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Dieses Dokument ist ein Auszug aus dem EUR-Lex-Portal.

Dokument 62019CJ0021

    Urteil des Gerichtshofs (Fünfte Kammer) vom 3. September 2020.
    Strafverfahren gegen XN u. a.
    Vorabentscheidungsersuchen des Gerechtshof Arnhem-Leeuwarden.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Abfälle – Verbringung – Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 – Abfälle, die dem Verfahren der vorherigen schriftlichen Notifizierung und Zustimmung unterliegen – Art. 1 Abs. 3 – Verbringungen, die Zulassungsanforderungen unterliegen – Richtlinie 2008/98/EG – Art. 5 Abs. 1 – Begriff ‚Nebenprodukte‘ – Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 – Art. 3 Nr. 1 – Begriff ‚tierische Nebenprodukte‘ – Verbringung eines Gemisches aus tierischen Nebenprodukten und anderem Material.
    Verbundene Rechtssachen C-21/19 bis C-23/19.

    Sammlung der Rechtsprechung – allgemein

    ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2020:636

     URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

    3. September 2020 ( *1 )

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Abfälle – Verbringung – Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 – Abfälle, die dem Verfahren der vorherigen schriftlichen Notifizierung und Zustimmung unterliegen – Art. 1 Abs. 3 – Verbringungen, die Zulassungsanforderungen unterliegen – Richtlinie 2008/98/EG – Art. 5 Abs. 1 – Begriff ‚Nebenprodukte‘ – Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 – Art. 3 Nr. 1 – Begriff ‚tierische Nebenprodukte‘ – Verbringung eines Gemisches aus tierischen Nebenprodukten und anderem Material“

    In den verbundenen Rechtssachen C‑21/19 bis C‑23/19

    betreffend drei Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Gerechtshof Arnhem-Leeuwarden (Berufungsgericht Arnhem-Leeuwarden, Niederlande) mit Entscheidungen vom 19. Dezember 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Januar 2019, in den Strafverfahren gegen

    XN (C‑21/19),

    YO (C‑22/19),

    P. F. Kamstra Recycling BV (C‑23/19),

    Beteiligter:

    Openbaar Ministerie,

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

    unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter I. Jarukaitis, E. Juhász, M. Ilešič und C. Lycourgos (Berichterstatter),

    Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

    Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. Dezember 2019,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    von XN, YO und der P. F. Kamstra Recycling BV, vertreten durch M. J. J. E. Stassen und R. Laan, advocaten,

    des Openbaar Ministerie, vertreten durch A. C. L. van Holland als Bevollmächtigten,

    der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman, C. S. Schillemans und M. H. S. Gijzen als Bevollmächtigte,

    der französischen Regierung, vertreten durch J. Traband, D. Colas, A.‑L. Desjonquères und C. Mosser als Bevollmächtigte,

    der österreichischen Regierung, vertreten durch J. Schmoll und G. Hesse als Bevollmächtigte,

    der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Farrell, F. Thiran und L. Haasbeek als Bevollmächtigte,

    nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 19. März 2020

    folgendes

    Urteil

    1

    Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 1 Abs. 3 Buchst. d der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Verbringung von Abfällen (ABl. 2006, L 190, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 135/2012 der Kommission vom 16. Februar 2012 (ABl. 2012, L 46, S. 30) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1013/2006), von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien (ABl. 2008, L 312, S. 3) sowie der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 (Verordnung über tierische Nebenprodukte) (ABl. 2009, L 300, S. 1).

    2

    Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Strafverfahren gegen XN, YO und die P. F. Kamstra Recycling BV wegen der Verbringung von Gemischen aus tierischen Nebenprodukten und anderem Material aus den Niederlanden nach Deutschland.

    Rechtlicher Rahmen

    Unionsrecht

    Verordnung Nr. 1013/2006

    3

    Art. 1 Abs. 1 bis 3 der Verordnung Nr. 1013/2006 sieht vor:

    „(1)   In dieser Verordnung werden Verfahren und Kontrollregelungen für die Verbringung von Abfällen festgelegt, die von dem Ursprung, der Bestimmung, dem Transportweg, der Art der verbrachten Abfälle und der Behandlung der verbrachten Abfälle am Bestimmungsort abhängen.

    (2)   Diese Verordnung gilt für die Verbringung von Abfällen:

    a)

    zwischen Mitgliedstaaten innerhalb der Gemeinschaft …

    (3)   Diese Verordnung gilt nicht für

    d)

    Verbringungen, die unter die Zulassungsanforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Oktober 2002 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte (ABl. 2002, L 273, S. 1)] fallen;

    …“

    4

    Art. 2 der Verordnung Nr. 1013/2006 bestimmt:

    „Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:

    1.

    ‚Abfälle‘ Abfälle im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 2006/12/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2006 über Abfälle (ABl. 2006, L 114, S. 9)];

    34.

    ‚Verbringung‘ den Transport von zur Verwertung oder Beseitigung bestimmten Abfällen, der erfolgt oder erfolgen soll:

    a)

    zwischen zwei Staaten …

    …“

    Richtlinie 2008/98

    5

    Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2008/98 bestimmt:

    „Folgendes ist aus dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgeschlossen, soweit es bereits von anderen gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften abgedeckt ist:

    b)

    tierische Nebenprodukte einschließlich verarbeitete[r] Erzeugnisse, die unter die Verordnung … Nr. 1774/2002 fallen, mit Ausnahme derjenigen, die zur Verbrennung, Lagerung auf einer Deponie oder Verwendung in einer Biogas- oder Kompostieranlage bestimmt sind;

    …“

    6

    In Art. 3 („Begriffsbestimmungen“) dieser Richtlinie heißt es:

    „Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

    1.

    ‚Abfall‘ jeden Stoff oder Gegenstand, dessen sich sein Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss;

    …“

    7

    In Art. 5 („Nebenprodukte“) dieser Richtlinie heißt es:

    „(1)   Ein Stoff oder Gegenstand, der das Ergebnis eines Herstellungsverfahrens ist, dessen Hauptziel nicht die Herstellung dieses Stoffes oder Gegenstands ist, kann nur dann als Nebenprodukt und nicht als Abfall im Sinne des Artikels 3 Nummer 1 gelten, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

    a)

    es ist sicher, dass der Stoff oder Gegenstand weiter verwendet wird,

    b)

    der Stoff oder Gegenstand kann direkt ohne weitere Verarbeitung, die über die normalen industriellen Verfahren hinausgeht, verwendet werden,

    c)

    der Stoff oder Gegenstand wird als integraler Bestandteil eines Herstellungsprozesses erzeugt und

    d)

    die weitere Verwendung ist rechtmäßig, d. h. der Stoff oder Gegenstand erfüllt alle einschlägigen Produkt‑, Umwelt- und Gesundheitsschutzanforderungen für die jeweilige Verwendung und führt insgesamt nicht zu schädlichen Umwelt- oder Gesundheitsfolgen.

    …“

    Regelung über tierische Nebenprodukte

    – Verordnung Nr. 1774/2002

    8

    Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Verordnung Nr. 1774/2002 bestimmte:

    „(1)   Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

    a)

    ‚tierische Nebenprodukte‘ ganze Tierkörper, Tierkörperteile oder Erzeugnisse tierischen Ursprungs gemäß den Artikeln 4, 5 und 6, die nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt sind, einschließlich Eizellen, Embryonen und Samen;

    d)

    ‚Material der Kategorie 3‘ tierische Nebenprodukte gemäß Artikel 6;

    …“

    9

    Nach Art. 6 („Material der Kategorie 3“) dieser Verordnung umfasste „Material der Kategorie 3 … folgende tierische Nebenprodukte und jedes diese Produkte enthaltende Material“. Die Wendung „und jedes diese Produkte enthaltende Material“ fand sich auch in der in den Art. 4 und 5 dieser Verordnung enthaltenen Definition von Material der Kategorie 1 bzw. 2.

    10

    Art. 8 („Versendung von tierischen Nebenprodukten und verarbeiteten Erzeugnissen in andere Mitgliedstaaten“) der Verordnung Nr. 1774/2002 bestimmte in Abs. 2, dass die Annahme von Material der Kategorien 1 und 2, von verarbeiteten Erzeugnissen aus diesem Material und von verarbeitetem tierischem Eiweiß vom Bestimmungsmitgliedstaat genehmigt werden musste. Nach Abs. 3 dieses Art. 8 musste tierischen Nebenprodukten und den in Abs. 2 genannten verarbeiteten Erzeugnissen ein Handelspapier oder, sofern nach dieser Verordnung vorgesehen, eine Veterinärbescheinigung beiliegen und mussten sie auf direktem Weg zu ihrer Bestimmungsanlage befördert werden, die nach dieser Verordnung zugelassen sein musste.

    – Verordnung Nr. 1069/2009

    11

    In den Erwägungsgründen 5, 6, 57 und 58 der Verordnung Nr. 1069/2009 heißt es:

    „(5)

    Die Hygienevorschriften der Gemeinschaft bezüglich der Sammlung, des Transports, der Handhabung, der Behandlung, der Umwandlung, der Verarbeitung, der Lagerung, des Inverkehrbringens, des Vertriebs, der Verwendung und der Beseitigung tierischer Nebenprodukte sollten in einem kohärenten und umfassenden Rahmen festgelegt werden.

    (6)

    Diese allgemeinen Vorschriften sollten dem Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier angemessen sein, das tierische Nebenprodukte, wenn sie während ihres Lebenszyklus von der Sammlung bis zu ihrer Verwendung oder Beseitigung von den Unternehmen behandelt werden, bergen. In den Vorschriften sollten die dabei entstehenden Risiken für die Umwelt ebenfalls Berücksichtigung finden. Der gemeinschaftliche Rechtsrahmen sollte gegebenenfalls Vorschriften über das Inverkehrbringen einschließlich der Einfuhr tierischer Nebenprodukte sowie des innergemeinschaftlichen Handels mit diesen enthalten.

    (57)

    Damit die Kohärenz der Gemeinschaftsvorschriften sichergestellt wird, ist es erforderlich, das Zusammenspiel zwischen den Vorschriften dieser Verordnung und den Gemeinschaftsvorschriften über Abfälle zu klären. …

    (58)

    Ferner sollte gewährleistet werden, dass tierische Nebenprodukte, die mit gefährlichen Abfällen gemäß der Entscheidung 2000/532/EG der Kommission vom 3. Mai 2000 zur Ersetzung der Entscheidung 94/3/EG über ein Abfallverzeichnis gemäß Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie 75/442/EWG des Rates über Abfälle und der Entscheidung 94/904/EG des Rates über ein Verzeichnis gefährlicher Abfälle… im Sinne von Artikel 1 Absatz 4 der Richtlinie 91/689/EWG über gefährliche Abfälle [(ABl. 2000, L 226, S. 3)] vermischt oder kontaminiert sind, nur gemäß der Verordnung … Nr. 1013/2006 … zwischen den Mitgliedstaaten versandt werden. …“

    12

    Art. 1 der Verordnung Nr. 1069/2009 lautet:

    „Mit dieser Verordnung werden Hygiene- und Tiergesundheitsvorschriften für tierische Nebenprodukte und ihre Folgeprodukte festgelegt, mit deren Hilfe die Risiken, die sich aus diesen Produkten für die Gesundheit von Mensch und Tier ergeben, verhindert beziehungsweise möglichst gering gehalten werden sollen und speziell die Sicherheit der Lebensmittel- und Futtermittelkette geschützt werden soll.“

    13

    In Art. 3 der Verordnung Nr. 1069/2009 heißt es:

    „Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Begriff

    1.   ‚tierische Nebenprodukte‘: ganze Tierkörper oder Teile von Tieren oder Erzeugnisse tierischen Ursprungs beziehungsweise andere von Tieren gewonnene Erzeugnisse, die nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt sind, einschließlich Eizellen, Embryonen und Samen;

    27.   ‚Abfall‘: Abfall im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 2008/98…“

    14

    Art. 7 („Kategorisierung tierischer Nebenprodukte und ihrer Folgeprodukte“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 1069/2009 lautet:

    „Tierische Nebenprodukte sind nach dem Grad der von ihnen ausgehenden Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Tier gemäß den in den Artikeln 8, 9 und 10 festgelegten Listen in spezifische Kategorien einzustufen.“

    15

    In den Art. 12 bis 14 der Verordnung Nr. 1069/2009 ist insbesondere geregelt, unter welchen Voraussetzungen Material der Kategorien 1 bis 3, sofern es sich hierbei um Abfall handelt, durch Mitverbrennung zu verwerten oder zu beseitigen ist.

    16

    Art. 41 („Einfuhr und Durchfuhr“) Abs. 2 der Verordnung Nr. 1069/2009 bestimmt:

    „Abweichend von Absatz 1

    b)

    [dürfen] tierische Nebenprodukte oder ihre Folgeprodukte, die mit Abfall gemischt oder kontaminiert sind, der in der Entscheidung 2000/532… als gefährlich eingestuft wird, … nur entsprechend den Anforderungen der Verordnung … Nr. 1013/2006 eingeführt oder durchgeführt werden;

    …“

    17

    Art. 43 („Ausfuhr“) Abs. 5 der Verordnung Nr. 1069/2009 sieht vor:

    „Abweichend von den Absätzen 3 und 4

    b)

    dürfen tierische Nebenprodukte oder ihre Folgeprodukte, die mit Abfall vermischt oder kontaminiert sind, der in der Entscheidung 2000/532… als gefährlich eingestuft wird, nur gemäß den Anforderungen der Verordnung … Nr. 1013/2006 ausgeführt werden.“

    18

    In Art. 48 („Kontrollen der Versendung in andere Mitgliedstaaten“) der Verordnung Nr. 1069/2009 heißt es:

    „(1)   Beabsichtigt ein Unternehmer, Material der Kategorie 1, Material der Kategorie 2 und Fleisch- und Knochenmehl oder aus Material der Kategorie 1 oder 2 gewonnenes tierisches Fett in einen anderen Mitgliedstaat zu versenden, informiert er die zuständige Behörde des Ursprungsmitgliedstaats und die zuständige Behörde des Bestimmungsmitgliedstaats darüber.

    Die zuständige Behörde des Bestimmungsmitgliedstaats entscheidet auf Antrag des Unternehmers innerhalb eines festgesetzten Zeitraums darüber,

    a)

    ob sie den Erhalt der Sendung verweigert,

    b)

    die Sendung bedingungslos annimmt oder

    c)

    den Empfang der Sendung folgenden Bedingungen unterwirft:

    i)

    falls die Folgeprodukte noch nicht drucksterilisiert wurden, … müssen sie dieser Behandlung unterzogen werden oder

    ii)

    die tierischen Nebenprodukte oder ihre Folgeprodukte … müssen die Bedingungen für die Versendung erfüllen, die zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier gerechtfertigt sind, damit sichergestellt ist, dass tierische Nebenprodukte und ihre Folgeprodukte gemäß dieser Verordnung gehandhabt werden.

    (6)   Abweichend von den Absätzen 1 bis 5 dürfen die dort aufgeführten tierischen Nebenprodukte oder ihre Folgeprodukte, die mit Abfall vermischt oder kontaminiert wurden, der in der Entscheidung 2000/532… als gefährlich eingestuft ist, nur unter Einhaltung der Anforderungen der Verordnung … Nr. 1013/2006 in andere Mitgliedstaaten versandt werden.

    …“

    – Verordnung (EU) Nr. 142/2011

    19

    Anhang VIII Kapitel III der Verordnung (EU) Nr. 142/2011 der Kommission vom 25. Februar 2011 zur Durchführung der Verordnung Nr. 1069/2009 sowie zur Durchführung der Richtlinie 97/78/EG des Rates hinsichtlich bestimmter gemäß der genannten Richtlinie von Veterinärkontrollen an der Grenze befreiter Proben und Waren (ABl. 2011, L 54, S. 1) in der durch die Durchführungsverordnung (EU) 2019/1084 der Kommission vom 25. Juni 2019 (ABl. 2019, L 171, S. 100) geänderten Fassung enthält ein Muster des Handelspapiers für die Beförderung von nicht zum menschlichen Verzehr bestimmten tierischen Nebenprodukten und Folgeprodukten gemäß der Verordnung Nr. 1069/2009 innerhalb der Europäischen Union. Dieses Dokument, das nach Nr. 4 dieses Kapitels III tierischen Nebenprodukten und Folgeprodukten während der Beförderung innerhalb der Union beiliegen muss, enthält in seiner Erläuterung zu Feld I.31 („Kennzeichnung der Waren“) folgenden Hinweis:

    „… Geben Sie eine Ware aus nachstehender Liste an: … [Art des tierischen Nebenprodukts oder des Folgeprodukts] gemischt mit nicht gefährlichen Abfällen [EURAL-Code] …“

    Niederländisches Recht

    20

    In Art. 1.1 Abs. 6 des Wet milieubeheer (Umweltschutzgesetz) heißt es:

    „… Nicht als Abfall gelten in jedem Fall Materialien, Gemische oder Gegenstände, die Nebenprodukte im Sinne von Art. 5 der [Richtlinie 2008/98] sind, wenn diese Nebenprodukte die in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen und die Kriterien erfüllen, die insoweit in einer gemäß diesem Artikel erlassenen Durchführungsmaßnahme oder in einem Erlass des Umweltministers festgelegt sind.“

    21

    Art. 10.60 Abs. 2 dieses Gesetzes sieht vor:

    „Handlungen im Sinne von Art. 2 Nr. 35 der [Verordnung Nr. 1013/2006, worin der Ausdruck ‚illegale Verbringung‘ definiert wird,] sind verboten.“

    Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

    22

    Im Rahmen von drei Strafverfahren wirft das Openbaar Ministerie (Staatsanwaltschaft, Niederlande) P. F. Kamstra Recycling und zwei für sie arbeitenden natürlichen Personen, XN und YO, (im Folgenden zusammen: Angeklagte) vor, zwischen dem 10. Juni 2011 und dem 19. Juni 2012 ein Gemisch aus Sole und tierischen Geweben, ein Gemisch aus Fettabfällen und Sole, ein Gemisch aus Klärschlamm und anderen (unbekannten) Abfällen, ein Gemisch aus Klärschlamm und Abfällen (aus Milchprodukten) sowie ein Gemisch aus Schlämmen aus der Abwasserbehandlung und Eiweißkonzentrat ohne vorherige Notifizierung an die bzw. Zustimmung der zuständigen Behörden gemäß der Verordnung Nr. 1013/2006 aus den Niederlanden nach Deutschland verbracht zu haben.

    23

    Das vorlegende Gericht führt aus, dass es sich bei mindestens einem oder zwei der Gemische teils um tierische Nebenprodukte, teils um anderes Material und bei diesen tierischen Nebenprodukten um Material der Kategorie 3 im Sinne von Art. 10 der Verordnung Nr. 1069/2009 gehandelt habe. Die Gemische seien für die Verwendung in einer Biogasanlage in Deutschland bestimmt gewesen.

    24

    In den vorliegenden Rechtssachen stelle sich die Frage, ob die Verbringung der in den Anklageschriften genannten Gemische unter die Verordnung Nr. 1013/2006 oder unter die Verordnung Nr. 1069/2009 falle.

    25

    Die Staatsanwaltschaft vertrete die Ansicht, dass die Verordnung Nr. 1013/2006 anwendbar sei, da die in den Anklageschriften genannten Gemische allesamt als „Abfall“ einzustufen seien. Die Frage, ob es sich um tierische Nebenprodukte handle, sei nach den in Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/98 aufgeführten Kriterien und anhand der Definition von „tierischen Nebenprodukten“ in Art. 3 Nr. 1 der Verordnung Nr. 1069/2009 zu beurteilen.

    26

    Die Angeklagten verträten die Auffassung, dass hier nicht die Verordnung Nr. 1013/2006, sondern die Verordnung Nr. 1069/2009 anwendbar sei, da es sich bei den in den Anklageschriften genannten Gemischen um tierische Nebenprodukte handle. Denn in einem solchen Fall habe die Verordnung Nr. 1069/2009 Vorrang vor der Verordnung Nr. 1013/2006. Bei den fraglichen Gemischen handle es sich um „tierische Nebenprodukte“ im Sinne der früheren Verordnung über tierische Nebenprodukte, nämlich der Verordnung Nr. 1774/2002. Nach dieser Verordnung umfasse der Begriff „tierische Nebenprodukte“ auch „jedes Material/Gemisch, das tierische Nebenprodukte enthält“.

    27

    Zwar sei, so die Angeklagten, in der Verordnung Nr. 1069/2009 nicht mehr vorgesehen, dass Material, das tierische Nebenprodukte enthalte, als tierisches Nebenprodukt einzustufen sei. Es sei jedoch nicht beabsichtigt gewesen, die in der Verordnung Nr. 1774/2002 enthaltene Definition von „tierischen Nebenprodukten“ mit dieser neuen Verordnung zu ändern. Die Angeklagten berufen sich hierfür auf das Sachverständigengutachten vom 10. März 2016, das im ersten Rechtszug von der Rechtbank Gelderland (Gericht Gelderland, Niederlande) in Auftrag gegeben wurde. Danach fielen Gemische tierischer Nebenprodukte – mit Ausnahme von Gemischen tierischer Nebenprodukte, die gefährliche Abfälle enthielten – ebenfalls unter die Definition von „tierischen Nebenprodukten“ in der Verordnung Nr. 1069/2009, und zwar unabhängig vom Mischungsverhältnis zwischen den tierischen Nebenprodukten und dem anderen Material.

    28

    Die Rechtbank Gelderland (Gericht Gelderland) folgte dem Sachverständigengutachten und sprach die Angeklagten von den ihnen vorgeworfenen Taten frei. Die Staatsanwaltschaft legte daraufhin bei dem vorlegenden Gericht Berufung gegen diese Freisprüche ein.

    29

    Die Staatsanwaltschaft weist darauf hin, aus dem maßgeblichen rechtlichen Rahmen ergebe sich, dass die Verordnung Nr. 1013/2006 nicht auf Verbringungen anwendbar sei, die unter die Regelung der Zulassungsanforderungen nach der Verordnung Nr. 1069/2009 fielen. In Anbetracht des Standpunkts der Staatsanwaltschaft, wonach ein Material, das nicht als „Nebenprodukt“ im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/98 eingestuft werden könne, „Abfall“ sei, der in den Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1013/2006 falle, möchte das vorlegende Gericht zunächst wissen, wie sich der in Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/98 enthaltene Begriff „Nebenprodukte“ zu dem in der Verordnung Nr. 1069/2009 enthaltenen Begriff „tierische Nebenprodukte“ verhält. Konkret möchte es wissen, ob ein Material, das nicht als „Nebenprodukt“ im Sinne der Richtlinie 2008/98 eingestuft werden kann, dennoch als „tierisches Nebenprodukt“ im Sinne der Verordnung Nr. 1069/2009 angesehen und daher nach Art. 1 Abs. 3 Buchst. d der Verordnung Nr. 1013/2006 von deren Geltungsbereich ausgenommen sein kann.

    30

    Sodann ist nach Ansicht des vorlegenden Gerichts Art. 1 Abs. 3 Buchst. d der Verordnung Nr. 1013/2006 auszulegen, um zu klären, wie es zu verstehen sei, dass diese Verordnung nicht für die Verbringung von Abfällen, die unter die Zulassungsanforderungen der Verordnung Nr. 1069/2009 fielen, gelte. Insoweit stelle sich die Frage, ob diese Ausnahme die Verbringung von tierischen Nebenprodukten zwischen zwei Mitgliedstaaten unabhängig von der Kategorie, zu der dieses Material gehöre, erfasse oder ob sie die Verbringung von Material im Sinne von Art. 48 der Verordnung Nr. 1069/2009 erfasse, das sich auf „tierische Nebenprodukte“ oder „Folgeprodukte“ im Sinne dieser Bestimmung beschränke, nämlich Material der Kategorien 1 und 2 sowie bestimmte Folgeprodukte einschließlich verarbeitetem tierischem Eiweiß, das aus Material der Kategorie 3 gewonnen worden sei.

    31

    Schließlich sei auch zu klären, ob Art. 1 Abs. 3 Buchst. d der Verordnung Nr. 1013/2006 dahin auszulegen sei, dass davon auch die Verbringung von Gemischen aus tierischen Nebenprodukten und anderem Material erfasst sei, und, wenn ja, ob das Mischungsverhältnis zwischen den tierischen Nebenprodukten und dem anderen Material relevant sei.

    32

    Insoweit sei zu prüfen, ob mit der in der Verordnung Nr. 1069/2009 enthaltenen Definition von „tierischen Nebenprodukten“ eine inhaltliche Änderung gegenüber der in der Verordnung Nr. 1774/2002 enthaltenen Definition dahin gehend vorgenommen worden sei, dass unter der Geltung der Verordnung Nr. 1069/2009 Material, das mit tierischen Nebenprodukten vermischt worden sei, unabhängig vom Mengenverhältnis nicht mehr als „tierisches Nebenprodukt“ eingestuft werden könne, so dass die Verbringung eines solchen Gemisches in den Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1013/2006 falle. Bei einer Wortlautauslegung dieser in der Verordnung Nr. 1069/2009 enthaltenen Definition käme man zu dem Ergebnis, dass mit dieser Verordnung diese Änderung vorgenommen werden sollte. Dagegen könnte auf der Grundlage der obigen Argumente, die sich auf das Sachverständigengutachten stützten, die gegenteilige Schlussfolgerung gezogen werden.

    33

    Unter diesen Umständen hat der Gerechtshof Arnhem-Leeuwarden (Berufungsgericht Arnhem-Leeuwarden) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    1.

    Ist ein Stoff, der kein Nebenprodukt im Sinne der Richtlinie 2008/98 ist, per definitionem auch kein tierisches Nebenprodukt im Sinne der Verordnung Nr. 1069/2009, so dass dieser Stoff nicht gemäß Art. 1 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1013/2006 aus dem Geltungsbereich der letztgenannten Verordnung herausfällt? Oder ist es nicht ausgeschlossen, dass ein Stoff unter die Definition für tierische Nebenprodukte im Sinne der Verordnung Nr. 1069/2009 fällt, wenn dieser Stoff die Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/98 nicht erfüllt, so dass er nicht ohne Weiteres unter die Verordnung Nr. 1013/2006 fällt?

    2.

    Wie ist die Verbringung von Abfällen, die unter die Zulassungsanforderungen der Verordnung Nr. 1774/2002 – jetzt Verordnung Nr. 1069/2009 – fallen, im Sinne von Art. 1 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1013/2006 zu verstehen: Ist damit der Transport von tierischen Nebenprodukten (von einem Land in ein anderes) gemeint, ohne dass es darauf ankommt, zu welcher Kategorie dieses Material gehört? Oder ist damit der Transport von in Art. 48 der Verordnung Nr. 1069/2009 (davor Art. 8 der Verordnung Nr. 1774/2002) genanntem Material gemeint, das auf tierische Nebenprodukte und daraus gewonnene Produkte im Sinne dieser Bestimmung beschränkt ist, also Material der Kategorie 1, Material der Kategorie 2 und bestimmte daraus gewonnene Produkte einschließlich verarbeitetem tierischem Eiweiß, das aus Material der Kategorie 3 gewonnen wurde?

    3.

    Wenn mit der Verbringung von Abfällen, die unter die Zulassungsanforderungen der Verordnung Nr. 1774/2002 – jetzt Verordnung Nr. 1069/2009 – fallen, im Sinne von Art. 1 Abs. 3 Buchst. d der Verordnung Nr. 1013/2006 der Transport von tierischen Nebenprodukten (von einem Land in ein anderes) zu verstehen ist, ohne dass es darauf ankommt, zu welcher Kategorie dieses Material gehört, ist dann Art. 1 Abs. 3 Buchst. d der Verordnung Nr. 1013/2006 ferner dahin auszulegen, dass damit auch Verbringungen von Gemischen aus tierischen Nebenprodukten und anderen Stoffen gemeint sind, und – falls ja – ist dabei das Mischungsverhältnis zwischen den tierischen Nebenprodukten und den anderen Stoffen relevant? Oder verliert ein tierisches Nebenprodukt den Charakter eines tierischen Nebenprodukts im Sinne der Verordnung Nr. 1069/2009 und gilt es infolge seiner Mischung mit einem anderen Stoff als Abfall im Sinne der Verordnung Nr. 1013/2006?

    Zu den Vorlagefragen

    Zur ersten Frage

    34

    Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/98 und Art. 3 Nr. 1 der Verordnung Nr. 1069/2009 dahin auszulegen sind, dass ein Material, das nicht als „Nebenprodukt“ im Sinne der erstgenannten Bestimmung eingestuft werden kann, gleichwohl als „tierisches Nebenprodukt“ im Sinne der zweitgenannten Bestimmung angesehen werden kann.

    35

    Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/98 ein „Nebenprodukt“ ein Stoff oder Gegenstand ist, der das Ergebnis eines Herstellungsverfahrens ist, dessen Hauptziel nicht die Herstellung dieses Stoffes oder Gegenstands ist, und der eine Reihe von in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a bis d der Richtlinie 2008/98 aufgeführten Voraussetzungen erfüllt. Außerdem sind „tierische Nebenprodukte“ gemäß Art. 3 Nr. 1 der Verordnung Nr. 1069/2009 ganze Tierkörper oder Teile von Tieren oder Erzeugnisse tierischen Ursprungs beziehungsweise andere von Tieren gewonnene Erzeugnisse, die nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt sind, einschließlich Eizellen, Embryonen und Samen. Aus diesen beiden Bestimmungen geht somit hervor, dass – wie der Generalanwalt in Nr. 39 seiner Schlussanträge ausgeführt hat – die in Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/98 enthaltene Definition von „Nebenprodukten“ und die in Art. 3 Nr. 1 der Verordnung Nr. 1069/2009 enthaltene Definition von „tierischen Nebenprodukten“ weder übereinstimmen noch sich in irgendeiner Weise aufeinander beziehen.

    36

    Zum anderen bestimmt Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/98, dass Material, bei dem es sich um ein „Nebenprodukt“ im Sinne dieser Bestimmung handelt, nicht als vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie umfasster Abfall anzusehen ist. Nach dieser Bestimmung schließen somit die in der Richtlinie 2008/98 enthaltenen Begriffe „Nebenprodukt“ und „Abfall“ einander aus.

    37

    Hingegen ergibt sich insbesondere aus den Art. 12 bis 14 der Verordnung Nr. 1069/2009 – die nämlich u. a. die Voraussetzungen regeln, unter denen tierische Nebenprodukte der Kategorien 1, 2 und 3, sofern es sich hierbei um Abfall handelt, durch Mitverbrennung zu verwerten oder zu beseitigen sind –, dass „tierische Nebenprodukte“ im Sinne dieser Verordnung „Abfall“ im Sinne der Definition in Art. 3 Nr. 1 der Richtlinie 2008/98, auf die Art. 3 Nr. 27 der Verordnung Nr. 1069/2009 verweist, sein können.

    38

    Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/98 und Art. 3 Nr. 1 der Verordnung Nr. 1069/2009 dahin auszulegen sind, dass ein Material, das nicht als „Nebenprodukt“ im Sinne der erstgenannten Bestimmung eingestuft werden kann, gleichwohl als „tierisches Nebenprodukt“ im Sinne der zweitgenannten Bestimmung angesehen werden kann.

    Zur zweiten Frage

    39

    Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 1 Abs. 3 Buchst. d der Verordnung Nr. 1013/2006 dahin auszulegen ist, dass nach dieser Bestimmung vom Geltungsbereich dieser Verordnung alle Verbringungen tierischer Nebenprodukte, die unter die Verordnung Nr. 1069/2009 fallen, ausgenommen sind, oder dahin, dass nur bestimmte dieser Verbringungen, die spezielle, in der Verordnung Nr. 1069/2009 aufgestellte Voraussetzungen erfüllen, ausgenommen sind.

    40

    Der Gerichtshof hat diese Frage bereits im Urteil vom 23. Mai 2019, ReFood (C‑634/17, EU:C:2019:443), beantwortet, das nach Einreichung des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens verkündet wurde.

    41

    In jenem Urteil hat der Gerichtshof entschieden, dass Art. 1 Abs. 3 Buchst. d der Verordnung Nr. 1013/2006 dahin auszulegen ist, dass Verbringungen tierischer Nebenprodukte, die unter die Verordnung Nr. 1069/2009 fallen, außer in den Fällen, in denen die Verordnung Nr. 1069/2009 ausdrücklich die Anwendung der Verordnung Nr. 1013/2006 vorsieht, vom Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1013/2006 ausgenommen sind.

    42

    Diese Fälle sind die in Art. 41 Abs. 2 Buchst. b, Art. 43 Abs. 5 Buchst. b und Art. 48 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1069/2009 genannten, die tierische Nebenprodukte betreffen, die mit gefährlichen Abfällen vermischt oder kontaminiert sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Mai 2019, ReFood, C‑634/17, EU:C:2019:443, Rn. 53 bis 55).

    43

    Daher hat der Gerichtshof festgestellt, dass sich Art. 1 Abs. 3 Buchst. d der Verordnung Nr. 1013/2006 nicht dahin auslegen lässt, dass danach nur die Verbringungen tierischer Nebenprodukte vom Geltungsbereich dieser Verordnung ausgenommen sind, die dem Verfahren nach Art. 48 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1069/2009 unterliegen, nämlich Material der Kategorien 1 und 2 im Sinne von Art. 8 bzw. 9 der Verordnung Nr. 1069/2009 sowie bestimmte Folgeprodukte dieses Materials unter Ausschluss der tierischen Nebenprodukte der Kategorie 3 im Sinne von Art. 10 der Verordnung Nr. 1069/2009, die der Verordnung Nr. 1013/2006 unterliegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Mai 2019, ReFood, C‑634/17, EU:C:2019:443, Rn. 60).

    44

    Daraus ergibt sich, dass es für die Auslegung von Art. 1 Abs. 3 Buchst. d der Verordnung Nr. 1013/2006 und damit für die Anwendbarkeit der Verordnung Nr. 1069/2009 irrelevant ist, ob das betreffende Material der Kategorie 1, der Kategorie 2 oder der Kategorie 3 angehört.

    45

    Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 1 Abs. 3 Buchst. d der Verordnung Nr. 1013/2006 dahin auszulegen ist, dass Verbringungen tierischer Nebenprodukte, die unter die Verordnung Nr. 1069/2009 fallen, außer in den Fällen, in denen die Verordnung Nr. 1069/2009 ausdrücklich die Anwendung der Verordnung Nr. 1013/2006 vorsieht, vom Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1013/2006 ausgenommen sind.

    Zur dritten Frage

    46

    Mit seiner dritten Frage, die vor dem Hintergrund der oben in den Rn. 22 und 23 zusammengefassten Informationen des vorlegenden Gerichts zu den Materialien, die Gegenstand der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verbringung sind, zu sehen ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 1 Abs. 3 Buchst. d der Verordnung Nr. 1013/2006 dahin auszulegen ist, dass diese Bestimmung auf die Verbringung eines Gemischs aus tierischen Nebenprodukten der Kategorie 3 im Sinne von Art. 10 der Verordnung Nr. 1069/2009 und anderem, als nicht gefährlicher Abfall im Sinne der Verordnung Nr. 1013/2006 eingestuftem Material anwendbar ist und – falls ja – ob dabei der Anteil der tierischen Nebenprodukte an der Mischung relevant ist.

    47

    Da – wie im Rahmen der Prüfung der zweiten Frage ausgeführt – nach Art. 1 Abs. 3 Buchst. d der Verordnung Nr. 1013/2006 Verbringungen tierischer Nebenprodukte, die unter die Verordnung Nr. 1069/2009 fallen, außer in den Fällen, in denen die Verordnung Nr. 1069/2009 ausdrücklich die Anwendung der Verordnung Nr. 1013/2006 vorsieht, vom Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1013/2006 ausgenommen sind, ist zur Beantwortung der dritten Frage zu bestimmen, ob die Verordnung Nr. 1069/2009 auf ein Gemisch aus tierischen Nebenprodukten und nicht gefährlichen Abfällen anwendbar ist.

    48

    Der Begriff „tierische Nebenprodukte“ im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit den Art. 4, 5 und 6 der Verordnung Nr. 1774/2002 schloss „jedes diese Produkte enthaltende Material“ ein. Dagegen bestimmen die Definition von „tierischen Nebenprodukten“ in Art. 3 Nr. 1 der Verordnung Nr. 1069/2009 und die Art. 8, 9 und 10 dieser Verordnung, die sich auf Material der Kategorien 1, 2 bzw. 3 beziehen, nicht mehr ausdrücklich, dass sie „jedes diese Produkte enthaltende Material“ einschließen.

    49

    Daraus folgt jedoch nicht, dass der Unionsgesetzgeber tierische Nebenprodukte, die mit anderem Material vermischt wurden, von der durch die Verordnung Nr. 1069/2009 eingeführten Regelung ausschließen wollte.

    50

    Hierzu ist als Erstes festzustellen, dass nach Art. 41 Abs. 2 Buchst. b und Art. 43 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1069/2009 die Ein‑ und Durchfuhr bzw. die Ausfuhr von tierischen Nebenprodukten, die mit Abfall vermischt oder kontaminiert sind, der in der Entscheidung 2000/532 als gefährlich eingestuft wird, in Abweichung von den sonst geltenden Bestimmungen nur gemäß den Anforderungen der Verordnung Nr. 1013/2006 erfolgen dürfen.

    51

    Ebenso bestimmt Art. 48 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1069/2009, dass abweichend von den Abs. 1 bis 5 dieses Artikels die dort aufgeführten tierischen Nebenprodukte oder ihre Folgeprodukte – nämlich Material der Kategorien 1 und 2 sowie bestimmte Folgeprodukte –, die mit solchem gefährlichen Abfall vermischt oder kontaminiert wurden, nur unter Einhaltung der Anforderungen der Verordnung Nr. 1013/2006 in andere Mitgliedstaaten versandt werden dürfen.

    52

    Wären Gemische aus tierischen Nebenprodukten und Abfällen unter allen Umständen vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen, wäre es jedoch nicht erforderlich gewesen, in diese Verordnung abweichende Bestimmungen für Gemische aus tierischen Nebenprodukten und gefährlichen Abfällen aufzunehmen.

    53

    Als Zweites wird – wie der Generalanwalt in Nr. 83 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat – die Tatsache, dass Gemische aus tierischen Nebenprodukten und Abfällen unter die Verordnung Nr. 1069/2009 fallen, durch die Bestimmungen der Verordnung Nr. 142/2011 in der durch die Durchführungsverordnung 2019/1084 geänderten Fassung bestätigt. Denn auch wenn die durch die Durchführungsverordnung 2019/1084 vorgenommenen Änderungen auf den Sachverhalt der Ausgangsverfahren nicht anwendbar sind, so ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 142/2011 in ihrem Anhang VIII Kapitel III nunmehr ein Muster des Handelspapiers für die Beförderung von nicht zum menschlichen Verzehr bestimmten tierischen Nebenprodukten und Folgeprodukten gemäß der Verordnung Nr. 1069/2009 innerhalb der Europäischen Union enthält, worin unter den Waren, denen während ihrer Beförderung in der Union dieses Handelspapier beiliegen muss, Gemische aus tierischen Nebenprodukten und nicht gefährlichen Abfällen ausdrücklich genannt sind.

    54

    Als Drittes ist darauf hinzuweisen, dass – wie der Generalanwalt in den Nrn. 73 und 74 seiner Schlussanträge ausgeführt hat – aus den Gesetzesmaterialien zur Verordnung Nr. 1069/2009 hervorgeht, dass sich der Unionsgesetzgeber besonders mit der Frage der Regelung für die Verbringung von Gemischen aus tierischen Nebenprodukten und nicht gefährlichen Abfällen befasst hat und es ausgeschlossen hat, dass diese Gemische unter die Ausnahmebestimmungen in Art. 41 Abs. 2 Buchst. b, Art. 43 Abs. 5 Buchst. b und Art. 48 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1069/2009 fallen, und damit auch, dass die Verbringung solcher Gemische der Verordnung Nr. 1013/2006 unterliegt.

    55

    Somit ergibt sich sowohl aus dem Bestehen von Bestimmungen, die eine Ausnahmeregelung für Gemische aus tierischen Nebenprodukten und gefährlichen Abfällen vorsehen, als auch aus einer Untersuchung der Verordnung Nr. 142/2011 und der Entstehungsgeschichte der Verordnung Nr. 1069/2009, dass Letztere auf die Verbringung von Gemischen aus tierischen Nebenprodukten und nicht gefährlichen Abfällen anwendbar ist.

    56

    Als Viertes ist darauf hinzuweisen, dass durch dieses Ergebnis die praktische Wirksamkeit der Verordnung Nr. 1069/2009 im Licht des mit ihr verfolgten Ziels gewährleistet werden kann.

    57

    Mit dieser Verordnung soll nämlich zum einen ein kohärenter und umfassender Rahmen mit Hygienevorschriften u. a. bezüglich des Transports tierischer Nebenprodukte festgelegt werden, die dem Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier, das tierische Nebenprodukte bergen, wenn sie während ihres Lebenszyklus von der Sammlung bis zu ihrer Verwendung oder Beseitigung von den Unternehmen behandelt werden, angemessen sind und die dabei entstehenden Risiken für die Umwelt ebenfalls berücksichtigen. Zum anderen zielt die Verordnung Nr. 1069/2009, wie aus ihren Erwägungsgründen 57 und 58 hervorgeht, zur Sicherstellung der Kohärenz der Unionsvorschriften auch darauf ab, das Zusammenspiel zwischen den Vorschriften dieser Verordnung und den Unionsvorschriften über Abfälle, insbesondere der Verordnung Nr. 1013/2006, in Bezug auf die Ausfuhr, die Einfuhr und die Verbringung tierischer Nebenprodukte zwischen zwei Mitgliedstaaten zu klären (Urteil vom 23. Mai 2019, ReFood, C‑634/17, EU:C:2019:443, Rn. 49).

    58

    Der Unionsgesetzgeber wollte also mit der Verordnung Nr. 1069/2009, die nach der Verordnung Nr. 1013/2006 erlassen wurde, einen vollständigen Regelungsrahmen für den Transport tierischer Nebenprodukte schaffen und die Verbringung der erfassten tierischen Nebenprodukte der Anwendung der Verordnung Nr. 1013/2006 entziehen, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist (Urteil vom 23. Mai 2019, ReFood, C‑634/17, EU:C:2019:443, Rn. 56).

    59

    Daraus folgt, dass – wie der Generalanwalt in Nr. 81 seiner Schlussanträge ausgeführt hat – die Absicht des Unionsgesetzgebers darin bestand, alle Verbringungen tierischer Nebenprodukte, einschließlich der Verbringung von tierischen Nebenprodukten, die mit Abfällen vermischt wurden, in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1069/2009 einzubeziehen, während die Verbringung von Gemischen aus tierischen Nebenprodukten und gefährlichen Abfällen unter die Sonderregelung der Verordnung Nr. 1013/2006 fallen sollte.

    60

    Mangels entsprechender Angaben in den Verordnungen Nrn. 1013/2006 und 1069/2009 ist davon auszugehen, dass diese keine Mindestschwelle für den Anteil vorsehen, den tierische Nebenprodukte in einem Gemisch mit nicht gefährlichen Abfällen ausmachen müssen, damit Art. 1 Abs. 3 Buchst. d der Verordnung Nr. 1013/2006 und die mit der Verordnung Nr. 1069/2009 eingeführte Regelung anwendbar sind.

    61

    Dies ändert jedoch nichts daran, dass die zuständigen Verwaltungsbehörden und Gerichte die mit der Verordnung Nr. 1013/2006 eingeführte Regelung anwenden müssen, wenn sich aus konkreten, schlüssigen und übereinstimmenden Indizien ergibt, dass der betreffende Wirtschaftsteilnehmer in Abfälle, die Gegenstand einer Verbringung sind, tierische Nebenprodukte nur deshalb eingebracht hat, um die Verordnung Nr. 1013/2006 zu umgehen und künstlich die Anwendbarkeit der Verordnung Nr. 1069/2009 herbeizuführen.

    62

    In solchen Fällen, die eine missbräuchliche Verhaltensweise erkennen lassen, ist es nämlich zwecks Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit der Unionsregelung erforderlich, die Verordnung Nr. 1013/2006 anzuwenden, da deren Ziel und Zweck unter solchen Umständen jenen der Verordnung Nr. 1069/2009 vorgehen.

    63

    Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 1 Abs. 3 Buchst. d der Verordnung Nr. 1013/2006 dahin auszulegen ist, dass diese Bestimmung auf die Verbringung eines Gemischs aus tierischen Nebenprodukten der Kategorie 3 im Sinne von Art. 10 der Verordnung Nr. 1069/2009 und anderem, als nicht gefährlicher Abfall im Sinne der Verordnung Nr. 1013/2006 eingestuftem Material anwendbar ist. Der Anteil der tierischen Nebenprodukte an der Mischung ist dabei nicht relevant.

    Kosten

    64

    Für die Beteiligten der Ausgangsverfahren ist das Verfahren Teil der beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahren; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

     

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

     

    1.

    Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien und Art. 3 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 (Verordnung über tierische Nebenprodukte) sind dahin auszulegen, dass ein Material, das nicht als „Nebenprodukt“ im Sinne der erstgenannten Bestimmung eingestuft werden kann, gleichwohl als „tierisches Nebenprodukt“ im Sinne der zweitgenannten Bestimmung angesehen werden kann.

     

    2.

    Art. 1 Abs. 3 Buchst. d der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Verbringung von Abfällen in der durch die Verordnung (EU) Nr. 135/2012 der Kommission vom 16. Februar 2012 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass Verbringungen tierischer Nebenprodukte, die unter die Verordnung Nr. 1069/2009 fallen, außer in den Fällen, in denen die Verordnung Nr. 1069/2009 ausdrücklich die Anwendung der Verordnung Nr. 1013/2006 in der durch die Verordnung Nr. 135/2012 geänderten Fassung vorsieht, vom Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1013/2006 in der durch die Verordnung Nr. 135/2012 geänderten Fassung ausgenommen sind.

     

    3.

    Art. 1 Abs. 3 Buchst. d der Verordnung Nr. 1013/2006 in der durch die Verordnung Nr. 135/2012 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass diese Bestimmung auf die Verbringung eines Gemischs aus tierischen Nebenprodukten der Kategorie 3 im Sinne von Art. 10 der Verordnung Nr. 1069/2009 und anderem, als nicht gefährlicher Abfall im Sinne der Verordnung Nr. 1013/2006 in der durch die Verordnung Nr. 135/2012 geänderten Fassung eingestuftem Material anwendbar ist. Der Anteil der tierischen Nebenprodukte an der Mischung ist dabei nicht relevant.

     

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Niederländisch.

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