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Document 52001AE1482

    Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten"

    ABl. C 48 vom 21.2.2002, p. 63–67 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

    52001AE1482

    Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten"

    Amtsblatt Nr. C 048 vom 21/02/2002 S. 0063 - 0067


    Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten"

    (2002/C 48/14)

    Der Rat beschloss am 6. Juni 2001, den Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 63 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu dem vorgenannten Vorschlag zu ersuchen.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 7. November 2001 an. Berichterstatter war Herr Mengozzi, Mitberichterstatter Herr Pariza Castaños.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 386. Plenartagung (Sitzung vom 28. November 2001) mit 115 gegen 1 Stimme bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme.

    1. Einleitung

    1.1. Der hier behandelte Vorschlag ist Teil einer Reihe von Richtlinienvorschlägen, die gegenwärtig vom Ausschuss geprüft werden und die die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems zum Ziel haben. Er orientiert sich an Ziffer 14 der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Tampere zur Umsetzung von Artikel 63 EG-Vertrag.

    1.2. Folgende Ziele werden mit dem Vorschlag verfolgt:

    - Festlegung von Mindestnormen betreffend die Bedingungen für die Aufnahme von Asylbewerbern;

    - Bestimmung der je nach Phase oder Art des Asylverfahrens unterschiedlichen Aufnahmebedingungen für Asylbewerber bzw. Personengruppen;

    - Steigerung der Effizienz der einzelstaatlichen Aufnahmestrukturen;

    - Eindämmung der Sekundärmigrationen;

    - Sicherstellen, dass Asylbewerbern in allen Mitgliedstaaten vergleichbare Lebensbedingungen geboten werden.

    1.3. Bei der Vorbereitung konsultierte die Kommission den UNHCR und mehrere einschlägige Nichtregierungsorganisationen.

    2. Wesentlicher Inhalt des Vorschlags

    2.1. Der Kommissionsvorschlag gliedert sich in acht Kapitel.

    2.2. Im ersten Kapitel werden der Anwendungsbereich festgelegt und die verwendeten Begriffe bestimmt. Insbesondere wird darin festgelegt, dass:

    - die Bestimmungen der Richtlinie nicht für EU-Bürger gelten;

    - nicht verheiratete Paare nur in denjenigen Staaten wie Ehepaare behandelt werden, die in ihren Rechtsvorschriften unverheiratete Paare mit Ehepaaren gleichstellen;

    - indessen keine Unterscheidung im Hinblick auf unterhaltsberechtigte Kinder der Eltern gemacht wird;

    - die Richtlinie auf Asylanträge, die in den diplomatischen Vertretungen der Mitgliedstaaten gestellt werden, nicht angewandt wird;

    - es im Ermessen der Mitgliedstaaten liegt, die Richtlinie auch auf Verfahren anzuwenden, bei denen es um andere Formen des Schutzes als die nach der Genfer Flüchtlingskonvention zu gewährenden geht.

    2.3. Kapitel II enthält die allgemeinen Bestimmungen hinsichtlich der Vorteile, die den Asylbewerbern einzuräumen sind:

    - Sie erhalten alle notwendigen Informationen;

    - ihnen wird ein Dokument ausgehändigt, das ihren Status bescheinigt;

    - sie genießen in der Gesamtheit bzw. Teilen des Hoheitsgebiets des betreffenden Mitgliedstaates Bewegungsfreiheit;

    - sie können die Einheit der Familie wahren;

    - sie erhalten Zugang zur medizinischen und psychologischen Versorgung;

    - Minderjährigen wird der Zugang zum Schulbesuch garantiert;

    - sie haben Zugang zum Arbeitsmarkt und zur beruflichen Bildung.

    2.4. Kapitel III und IV enthalten Bestimmungen über die materiellen Aufnahmebedingungen, die eine angemessene Lebensqualität und den Schutz der Grundrechte der Asylbewerber gewährleisten müssen. Sie behandeln u. a. die Unterbringung und die medizinische und psychologische Versorgung.

    2.5. In Kapitel V werden die Fälle negativen Verhaltens aufgelistet, die zur Einschränkung oder Aberkennung von Aufnahmebedingungen führen können, wie z. B.:

    - Untertauchen;

    - Rücknahme eines Asylantrags;

    - Verschweigen vorhandener finanzieller Mittel;

    - Einschätzung des Asylbewerbers als Bedrohung für die nationale Sicherheit;

    - gewalttätiges Verhalten.

    2.6. Kapitel VI behandelt die Bestimmungen für Personen mit besonderen Bedürfnissen wie Minderjährige, Behinderte, ältere Menschen, Schwangere, Opfer sexuellen Missbrauchs oder sexueller Ausbeutung, Opfer von Folter oder Gewalt und Alleinerziehende.

    2.7. In Kapitel VII werden Maßnahmen zur Verbesserung der Effizienz des Aufnahmesystems festgelegt, und Kapitel VIII enthält die Schlussbestimmungen. Im Einzelnen regeln diese Kapitel die Zusammenarbeit und Koordinierung unter den Mitgliedstaaten und mit der Kommission, die Aufgaben der kommunalen Ebene, das System zur Lenkung, Überwachung und Steuerung auf einzelstaatlicher und gemeinschaftlicher Ebene sowie die Umsetzung der Richtlinie durch die Mitgliedstaaten bis spätestens zum 31. Dezember 2002.

    3. Allgemeine Bemerkungen

    3.1. Der Ausschuss begrüßt die Ziele des vorliegenden Richtlinienvorschlags, erklärt sich mit dem Grundgehalt einverstanden und bringt einige inhaltliche Anmerkungen vor. Dabei muss vorausgeschickt werden, dass die Mindestnormen sich auf die besten Praktiken beziehen müssen und dass ein einheitlicher und menschenwürdiger Aufnahmestandard die beste Voraussetzung für einen erfolgreichen Integrationsprozess oder für eine erfolgreiche Rückkehr in die Herkunftsländer bietet, wenn die Voraussetzungen dafür bestehen.

    3.2. Er weist darauf hin, dass die erörterten Themen - die dem in Artikel 13, 14 und 15 der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Tampere vom 15. und 16. Oktober 1999 erteilten Mandat entsprechen - unter dem Aspekt der Menschenrechte angegangen werden müssen und zu einem Gebiet des internationalen Rechts gehören, das nicht nur durch die Genfer Flüchtlingskonvention und das New Yorker Protokoll von 1967 geregelt ist, sondern bei dem ebenso die Europäische Menschenrechtskonvention, der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung und die Konvention über die Rechte des Kindes beachtet werden müssen.

    3.3. Wenngleich sich der Richtlinienvorschlag auf zahlreiche internationale Rechtsinstrumente bezieht, so wird doch der Gebrauch des Terminus "Rechte" vermieden und durch unterschiedliche Formulierungen wie "Freiheit", "Möglichkeit zu ...", "Zugang zu ..." oder durch Kann-Bestimmungen ersetzt. Einzige Ausnahme bildet das mehrfach zitierte Recht auf das Beschreiten des Rechtswegs. Insgesamt entsteht das Bild eines Asylbewerbers, der im Grunde genommen seiner Rechte beraubt ist. Für den Ausschuss ist es fraglich, ob sich dieses Bild in den oben erwähnten Rahmen des internationales Rechts einfügen lässt.

    4. Besondere Bemerkungen

    4.1. Der Ausschuss erachtet es als selbstverständlich, dass die Bestimmungen dieser Richtlinie auch auf Verfahren zur Prüfung solcher Anträge angewendet werden, die einen anderen als den nach der Genfer Flüchtlingskonvention gewährten Schutz zum Ziel haben (Artikel 3).

    4.1.1. Es scheint unumgänglich, dass nicht verheiratete Partner (Artikel 2) nur in solchen Staaten mit Ehepartnern gleichgestellt werden können, die in ihren eigenen Rechtsvorschriften eine derartige Regelung vorsehen. Andernfalls würde eine Diskriminierung geschaffen bzw. die Einheitlichkeit der diesbezüglichen nationalen Rechtsvorschriften würde beeinträchtigt.

    4.2. Die Frage der Bewegungsfreiheit (Artikel 7) ist ein besonders heikles Problem, denn die Wahrung dieses Grundrechts ist nur schwer mit den Erfordernissen bezüglich einer zügigen Bearbeitung des Asylantrags zu vereinbaren. Der Ausschuss anerkennt die Bemühung, die Restriktionen auf die mit der Richtlinie verfolgten Zielsetzungen zu beschränken und sie durch Ausnahmen sowie durch ein Widerspruchsrecht bei einer gerichtlichen Instanz auszugleichen. Gleichwohl kann nicht übersehen werden, dass diese Beschränkung die Wirksamkeit anderer Zugeständnisse, wie z. B. des Zugangs zum Arbeitsmarkt, beeinträchtigt. Deshalb ist er der Auffassung, dass - mit Ausnahme verwaltungstechnisch begründeter Einzelfälle, die einer zeitlichen Beschränkung unterliegen müssen, die Bewegungsfreiheit für das gesamte Staatsgebiet zugestanden werden muss.

    4.3. Der materielle und moralische Vorteil, den die Möglichkeit des Zugangs zum Arbeitsmarkt (Artikel 13) sowohl für den aufnehmenden Staat als auch für den Asylbewerber hat, liegt auf der Hand. Der Zeitraum von sechs Monaten, nach dem Asylbewerber nicht mehr vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden dürfen, scheint angemessen, wenngleich die negative Formulierung Widerstände gegen die Gewährung dieses "Rechts" - für das es der Ausschuss hält - vermuten lässt. Aus diesem Grund sind die Ungenauigkeit von Artikel 14 und der breite Entscheidungsspielraum der Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Modalitäten äußerst verwunderlich. Es müsste zumindest erläutert werden, dass sich dieser Zugang sowohl auf selbstständige Tätigkeiten als auch auf abhängige Beschäftigung bezieht und dass die Betroffenen im letzteren Falle die gleichen Rechte und Anstellungsbedingungen genießen wie die einheimischen Beschäftigten. Die Erschwerung und Beschränkung des Zugangs zu Arbeit führt letztlich nur zu vermehrter illegaler Beschäftigung.

    4.3.1. Auf die gleiche Art und Weise sieht der Richtlinienvorschlag eine sechsmonatige Frist für den Zugang zur beruflichen Bildung (Artikel 14) vor, der für die Beschleunigung der Integration von zentraler Bedeutung ist. Der Ausschuss ist der Auffassung, dass diese Frist, die in Bezug auf den Zugang zum Arbeitsmarkt sinnvoll sein mag, im Falle der beruflichen Bildung nicht angemessen ist. Den Drittstaatsbürgern, die der Fürsorge eines Mitgliedstaates anvertraut sind, sollte ein breitestmögliches Bildungsangebot zur Verfügung stehen. Dafür sprechen zwei Gründe: Erstens wirkt sich jede Ausbildung dieser Personen positiv auf die Entwicklung ihrer Herkunftsländer aus, sollten sie dorthin zurückkehren. In diesem Zusammenhang darf nicht vergessen werden, dass die gemeinschaftliche Einwanderungspolitik einer Strategie der gemeinsamen Entwicklung und der Mobilität verpflichtet ist, damit die Herkunftsländer mit qualifizierten Personen ausgestattet werden. Zweitens wird aufgrund der erhaltenen beruflichen Bildung der Zugang dieser Personen zum Arbeitsmarkt erleichtert, sollten sie in einem Mitgliedstaat bleiben.

    4.3.2. Dieselben Kriterien, die nach Ansicht des Ausschusses dafür sprechen, den Asylbewerbern Bildungsmaßnahmen zukommen zu lassen, können ebenso für weitere Ausbildungsbereiche herangezogen werden, wie z. B. Sprache, Kenntnis der Gesellschaft und der Institutionen des Gastlands usw. Deshalb sollte der Richtlinienvorschlag einen Absatz zur Ausbildung enthalten, in dem die Verpflichtung jedes Mitgliedstaats zur Gewährung von Ausbildungsmöglichkeiten ab Beginn des Aufnahmeverfahrens klargestellt wird.

    4.3.3. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass im Aktionsprogramm der Gemeinschaft für die Chancengleichheit von Männern und Frauen (EQUAL) expressis verbis auf Asylbewerber Bezug genommen wird, und zwar im Rahmen aktiver und vorbeugender Beschäftigungsmaßnahmen, von Maßnahmen zur Verhinderung der Diskriminierung sowie von Gleichstellungsmaßnahmen.

    4.4. Anhaltspunkte für die Definition der materiellen Aufnahmebedingungen (Artikel 15-19) sind insbesondere im Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, in der EU-Charta der Grundrechte und in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zu finden. Sie müssen einen für die Gesundheit und das Wohlergehen der Asylbewerber und der sie begleitenden Familienangehörigen angemessenen Lebensstandard gewährleisten, sowie ferner die Trennung nach Männern und Frauen unter Wahrung der Einheit der Familie, die schulische Betreuung Minderjähriger, die Beachtung der besonderen Bedürfnisse von älteren Menschen, Kindern und Behinderten, die Möglichkeit zur Ausübung der jeweiligen Religion an einem geeigneten Ort sowie die Ausübung kultureller Aktivitäten unter denselben Bedingungen, die auch für die Bürger des Landes gelten(1).

    4.4.1. Der Aufenthalt in den Aufnahmezentren muss möglichst kurz sein - vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass diese häufig Strafanstalten gleichen - und durch alternative, normale Unterbringungsformen ersetzt werden. Während der Aufenthaltszeit in diesen Zentren ist es allerdings sehr wichtig, dass die Bewohner in irgendeiner Form an der Verwaltung der Zentren beteiligt werden und dass sie die Möglichkeit haben, sich an eine unabhängige Instanz zu wenden, wenn ihre Grundrechte verletzt werden.

    4.4.2. Die Höhe und die Art und Weise (Geldleistungen, Sachleistungen, Gutscheine) der Unterstützung sind von grundlegender Bedeutung für den Lebensstandard und die Lebensqualität der Asylbewerber. Diesbezüglich sollte es zwischen den Mitgliedstaaten keine allzu großen Unterschiede geben. Dennoch ist sich der Ausschuss bewusst, dass diese Unterschiede gleichwohl bestehen und sich nicht immer durch unterschiedliche Lebenshaltungskosten und äußere Bedingungen rechtfertigen lassen. Das in Artikel 30 vorgeschlagene System zur Lenkung, Überwachung und Steuerung der Aufnahme scheint nicht sicherstellen zu können, dass Asylbewerbern in allen Mitgliedstaaten vergleichbare materielle Aufnahmebedingungen geboten werden. Dafür ist ein europäisches Kontrollsystem unter Teilnahme des UNHCR, der zuständigen NRO sowie der Sozialpartner für den Bereich der Arbeit erforderlich. Jedes Jahr muss das Ergebnis der Erhebungen an die Kommission weitergeleitet werden.

    4.4.2.1. Was die effektive Höhe der Leistungen für Asylbewerber betrifft, so ist nach Auffassung des Ausschusses die Formulierung, sie müsse so ausgestaltet sein, dass eine Verarmung der Asylbewerber verhindert werde, nicht ausreichend. Vielmehr wäre eine Bestimmung angebracht, der zufolge die Leistungen in Relation zum Sozialrentensatz - bzw. zu den von entsprechenden Einrichtungen gewährten Unterstützungen - festgesetzt werden. Die Festlegung der genauen Höhe und der Art der verschiedenen Leistungen für Asylbewerber muss auf jeden Fall unter Berücksichtigung der Gesamtheit der Vorteile erfolgen, die die Staatsangehörigen des jeweiligen Mitgliedsstaats genießen.

    4.4.2.2. Die Ausgabe von Gutscheinen anstelle finanzieller Leistungen wurde in einigen Ländern heftig kritisiert aufgrund der Schwierigkeiten, die sie den Asylbewerbern bereiten und aufgrund der Tatsache, dass damit eine unnötige Abgrenzung von der Landesbevölkerung vorgenommen wird. Nach Auffassung des Ausschusses soll in dem Richtlinienvorschlag nicht die Ausgabe von Gutscheinen vorgesehen werden.

    4.5. Was die medizinische und psychologische Versorgung (Artikel 20-21) betrifft, so hält der Ausschuss unterschiedliche Leistungen in Abhängigkeit vom jeweiligen Verfahren nicht für gerechtfertigt. Er ist der Auffassung, dass allen Asylbewerbern in jedem Fall medizinische Grundversorgung zugesichert werden muss.

    4.6. Das in Artikel 22 aufgeführte Schema zur Einschränkung oder Aberkennung von Aufnahmebedingungen scheint weder logisch zu sein, noch lässt es sich mit den Zielen des Vorschlags in Einklang bringen. Denn wenn ein Asylbewerber

    - seinen Antrag zurückzieht, gilt er nicht mehr als Asylbewerber im Sinne dieser Richtlinie;

    - als Bedrohung für die nationale Sicherheit gilt oder es Gründe für die Annahme gibt, dass er Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat, unterliegt er dem Zuständigkeitsbereich der Justizbehörden oder es müssen ihm die Aufnahmebedingungen aberkannt werden, wenn er nicht der Rechtsprechung des Aufnahmelands unterliegen kann;

    - für mehr als 30 Tage untertaucht oder sich der Verpflichtung des Aufenthalts in einer bestimmten Zone entzieht, sind die Gründe für dieses Verhalten zu bewerten. In Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit muss dann entschieden werden, ob das Aufnahmeverfahren fortgesetzt oder beendet wird. Die Einschränkung von Aufnahmebedingungen, die in der Richtlinie selbst als Mindestnormen bezeichnet werden, ist nicht sinnvoll.

    4.6.1. Der einzige Fall, in dem die Einschränkung der Aufnahmebedingungen zulässig erscheint, ist dann gegeben, wenn Asylbewerber vorhandene finanzielle Mittel verheimlichen, und zwar aus dem einfachen Grunde, dass sie selbst ganz oder teilweise für ihren Unterhalt aufkommen können. Die medizinische Grundversorgung müsste im Interesse des Aufnahmelandes in jedem Fall und nicht nur im Notfall gewährleistet sein.

    4.7. Der Ausschuss hält die Bestimmungen betreffend Personen mit besonderen Bedürfnissen (Artikel 23-26) für zufriedenstellend, vor allem aufgrund der Aufmerksamkeit für die Probleme von Kindern, alleinstehenden Frauen und Opfern von Folter und Gewalt sowie von Behinderten.

    4.8. Im Sinne der Verwirklichung der Zielsetzungen der Richtlinie sind die Maßnahmen zur Verbesserung der Effizienz des Aufnahmesystems (Artikel 27-31) von besonderer Bedeutung. Diese verbleiben im Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten und betreffen u. a.:

    - die Benennung einer nationalen Kontaktstelle zur Regelung des Informationsaustauschs zwischen den Mitgliedstaaten;

    - die Koordinierung der beteiligten NRO, damit sie ihre Funktionen optimal ausüben können;

    - die Förderung von zusammen mit den kommunalen Behörden zu ergreifenden Initiativen zur Verhütung rassistischer, fremdenfeindlicher und sexistischer sowie - das muss angefügt werden - religiös motivierter Angriffe;

    - die Überwachung der Qualität der Aufnahmebedingungen;

    - die Ausbildung all der Personen, die im Verlauf der gesamten Verfahren mit den Asylbewerbern in Kontakt stehen.

    Der Ausschuss hält die Einbeziehung der am stärksten betroffenen NRO und der Sozialpartner insbesondere in den drei letztgenannten Punkten für wichtig.

    5. Schlussfolgerungen

    5.1. Der Ausschuss betont, dass trotz der guten Absichten, die Aufnahmeverfahren zu beschleunigen, die Entscheidungsfindung seitens der zuständigen Behörden in verschiedenen Ländern Monate, wenn nicht gar - wie in einigen Fällen - weit über ein Jahr dauern. Zu wünschen ist, dass die umfassende Neuordnung der Einwanderungs- und Asylthematik mit Blick auf die Gewährleistung der Menschenrechte und einer der Welt offenstehenden Europäischen Union zu einer Abnahme der Asylanträge führt. Dieser Prozess indes, der aufgrund der auf dem Europäischen Rat von Tampere ausgesprochenen Empfehlungen in Gang gekommen ist, erfordert Zeit sowie die Überwindung kultureller Widerstände.

    5.2. Diejenigen, die - bis zum Beweis des Gegenteils - vor Unterdrückung und Verfolgung fliehen, sollten sich nach der Einreise ins Aufnahmeland nicht allzu lange in einer Situation befinden, in der sie ihrer Rechte enthoben sind.

    5.3. Aus diesen Gründen setzt sich der Ausschuss dafür ein, dass alle im Richtlinienvorschlag für die Asylbewerber vorgesehenen Möglichkeiten und Aufnahmebedingungen in explizite Rechte umgewandelt werden. Dabei sollten die genauen Modalitäten und Gründe definiert werden, nach denen aus verwaltungstechnischen Gründen Ausnahmen für erforderlich angesehen werden. Damit würde auch das einzig zugestandene Recht, nämlich die Beschreitung des Rechtswegs, Substanz bekommen.

    5.4. Der Ausschuss erinnert schließlich daran, dass ein gutes Aufnahmesystem nicht nur von materiellen Fragen und einer reibungslosen Organisation, sondern auch von der positiven Einstellung der Öffentlichkeit abhängt, die angemessen informiert und darauf vorbereitet werden muss, die Gründe des Asylbewerbers zu kennen, damit sich ein von Verständnis geprägtes Klima entwickeln kann.

    Brüssel, den 28. November 2001.

    Der Präsident

    des Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Göke Frerichs

    (1) Artikel 4 der Genfer Flüchtlingskonvention: "Religion - Die vertragschließenden Staaten werden den in ihrem Gebiet befindlichen Flüchtlingen in Bezug auf die Freiheit der Religionsausübung und die Freiheit des Religionsunterrichts ihrer Kinder eine mindestens ebenso günstige Behandlung wie ihren eigenen Staatsangehörigen gewähren".

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