegenüberstehen, oder um ihre Lebensbedingungen zu verbessern.

    Einbindung der politischen Entscheidungsträger (auf lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene): Sie ist für eine gute grenzübergreifende Zusammenarbeit von grundlegender Bedeutung.

    Subsidiarität: Die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften haben bewiesen, dass sie für die Verwirklichung der grenzübergreifenden Zusammenarbeit am besten geeignet sind, auch wenn die Zusammenarbeit mit der nationalen Regierung unerlässlich ist.

    Partnerschaft: Die Einbindung aller Akteure beiderseits der Grenze ist notwendig, um gemeinsame Ziele zu erreichen.

    Gemeinsame Strukturen: Gemeinsame Strukturen mit gemeinsamen Ressourcen (technische Mittel, Verwaltungs-, Finanz- und Beschlussfassungsinstrumente) sind der Garant für eine dauerhafte Tätigkeit und eine kontinuierliche Weiterentwicklung wie auch für die Ausübung bestimmter Befugnisse, die Verwaltung von Programmen (einschl. europäischer Programme), die Konsensfindung über die Grenzen hinweg und die Abwendung nationaler Egoismen.

    5.   Entwicklung kooperativer Entscheidungsstrukturen

    5.1   Neue Räume erfordern neue Entscheidungsstrukturen

    5.1.1

    Die Euregios sind territoriale Einheiten, in denen neue Modelle der Zusammenarbeit innerhalb des öffentlichen und des privaten Sektors wie auch zwischen diesen beiden Sektoren für die Festlegung neuer vernetzter Politiken mit einer stärkeren Einbindung aller wirklich Betroffenen umgesetzt werden.

    5.1.2

    Das Konzept der Governance als Lenkungssystem kann als stärker partizipativ und horizontal ausgerichtete Form des Regierens im Vergleich zu den herkömmlichen, stärker hierarchisch und vertikal ausgerichteten Formen angesehen werden. Im Fall der Euregios ist die Governance besonders komplex und interessant, da es hier darum geht, gemeinsame Lösungen für gemeinsame Probleme zu finden.

    5.1.3

    Die Euregios tragen in immer stärkerem Maße zu dem für die europäische Governance unerlässlichen Subsidiaritätsaspekt in der europäischen Politik zur Förderung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts bei.

    5.1.4

    Der EWSA vertritt in diesem Zusammenhang die Ansicht, dass Euregios und ähnliche Strukturen einen wesentlichen Beitrag zur Vertiefung des europäischen Integrations- und Einigungsprozesses leisten sollten.

    5.1.5

    Die Einrichtung von Euregios erfordert ihrerseits eine Zusammenarbeit zwischen institutionellen und gesellschaftlichen Akteuren, die von oftmals sehr unterschiedlichen Traditionen und Denkweisen geprägt sind. Dass man Nachbar ist, bedeutet nicht automatisch, dass man stärker zusammenarbeitet. Daher sind die Institutionen und die Organisationen der Zivilgesellschaft auch von grundlegender Bedeutung in der horizontalen Governance.

    5.1.6

    Die Teilnahme von Vertretern der wirtschaftlichen und sozialen Bereiche an der Verwaltung der Euregios erfordert die Schaffung eines entsprechenden institutionellen Rahmens. Es sind Wege zu finden, die Organisationen der Zivilgesellschaft in die Konzipierung und Durchführung der politischen Maßnahmen, die auf unterschiedlichen Ebenen der Zusammenarbeit in zwei oder mehreren Mitgliedstaaten gesetzt werden, einzubinden. Die Teilnahme der sozialen Akteure am EURES-Netz in grenzübergreifenden Bereichen ist ein wichtiger konkreter Schritt für die Umsetzung dieses Grundsatzes.

    6.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    6.1

    Die Annahme der Verordnung über den Europäischen Verbund für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ) und die Aufnahme eines neuen Zieles für die territoriale Zusammenarbeit hat neue Möglichkeiten für das Handeln der Euregios eröffnet. Denn einerseits wird damit ein gemeinschaftliches Rechtsinstrument für die grenzübergreifende Zusammenarbeit geschaffen und andererseits den Mitgliedstaaten auf ihren verschiedenen Ebenen die Möglichkeit an die Hand gegeben, sich an der territorialen grenzübergreifenden Zusammenarbeit zu beteiligen. Außerdem bedeutet der Schritt von der „grenzübergreifenden“ hin zur „territorialen Zusammenarbeit“, dass die Euregios ihren Handlungsspielraum über die eigentlichen Bereiche der Zusammenarbeit auf der lokalen Ebene und in benachbarten Gebietskörperschaften hinaus auf die integrierte Entwicklung umfassenderer Gebiete mit gemeinsamem Synergie- und Entwicklungspotenzial ausweiten können.

    6.2

    Daher ist die von den Euregios geförderte territoriale Zusammenarbeit aus Sicht des EWSA ein grundlegendes Element, um die europäische Integration voranzubringen, die durch die Staatsgrenzen bedingte wirtschaftliche, soziale und kulturelle Kluft zu verringern und den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt zu stärken. Der Ausschuss spricht sich daher dafür aus, der grenzübergreifenden territorialen Zusammenarbeit in der kommenden Debatte über die endgültige Fassung des neuen EU-Vertrags besonderes Augenmerk zu widmen.

    6.3

    Damit die europäische territoriale Zusammenarbeit die durch die vorgenannten Reformen geschaffenen Erwartungen auch wirklich erfüllen kann, ist nach Auffassung des Ausschusses eine stärkere Beteiligung der Mitgliedstaaten und ihrer nachgeordneten Gebietskörperschaften an der Entwicklung der Euregios erforderlich. Hierfür wären einzelstaatliche Strategien für die territoriale Zusammenarbeit im Gemeinschaftsrahmen notwendig. Die Mitgliedstaaten müssten außerdem insbesondere zur Lösung der dringlichsten Probleme der Bevölkerung in den Grenzregionen beitragen, die in der Regel in den Bereichen Arbeitsmarkt, Gesundheit, Sozialschutz, Bildung und Verkehr zu finden sind.

    6.4

    Nach Meinung des Ausschusses wäre für eine bessere Wirksamkeit der Maßnahmen der territorialen Zusammenarbeit und in Anwendung des Subsidiaritätsprinzips eine Ausweitung der direkten Verwaltung der grenzübergreifenden und in bestimmten Fällen auch transnationalen Projekte, die mit EU- oder staatlichen Mitteln finanziert werden, durch die EVTZ erforderlich.

    6.5

    Damit die Euregios zu „Gebieten gemeinsamen Wohlstands“ werden, müsste ferner der private Unternehmensbereich (einschließlich der Sozialwirtschaft) stärker in grenzübergreifende Entwicklungsinitiativen eingebunden werden, wobei der Bedeutung der KMU als Rückgrat des Produktionsgeflechts und für die Schaffung von Arbeitsplätzen Rechnung zu tragen ist.

    6.6

    Nach Ansicht des Ausschusses sind die Euregios wie auch die EVTZ, die gemäß der Verordnung Nr. 1082/2006 eingerichtet werden, eine beispielhafte Verwirklichung der Grundsätze des europäischen Regierens, die die Europäische Kommission in ihrem Weißbuch 2001 erläutert hat. Die Wirksamkeit der grenzübergreifenden Tätigkeiten und Maßnahmen und der territorialen Zusammenarbeit ganz allgemein hängt somit von einer echten „Partnerschaft“ zwischen allen beteiligten territorialen und sozioökonomischen Akteuren ab. In diesem Sinne sollten nach Ansicht des Ausschusses Mechanismen für die Teilnahme der repräsentativen Einrichtungen der organisierten Zivilgesellschaft in die Projekte der territorialen Zusammenarbeit konzipiert werden.

    6.7

    Der Ausschuss spricht sich insbesondere dafür aus, dass das EURES-Netz zu einem europäischen Instrument weiterentwickelt wird, das eine zentrale Mittlerfunktion zwischen Nachfrage und Angebot auf dem Arbeitsmarkt übernimmt. Der grenzübergreifende Bereich ist in diesem Zusammenhang ein wichtiges Erprobungsfeld. Daher bedauert der Ausschuss den seit Jahren festzustellenden Trend zu einer „Renationalisierung“ der Verwaltung des EURES-Netzes und plädiert für dessen echte grenzübergreifende Verwaltung. Im Übrigen hat EURES neben seiner Mittlerfunktion auf dem Arbeitsmarkt auch eine wichtige Rolle als Impulsgeber für den sozialen Dialog in angrenzenden transnationalen Bereichen.

    6.8

    Die Organisationen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens haben eine unbestritten wichtige Funktion für die europäische Integration. In dieser Hinsicht begrüßt der Ausschuss die Ansätze zu einem Agieren über nationale Grenzen hinweg, u.a. in Form der interregionalen Gewerkschaftsverbände, der verschiedenen Arten der transnationalen Zusammenarbeit und des Zusammengehens zwischen Unternehmerverbänden, Handelskammern, Forschungszentren und Hochschulen oder der Gründung interregionaler Wirtschafts- und Sozialräte. Solche Ansätze müssen gestärkt und weiterentwickelt werden, wofür der Ausschuss seine Unterstützung anbietet, soweit ihm dies möglich ist.

    6.9

    Die Euregios spielen aus Sicht des Ausschusses sowohl für die Wirtschaftsentwicklung wie auch die Sicherheit der Bürger und die soziale Integration eine wichtige Rolle in den Grenzregionen mit Drittländern und können eine noch wichtigere Rolle übernehmen. Daher spricht er sich dafür aus, dass diese Art von Einrichtungen und ihre Arbeit Gegenstand der Nachbarschafts- und Heranführungspolitik der EU werden.

    6.10

    In Anbetracht des im Rahmen der grenzübergreifenden Zusammenarbeit gesammelten reichen Erfahrungsschatzes (einige Beispiele sind im Anhang dieser Stellungnahme dargelegt) und der Tatsache, dass selbst andere Euregios kaum darüber Bescheid wissen, ist der Ausschuss der Auffassung, dass die Ausarbeitung eines einschlägigen „Leitfadens für bewährte Verfahren“ seitens der Europäischen Kommission, in dem auch Beispiele bestehender ÖPP aufgegriffen werden, sehr zweckdienlich wäre.

    6.11

    Die Bewertung einer so facettenreichen Frage wie der hier erörterten kann nicht in einer einzigen Stellungnahme vorgenommen werden. Der Ausschuss hält es daher für angebracht, diese Thematik (die territoriale grenzübergreifende Zusammenarbeit und die sie tragenden Strukturen) in weiteren Stellungnahmen zu Themen von grenzübergreifendem, gemeinsamem Interesse, wie Arbeitsmarkt, Tourismus, Entwicklungspole u.a., zu behandeln.

    Brüssel, den 11. Juli 2007

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Dimitris DIMITRIADIS


    (1)  Siehe AGEG: „Praktisches Handbuch zur grenzübergreifenden Zusammenarbeit“, 2000.

    (2)  Mit „Euregio“ sind im Folgenden auch weitere ähnliche Strukturen mitgemeint.

    (3)  Saarland — Lothringen — Großherzogtum Luxemburg — Rheinland-Pfalz — Wallonische Region — Französische Gemeinschaft Belgiens — Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens.

    (4)  Derzeit gibt es mehr als 168 Euregios und ähnliche Strukturen. Rund die Hälfte aller Regionen der EU-Mitgliedstaaten ist Teil einer Euregio.

    (5)  Entschließung des Europäischen Parlaments vom 1. Dezember 2005 zu der Rolle der „Euroregionen“ bei der Entwicklung der Regionalpolitik.

    (6)  KOM(2004) 101 endg.

    (7)  EWSA-Stellungnahme zu der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: „Unsere gemeinsame Zukunft aufbauen — Politische Herausforderungen und Haushaltsmittel der erweiterten Union — 2007-2013“, ABl. C 74 vom 23.3.2005, S. 32.

    (8)  KOM(2004) 495 endg., Artikel 6: Europäische territoriale Zusammenarbeit.

    (9)  EWSA-Stellungnahmen zu den „(…) allgemeinen Bestimmungen“ der Fonds, zum „Kohäsionsfonds“, zum „Europäischen Fonds für regionale Entwicklung“ sowie zu dem „Europäischen Verbund für grenzüberschreitende Zusammenarbeit“, ABl. C 255 vom 14.10.2005, S. 76, 79, 88 und 91.

    (10)  ABl. L 210 vom 31.7.2006.

    (11)  KOM(2005) 299 endg. und KOM(2006) 386 endg., vom Rat am 5. Oktober 2006 angenommen.

    (12)  ABl. L 210 vom 31.7.2006.

    (13)  Die künftige Beobachtungsstelle für Beschäftigung des EWSA könnte eine Folgestellungnahme zur Problematik der Arbeit in Grenzregionen und der grenzübergreifenden Beschäftigung ausarbeiten.

    (14)  Siehe EWSA-Stellungnahme zum Thema „Bewältigung des industriellen Wandels in grenzüberschreitenden Regionen nach der Erweiterung der Europäischen Union“ vom 21. April 2006, ABl. C 185 vom 8.8.2006.


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