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Dokument 62003CJ0070
Judgment of the Court (First Chamber) of 9 September 2004.#Commission of the European Communities v Kingdom of Spain.#Failure of a Member State to fulfil obligations - Directive 93/13/EEC - Unfair terms in consumer contracts - Rules of interpretation - Rules concerning conflict of laws.#Case C-70/03.
Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 9. September 2004. Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Königreich Spanien. Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Richtlinie 93/13/EWG - Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen - Auslegungsregeln - Kollisionsrecht. Rechtssache C-70/03.
Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 9. September 2004. Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Königreich Spanien. Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Richtlinie 93/13/EWG - Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen - Auslegungsregeln - Kollisionsrecht. Rechtssache C-70/03.
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Richtlinie 93/13/EWG – Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen – Auslegungsregeln – Kollisionsrecht“
Leitsätze des Urteils
1. Rechtsangleichung – Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen – Richtlinie 93/13 – Regel der für den Verbraucher günstigsten
Auslegung bei Zweifeln über die Bedeutung einer Klausel – Unterscheidung zwischen Klagen einzelner Verbraucher und kollektiven
Unterlassungsklagen
(Richtlinie 93/13 des Rates, Artikel 5 und 7 Absatz 2)
2. Rechtsangleichung – Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen – Richtlinie 93/13 – Vertrag, auf den das Recht eines
Drittlands anzuwenden ist und der einen engen Zusammenhang mit dem Gebiet der Mitgliedstaaten aufweist – Begriff „enger Zusammenhang“
– Anknüpfungskriterien des Artikels 5 Absatz 2 des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende
Recht – Ausschluss
(Übereinkommen von Rom vom 19. Juni 1980, Artikel 5; Richtlinie 93/13 des Rates, Artikel 6 Absatz 2)
1. Die Klarstellung in Artikel 5 Satz 3 der Richtlinie 93/13 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, wonach die
Regel, dass bei Zweifeln über die Bedeutung einer Klausel die für den Verbraucher günstigste Auslegung gilt, im Fall von Unterlassungsklagen
im Sinne von Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie keine Anwendung findet, ist eine normative und zwingende Regel, die den Verbrauchern
Rechte verleiht und dazu beiträgt, das von dieser Richtlinie vorgegebene Ziel zu definieren.
Die hinsichtlich der anwendbaren Auslegungsregel insoweit getroffene Unterscheidung zwischen Klagen einzelner Verbraucher
und Unterlassungsklagen von Personen oder Organisationen, die die Verbraucherinteressen vertreten, erklärt sich nämlich aus
den unterschiedlichen Zielen dieser Klagen. Im ersten Fall obliegt es den Gerichten oder den zuständigen Einrichtungen, eine
konkrete Würdigung des missbräuchlichen Charakters einer Klausel vorzunehmen, die in einem bereits geschlossenen Vertrag enthalten
ist, während sie im zweiten Fall eine abstrakte Würdigung des missbräuchlichen Charakters einer Klausel vornehmen, die in
noch nicht geschlossenen Verträgen Verwendung finden kann. Im ersten Fall kommt dem persönlich betroffenen Verbraucher eine
ihm vorteilhafte Auslegung unmittelbar zugute. Im zweiten Fall darf die Klausel dagegen, um für die Gesamtheit der Verbraucher
das günstigste Ergebnis zu erreichen, nicht im Zweifel als für sie vorteilhaft ausgelegt werden. Eine objektive Auslegung
ermöglicht es nämlich in einer höheren Zahl von Fällen, die Verwendung einer unklaren oder zweideutigen Klausel zu verbieten,
was einen weiter gehenden Verbraucherschutz zur Folge hat.
(vgl. Randnrn. 16-17)
2. Artikel 6 Absatz 2 der Richtlinie 93/13 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, dem zufolge die Mitgliedstaaten
die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit der Verbraucher den durch diese Richtlinie gewährten Schutz nicht verliert, wenn
das Recht eines Drittlands als das auf den Vertrag anzuwendende Recht gewählt wurde und der Vertrag einen engen Zusammenhang
mit dem Gebiet der Mitgliedstaaten aufweist, ist dahin auszulegen, dass der absichtlich unscharfe Begriff des „engen Zusammenhangs“,
dessen Zweck es ist, je nach den Umständen des Einzelfalls die Berücksichtigung verschiedener Anknüpfungspunkte zu ermöglichen,
unter Umständen durch Vermutungen konkretisiert werden kann. Er kann jedoch nicht durch eine Kombination von im Voraus definierten
Anknüpfungskriterien, wie etwa die kumulativen Voraussetzungen des Aufenthalts und des Vertragsabschlusses in Artikel 5 des
Übereinkommens vom 19. Juni 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, eingeschränkt werden.
(vgl. Randnrn. 32-33)
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Erste Kammer) 9. September 2004(1)
In der Rechtssache C-70/03betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG,beim Gerichtshof eingereicht am 17. Februar 2003,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch I. Martínez del Peral und M. França als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Königreich Spanien, vertreten durch L. Fraguas Gadea als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagter,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer),
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann (Berichterstatter), des Richters A. Rosas und der Richterin R. Silva de Lapuerta,
Generalanwalt: L. A. Geelhoed, Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. April 2004,
folgendes
Urteil
1
Mit ihrer Klage begehrt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Feststellung, dass das Königreich Spanien dadurch
gegen seine Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag und aus der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche
Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95, S. 29, im Folgenden: Richtlinie) verstoßen hat, dass es die Artikel 5 und 6 Absatz 2
der Richtlinie nicht ordnungsgemäß in sein nationales Recht umgesetzt hat.
2
Gemäß Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie bezweckt diese die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten
über missbräuchliche Klauseln in Verträgen zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern.
3
Nach Artikel 10 Absatz 1 der Richtlinie mussten die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften
erlassen, um der Richtlinie spätestens am 31. Dezember 1994 nachzukommen.
4
Die Umsetzung der Richtlinie in die spanische Rechtsordnung erfolgte mit der Ley 7/1998 sobre condiciones generales de la
contratación (Gesetz über allgemeine Geschäftsbedingungen vom 13. April 1998, Boletín Oficial del Estado Nr. 89 vom 14. April 1998, S. 12304; im Folgenden: Gesetz 7/1998), das die Ley General 26/1984 para la defensa de los consumidores
y usuarios (Allgemeines Gesetz über den Schutz der Verbraucher und Benutzer vom 19. Juli 1984, Boletín Oficial del Estado Nr. 176 vom 24. Juli 1984, S. 21686; im Folgenden: geändertes Gesetz 26/1984) änderte.
Vorverfahren
5
Nachdem sie dem Königreich Spanien Gelegenheit zur Äußerung gegeben hatte, richtete die Kommission am 25. Mai 2000 eine mit
Gründen versehene Stellungnahme an diesen Mitgliedstaat, in der sie ihm vorwarf, die Artikel 5 und 6 Absatz 2 der Richtlinie
nicht ordnungsgemäß umgesetzt zu haben, und ihn aufforderte, dieser Stellungnahme innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung
nachzukommen.
6
Die spanische Regierung teilte mit Schreiben vom 27. September 2000 die Gründe mit, aus denen sie der Auffassung war, die
genannten Bestimmungen der Richtlinie ordnungsgemäß umgesetzt zu haben.
7
Da die Kommission die Antwort der spanischen Regierung auf die mit Gründen versehene Stellungnahme nicht für zufrieden stellend
hielt, hat sie die vorliegende Klage erhoben.
Zur ersten Rüge: nicht ordnungsgemäße Umsetzung von Artikel 5 der Richtlinie Rechtlicher Rahmen Die Richtlinie
8
Artikel 5 der Richtlinie bestimmt:
„Sind alle dem Verbraucher in Verträgen unterbreiteten Klauseln oder einige dieser Klauseln schriftlich niedergelegt, so müssen
sie stets klar und verständlich abgefasst sein. Bei Zweifeln über die Bedeutung einer Klausel gilt die für den Verbraucher
günstigste Auslegung. Diese Auslegungsregel gilt nicht im Rahmen der in Artikel 7 Absatz 2 vorgesehenen Verfahren.“
9
Bei den in Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie genannten Klagen handelt es sich um „Unterlassungsklagen“, d. h. Verfahren, in
denen „Personen oder Organisationen, die nach dem innerstaatlichen Recht ein berechtigtes Interesse am Schutz der Verbraucher
haben, im Einklang mit den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften die Gerichte oder die zuständigen Verwaltungsbehörden anrufen
können, damit diese darüber entscheiden, ob Vertragsklauseln, die im Hinblick auf eine allgemeine Verwendung abgefasst wurden,
missbräuchlich sind, und angemessene und wirksame Mittel anwenden, um der Verwendung solcher Klauseln ein Ende zu setzen“.
Nationales Recht
10
Artikel 10 Absatz 2 des geänderten Gesetzes 26/1984 sieht vor:
„Bei Zweifeln über die Bedeutung einer Bestimmung gilt die für den Verbraucher günstigste Auslegung.“
11
Artikel 6 Absatz 2 des Gesetzes 7/1998 bestimmt:
„Zweifel bei der Auslegung von unklaren allgemeinen Geschäftsbedingungen wirken zugunsten des Vertragspartners.“
Vorbringen der Parteien
12
Die Kommission wirft dem Königreich Spanien vor, der nationale Gesetzgeber habe nicht geregelt, dass die Auslegungsregel zugunsten
des Verbrauchers im Rahmen der in Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie genannten kollektiven Unterlassungsklagen keine Anwendung
finde. Dies könne die Wirksamkeit solcher Klagen beeinträchtigen, da der Gewerbetreibende unter Berufung auf die Auslegungsregel
zugunsten des Verbrauchers verhindern könne, dass eine unklare Bestimmung, die als missbräuchlich ausgelegt werden könne,
verboten werde.
13
Die spanische Regierung trägt vor, dass die in Rede stehende Auslegungsregel nur Einzelklagen betreffe, während für Verbandsklagen
eine objektive Auslegung gelte. Das nationale Recht biete einen weiter gehenden Verbraucherschutz als den von der Richtlinie
vorgesehenen und enthalte eine Liste von Klauseln, die in jedem Fall als missbräuchlich angesehen würden. Der zwingende Charakter
dieser Liste stehe einer Berufung des Gewerbetreibenden auf eine Auslegung zugunsten des Verbrauchers zur Abwehr von Unterlassungsklagen
entgegen.
Würdigung durch den Gerichtshof
14
Wie der Generalanwalt in Nummer 7 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, streiten die Parteien im Hinblick auf die erste Rüge
nicht so sehr über den Inhalt der sich aus Artikel 5 der Richtlinie ergebenden Verpflichtung als vielmehr über die Art und
Weise ihrer Umsetzung in das nationale Recht.
15
Nach ständiger Rechtsprechung verlangt die Umsetzung einer Richtlinie zwar nicht notwendig in jedem Mitgliedstaat ein Tätigwerden
des Gesetzgebers, es ist jedoch unerlässlich, dass das fragliche nationale Recht tatsächlich die vollständige Anwendung der
Richtlinie durch die nationalen Behörden gewährleistet, dass die sich aus diesem Recht ergebende Rechtslage hinreichend bestimmt
und klar ist und dass die Begünstigten in die Lage versetzt werden, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese
gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten geltend zu machen (vgl. u. a. Urteile vom 10. Mai 2001 in der Rechtssache C‑144/99,
Kommission/Niederlande, Slg. 2001, I‑3541, Randnr. 17, und vom 7. Mai 2002 in der Rechtssache C‑478/99, Kommission/Schweden,
Slg. 2002, I‑4147, Randnr. 18).
16
Die in Artikel 5 der Richtlinie hinsichtlich der anwendbaren Auslegungsregel getroffene Unterscheidung zwischen Klagen einzelner
Verbraucher und Unterlassungsklagen von Personen oder Organisationen, die die Verbraucherinteressen vertreten, erklärt sich
aus den unterschiedlichen Zielen dieser Klagen. Im ersten Fall obliegt es den Gerichten oder den zuständigen Einrichtungen,
eine konkrete Würdigung des missbräuchlichen Charakters einer Klausel vorzunehmen, die in einem bereits geschlossenen Vertrag
enthalten ist, während sie im zweiten Fall eine abstrakte Würdigung des missbräuchlichen Charakters einer Klausel vornehmen,
die in noch nicht geschlossenen Verträgen Verwendung finden kann. Im ersten Fall kommt dem persönlich betroffenen Verbraucher
eine ihm vorteilhafte Auslegung unmittelbar zugute. Im zweiten Fall darf die Klausel dagegen, um für die Gesamtheit der Verbraucher
das günstigste Ergebnis zu erreichen, nicht im Zweifel als für sie vorteilhaft ausgelegt werden. Eine objektive Auslegung
ermöglicht es nämlich in einer höheren Zahl von Fällen, die Verwendung einer unklaren oder zweideutigen Klausel zu verbieten,
was einen weiter gehenden Verbraucherschutz zur Folge hat.
17
Folglich ist die Klarstellung in Artikel 5 Satz 3 der Richtlinie eine normative und zwingende Regel, die den Verbrauchern
Rechte verleiht und dazu beiträgt, das von dieser Richtlinie vorgegebene Ziel zu definieren.
18
Die spanische Regierung hat jedoch nicht nachgewiesen, dass dieses Ziel in der nationalen Rechtsordnung erreicht werden kann.
19
Sein Vorbringen, die Regel der verbraucherfreundlichen Auslegung betreffe nur Einzelklagen, hat das Königreich Spanien weder
mit einer Bestimmung seiner Rechtsordnung noch mit einer Entscheidung der nationalen Gerichte belegt.
20
Artikel 10 Absatz 2 des geänderten Gesetzes 26/1984 und Artikel 6 Absatz 2 des Gesetzes 7/1998 führen ohne jede Einschränkung
eine allgemeine Regel der verbraucherfreundlichen Auslegung ein, und Artikel 12 des Gesetzes 7/1998 über die kollektiven Unterlassungsklagen
enthält keine Ausnahme bezüglich der Anwendung dieser Auslegungsregel.
21
Der Gehalt dieser Bestimmungen wird durch ihre Stellung innerhalb der nationalen Regelung bestätigt. Artikel 10 des geänderten
Gesetzes 26/1984 steht nämlich in dessen Kapitel II mit der Überschrift „Schutz der wirtschaftlichen und sozialen Interessen“,
während Artikel 6 des Gesetzes 7/1998 in dessen Kapitel I mit der Überschrift „Allgemeine Bestimmungen“ steht. Solche Überschriften
lassen darauf schließen, dass es sich um allgemein geltende Bestimmungen ohne Beschränkung hinsichtlich des besonderen Falles
der kollektiven Unterlassungsklage handelt.
22
Daher ist die erste Rüge als begründet anzusehen.
Zur zweiten Rüge: nicht ordnungsgemäße Umsetzung von Artikel 6 Absatz 2 der RichtlinieRechtlicher Rahmen Die Richtlinie
23
Artikel 6 Absatz 2 der Richtlinie hat folgenden Wortlaut:
„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit der Verbraucher den durch diese Richtlinie gewährten Schutz
nicht verliert, wenn das Recht eines Drittlands als das auf den Vertrag anzuwendende Recht gewählt wurde und der Vertrag einen
engen Zusammenhang mit dem Gebiet der Mitgliedstaaten aufweist.“
Nationales Recht
24
Artikel 10a Absatz 3 des geänderten Gesetzes 26/1984 sieht vor:
„Die Vorschriften zum Schutz der Verbraucher vor missbräuchlichen Klauseln gelten ungeachtet des Rechts, dem die Parteien
den Vertrag unterstellt haben, nach Maßgabe von Artikel 5 des Übereinkommens von Rom von 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse
anzuwendende Recht.“
25
Artikel 3 Absatz 2 des Gesetzes 7/1998 bestimmt:
„Unbeschadet internationaler Verträge und Übereinkommen gilt [dieses Gesetz] auch für Verträge, die einem ausländischen Recht
unterliegen, wenn der Vertragspartner seine Willenserklärung in spanischem Gebiet abgegeben und er dort seinen gewöhnlichen
Aufenthalt hat.“
Das Übereinkommen von Rom
26
Gemäß Artikel 5 Absatz 1 des Übereinkommens ᄐber das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, aufgelegt zur
Unterzeichnung am 19. Juni 1980 im Rom (ABl. L 266, S. 1, im Folgenden: Übereinkommen von Rom) gilt dieser Artikel „für Verträge
über die Lieferung beweglicher Sachen oder die Erbringung von Dienstleistungen an eine Person, den Verbraucher, zu einem Zweck,
der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit des Verbrauchers zugerechnet werden kann, sowie für Verträge zur Finanzierung
eines solchen Geschäfts“. Nach seinen Absätzen 4 und 5 gilt Artikel 5 nicht für Beförderungsverträge, es sei denn, dass diese
für einen Pauschalpreis kombinierte Beförderungs- und Unterbringungsleistungen vorsehen, sowie für Verträge über die Erbringung
von Dienstleistungen, wenn die dem Verbraucher geschuldeten Dienstleistungen ausschließlich in einem anderen als dem Staat
erbracht werden müssen, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
27
Artikel 5 Absatz 2 des Übereinkommens von Rom sieht vor:
„[D]ie Rechtswahl der Parteien [darf] nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts
des Staates, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, gewährte Schutz entzogen wird:
–
wenn dem Vertragsabschluss ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung in diesem Staat vorausgegangen ist und wenn der Verbraucher
in diesem Staat die zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat oder
–
wenn der Vertragspartner des Verbrauchers oder sein Vertreter die Bestellung des Verbrauchers in diesem Staat entgegengenommen
hat oder
–
wenn der Vertrag den Verkauf von Waren betrifft und der Verbraucher von diesem Staat ins Ausland gereist ist und dort seine
Bestellung aufgegeben hat, sofern diese Reise vom Verkäufer mit dem Ziel herbeigeführt worden ist, den Verbraucher zum Vertragsabschluss
zu veranlassen.“
Vorbringen der Parteien
28
Die Kommission macht geltend, Artikel 6 Absatz 2 der Richtlinie ziele darauf ab, den Schutz aller Verbraucher in allen mit
Gewerbetreibenden geschlossenen Verträgen sicherzustellen, während Artikel 10a des geänderten Gesetzes 26/1984 einen solchen
Schutz nur für bestimmte Vertragstypen vorsehe, nämlich die in Artikel 5 Absatz 1 des Übereinkommens von Rom genannten, und
dies nur bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen, nämlich derjenigen des Artikels 5 Absatz 2 dieses Übereinkommens. Diese
Voraussetzungen seien enger als die einzige in Artikel 6 Absatz 2 der Richtlinie vorgesehene Anforderung, die lediglich verlange,
dass „der Vertrag einen engen Zusammenhang mit dem Gebiet der Mitgliedstaaten aufweist“.
29
Nach Ansicht der spanischen Regierung ergibt sich aus einer kohärenten Auslegung der nationalen Bestimmungen zum Schutz der
Verbraucher vor missbräuchlichen Klauseln, dass diese zwingenden Charakter hätten, gleich welches Recht die Parteien für den
Vertrag gewählt hätten. Artikel 3 Absatz 2 des Gesetzes 7/1998 sehe zwingend die Anwendung dieser nationalen Bestimmungen,
d. h. des durch die Richtlinie gewährten Schutzes, auf die einem ausländischem Recht unterliegenden Verträge vor, wenn der
Vertragspartner seine Willenserklärung in spanischem Gebiet abgegeben habe und dort seinen Aufenthalt habe. So konkretisiere
sich der Begriff des „engen Zusammenhang[s] mit dem Gebiet der Mitgliedstaaten“ im Sinne von Artikel 6 Absatz 2 der Richtlinie
für Verträge mit einer Verbindung zum spanischen Recht.
Würdigung durch den Gerichtshof
30
Wie sich aus ihrer sechsten Begründungserwägung ergibt, bezweckt die Richtlinie, „den Bürger in seiner Rolle als Verbraucher
beim Kauf von Waren und Dienstleistungen mittels Verträgen zu schützen, für die die Rechtsvorschriften anderer Mitgliedstaaten
gelten“ (vgl. in dieser Hinsicht Urteile Kommission/Niederlande, Randnr. 18, und Kommission/Schweden, Randnr. 18). Artikel 6
Absatz 2 der Richtlinie vervollständigt diese Zielsetzung. Wie aus der zweiundzwanzigsten Begründungserwägung der Richtlinie
hervorgeht, soll diese Bestimmung der Gefahr begegnen, dass dem Verbraucher der gemeinschaftsrechtliche Schutz dadurch entzogen
wird, dass das Recht eines Drittlands als das auf den Vertrag anwendbare Recht bestimmt wird. Zu diesem Zweck sieht sie die
Aufrechterhaltung des den Verbrauchern durch die Richtlinie gewährten Schutzes in Vertragsbeziehungen vor, die Drittstaaten
berühren, wenn der Vertrag eng mit dem Gebiet der Mitgliedstaaten verknüpft ist.
31
Der materielle Geltungsbereich des durch die Richtlinie gewährten Schutzes erstreckt sich nach den Artikeln 1 Absatz 1 und 3
Absatz 1 der Richtlinie für alle Verträge zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern auf Klauseln, die nicht im Einzelnen
ausgehandelt wurden. Zwar trifft es zu, wie die Kommission zu Recht vorgetragen hat, dass Artikel 10a des geänderten Gesetzes
26/1984 einen engeren Geltungsbereich hat, da er nur für die in Artikel 5 Absätze 1, 4 und 5 des Übereinkommens von Rom genannten
Vertragstypen gilt. Allerdings wird diese Lücke, wie die spanische Regierung ausgeführt hat, durch Artikel 3 Absatz 2 des
Gesetzes 7/1998 ausgefüllt, der für alle Verträge gilt, die ohne Aushandlung im Einzelnen aufgrund allgemeiner Geschäftsbedingungen
geschlossen werden.
32
Was die Verbindung mit der Gemeinschaft angeht, so beschränkt sich Artikel 6 Absatz 2 der Richtlinie auf den Hinweis, dass
der Vertrag „einen engen Zusammenhang mit dem Gebiet der Mitgliedstaaten“ aufweisen muss. Zweck dieser allgemeinen Formulierung
ist es, je nach den Umständen des Einzelfalls die Berücksichtigung verschiedener Anknüpfungspunkte zu ermöglichen.
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Zwar kann der vom Gemeinschaftsgesetzgeber verwendete, absichtlich unscharfe Begriff des „engen Zusammenhangs“ unter Umständen
durch Vermutungen konkretisiert werden, er kann jedoch nicht durch eine Kombination von im Voraus definierten Anknüpfungskriterien,
wie etwa die kumulativen Voraussetzungen des Aufenthalts und des Vertragsabschlusses in Artikel 5 des Übereinkommens von Rom,
eingeschränkt werden.
34
Durch die Bezugnahme auf diese Bestimmung, die in Artikel 10a des geänderten Gesetzes 26/1984 ausdrücklich und in Artikel 3
Absatz 2 des Gesetzes 7/1998 implizit erfolgt, führen die Bestimmungen des spanischen Rechts, mit denen Artikel 6 Absatz 2
der Richtlinie umgesetzt werden soll, also eine Einschränkung ein, die mit dem von der Richtlinie festgelegten Schutzniveau
unvereinbar ist.
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Folglich ist die zweite Rüge ebenfalls begründet.
36
Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass das Königreich Spanien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie
verstoßen hat, dass es deren Artikel 5 und 6 Absatz 2 nicht ordnungsgemäß in sein nationales Recht umgesetzt hat.
Kosten
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Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da
die Kommission die Verurteilung des Königreichs Spanien beantragt hat und dieses mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind
ihm die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1.
Das Königreich Spanien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über
missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen verstoßen, dass es deren Artikel 5 und 6 Absatz 2 nicht ordnungsgemäß in
sein nationales Recht umgesetzt hat.
2.
Das Königreich Spanien trägt die Kosten des Verfahrens.