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Document 62019CC0869

Schlussanträge des Generalanwalts E. Tanchev vom 15. Juli 2021.
L gegen Unicaja Banco SA.
Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal Supremo.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 93/13/EWG – Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen – Äquivalenzgrundsatz – Effektivitätsgrundsatz – Hypothekenvertrag – Missbräuchlichkeit der im Hypothekenvertrag enthaltenen Mindestzinssatzklausel – Nationale Vorschriften über das Berufungsverfahren – Zeitliche Begrenzung der Wirkungen der Nichtigerklärung einer missbräuchlichen Klausel – Erstattung – Befugnis des nationalen Berufungsgerichts zur Prüfung von Amts wegen.
Rechtssache C-869/19.

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ECLI identifier: ECLI:EU:C:2021:617

 SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

EVGENI TANCHEV

vom 15. Juli 2021 ( 1 )

Rechtssache C‑869/19

L

gegen

Unicaja Banco, S.A., vormals Banco de Caja España de Inversiones, Salamanca y Soria, S.A.U.

(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal Supremo [Oberster Gerichtshof, Spanien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 93/13/EWG – Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen – Art. 6 Abs. 1 – Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität – Urteil vom 21. Dezember 2016, Gutiérrez Naranjo u. a. (C‑154/15, C‑307/15 und C‑308/15, EU:C:2016:980) – Zeitliche Beschränkung der Restitutionswirkungen, die damit verbunden sind, dass eine Klausel gerichtlich für missbräuchlich erklärt wird – Überprüfungsumfang des nationalen Gerichts im Berufungsverfahren – Verhandlungsmaxime – Dispositionsmaxime – Verbot der reformatio in peius – Rechtskraft – Ausschlusswirkung“

I. Einleitung

1.

Dieses vom Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) vorgelegte Ersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ( 2 ). Es steht im Zusammenhang mit einer Kassationsbeschwerde, die auf das Urteil der Großen Kammer vom 21. Dezember 2016 in der Rechtssache Gutiérrez Naranjo u. a. hin eingelegt wurde ( 3 ). Mit diesem Urteil hat der Gerichtshof im Wesentlichen entschieden, dass die nationale Rechtsprechung des Tribunal Supremo, nach der die Verbrauchern gegen Banken zustehenden Rückzahlungsansprüche für aufgrund einer missbräuchlichen Mindestzinssatzklausel rechtsgrundlos gezahlte Beträge zeitlich beschränkt seien, gegen Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 verstößt, wonach missbräuchliche Klauseln für den Verbraucher unverbindlich sind, und dass Verbraucher aufgrund der genannten Vorschrift Anspruch auf die Rückzahlung dieser Beträge in voller Höhe haben.

2.

Das Problem, das sich im vorliegenden Fall stellt, ergibt sich aus dem Umstand, dass nur von der Bank – und nicht vom Verbraucher – Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt wurde, mit dem aufgrund der nationalen Rechtsprechung auf einen zeitlich befristeten Rückzahlungsanspruch erkannt worden war, und dass das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Gutiérrez Naranjo erst nach Ablauf der Berufungsfrist, jedoch noch vor Verkündung der Entscheidung des nationalen Gerichts im Berufungsverfahren erging. Die Hauptfrage, die sich dem Gerichtshof stellt, ist somit, ob ein nationales Gericht, das über eine Berufung entscheidet, unter solchen Umständen gehalten ist, von Amts wegen gemäß dem Urteil in der Rechtssache Gutiérrez Naranjo die volle Rückzahlung der vom Verbraucher rechtsgrundlos gezahlten Beträge anzuordnen, auch wenn man der Ansicht sein kann, dass gewisse Grundsätze des nationalen Verfahrensrechts – unter anderem die Verfahrensgrundsätze der Verhandlungsmaxime, der Dispositionsmaxime und das Verbot der reformatio in peius – dem möglicherweise entgegenstehen.

3.

Die vorliegende Rechtssache wird vom Gerichtshof parallel zu vier anderen Rechtssachen (C‑600/19, C‑693/19, C‑725/19 und C‑831/19) verhandelt, in denen meine Schlussanträge heute verlesen werden. Diese Rechtssachen beruhen auf spanischen, italienischen, und rumänischen Vorabentscheidungsersuchen und berühren ebenfalls ähnliche und möglicherweise heikle Fragen, die den Umfang der Verpflichtung des nationalen Gerichts, die Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Auslegung der Richtlinie 93/13 von Amts wegen zu prüfen, sowie das Verhältnis zu den nationalen Verfahrensordnungen betreffen.

4.

Die vorliegende Rechtssache gibt dem Gerichtshof daher die Gelegenheit, seine Rechtsprechung zur Richtlinie 93/13 weiterzuentwickeln und insbesondere die Anwendung dieser nationale Verfahrensgrundsätze betreffenden Fragen zu klären, die sich im Zusammenhang mit der gerichtlichen Prüfung von missbräuchlichen Klauseln nach dieser Richtlinie ergeben.

II. Rechtlicher Rahmen

A. Unionsrecht

5.

Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann.“

B. Spanisches Recht

6.

Art. 1303 des Código Civil español (im Folgenden: Zivilgesetzbuch) bestimmt:

„Ist eine Verpflichtung für nichtig erklärt worden, müssen die Vertragsparteien unbeschadet der folgenden Artikel einander die Sachen, die Gegenstand des Vertrags gewesen sind, mit ihren Früchten sowie den Preis mitsamt Zinsen zurückerstatten.“

7.

Art. 216 der Ley de Enjuiciamiento Civil (im Folgenden: Zivilprozessordnung) bestimmt:

„Die Zivilgerichte entscheiden aufgrund des Sachvortrags, der Beweismittel und der Anträge der Parteien, sofern das Gesetz nicht in besonderen Fällen etwas anderes bestimmt.“

8.

Art. 218 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bestimmt:

„1. Die Urteile müssen klar und präzise sein und müssen sich mit der Klage und den sonstigen Anträgen der Parteien decken, die im Rahmen des Rechtsstreits rechtzeitig vorgebracht worden sind. Sie enthalten die vorgeschriebenen Erklärungen, verurteilen oder entlasten den Beklagten und entscheiden alle streitigen Punkte, die Gegenstand der Verhandlung waren.

… Das Gericht entscheidet gemäß den auf den Fall anwendbaren Vorschriften, auch wenn diese von den Parteien nicht korrekt zitiert oder geltend gemacht worden sind, ohne dadurch vom Streitgegenstand abzuweichen, dass es andere tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte berücksichtigt, als die Parteien geltend machen wollten.“

9.

Art. 412 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bestimmt:

„Sobald der Verfahrensgegenstand in der Klageschrift, der Klageerwiderung und gegebenenfalls in der Widerklage festgelegt worden ist, können ihn die Parteien später nicht mehr ändern.“

10.

Art. 465 Abs. 5 der Zivilprozessordnung bestimmt:

„Im Berufungsverfahren ergehende Beschlüsse oder Urteile dürfen nur über Punkte und Fragen entscheiden, die mit der Berufung und gegebenenfalls der in Art. 461 genannten Berufungserwiderung oder Anschlussberufung aufgeworfen werden. Die Entscheidung darf dem Berufungskläger nicht zum Nachteil gereichen, es sei denn, der Nachteil ergibt sich daraus, dass der vom ursprünglichen Berufungsbeklagten eingelegten Anschlussberufung stattgegeben wird.“

III. Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefrage

11.

Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass das später in der Unicaja Banco, S.A. (im Folgenden: Unicaja Banco) aufgegangene Finanzinstitut Banco de Caja España de Inversiones, Salamanca y Soria, S.A.U. (im Folgenden: Banco Ceiss) am 22. März 2006 Frau L ein Hypothekendarlehen in Höhe von 120000 Euro zum Erwerb ihrer Familienwohnung gewährte. Frau L sollte dieses Darlehen über 30 Jahre durch die Zahlung von 360 Monatsraten zurückzahlen.

12.

Nach den von der Banco Ceiss aufgestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Darlehensvertrags betrug der Darlehenszinssatz für das erste Jahr 3,350 % p. a.; für die Zeit danach galt ein variabler Zinssatz in Höhe des 12-Monats-Euribor zuzüglich eines Aufschlags von 0,52 % ( 4 ). Jedoch enthielt der Vertrag eine Klausel, die festlegte, dass der Zinssatz des Darlehens niemals unter 3 % p. a. falle (im Folgenden: Mindestzinsklausel). Als der Euribor im Jahr 2009 erheblich sank, verhinderte diese Klausel, dass der Zinssatz des Darlehens unter 3 % p. a. fiel.

13.

Im Januar 2016 erhob Frau L vor dem Juzgado de Primera Instancia de Valladolid (Gericht erster Instanz, Valladolid, Spanien; im Folgenden: Juzgado) Klage gegen die Banco Ceiss, in der sie beantragte, die Mindestzinsklausel mangels Transparenz im Sinne der spanischen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 93/13 wegen Missbräuchlichkeit für nichtig zu erklären. Daneben beantragte Frau L die Rückerstattung sämtlicher Beträge, die die Banco Ceiss in Anwendung der Mindestzinsklausel rechtsgrundlos vereinnahmt habe. Hilfsweise beantragte sie, dass die Banco Ceiss ihr die Beträge zurückerstatte, die ab dem 9. Mai 2013 aufgrund der genannten Klausel vereinnahmt worden waren.

14.

Mit Urteil vom 6. Juni 2016 (im Folgenden: erstinstanzliches Urteil) entschied der Juzgado, dass die Mindestzinsklausel wegen fehlender Transparenz missbräuchlich sei, und verurteilte die Banco Ceiss zur Rückerstattung der ab dem 9. Mai 2013 vereinnahmten Beträge nebst Zinsen; dies entsprach der vom Tribunal Supremo mit seinem Urteil vom 9. Mai 2013 (Nr. 241/2013, im Folgenden: Urteil vom 9. Mai 2013) begründeten Rechtsprechung. Außerdem verurteilte das Gericht die Banco Ceiss zur Kostentragung.

15.

Am 14. Juli 2016 legte die Banco Ceiss bei der Audiencia Provincial de Valladolid (Provinzgericht Valladolid, Spanien; im Folgenden: Audiencia Provincial) Berufung gegen das Urteil ein. Sie wehrte sich gegen die Kostenentscheidung mit der Begründung, dass der Klage nicht in vollem Umfang, sondern nur zum Teil stattgegeben worden sei. Frau L beantragte, die Berufung zurückzuweisen.

16.

Am 21. Dezember 2016 hat der Gerichtshof sein Urteil in der Rechtssache Gutiérrez Naranjo ( 5 ) verkündet; darin hat er im Wesentlichen festgestellt, dass Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 einer nationalen Rechtsprechung wie der durch das Urteil vom 9. Mai 2013 begründeten entgegensteht, die im Falle einer missbräuchlichen Klausel die aus der Nichtigerklärung folgenden Restitutionswirkungen zeitlich auf diejenigen Beträge beschränkt, die rechtsgrundlos gezahlt wurden, nachdem die Entscheidung mit der gerichtlichen Feststellung der Missbräuchlichkeit verkündet worden war.

17.

Mit Urteil vom 13. Januar 2017 gab die Audiencia Provincial der Berufung mit der Begründung statt, dass der Klage nur zum Teil stattgegeben worden sei, und hob die gegen die Banco Ceiss ergangene Kostenentscheidung auf. Dabei wurde von der Audiencia Provincial weder das Urteil in der Rechtssache Gutiérrez Naranjo erwähnt noch die Entscheidung des erstinstanzlichen Urteils im Hinblick auf die Restitutionswirkungen der Nichtigkeit der Mindestzinsklausel abgeändert, da dies nicht Gegenstand des Rechtsmittels war.

18.

Gegen dieses Urteil legte Frau L Kassationsbeschwerde beim Tribunal Supremo ein. Zur Begründung des Rechtsmittels trägt Frau L vor, dass das angefochtene Urteil, weil darin die im Urteil in der Rechtssache Gutiérrez Naranjo begründete Rechtsprechung nicht angewendet und die vollständige Rückerstattung der aufgrund der Mindestzinsklausel vereinnahmten Beträge nicht von Amts wegen angeordnet werde, unter anderem gegen Art. 1303 des Zivilgesetzbuchs (der die mit der Nichtigkeit von vertraglichen Verpflichtungen verbundenen Restitutionswirkungen regele) in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13, der die Unverbindlichkeit missbräuchlicher Klauseln für die Verbraucher festlege, verstoße. Die Banco Ceiss wehrt sich gegen das Rechtsmittel und führt dazu aus, dass Frau L gegen das erstinstanzliche Urteil keine Berufung eingelegt habe, um die zeitliche Beschränkung der Restitutionswirkung der Nichtigerklärung der Mindestzinsklausel anzufechten; deshalb habe es der Audiencia Provincial nicht freigestanden, die Rückerstattung sämtlicher gezahlten Beträge anzuordnen.

19.

Das vorlegende Gericht erklärt, dass der Tribunal Supremo mit dem Urteil vom 9. Mai 2013 in einem Sammelklageverfahren die Mindestzinsklauseln bestimmter zwischen Banken und Verbrauchern geschlossener Verträge wegen fehlender Transparenz für nichtig befunden, die sich aus der Nichtigkeit der Klauseln ergebenden Restitutionswirkungen jedoch zeitlich beschränkt habe, indem er die vor der Bekanntgabe des Urteils, also vor dem 9. Mai 2013, entrichteten Zahlungen von den Restitutionswirkungen ausgenommen habe; dieses Urteil sei durch spätere Rechtsprechung zu einzelnen Schadensersatzklagen bestätigt worden. Erst danach habe der Gerichtshof in seinem Urteil in der Rechtssache Gutiérrez Naranjo festgestellt, dass eine nationale Rechtsprechung, die eine zeitliche Beschränkung wie die durch das Urteil vom 9. Mai 2013 begründete vorsehe, Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 zuwiderlaufe. Nach seinem Urteil vom 24. Februar 2017 (Nr. 123/2017) habe der Tribunal Supremo seine Rechtsprechung deshalb dem Urteil in der Rechtssache Gutiérrez Naranjo angepasst. Zum Zeitpunkt der Verkündung des Urteils des Gerichtshofs seien die spanischen Gerichte jedoch bereits mit zahlreichen Rechtsstreitigkeiten über nichtige Mindestzinsklauseln befasst gewesen; in Fällen wie der vorliegenden Rechtssache, in denen Verbraucher als Hauptforderung oder hilfsweise die Rückerstattung rechtsgrundlos entrichteter Zahlungen beantragt hätten, seien diese Anträge im Hinblick auf die nationale Rechtsprechung auf die nach dem 9. Mai 2013 geleisteten Zahlungen beschränkt gewesen, und die Verbraucher hätten gegen Urteile, mit denen wegen dieser Rechtsprechung auf eine zeitlich beschränkte Rückerstattung erkannt worden sei, auch keine Rechtsmittel eingelegt.

20.

Das vorlegende Gericht führt aus, dass das spanische Zivilverfahren der Verhandlungsmaxime (principio de justicia rogada), wonach der Streitgegenstand von den Parteien bestimmt werde, dem Ausschluss bestimmter Verfahrenshandlungen nach Überschreitung der dafür geltenden Fristen (Präklusion), dem Verbot der mutatio libelli oder Klageänderung, der Dispositionsmaxime (principio de congruencia [Grundsatz der Kongruenz]), wonach der Entscheidungstenor in Relation zu den Anträgen der Parteien stehe, und, im Bereich von Rechtsmitteln, dem eng mit der Dispositionsmaxime verbundenen Grundsatz des Verbots der reformatio in peius unterliege. In der Rechtsprechung des Tribunal Constitucional (Verfassungsgerichtshof, Spanien; im Folgenden: Tribunal Constitucional) sei anerkannt, dass einige dieser Verfahrensgrundsätze, etwa das Verbot der reformatio in peius, an das in Art. 24 der spanischen Verfassung verankerte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf bei einem Gericht anknüpften, das Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) entspreche. Es sei offensichtlich, dass diese Grundsätze die Audiencia Provincial in dieser Sache davon abgehalten hätten, auf die Rückerstattung der vom Finanzinstitut aufgrund der Mindestzinsklausel vereinnahmten Beträge in voller Höhe zu erkennen, da Frau L das erstinstanzliche Urteil, mit dem ihr lediglich die Rückerstattung der nach dem 9. Mai 2013 gezahlten Beträge zugesprochen worden sei, nicht angefochten habe.

21.

Das vorlegende Gericht führt aus, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 niedergelegte Grundsatz, dass missbräuchliche Klauseln für den Verbraucher unverbindlich seien, dem entgegenstehe, die Rückerstattung der von einem Verbraucher aufgrund einer missbräuchlichen Klausel rechtsgrundlos entrichteten Beträge zeitlich zu beschränken; dieser Grundsatz gelte jedoch nicht absolut, sondern unterliege im Interesse einer geordneten Rechtspflege Grenzen wie beispielsweise der Rechtskraft oder angemessenen Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung. So sei die im spanischen Recht vorgesehene Möglichkeit, die verschiedenen Teile des Urteilstenors mit der Berufung getrennt voneinander anzufechten, wobei die von keiner der Parteien angefochtenen Teile des Urteilstenors vom Berufungsgericht weder aufgehoben noch abgeändert werden dürften, in gewisser Weise der Rechtskraft vergleichbar. Es sei daher zweifelhaft, ob die Verfahrensgrundsätze der Verhandlungsmaxime (principio de justicia rogada), der Dispositionsmaxime (principio de congruencia) und des Verbots der reformatio in peius, so wie diese im nationalen Recht geregelt seien, mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 vereinbar seien, und insbesondere, ob ein nationales Gericht, das nach der Verkündung des Urteils des Gerichtshofs in der Rechtssache Gutiérrez Naranjo mit einem Verfahren befasst sei, in dem nur die Bank (und nicht der Verbraucher) Rechtsmittel eingelegt habe, die Rückerstattung sämtlicher aufgrund der missbräuchlichen Klausel vereinnahmten Beträge anordnen müsse, selbst wenn die Bank dadurch in eine schlechtere Lage versetzt würde, was dem Verbot der reformatio in peius zuwiderliefe.

22.

Unter diesen Umständen hat der Tribunal Supremo beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Steht Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG der Anwendung der Verfahrensgrundsätze der Verhandlungsmaxime, der Dispositionsmaxime und des Verbots der reformatio in peius entgegen, die das Gericht, das mit dem von der Bank gegen ein Urteil, mit dem die Rückerstattung der vom Verbraucher aufgrund einer für nichtig erklärten Mindestzinsklausel rechtsgrundlos gezahlten Beträge zeitlich beschränkt wurde, eingelegten Rechtsmittel befasst ist, daran hindern, auf die vollständige Rückerstattung dieser Beträge zu erkennen und damit die Position des Rechtsmittelführers zu verschlechtern, weil diese Beschränkung vom Verbraucher nicht angefochten worden ist?

23.

Frau L, die Unicaja Banco, die tschechische, die spanische, die italienische und die norwegische Regierung sowie die Kommission haben schriftliche Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht.

24.

An der gemeinsamen mündlichen Verhandlung in dieser Rechtssache und in der Rechtssache C‑600/19, die am 26. April 2021 stattgefunden hat, haben Frau L, die Unicaja Banco, die spanische, die italienische und die norwegische Regierung sowie die Kommission teilgenommen.

IV. Zusammenfassung des Vorbringens der Beteiligten

25.

Frau L vertritt, gestützt auf das Urteil in der Rechtssache Gutiérrez Naranjo, die Ansicht, dass das nationale Gericht im Hinblick auf die Verbraucherschutzpflicht gemäß der Richtlinie 93/13 gehalten sei, die Restitutionswirkungen, die sich aus der Nichtigkeit der Mindestzinsklausel ergäben, von Amts wegen anzuordnen. Gegen das erstinstanzliche Urteil habe sie, wie sie in der mündlichen Verhandlung vortrug, deshalb kein Rechtsmittel eingelegt, weil sie sonst nach der nationalen Rechtsprechung zur Kostentragung verurteilt worden wäre. Da sie von Anfang an auf Rückerstattung in voller Höhe geklagt habe, handele es sich nicht um eine Erweiterung des Streitgegenstands, und was die zeitliche Beschränkung angehe, sei noch keine endgültige Entscheidung ergangen, so dass keine Rechtskraft eingetreten sei. Diese Auffassung laufe auch nicht dem Verbot der reformatio in peius zuwider, da das Urteil in der Rechtssache Gutiérrez Naranjo beachtet werden müsse; andernfalls gäbe es keine Rückerstattung an Frau L, und die Bank behielte die aufgrund der missbräuchlichen Klausel vereinnahmten Beträge.

26.

Die Unicaja Banco meint, dass sich aus Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 keine Verpflichtung eines mit einer Berufung befassten nationalen Gerichts ergebe, die sich aus der Missbräuchlichkeit einer Klausel ergebenden Folgen von Amts wegen anzuordnen, wenn es sich durch eine solche Vorgehensweise über die Regel, die die reformatio in peius verbiete, hinwegsetzen müsste. Nichts habe Frau L gehindert, gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung oder Anschlussberufung einzulegen, und Frau L sei nicht nur anwaltlich vertreten gewesen, sondern habe auch vom anstehenden Urteil in der Rechtssache Gutiérrez Naranjo gewusst. Die Regel, die die reformatio in peius verbiete, sei Teil des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf bei einem Gericht, das durch Art. 24 der spanischen Verfassung geschützt sei; folge man dem Urteil vom 25. November 2008 in der Rechtssache Heemskerk und Schaap ( 6 ), ergebe sich aus der Richtlinie 93/13 keine Verpflichtung, den Grundsatz des Verbots der reformatio in peius zu durchbrechen. Die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität würden, wie die Unicaja Banco in der mündlichen Verhandlung vortrug, eingehalten, da die von der Kommission angeführte nationale Rechtsprechung nicht anwendbar sei, und Änderungen der Rechtsprechung könnten nicht dazu führen, dass bereits in Rechtskraft erwachsene Entscheidungen rückgängig gemacht würden.

27.

Die tschechische Regierung ist der Ansicht, dass die Anwendung der in Rede stehenden nationalen Verfahrensgrundsätze, die, soweit sie auf Rechtsmittel angewendet würden, auch im Zusammenhang mit der Rechtskraft stünden, nicht durch Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 ausgeschlossen werde. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs könnten diese Grundsätze auch nicht im Interesse des Verbraucherschutzes außer Acht gelassen werden; das Urteil vom 11. März 2020 in der Sache Lintner ( 7 ) sei auf diesen Fall anwendbar.

28.

Die spanische Regierung ist der Ansicht, dass Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 in Verbindung mit Art. 47 der Charta das nationale Gericht nicht daran hindere, die in Rede stehenden nationalen Verfahrensgrundsätze anzuwenden, nach denen es ausgeschlossen sei, der Nichtigkeit einer missbräuchlichen Klausel die volle Rechtswirkung zu verleihen, die ihr nach dem Urteil in der Rechtssache Gutiérrez Naranjo, das erst nach Eintritt der Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils verkündet worden sei, zukäme. Gewährte man einem Verbraucher, der es unterlassen habe, rechtzeitig die im nationalen Recht vorgesehenen Rechtsbehelfe einzulegen, Schutz, würden diese Verfahrensgrundsätze verletzt; das Verbot der reformatio in peius beruhe auf dem durch Art. 47 der Charta garantierten Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf bei einem Gericht. Der Effektivitätsgrundsatz werde beachtet, da die Beteiligten ihre Rechte nach dem nationalen Recht in der ersten Instanz hätten geltend machen können und das Gericht von Amts wegen eine Prüfung auf missbräuchliche Klauseln hin vornehme, wogegen auch ein Rechtsmittel eröffnet sei. In der vorliegenden Sache gehe es, wie diese Regierung in der mündlichen Verhandlung vortrug, um die Rechtskraft, und die von der Kommission angeführte nationale Rechtsprechung lasse keinen tragfähigen Vergleich zu; der Äquivalenzgrundsatz sei folglich nicht verletzt.

29.

Die italienische Regierung ist der Auffassung, dass Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 die Anwendung der in Rede stehenden nationalen Verfahrensgrundsätze nicht ausschließe. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs impliziere die Nichteinlegung eines Rechtsmittels gegen das nicht stattgebende erstinstanzliche Urteil den Eintritt der Rechtskraft, die das Gericht hindere, im Berufungsverfahren von Amts wegen die unzutreffende Auslegung des Unionsrechts im betreffenden Urteil aufzugreifen. Der Effektivitätsgrundsatz sei dadurch nicht beeinträchtigt, da es dem Verbraucher unbenommen bleibe, ein Rechtsmittel einzulegen; eine spätere Änderung der Rechtsprechung auf nationaler oder Unionsebene könne es nicht rechtfertigen, den Grundsatz der Rechtskraft außer Acht zu lassen. Art. 6 der Richtlinie 93/13 müsse, wie diese Regierung in der mündlichen Verhandlung betont hat, innerhalb der von den nationalen Rechtsordnungen gezogenen Grenzen geltend gemacht werden, was die Einhaltung der nationalen Verfahrensvorschriften, so auch derjenigen über die Rechtskraft, voraussetze.

30.

Die norwegische Regierung führt aus, dass, selbst wenn das angefochtene Urteil gegen die Richtlinie 93/13 verstoße, Art. 6 Abs. 1 der genannten Richtlinie die Anwendung der in Rechtsmittelverfahren in Rede stehenden nationalen Verfahrensgrundsätze nicht ausschließe, sofern die für die Verfahrenshandlungen des Verbrauchers geltenden Ausschlussfristen dem Effektivitätsgrundsatz genügten. Diese Grundsätze schützten vorrangige Interessen, die den Mitgliedstaaten der Union und der EFTA gemein seien, und dürften nicht außer Acht gelassen werden, indem man den Effektivitätsgrundsatz überspanne. Für den Fall, dass nationale Gerichte das Recht der Union und des EWR unzutreffend auslegten, gebe es, wie diese Regierung in der mündlichen Verhandlung betont hat, andere Rechtsbehelfe, etwa Staatshaftungsklagen und nationale Vorschriften für die Wiederaufnahme rechtskräftig entschiedener Verfahren.

31.

Die Kommission führt aus, dass Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 die Anwendung der in Rede stehenden nationalen Verfahrensgrundsätze ausschließe, da die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität nicht gewahrt seien. In dieser Rechtssache gehe es nicht um Rechtskraft, da das Verfahren noch andauere. Was den Äquivalenzgrundsatz angehe, sei nach ständiger Rechtsprechung des Tribunal Constitucional ( 8 ) und des Tribunal Supremo ( 9 ) anerkannt, dass die von Amts wegen erfolgende Anwendung zwingender Vorschriften eine Ausnahme von den in Rede stehenden Grundsätzen darstelle; da Art. 6 der Richtlinie 93/13 als zwingende Vorschrift anerkannt sei, hätte das nationale Gericht von Amts wegen der Bestimmung volle Wirksamkeit verleihen müssen, ohne dabei durch die genannten Grundsätze eingeschränkt zu sein. Was den Effektivitätsgrundsatz betreffe, würde die strikte Anwendung der in Rede stehenden Grundsätze die Ausübung der durch die Richtlinie 93/13 verliehenen Rechte unmöglich machen oder übermäßig erschweren; Frau L habe wegen der nationalen Rechtsprechung nämlich davor zurückgescheut, rechtzeitig Berufung einzulegen, und es sei dieser rechtliche Kontext, der im Zusammenspiel mit diesen Grundsätzen Frau L um das einzige Rechtsmittel gebracht habe, mit dem sie ihre Rechte aus der Richtlinie hätte geltend machen können. In diesem Fall handele es sich, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, um eine Ausnahmesituation: Das nationale Gericht müsse alle Folgerungen ziehen, die sich aus einer missbräuchlichen Klausel ergäben, was jedoch die Verteidigungsrechte nicht berühre, da das Gericht, bevor es diese Verpflichtung erfülle, den Beteiligten rechtliches Gehör geben werde; das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf sei also während des gesamten Verfahrens garantiert.

V. Würdigung

32.

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 der Anwendung bestimmter Grundsätze des nationalen Verfahrensrechts – einschließlich der Grundsätze der Verhandlungsmaxime (principio de justicia rogada), der Dispositionsmaxime (principio de congruencia) und des Verbots der reformatio in peius, so wie diese in Art. 216, Art. 218 Abs. 1 und Art. 465 Abs. 5 der Zivilprozessordnung niedergelegt sind – entgegensteht, die ein nationales Gericht, das mit der Berufung gegen ein Urteil befasst ist, in dem die Rückzahlung der vom Verbraucher aufgrund einer missbräuchlichen Klausel rechtsgrundlos gezahlten Beträge zeitlich beschränkt worden ist, daran hindern, im Einklang mit dem Urteil in der Rechtssache Gutiérrez Naranjo die volle Rückzahlung dieser Beträge, weil der Verbraucher kein Rechtsmittel gegen die Beschränkung eingelegt hat, von Amts wegen anzuordnen.

33.

Wie aus der Vorlageentscheidung ersichtlich, ergibt sich diese Frage aus dem Zusammenspiel zwischen Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13, der das im Berufungsverfahren entscheidende Gericht verpflichtet, die Klauseln von Amts wegen auf Missbräuchlichkeit hin zu prüfen und alle Konsequenzen zu ziehen, die sich aus der Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Klausel ergeben, einerseits und andererseits der Anwendung mehrerer Grundsätze des nationalen Verfahrensrechts, denen das aufgrund der Richtlinie angestrengte Verfahren unterliegt. Allgemein gesagt bedeutet der Dispositionsgrundsatz, dass es Sache der Parteien ist, ein Verfahren einzuleiten oder zu beenden und dessen Gegenstand zu bestimmen ( 10 ). Dieser Grundsatz steht insoweit, als das Gericht gehalten ist, sicherzustellen, dass seine Entscheidungen nicht über den von den Parteien mit ihren Anträgen festgelegten Gegenstand hinausgehen, mit dem Grundsatz der Kongruenz (principio de congruencia) im Zusammenhang ( 11 ). Aus dem Grundsatz des Verbots der reformatio in peius ergibt sich ferner, dass die angefochtene Entscheidung eines Gerichts im Rechtsmittelverfahren nicht zum Nachteil des Rechtsmittelführers verschärft werden darf ( 12 ).

34.

Zur Beantwortung der im vorliegenden Fall gestellten Frage werde ich zunächst eine Vorbemerkung zur potenziellen Relevanz von Art. 47 der Charta in diesem Kontext machen (Abschnitt A). Anschließend werde ich auf die Rechtsprechung eingehen, die der Gerichtshof, unter anderem im Urteil in der Rechtssache Gutiérrez Naranjo, zu der vom nationalen Gericht von Amts wegen durchzuführenden Prüfung auf missbräuchliche Klauseln gemäß der Richtlinie 93/13 entwickelt hat (Abschnitt B) und dann die in dieser Rechtsprechung entwickelten Grundsätze auf den vorliegenden Fall anwenden (Abschnitt C).

35.

Auf Grundlage dieser Prüfung gelange ich zu dem Ergebnis, dass Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 in Verbindung mit dem Effektivitätsgrundsatz unter den Umständen des vorliegenden Falles die Anwendung der in Rede stehenden nationalen Verfahrensgrundsätze ausschließt.

A. Vorbemerkung

36.

Aus der Vorlageentscheidung und den Stellungnahmen der Unicaja Banco und der spanischen Regierung ist ersichtlich, dass die in der vorliegenden Sache aufgeworfene Frage die Vereinbarkeit von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 mit bestimmten nationalen Verfahrensgrundsätzen betrifft, die auf dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf bei einem Gericht beruhen, das durch Art. 24 der spanischen Verfassung garantiert ist und Art. 47 der Charta entspricht. Die spanische Regierung meint, dass zur Beantwortung dieser Frage auch Art. 47 der Charta zu berücksichtigen sei.

37.

Nach ständiger Rechtsprechung stellt Art. 47 der Charta eine Bekräftigung des Grundsatzes des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes dar, wonach jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht hat, bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen ( 13 ). Die Anwendbarkeit von Art. 47 der Charta auf die vorliegende Sache steht außer Streit, da die in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften in den Anwendungsbereich der Richtlinie 93/13 fallen und mithin eine Durchführung des Rechts der Union im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta sind ( 14 ).

38.

Wie ich in den Nrn. 59 und 60 meiner parallelen Schlussanträge in den Sachen C‑693/19 und C‑831/19 im Einzelnen ausführe, stehen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Richtlinie 93/13 Art. 47 der Charta und der Effektivitätsgrundsatz, der auch eine Pflicht der Mitgliedstaaten, den gerichtlichen Schutz der aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte sicherzustellen, beinhaltet (siehe Nr. 45 dieser Schlussanträge), in einem besonderen Verhältnis ( 15 ). Diesbezüglich hat der Gerichtshof präzisiert, dass die Pflicht der Mitgliedstaaten, die Effektivität der Rechte sicherzustellen, die dem Einzelnen aus der Richtlinie 93/13 erwachsen, das Erfordernis eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes, das auch in Art. 47 der Charta verankert ist, impliziert; dieser Schutz gilt u. a. für die Verfahrensmodalitäten für Klagen, die sich auf solche Rechte stützen ( 16 ).

39.

Des Weiteren ist aus der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Richtlinie 93/13 ersichtlich, dass Art. 47 der Charta im Zusammenhang mit der Beurteilung, ob nationale Verfahrensvorschriften mit den sich aus der Richtlinie ergebenden Anforderungen vereinbar sind, weitgehend eine dem Effektivitätsgrundsatz komplementäre und ihn unterstützende Rolle spielt. So kommt zum Beispiel Art. 47 der Charta in diesem Kontext ins Spiel, wenn es um die Frage des Zugangs der Parteien zu einem wirksamen Rechtsbehelf geht, damit sie ihre auf der Richtlinie 93/13 beruhenden Rechte ausüben können ( 17 ), aber auch in Gerichtsverfahren, in denen darüber gestritten wird, ob Klauseln rechtsgültig im Sinne der Richtlinie sind, wenn es um ein faires Verfahren betreffende Fragen, etwa die Grundsätze der Waffengleichheit und des kontradiktorischen Verfahrens, geht ( 18 ).

40.

Im vorliegenden Fall steht außer Streit, dass die Beteiligten Zugang zu wirksamen Rechtsbehelfen hatten, um ihre Rechte bezüglich der Richtlinie 93/13 geltend zu machen. Unter den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen werden auch, worauf die Kommission hingewiesen hat, die Verteidigungsrechte nicht dadurch beeinträchtigt, dass das nationale Gericht verpflichtet ist, alle Konsequenzen zu ziehen, die sich gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie aus der missbräuchlichen Klausel ergeben. Darüber hinaus ist auch darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof seine Begründung im Urteil in der Rechtssache Gutiérrez Naranjo auf Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 gestützt hat und es in dem Kontext nicht für erforderlich befunden hat, auf Art. 47 der Charta einzugehen ( 19 ). Da dem Gerichtshof keine eigenständigen Argumente bezüglich Art. 47 der Charta vorgetragen wurden und die in dieser Sache aufgeworfenen Fragen nicht in Art. 47 der Charta behandelt worden sind, sehe ich keinen Grund, dies hier zu tun.

B. Einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs zu der von nationalen Gerichten von Amts wegen vorzunehmenden Prüfung auf missbräuchliche Klauseln

41.

Es ist daran zu erinnern, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 gehalten sind, festzulegen, dass missbräuchliche Klauseln für Verbraucher unverbindlich sind ( 20 ). Überdies verpflichtet Art. 7 Abs. 1 in Verbindung mit dem 24. Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13 die Mitgliedstaaten, angemessene und wirksame Mittel vorzusehen, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln in Verbraucherverträgen ein Ende gesetzt wird ( 21 ). Diese Bestimmungen haben Anlass zu einer umfangreichen Rechtsprechung gegeben; ich werde die daraus abgeleiteten anwendbaren Grundsätze über das Bestehen und den Umfang der Pflicht des nationalen Gerichts, von Amts wegen eine Prüfung auf missbräuchliche Vertragsklauseln vorzunehmen, im Zusammenhang mit dem Urteil in der Rechtssache Gutiérrez Naranjo umreißen, weil diese für meine Würdigung des vorliegenden Falles die relevantesten sind.

1. Zur Pflicht des nationalen Gerichts zur Überprüfung von Amts wegen

42.

Nach ständiger Rechtsprechung geht das durch die Richtlinie 93/13 eingeführte Schutzsystem davon aus, dass sich der Verbraucher gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition befindet und einen geringeren Informationsstand besitzt, was dazu führt, dass er den vom Gewerbetreibenden vorformulierten Bedingungen zustimmt, ohne auf deren Inhalt Einfluss nehmen zu können ( 22 ). Um den durch die Richtlinie 93/13 gewollten Schutz zu gewährleisten, kann das bestehende Ungleichgewicht zwischen Verbraucher und Gewerbetreibendem nur durch ein positives Eingreifen von dritter, von den Vertragsparteien unabhängiger Seite ausgeglichen werden ( 23 ). Das nationale Gericht muss also in Anbetracht von Art und Bedeutung des öffentlichen Interesses, das dem den Verbrauchern durch die Richtlinie 93/13 gewährten Schutz zugrunde liegt, die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel von Amts wegen prüfen, sobald es über die hierzu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen verfügt, und damit dem Ungleichgewicht zwischen dem Verbraucher und Gewerbetreibenden abhelfen ( 24 ).

2. Zum Umfang der Pflicht des nationalen Gerichts zur Prüfung von Amts wegen

43.

Was die Umsetzung dieser Verpflichtung durch ein im Rechtsmittelverfahren entscheidendes nationales Gericht angeht, ist es nach ständiger Rechtsprechung in Ermangelung unionsrechtlicher Vorschriften Sache der innerstaatlichen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, die Verfahrensmodalitäten für Rechtsmittelverfahren festzulegen, die den Schutz der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, wobei diese allerdings weder ungünstiger sein dürfen als diejenigen, die gleichartige, dem innerstaatlichen Recht unterliegende Sachverhalte regeln (Äquivalenzgrundsatz) noch die Ausübung der den Verbrauchern durch das Unionsrecht verliehenen Rechte unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (Effektivitätsgrundsatz) ( 25 ).

44.

Was den Äquivalenzgrundsatz angeht, ist es Sache des vorlegenden Gerichts, das eine unmittelbare Kenntnis der verfahrensrechtlichen Einzelheiten der Klagen und Anträge in seiner Rechtsordnung hat, die Einhaltung des Äquivalenzgrundsatzes in der bei ihm anhängigen Rechtssache zu prüfen, indem es eine Untersuchung der betreffenden Klagen und Anträge unter dem Blickwinkel ihres Gegenstands, ihres Grundes und ihrer wesentlichen Elemente vornimmt ( 26 ). Der Gerichtshof hat diesbezüglich entschieden, dass Art. 6 der Richtlinie 93/13 als eine Norm zu betrachten ist, die den im nationalen Recht zwingenden innerstaatlichen Bestimmungen gleichwertig ist ( 27 ). Daraus folgt, dass das nationale Gericht in einem Rechtsmittelverfahren, wenn es nach dem nationalen Verfahrensrecht die Gültigkeit eines Rechtsakts anhand zwingender nationaler Bestimmungen von Amts wegen beurteilen darf oder muss, obwohl der Verstoß gegen diese Bestimmungen im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurde, diese Befugnis auch ausüben muss, um die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel von Amts wegen und im Lichte der Richtlinie 93/13 zu prüfen ( 28 ).

45.

Was den Effektivitätsgrundsatz angeht, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass jeder Fall, in dem sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens zu prüfen ist, wobei gegebenenfalls die Grundsätze zu berücksichtigen sind, die der nationalen Rechtsordnung zugrunde liegen, wie z. B. der Schutz der Verteidigungsrechte, der Grundsatz der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäße Ablauf des Verfahrens ( 29 ). In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof ausgeführt, dass die Wahrung des Effektivitätsgrundsatzes aber nicht so weit geht, eine völlige Untätigkeit des Verbrauchers auszugleichen ( 30 ).

46.

Darüber hinaus hat der Gerichtshof bereits anerkannt, dass der Verbraucherschutz nicht absolut ist und dass das Unionsrecht es einem nationalen Gericht nicht gebietet, von der Anwendung innerstaatlicher Verfahrensvorschriften, aufgrund deren eine Entscheidung Rechtskraft erlangt, abzusehen, selbst wenn dadurch ein Verstoß gegen die Richtlinie 93/13 abgestellt werden könnte ( 31 ). In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof die Bedeutung hervorgehoben, die dem Grundsatz der Rechtskraft sowohl in der Unionsrechtsordnung als auch in den nationalen Rechtsordnungen zukommt, und dass deshalb zur Gewährleistung des Rechtsfriedens und der Beständigkeit rechtlicher Beziehungen sowie einer geordneten Rechtspflege die nach Ausschöpfung des Rechtswegs oder nach Ablauf der entsprechenden Rechtsmittelfristen unanfechtbar gewordenen Gerichtsentscheidungen nicht mehr in Frage gestellt werden können ( 32 ).

47.

So hat der Gerichtshof zum Beispiel im Urteil vom 6. Oktober 2009, Asturcom Telecomunicaciones ( 33 ), insbesondere entschieden, dass eine nationale Regelung, die eine zweimonatige Frist vorsieht, mit deren Ablauf ein Schiedsspruch, sofern kein Aufhebungsantrag gestellt wurde, rechtskräftig (res iudicata) wird, mit dem Effektivitätsgrundsatz vereinbar ist, und dazu ausgeführt, dass der genannte Grundsatz nicht so weit gehen kann, um der völligen Untätigkeit von Verbrauchern, die zur Geltendmachung ihrer Rechte kein Verfahren einleiten, abzuhelfen.

48.

Hingegen hat der Gerichtshof im Urteil vom 18. Februar 2016, Finanmadrid EFC ( 34 ), entschieden, dass eine nationale Regelung über die Modalitäten der Umsetzung des Grundsatzes der Rechtskraft im Rahmen des Mahnverfahrens nicht mit dem Effektivitätsgrundsatz vereinbar war, da die das Mahnverfahren abschließende Entscheidung der zuständigen Stelle in Rechtskraft erwuchs, so dass die Kontrolle missbräuchlicher Vertragsklauseln im Vollstreckungsstadium allein dann schon unmöglich war, wenn der Verbraucher nicht innerhalb der dafür vorgesehenen Frist Widerspruch gegen den Bescheid erhoben hatte, wobei eine nicht zu vernachlässigende Gefahr bestand, dass betroffene Verbraucher den erforderlichen Widerspruch nicht erheben.

3. Das Urteil in der Rechtssache Gutiérrez Naranjo

49.

Was die Folgen angeht, die sich aus der Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Klausel ergeben, hat der Gerichtshof entschieden, dass das nationale Gericht gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 missbräuchliche Vertragsklauseln unangewendet lassen muss, damit sie den Verbraucher nicht binden, es sei denn, der Verbraucher widerspricht ( 35 ). Das nationale Gericht muss alle Konsequenzen ziehen, die sich nach nationalem Recht aus der Feststellung der Missbräuchlichkeit der fraglichen Klausel ergeben, um das in der Richtlinie gesetzte Ziel zu erreichen ( 36 ).

50.

Insoweit sollte klargestellt werden, dass der Gerichtshof in seinem Urteil in der Rechtssache Gutiérrez Naranjo ( 37 ) entschieden hat, dass Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 einer nationalen Rechtsprechung wie der durch das Urteil vom 9. Mai 2013 begründeten entgegensteht, die im Falle einer missbräuchlichen Klausel die aus ihrer Nichtigerklärung folgenden Restitutionswirkungen zeitlich auf diejenigen Beträge beschränkt, die aufgrund der betreffenden Klausel rechtsgrundlos gezahlt wurden, nachdem die Entscheidung mit der gerichtlichen Feststellung der Missbräuchlichkeit verkündet worden war. Insbesondere hat der Gerichtshof entschieden, dass eine missbräuchliche Vertragsklausel grundsätzlich als von Anfang an nicht existent anzusehen ist, so dass sie gegenüber dem Verbraucher keine Wirkungen haben kann. Folglich muss die gerichtliche Feststellung der Missbräuchlichkeit einer solchen Klausel grundsätzlich dazu führen, dass die Sach- und Rechtslage wiederhergestellt wird, in der sich der Verbraucher oder die Verbraucherin ohne diese Klausel befunden hätten. Demnach entfaltet die Verpflichtung des nationalen Gerichts, eine missbräuchliche Klausel, nach der Beträge zu zahlen sind, die sich als rechtsgrundlos herausstellen, für nichtig zu erklären, im Hinblick auf diese Beträge grundsätzlich Restitutionswirkung. Das nationale Recht darf das auf Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 beruhende Recht der Verbraucher, an eine missbräuchliche Klausel nicht gebunden zu sein, nicht in seinem Wesensgehalt beeinträchtigen.

51.

Aus der vorgenannten Rechtsprechung ergibt sich also, dass die Mitgliedstaaten nach der Richtlinie 93/13 nicht verpflichtet sind, ein bestimmtes System von Verfahrensregeln für die von den nationalen Gerichten von Amts wegen vorzunehmende gerichtliche Kontrolle auf missbräuchliche Klauseln zu wählen, sofern sie ihren Verpflichtungen aus dem Unionsrecht, namentlich den Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität, nachkommen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs gelten weder der Verbraucherschutz noch die Grundsätze des nationalen Verfahrensrechts absolut, denen die Verfahren, in denen Klauseln gemäß der Richtlinie auf Missbräuchlichkeit geprüft werden, unterliegen. Aus den in den Nrn. 47, 48 und 50 dieser Schlussanträge angeführten Urteilen wird deutlich, dass der Gerichtshof in Bezug auf das Zusammenspiel der nationalen Verfahrensvorschriften mit den sich aus der Richtlinie 93/13 ergebenden Anforderungen einem ausgewogenen Ansatz folgt, wobei er jedoch darauf achtet, dass die betreffenden Vorschriften das durch die Richtlinie 93/13 begründete System des Verbraucherschutzes nicht untergraben.

52.

Im Lichte dieser in der Rechtsprechung des Gerichtshofs entwickelten Grundsätze ist der Sachverhalt im vorliegenden Fall zu prüfen.

C. Anwendung der in der Rechtsprechung des Gerichtshofs entwickelten Grundsätze auf den Sachverhalt im vorliegenden Fall

53.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es nach Ansicht der tschechischen, spanischen, italienischen und norwegischen Regierung im vorliegenden Fall um den Grundsatz der Rechtskraft geht; Frau L und die Kommission sind anderer Auffassung. Aus der Vorlageentscheidung ist ersichtlich, dass es dem vorlegenden Gericht, auch wenn es den Grundsatz der Rechtskraft in der Vorlagefrage nicht erwähnt, doch um nationale Verfahrensvorschriften geht, die dem Grundsatz der Rechtskraft ähnlich sind (vgl. Nr. 21 dieser Schlussanträge). Nach ständiger Rechtsprechung ist allein das nationale Gericht für die Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts zuständig ( 38 ). Folglich konzentriert sich meine Prüfung auf die in der Frage genannten nationalen Verfahrensgrundsätze, nämlich die Grundsätze der Verhandlungsmaxime (principio de justicia rogada), der Dispositionsmaxime (principio de congruencia) und des Verbots der reformatio in peius; ich sehe jedoch keinen Grund, warum sie nicht auch auf nationale Verfahrensvorschriften zur Rechtskraft angewandt werden könnte, soweit das vorlegende Gericht diese unter den Umständen des vorliegenden Falles für relevant erachten sollte.

54.

Zum Äquivalenzgrundsatz führt die Kommission aus, dass es nach der ständigen Rechtsprechung des Tribunal Constitucional und des Tribunal Supremo anerkannt sei, dass die von Amts wegen erfolgende Anwendung zwingender Vorschriften eine Ausnahme von den in Rede stehenden nationalen Verfahrensgrundsätzen begründe; die Unicaja Banco und die spanische Regierung sind anderer Ansicht (vgl. Nrn. 26, 28 und 31 der vorliegenden Schlussanträge). Im Lichte der in Nr. 44 dieser Schlussanträge angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs und in Anbetracht dessen, dass Art. 6 der Richtlinie 93/13 eine nationalen zwingenden Vorschriften gleichwertige Norm ist, ist zu schließen, dass für den Fall, dass solche Vorschriften nach nationalem Recht eine Ausnahme von der Anwendung der in Rede stehenden nationalen Verfahrensgrundsätze begründen, das mit dem Rechtsmittel befasste nationale Gericht Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 von Amts wegen volle Wirkung verleihen muss, ohne durch diese Grundsätze beschränkt zu sein ( 39 ). Es ist daher Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob im Ausgangsverfahren die nationale Rechtsprechung Anwendung findet, und, falls dem so sein sollte, verstieße meines Erachtens die Anwendung derjenigen nationalen Verfahrensgrundsätze, die das Recht von Frau L, sich für ihre Rechte aus der Richtlinie 93/13 auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu stützen, ausschließen, gegen den Äquivalenzgrundsatz.

55.

Was den Effektivitätsgrundsatz angeht, spricht meines Erachtens nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs vieles dafür, dass Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 in Verbindung mit diesem Grundsatz unter den Umständen des vorliegenden Falles die Anwendung der in Rede stehenden nationalen Verfahrensgrundsätze ausschließt.

56.

Es trifft zwar zu, dass Frau L gegen das erstinstanzliche Urteil, mit dem die Restitutionswirkungen hinsichtlich der aufgrund der missbräuchlichen Klausel vereinnahmten Beträge zeitlich beschränkt wurden, weder Berufung noch Anschlussberufung eingelegt hat, und dass im Lichte der in Nr. 45 dieser Schlussanträge angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs bei völliger Untätigkeit von Verbrauchern dem Effektivitätsgrundsatz Grenzen gesetzt sein können. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass unter den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen das nicht rechtzeitige Handeln von Verbrauchern wie Frau L darauf zurückgeführt werden kann, dass die nach nationalem Recht geltende Frist für die Einlegung der Berufung oder Anschlussberufung bereits abgelaufen war, als das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Gutiérrez Naranjo verkündet wurde, mit dem er klargestellt hat, dass Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 der mit dem Urteil vom 9. Mai 2013 begründeten nationalen Rechtsprechung entgegensteht.

57.

In einer solchen Situation kann man Verbrauchern wie Frau L meines Erachtens schwerlich vorwerfen, nicht fristgemäß Berufung oder Anschlussberufung eingelegt zu haben, um gegen die mit dem Urteil vom 9. Mai 2013 begründete nationale Rechtsprechung vorzugehen, nach der sie nicht hätte obsiegen können. Auch der Umstand, dass das nationale Recht nach Angaben der Unicaja Banco und der spanischen Regierung die Möglichkeit vorsieht, die von der betreffenden Partei zu tragenden Kosten anzupassen, vermag mich angesichts der damaligen nationalen Rechtsprechung nicht vom Gegenteil zu überzeugen. Entgegen der von der Unicaja Banco vertretenen Ansicht ändert auch der Umstand, dass Frau L rechtlich vertreten war und Kenntnis davon gehabt haben dürfte, dass das Urteil in der Rechtssache Gutiérrez Naranjo bevorstand, nichts an dieser Würdigung. Der Gerichtshof hat entschieden, dass der Umstand, dass ein Verbraucher rechtlich vertreten ist, die sich aus der Richtlinie 93/13 ergebende Verpflichtung des nationalen Gerichts zur Prüfung auf missbräuchliche Klauseln unberührt lässt ( 40 ). Überdies ist zu beachten, dass die am 13. Juli 2016 vorgelegten Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi in der genannten Sache ( 41 ) zu einem anderen Ergebnis gelangten als der Gerichtshof, was, bevor das Urteil in der Sache Gutiérrez Naranjo erging, den Eindruck der Vereinbarkeit der betreffenden nationalen Rechtsprechung mit der Richtlinie 93/13 verstärkt haben mag.

58.

Unter diesen Umständen ist, wie die Kommission ausgeführt hat, anzunehmen, dass die durch das Urteil vom 9. Mai 2013 begründete nationale Rechtsprechung in Verbindung mit der Anwendung der in Rede stehenden nationalen Verfahrensgrundsätze dazu führte, dass Frau L um das verfahrensrechtliche Mittel zur Geltendmachung ihrer Rechte aus der Richtlinie 93/13 gebracht wurde. Zudem würde, wie Frau L geltend gemacht hat, eine Entscheidung, wonach diese nationalen Verfahrensgrundsätze ein nationales Rechtsmittelgericht daran hinderten, gemäß dem Urteil in der Rechtssache Gutiérrez Naranjo von Amts wegen die Rückerstattung sämtlicher vom Verbraucher aufgrund einer missbräuchlichen Klausel rechtsgrundlos gezahlten Beträge anzuordnen, bedeuten, dass Verbraucher in der Lage von Frau L keinerlei Möglichkeit hätten, die rechtsgrundlos gezahlten Beträge in voller Höhe erstattet zu bekommen, und dass die Banken die aufgrund der missbräuchlichen Klausel rechtsgrundlos vereinnahmten Beträge behielten. Diesbezüglich hat der Gerichtshof im genannten Urteil betont, dass nationale Vorschriften nicht in solcher Weise angewandt werden dürfen, dass dadurch der Wesensgehalt des den Verbrauchern aus Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 erwachsenen Rechts, nicht an missbräuchliche Klauseln gebunden zu sein, untergraben würde (vgl. Nr. 50 der vorliegenden Schlussanträge).

59.

Es ist auch darauf hinzuweisen, dass sich die Umstände im vorliegenden Fall meines Erachtens von denen, die dem Urteil vom 11. März 2020 in der Sache Lintner ( 42 ) zugrunde lagen, unterscheiden. In dem genannten Urteil hat der Gerichtshof, im Einklang mit meinen Schlussanträgen in dieser Rechtssache, im Wesentlichen entschieden, dass das nationale Gericht für die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung auf missbräuchliche Klauseln gemäß der Richtlinie 93/13 insbesondere nicht gehalten ist, den Grundsatz außer Acht zu lassen, wonach die Grenzen des Streitgegenstands durch die Parteien bestimmt werden, um sämtliche Vertragsklauseln unter Einschluss selbst derjenigen zu prüfen, die nicht Teil des Streitgegenstands sind. Im vorliegenden Fall ist es dagegen so, dass Frau L von Beginn an Klage auf Rückerstattung der aufgrund der missbräuchlichen Klausel rechtsgrundlos gezahlten Beträge in voller Höhe erhoben hat, so dass dieser Anspruch nach wie vor Teil der Klageforderung ist (vgl. Nrn. 13 und 25 dieser Schlussanträge).

60.

Auch der Ansatz des Gerichtshofs im Urteil vom 25. November 2008 in der Rechtssache Heemskerk und Schaap ( 43 ) ist meines Erachtens auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Das genannte Urteil betraf die Auslegung gewisser Maßnahmen der Union, die im Allgemeinen im Zusammenhang mit Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen stehen. Demnach lässt sich die Entscheidung des Gerichtshofs, wonach das Unionsrecht den nationalen Richter nicht dazu verpflichtet, von Amts wegen Unionsrecht anzuwenden, wenn dies zur Folge hätte, dass der im einschlägigen nationalen Recht niedergelegte Grundsatz des Verbots der reformatio in peius durchbrochen wird, von dem spezifischen Kontext der Gewährleistung eines wirksamen Verbraucherschutzes gemäß der Richtlinie 93/13 ( 44 ) unterscheiden, um den es im vorliegenden Fall geht.

61.

Folglich ist davon auszugehen, dass die in Rede stehenden nationalen Verfahrensgrundsätze dem Effektivitätsgrundsatz zuwiderlaufen, da sie die Gewährleistung des den Verbrauchern durch die Richtlinie 93/13 gewährten Schutzes unmöglich machen oder übermäßig erschweren.

62.

Ich gelange daher zu dem Ergebnis, dass Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 in Verbindung mit dem Effektivitätsgrundsatz unter den Umständen des vorliegenden Falles die Anwendung der in Rede stehenden nationalen Verfahrensgrundsätze ausschließt.

VI. Ergebnis

63.

Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Frage des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) wie folgt zu beantworten:

Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist im Lichte des Effektivitätsgrundsatzes dahin auszulegen, dass er der Anwendung der nationalen Verfahrensgrundsätze der Verhandlungsmaxime (principio de justicia rogada), wonach der Streitgegenstand von den Parteien bestimmt wird, der Dispositionsmaxime (principio de congruencia), wonach der Entscheidungstenor in Relation zu den Anträgen der Parteien steht, und des Verbots der reformatio in peius entgegensteht, die das nationale Gericht, das mit dem von einer Bank eingelegten Rechtsmittel gegen ein Urteil befasst ist, mit dem die Rückerstattung der von einem Verbraucher aufgrund einer später für nichtig erklärten Mindestzinsklausel rechtsgrundlos gezahlten Beträge zeitlich beschränkt wurde, daran hindern, die vollständige Rückerstattung dieser rechtsgrundlos gezahlten Beträge anzuordnen.


( 1 ) Originalsprache: Englisch.

( 2 ) ABl. 1993, L 95, S. 29.

( 3 ) C‑154/15, C‑307/15 und C‑308/15, EU:C:2016:980 (im Folgenden: Urteil in der Rechtssache Gutiérrez Naranjo). Siehe auch Nr. 50 dieser Schlussanträge.

( 4 ) Euribor ist die Abkürzung für die Euro Interbank Offered Rate. Die Euribor-Zinssätze basieren auf den durchschnittlichen Zinssätzen im Euro‑Interbankenhandel.

( 5 ) C‑154/15, C‑307/15 und C‑308/15, EU:C:2016:980.

( 6 ) C‑455/06, EU:C:2008:650.

( 7 ) C‑511/17, EU:C:2020:188.

( 8 ) Die Kommission bezieht sich auf das Urteil vom 10. März 2008 (Nr. 41/2008) und die dort angeführte Rechtsprechung.

( 9 ) Die Kommission bezieht sich auf das Urteil vom 20. Juni 2008 (Nr. 3257/2008) und auf das Urteil vom 16. September 2009 (Nr. 5696/2009).

( 10 ) Vgl. diesbezüglich meine Schlussanträge in der Sache Lintner (C‑511/17, EU:C:2019:1141, Nr. 43).

( 11 ) Vgl. diesbezüglich Muñoz-Perea Piñar, D., „Ámbito del principio de congruencia a la luz de la jurisprudencia de la Sala Primera del Tribunal Supremo“, Noticias Jurídicas, 2020.

( 12 ) Vgl. hierzu die Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak in der Rechtssache Éditions Albert René/HABM (C‑16/06 P, EU:C:2007:728, Nrn. 35 und 36).

( 13 ) Vgl. Urteil vom 20. April 2021, Repubblika (C‑896/19, EU:C:2021:311, Rn. 40).

( 14 ) Vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 10. September 2014, Kušionová (C‑34/13, EU:C:2014:2189, Rn. 47); vgl. auch die Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache Finanmadrid EFC (C‑49/14, EU:C:2015:746, Nrn. 83 und 84).

( 15 ) Vgl. diesbezüglich Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in Finanmadrid EFC (C‑49/14, EU:C:2015:746, Nrn. 85 bis 97). Siehe des Weiteren z. B. van Duin, A., „Metamorphosis? The Role of Article 47 of the EU Charter of Fundamental Rights in Cases Concerning National Remedies and Procedures under Directive 93/13/EEC“, in: Journal of European Consumer and Market Law, Bd. 6, 2017, S. 190 bis 198.

( 16 ) Vgl. Urteil vom 10. Juni 2021, BNP Paribas Personal Finance (C‑776/19 bis C‑782/19, EU:C:2021:470, Rn. 29).

( 17 ) Vgl. unter anderem Urteile vom 14. März 2013, Aziz (C‑415/11, EU:C:2013:164, insbesondere Rn. 59), vom 10. September 2014, Kušionová (C‑34/13, EU:C:2014:2189, insbesondere Rn. 45, 47 und 66), und vom 21. Dezember 2016, Biuro podróży Partner (C‑119/15, EU:C:2016:987, Rn. 23 bis 47); vgl. Urteil vom 27. Februar 2014, Pohotovosť (C‑470/12, EU:C:2014:101, Rn. 36 bis 57).

( 18 ) Vgl. unter anderem Urteile vom 21. Februar 2013, Banif Plus Bank (C‑472/11, EU:C:2013:88, Rn. 29 bis 36), vom 17. Juli 2014, Sánchez Morcillo und Abril García (C‑169/14, EU:C:2014:2099, Rn. 21 bis 51), und vom 29. April 2021, Bank BPH (C‑19/20, EU:C:2021:341, Rn. 91 bis 99); vgl. Beschluss vom 16. Juli 2015, Sánchez Morcillo und Abril García (C‑539/14, EU:C:2015:508, Rn. 23 bis 50).

( 19 ) Vgl. Urteil vom 21. Dezember 2016 (C‑154/15, C‑307/15 und C‑308/15, EU:C:2016:980, Rn. 42, 75 und 76).

( 20 ) Vgl. Urteil vom 27. Januar 2021, Dexia Nederland (C‑229/19 und C‑289/19, EU:C:2021:68, Rn. 57). Siehe auch Richtlinie 93/13, 21. Erwägungsgrund.

( 21 ) Siehe Urteil vom 9. Juli 2020, Raiffeisen Bank sowie BRD Groupe Société Générale (C‑698/18 und C‑699/18, EU:C:2020:537, Rn. 52).

( 22 ) Vgl. Urteile vom 27. Juni 2000, Océano Grupo Editorial und Salvat Editores (C‑240/98 bis C‑244/98, EU:C:2000:346, Rn. 25), und vom 26. März 2019, Abanca Corporación Bancaria sowie Bankia (C‑70/17 und C‑179/17, EU:C:2019:250, Rn. 49).

( 23 ) Siehe Urteile vom 9. November 2010, VB Pénzügyi Lízing (C‑137/08, EU:C:2010:659, Rn. 48), und vom 11. März 2020, Lintner (C‑511/17, EU:C:2020:188, Rn. 25).

( 24 ) Siehe Urteile vom 4. Juni 2009, Pannon GSM (C‑243/08, EU:C:2009:350, Rn. 32), und vom 4. Juni 2020, Kancelaria Medius (C‑495/19, EU:C:2020:431, Rn. 37).

( 25 ) Vgl. Urteil vom 30. Mai 2013, Jőrös (C‑397/11, EU:C:2013:340, Rn. 29).

( 26 ) Vgl. Urteil vom 20. September 2018, Danko und Danková (C‑448/17, EU:C:2018:745, Rn. 40).

( 27 ) Vgl. Urteil vom 17. Mai 2018, Karel de Grote – Hogeschool Katholieke Hogeschool Antwerpen (C‑147/16, EU:C:2018:320, Rn. 35).

( 28 ) Vgl. Urteil vom 30. Mai 2013, Jőrös (C‑397/11, EU:C:2013:340, Rn. 30).

( 29 ) Vgl. Urteil vom 22. April 2021, Profi Credit Slovakia (C‑485/19, EU:C:2021:313, Rn. 53).

( 30 ) Vgl. Urteil vom 1. Oktober 2015, ERSTE Bank Hungary (C‑32/14, EU:C:2015:637, Rn. 62).

( 31 ) Vgl. Urteil vom 21. Dezember 2016, Gutiérrez Naranjo (C‑154/15, C‑307/15 und C‑308/15, EU:C:2016:980, Rn. 68).

( 32 ) Vgl. Urteil vom 26. Januar 2017, Banco Primus (C‑421/14, EU:C:2017:60, Rn. 46).

( 33 ) C‑40/08, EU:C:2009:615, Rn. 34 bis 48.

( 34 ) C‑49/14, EU:C:2016:98, Rn. 45 bis 55.

( 35 ) Vgl. Urteil vom 3. März 2020, Gómez del Moral Guasch (C‑125/18, EU:C:2020:138, Rn. 58).

( 36 ) Vgl. Urteil vom 25. November 2020, Banca B. (C‑269/19, EU:C:2020:954, Rn. 43).

( 37 ) Vgl. Urteil vom 21. Dezember 2016 (C‑154/15, C‑307/15 und C‑308/15, EU:C:2016:980, Rn. 61 bis 75). Eingehend erörtert wird dies z. B. in Leskinen, C. und de Elizalde, F., „The control of terms that define the essential obligations of the parties under the Unfair Contract Terms Directive: Gutiérrez Naranjo“, in: Common Market Law Review, Bd. 55, 2018, S. 1595 bis 1618.

( 38 ) Siehe Urteil vom 9. Juli 2020, Raiffeisen Bank, sowie BRD Groupe Société Générale (C‑698/18 und C‑699/18, EU:C:2020:537, Rn. 46).

( 39 ) Es ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof anerkannt hat, dass die Pflicht, von Amts wegen gemäß der Richtlinie 93/13 zu prüfen, ob bestimmte Klauseln missbräuchlich sind, eine Verfahrensregel darstellt, die nicht einen Einzelnen, sondern die nationalen Gerichte trifft. Vgl. Urteil vom 7. November 2019, Profi Credit Polska (C‑419/18 und C‑483/18, EU:C:2019:930, Rn. 74). Folglich kann es sein, dass der Umstand, auf den von der Unicaja Banco und der spanischen Regierung hingewiesen wurde, wonach sich diese nationale Rechtsprechung auf zwingende Vorschriften verfahrensrechtlicher Art beziehe, für sich allein ihrer Anwendung im vorliegenden Fall nicht entgegensteht.

( 40 ) Vgl. diesbezüglich Urteil vom 11. März 2020, Lintner (C‑511/17, EU:C:2020:188, Rn. 40), sowie meine Schlussanträge in der Sache Lintner (C‑511/17, EU:C:2019:1141, Nrn. 65 bis 69).

( 41 ) Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi in den verbundenen Rechtssachen Gutiérrez Naranjo (C‑154/15, C‑307/15 und C‑308/15, EU:C:2016:552, insbesondere Nrn. 38 bis 76).

( 42 ) C‑511/17, EU:C:2020:188, Rn. 28 bis 34. Vgl. auch meine Schlussanträge in der Rechtssache Lintner (C‑511/17, EU:C:2019:1141, Nrn. 49 bis 53).

( 43 ) C‑455/06, EU:C:2008:650, Rn. 44 bis 48. Vgl. Urteil vom 13. Februar 2014, Maks Pen (C‑18/13, EU:C:2014:69, Rn. 37).

( 44 ) Vgl. hierzu Urteil vom 7. Juni 2007, van der Weerd u. a. (C‑222/05 bis C‑225/05, EU:C:2007:318, Rn. 39 und 40).

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