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Document 52001AE1468

    Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Finanzsicherheiten"

    ABl. C 48 vom 21.2.2002, p. 1–3 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

    52001AE1468

    Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Finanzsicherheiten"

    Amtsblatt Nr. C 048 vom 21/02/2002 S. 0001 - 0003


    Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Finanzsicherheiten"

    (2002/C 48/01)

    Der Rat beschloss am 26. April 2001, den Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu dem vorgenannten Vorschlag zu ersuchen.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 21. November 2001 an. Berichterstatter war Herr Barros Vale.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 386. Plenartagung am 28. und 29. November 2001 (Sitzung vom 28. November) mit 104 gegen 2 Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme.

    1. Einleitung

    1.1. Diese Richtlinie ist erforderlich, weil es gegenwärtig für Zahlungs- und Wertpapierabrechnungssysteme, Zentralbanken und Finanzmarktteilnehmer keine ausreichende Rechtssicherheit gibt.

    1.2. Um der Rechtsunsicherheit zu begegnen und den verschiedenen Akteuren einen gewissen Schutz zu gewähren, haben viele Mitgliedstaaten Nettingvorschriften eingeführt bzw. in einzelnen Fällen ihre in diesem Bereich schon vorhandenen Rechtsvorschriften geändert.

    1.3. Ein Meilenstein auf dem Weg zur Einführung eines soliden Rechtsrahmens für Zahlungs- und Wertpapierabrechnungssysteme war die Verabschiedung der Richtlinie über die Wirksamkeit von Abrechnungen.

    1.4. Die letztgenannte Richtlinie ist bislang die einzige europäische Rechtsvorschrift, in der grenzüberschreitende Sicherheiten im Zusammenhang mit Finanztransaktionen geregelt sind; daher wurde der Verabschiedung einer Richtlinie über die grenzüberschreitende Verwendung von Sicherheiten im Aktionsplan Finanzdienstleistungen der Kommission höchste Priorität eingeräumt.

    1.5. Diese Richtlinie findet Anwendung auf Wertpapiere, Barguthaben und Wertpapierpensionsgeschäfte.

    1.6. Unter diese Richtlinie fallen lediglich öffentliche Stellen, Zentralbanken, Finanzinstitute, die der Bankenaufsicht unterliegen, und juristische Personen, deren Eigenkapitalbasis oder Bruttovermögen (bei der tatsächlichen Bereitstellung der Sicherheit dem jüngsten, höchstens zwei Jahre vor diesem Zeitpunkt veröffentlichten Abschluss zufolge) 100 Millionen EUR bzw. 1 Milliarde EUR überschreitet.

    1.7. Hauptziele der Richtlinie sind nach Aussage der Kommission:

    - eine wirksame und relativ einfache Regelung für die Schaffung von Sicherheiten entweder im Rahmen von Vollrechtsübertragungs- oder Verpfändungsstrukturen;

    - ein begrenzter Schutz vor bestimmten konkursrechtlichen Vorschriften, insbesondere solchen, die der Verwertung der Sicherheit entgegenstehen oder Zweifel an der Wirksamkeit von Techniken wie der Aufrechnung im Beendigungsfall, der Bestellung zusätzlicher Sicherheiten und des Ersatzes der Sicherheit begründen würden;

    - Rechtssicherheit bezüglich der kollisionsrechtlichen Behandlung von im Effektengiro übertragbaren Wertpapieren, die im grenzübergreifenden Rahmen als Sicherheit verwendet werden, durch Ausweitung des Grundsatzes in Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie über die Wirksamkeit von Abrechnungen;

    - Begrenzung der Verwaltungslast bei der Verwendung von Sicherheiten, d. h. sowohl beim Abschluss als auch bei der Durchsetzung von Sicherheitsvereinbarungen;

    - eine Garantie dafür, dass Vereinbarungen, die dem Sicherheitsnehmer die Möglichkeit geben, über die Sicherheit für seinen eigenen Gebrauch zu verfügen, wie im Falle der "Repos", als wirksam anerkannt sind.

    2. Allgemeine Bemerkungen

    2.1. Der Ausschuss befürwortet das Vorhandensein von Mechanismen, welche das Verfahren für Sicherheitsleistungen entbürokratisieren und erleichtern. Er ist jedoch der Auffassung, dass einige Aspekte sorgfältiger ausgefeilt werden müssten, damit die Grundsätze des Marktgleichgewichts und der Gleichbehandlung vor dem Gesetz nicht verletzt werden.

    2.2. Der Richtlinienvorschlag schreibt vor, dass der Gegenstand, der die Sicherheit darstellt und heute als hinterlegtes Pfand fungiert, tatsächlich in das Eigentum des Sicherungsnehmers übergeht, sofern dies zwischen den Parteien vereinbart ist. Diese wichtige Änderung wirft einige Fragen auf:

    2.2.1. Da die Richtlinie in einzelstaatliches Recht umgesetzt werden muss, können Unvereinbarkeiten mit den Vorschriften einzelner Mitgliedstaaten entstehen; übrigens haben verschiedene Mitgliedstaaten diesbezüglich im Rat bereits Vorbehalte geltend gemacht, und es ist nicht gesichert, dass die erforderliche Umsetzung problemlos vonstatten geht.

    2.2.2. Wichtig erscheint auch die Schaffung eines Systems der Mitteilung in Echtzeit an die verschiedenen Marktteilnehmer und Sicherungsnehmer, damit Klarheit über das jeweils verfügbare Vermögen besteht. Da es sich um einen neuen, noch nirgends bestehenden Mechanismus handelt, kann die Akzeptanz nur durch ein hohes Maß an Transparenz herbeigeführt werden.

    2.2.3. Auch muss Klarheit über Situationen geschaffen werden, die eine Nichterfuellung darstellen und die Inanspruchnahme der Sicherheit erfordern; es ist von grundlegender Bedeutung, dass von vornherein alle Arten von Situationen aufgeführt werden, in denen die Sicherheit in Anspruch genommen werden kann; wenn diese Anforderung nicht erfuellt ist, kann es zu ernsten Situationen kommen, welche die Glaubwürdigkeit des vorgeschlagenen Systems gefährden.

    3. Besondere Bemerkungen

    3.1. Es muss genau angegeben werden, in welchen Fällen die Sicherheit effektiv in Anspruch genommen werden kann, um einen Missbrauch dieses Rechts zu verhindern; auch ist die Rechtmäßigkeit dieser Inanspruchnahme zu prüfen.

    3.2. Aus dem Wortlaut der Richtlinie muss unbedingt eindeutiger hervorgehen, ob es sich bei den im Rahmen dieses Rechtsakts eventuell als Sicherheit übergebenen Finanzaktiva nur um solche Aktiva handelt, die sich effektiv im Eigentum des Sicherungsgebers befinden, oder ob darunter auch Aktiva fallen, die ihm von Dritten zur Depotverwahrung übergeben wurden.

    3.3. Aufgrund der sachlich-rechtlichen Komplexität der Materie ist es wichtig, den Anwendungsbereich der Richtlinie auf Einrichtungen zu begrenzen, die über Fachleute/Experten verfügen, damit die Ziele nicht unterlaufen werden.

    3.4. Diese Maßnahme darf nicht als Präzedenzfall betrachtet werden, auf den man sich berufen könnte, wenn es um andere Arten von Gläubigern geht, weil dadurch die konkursrechtlichen Grundsätze und der entsprechende Gläubigerschutz unterlaufen würden; zu berücksichtigen ist der Grundsatz der Allgemeingültigkeit der Gläubigerrechte und die Frage, ob dieser von den vorgeschlagenen Bestimmungen beeinträchtigt wird.

    3.5. Für den Sicherungsgeber müssen im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Sicherungsnehmers Schutzmaßnahmen garantiert sein.

    3.6. Unklar erscheinen auch die Bedingungen, unter denen die Bestimmungen im Fall einer finanziellen Umstrukturierung ohne Konkurs des Schuldners angewandt werden sollen; dabei handelt es sich ja um ganz andere Situationen mit anderen Zielsetzungen, die bei der Anwendung der vorgeschlagenen Grundsätze eine Anpassung erfordern.

    4. Vorschläge zu Transparenzmechanismen und zum allgemeinen Gläubigerschutz

    4.1. Der Ausschuss betrachtet es als nicht hinnehmbar, dass dieser neuartige Mechanismus angewandt wird, ohne dass gleichzeitig ein frei zugänglicher und allgemein konsultierbarer Informationsmechanismus eingeführt wird, der den verschiedenen betroffenen Akteuren in Echtzeit einen Zugang zu allen geleisteten Sicherheiten dieser Art verschafft.

    4.2. Die genannte Datenbank mit dem obligatorischen Verzeichnis könnte bei der Europäischen Zentralbank oder einer anderen unabhängigen und glaubwürdigen Institution/Stelle eingerichtet und von dieser nach den Vorschriften einer eigenen Verordnung auf der Grundlage der allgemeinen Prinzipien der Bankenaufsicht verwaltet werden.

    4.3. Nur das Vorhandensein eines Systems, in dem alle geleisteten Sicherheiten dieser Art verzeichnet sind und das während der gesamten Geltungsdauer derselben allgemein zugänglich und konsultierbar ist, kann die erforderliche Transparenz und Sicherheit gewährleisten, so dass sich alle Gläubiger, Lieferanten, Aktionäre u. a. jederzeit eine klare Vorstellung von der tatsächlichen Vermögenslage des Sicherungsgebers machen können.

    5. Schlussbemerkung

    5.1. Aufgrund seiner Bedeutung, seiner Einzigartigkeit und seiner künftigen Auswirkungen auf die bestehende Rechtsordnung muss der von der Kommission unterbreitete Vorschlag noch gründlicher überdacht und mit Änderungen versehen werden, die eine höhere Sicherheit und größere Transparenz bei seiner Anwendung gewährleisten und eine Beeinträchtigung der Grundsätze des allgemeinen Gläubigerschutzes und der Allgemeingültigkeit der Gläubigerrechte ausschließen. Der Ausschuss hegt den Wunsch, mit einem neuen Kommissionsvorschlag befasst zu werden, welcher die in der vorliegenden Stellungnahme zum Ausdruck gebrachten Anliegen berücksichtigt.

    Brüssel, den 28. November 2001.

    Der Präsident

    des Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Göke Frerichs

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