Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52001AE1489

    Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der "Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, die für die Behandlung mit ionisierenden Strahlen in der Gemeinschaft zugelassen sind"

    ABl. C 48 vom 21.2.2002, p. 86–88 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

    52001AE1489

    Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der "Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, die für die Behandlung mit ionisierenden Strahlen in der Gemeinschaft zugelassen sind"

    Amtsblatt Nr. C 048 vom 21/02/2002 S. 0086 - 0088


    Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der "Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, die für die Behandlung mit ionisierenden Strahlen in der Gemeinschaft zugelassen sind"

    (2002/C 48/21)

    Die Kommission beschloss am 8. August 2001, den Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft um Stellungnahme zu der vorgenannten Mitteilung zu ersuchen.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 21. November 2001 an. Berichterstatter war Herr Jaschick.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 386. Plenartagung (Sitzung vom 28. November 2001) mit 104 gegen 4 Stimmen bei 5 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme.

    1. Einleitung

    1.1. Nur selten werden Lebensmittel zum Zeitpunkt oder am Ort ihrer Entstehung oder Gewinnung verzehrt. Während des in der Regel notwendigen Transports und der Lagerung sind Lebensmittel Einfluessen ausgesetzt, die zu einer Minderung der Qualität oder gar zum Verderb führen können.

    1.2. Die herkömmlichen Methoden, die dies verhindern sollen, sind u. a. Trocknen, Erhitzen, Kühlen, Räuchern, ferner Tiefgefrieren oder die Lagerung unter kontrollierter Atmosphäre (CA). Auch die Behandlung von Lebensmitteln mit ionisierenden Strahlen dient der Reduzierung von Mikroorganismen sowie Parasiten oder hemmt die Keimung. Darüber hinaus kann die ionisierende Bestrahlung zur Erfuellung von Quarantäne-Vorschriften bei Obst (USA) oder Honig (Südafrika) dienen, um das Einschleppen von Insekten oder Krankheitskeimen in davon freie Gebiete zu verhindern.

    1.3. Seit März 2001 müssen alle mit Strahlen behandelten Lebensmittel den Richtlinien 1999/2/EG und 1999/3/EG entsprechen. Die Richtlinie 1999/2/EG verpflichtet die Kommission, bis Ende 2000 eine Ergänzung der Positivliste der für die Bestrahlung zugelassenen Lebensmittel vorzulegen. Allerdings gilt weiterhin Artikel 4 (4) der Richtlinie 1999/2/EG, der unter bestimmten Bedingungen die Beibehaltung bisheriger Zulassungen für bestrahlte Lebensmittel erlaubt, solange die Positivliste nicht abschließend erstellt ist.

    1.4. Nach dieser Richtlinie darf die ionisierende Bestrahlung für Lebensmittel und Lebensmittelzutaten nur dann zugelassen werden, wenn insbesondere die technische Notwendigkeit besteht, die gesundheitliche Unbedenklichkeit vorliegt, ein Nutzen für den Verbraucher gegeben ist und die Bestrahlung nicht als Ersatz für gute Hygienepraxis oder Gesundheitsmaßnahmen gedacht ist.

    1.5. Zahlreiche Experten und Vertreter der Verbraucher, der anbietenden Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung und internationaler Gremien wurden bereits angehört. Das Ergebnis dieser Anhörungen ist komplex und kontrovers.

    1.5.1. Die Verbraucherverbände halten die Bestrahlung für nicht notwendig, sofern die gute Hygienepraxis angewandt wird. Wenn überhaupt, dann dürfe man diese Technik nur sehr restriktiv anwenden.

    1.5.2. Viele Lebensmittelhersteller sprechen sich gegen eine Aufnahme ihrer Erzeugnisse in die Positivliste aus. Sie befürchten u. a. einen Imageverlust ihrer Erzeugnisse.

    1.5.3. Die International Consultative Group on Food Irradiation der FAO/WHO, Forschungseinrichtungen und auch die Bestrahlungsindustrie votieren für eine Zulassung mindestens jener Erzeugnisse, zu denen der Wissenschaftliche Lebensmittelausschuss eine positive Stellungnahme abgegeben hat. Die Bestrahlung sei auch "der beste Ersatz für die Begasung von Obst und Gemüse und sie könne auch ganz allgemein schädliche Chemikalien ersetzen." In der Stellungnahme der US-Regierung im Rahmen der EU-Konsultation wird besonders herausgearbeitet, dass es keine wissenschaftlich begründeten und nachvollziehbaren Gründe für eine Einschränkung der Bestrahlung von Lebensmitteln gibt. Diese Behauptung wird in der Stellungnahme der Food Commission (UK) Ltd. jedoch stark kritisiert.

    1.6. Nun will die Kommission auf der Grundlage ihrer Mitteilung(1) eine noch breiter angelegte Debatte führen.

    2. Allgemeine Bemerkungen

    2.1. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (WSA) begrüßt die sehr informative Mitteilung der Kommission. Sie stellt in hervorragender Weise die Reaktionen auf ihr Konsultationspapier zusammen, so dass sich die befragten Kreise in diesem Dokument mit ihrer Position wiederfinden.

    2.2. Der WSA rekurriert auf seine grundsätzliche Stellungnahme vom 31.5.1989(2) und bekräftigt die dort vertretene Position:

    "Unter den genannten Voraussetzungen hält es der Ausschuss nicht für ratsam, über die Bestrahlung von Gewürzen hinaus gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften für die Bestrahlung von Lebensmitteln zuzustimmen, solange die EG-Kommission nicht einen schlüssigen Nachweis für die technologische Notwendigkeit und die gesundheitliche Unbedenklichkeit dieser Konservierungsmethode vorgelegt hat."

    2.2.1. Zur technologischen Notwendigkeit. Nach vorherrschender wissenschaftlicher Meinung ist die Bestrahlung von Lebensmitteln allein schon dann und deshalb technisch notwendig und sinnvoll, wenn es bisher eine chemische Anwendung für denselben Zweck gab. Bewusste Verbraucher stehen nämlich dem Einsatz von Chemikalien wegen ihrer möglichen Rückstände kritisch gegenüber.

    2.2.2. Zur gesundheitlichen Unbedenklichkeit. Die Bestrahlung von Lebensmitteln führt nicht zu einer Radioaktivierung der bestrahlten Lebensmittel (das heißt, die bestrahlten Lebensmittel werden nicht selbst zu Strahlern). Eine ausreichende Bestrahlung von Lebensmitteln zerstört vielmehr schädliche Organismen (Fäulniskeime, Krankheitserreger, Parasiten) und trägt so zu mehr Verbraucherschutz bei. Sie ist nach vorherrschender wissenschaftlicher Meinung sicher. Auch die WHO hat die Bestrahlung von Lebensmitteln mehrfach als gesundheitlich unbedenklich bezeichnet.

    2.2.3. Zum weiteren Ersuchen des WSA (vom 31.5.1989) um einen Bericht über die Beurteilung der Lebensmittelbestrahlung seitens bestimmter internationaler Organisationen.

    2.2.3.1. Die Verbraucherverbände (BEUC, CI) stehen der Bestrahlung von Lebensmitteln sehr kritisch gegenüber. Bei guter Hygienepraxis sei die Bestrahlung weder technisch sinnvoll noch notwendig. Falls überhaupt, solle diese Technik so restriktiv wie möglich angewandt werden.

    2.2.3.2. Die WHO befürwortet die Bestrahlung, um Krankheitserreger in Lebensmitteln zu reduzieren.

    2.2.3.3. JEFCI und Codex Alimentarius sehen keine Beschränkung der Bestrahlung auf bestimmte Lebensmittel vor.

    2.2.3.4. FAO/IAEO/WHO vertreten den Standpunkt, dass Lebensmittel, die mit einer zur Erzielung des beabsichtigten technischen Zweckes geeigneten Dosis bestrahlt wurden, sowohl unbedenklich verzehrt werden können als auch ernährungsmäßig adäquat sind.

    2.2.4. Zum Ersuchen des WSA um einen Bericht über die Weiterentwicklung von alternativen Methoden der Konservierung. Ein solcher Bericht liegt nicht vor, da alternative Methoden zur Konservierung bisher nicht bis zur Praxisreife weiterentwickelt wurden.

    2.2.5. Zum Ersuchen des WSA um einen Bericht über die Nachweismöglichkeiten der Bestrahlung. Analytische Nachweisverfahren für bestrahlte Lebensmittel sind inzwischen für praktisch jeden Anwendungsfall verfügbar. Fünf Methoden sind bereits CEN-Standards, weitere befinden sich im Stadium der Prüfung(3).

    2.2.6. Zum Ersuchen des WSA um einen Bericht über die internationale Praxis der Bestrahlung. Ein solcher Bericht liegt nicht vor. Die Bestrahlung von Lebensmitteln wird weltweit auf 200000 t pro Jahr geschätzt.

    2.2.7. Zum Ersuchen des WSA um einen Bericht über die Einfuhr von Produkten, bei denen häufig Bestrahlung praktiziert wird. Ein solcher Bericht liegt dem Berichterstatter nicht vor. Es ist bekannt, dass in Frankreich z. B. bestrahlte Froschschenkel aus Drittländern importiert wurden. Nach geltendem Recht werden erst zukünftig amtliche Erhebungen durch die Kommission möglich sein.

    2.2.8. Zum Ersuchen des WSA um einen Bericht über die Feststellung der Kapazität der in der Gemeinschaft installierten einschlägigen Anlagen. Nach geltendem Recht müssen die Mitgliedstaaten alle zugelassenen Anlagen melden. Eine erste Liste mit gemeldeten Anlagen liegt bereits vor(4).

    2.2.9. Zum Ersuchen des WSA um einen Bericht über den Stand der Diskussion in den Mitgliedsländern, der Kommission und im Rat. Ein solcher detaillierter Bericht liegt dem Berichterstatter nicht vor. Ein gewisser unbefriedigender Diskussionsstand ergibt sich aber aus der Mitteilung der Kommission, die zur Zeit keine Möglichkeit sieht, die in der Richtlinie 1999/2/EG geforderte Positivliste aufzustellen.

    3. Empfehlungen

    3.1. Der Ausschuss hielt es in seiner Stellungnahme vom 31. Mai 1989 (siehe Ziffer 2.2) nicht für ratsam, über die Bestrahlung von Gewürzen hinaus gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften für die Bestrahlung von Lebensmitteln zuzustimmen, solange nicht bestimmte Nachweise und Berichte vorliegen.

    3.2. Die vom Ausschuss gewünschten Nachweise und Berichte (Ziffer 2.2.1-2.2.9) liegen inzwischen teilweise vor.

    3.3. Die Kennzeichnung von Lebensmitteln, die als solche bestrahlt sind oder bestrahlte Bestandteile enthalten, ist zwingend vorgeschrieben. Es existieren praktikable Analyseverfahren zum Nachweis bestrahlter Lebensmittel. Deshalb ist der informierte Verbraucher, auch der am nachhaltigen Konsum interessierte, in der Lage, eine verantwortungsbewusste Kaufentscheidung zu treffen oder Konsumverzicht zu üben.

    3.4. Nach Meinung des Ausschusses sollte die allgemeine Bestrahlung von Lebensmitteln wegen vorhandener Ängste und Vorbehalte in Teilen der Bevölkerung zurückhaltend gehandhabt werden. Dabei sollte aber berücksichtigt werden, dass in der ionisierenden Bestrahlung von Lebensmitteln nach vorherrschender Meinung der Wissenschaft keine Gefahr für den Verbraucher gesehen werden kann.

    3.5. Der Ausschuss unterstreicht die Bedeutung der anstehenden Regelungen für den EWR und geht davon aus, dass die innerhalb der EU stattfindende umfangreiche, offene Diskussion gleichermaßen in allen Ländern des EWR geführt wird.

    Brüssel, den 28. November 2001.

    Der Vorsitzende

    des Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Göke Frerichs

    (1) KOM(2001) 472.

    (2) ABl. C 194 vom 31.7.1989, S. 14, Berichterstatter: Herr Gardner.

    (3) Die umfassende Verfügbarkeit solcher Methoden ergibt sich auch daraus, dass diese und weitere Methoden in Deutschland als DIN-Standards angenommen sind und von den Untersuchungsämtern in der Praxis genutzt werden.

    (4) Die Strahlenbelastung der Mitarbeiter in Bestrahlungsanlagen ist - nach Auskunft von Experten - (wegen der Betonabschirmungen) in der Regel geringer als im Freien.

    Top