Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52017AE1228

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zur Aufrechterhaltung der derzeitigen Einschränkung ihrer Anwendung auf Luftverkehrstätigkeiten und zur Vorbereitung der Umsetzung eines globalen marktbasierten Mechanismus ab 2021“ (COM(2017) 54 final — 2017/0017 (COD))

ABl. C 288 vom 31.8.2017, p. 75–80 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

31.8.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 288/75


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zur Aufrechterhaltung der derzeitigen Einschränkung ihrer Anwendung auf Luftverkehrstätigkeiten und zur Vorbereitung der Umsetzung eines globalen marktbasierten Mechanismus ab 2021“

(COM(2017) 54 final — 2017/0017 (COD))

(2017/C 288/10)

Berichterstatter:

Thomas KROPP

Befassung

Rat, 21.2.2017

Europäisches Parlament, 13.2.2017

Rechtsgrundlage

Artikel 192 Absatz 1 und Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

 

 

Beschluss des Präsidiums

21.2.2017

 

 

Zuständige Fachgruppe

Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umwelt

Annahme in der Fachgruppe

17.5.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

31.5.2017

Plenartagung Nr.

526

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

192/0/2

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Mit den von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Änderungen wird zwar ein ab 2017 spezifisch für Luftfahrtunternehmen geltender Rechtsrahmen beibehalten, die Flüge zwischen Flughäfen innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums durchführen, gleichzeitig aber auch der Weg für die Unterstützung und Umsetzung des nicht wettbewerbsverzerrenden globalen Mechanismus CORSIA (Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation) (1) ab 2020 durch die EU geebnet.

1.2.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) unterstützt den Vorschlag der Europäischen Kommission mit einigen Vorbehalten. Mit Annahme des Vorschlags würden die Umweltziele des Emissionshandelssystems der EU (EU-EHS) im Verhältnis zu seinem vollen Anwendungsbereich eingeschränkt, was im Prinzip den Klimaschutzzielen und den internationalen Verpflichtungen der EU zuwiderlaufen könnte; gleichzeitig würde die EU glaubhaft ihre Unterstützung für eine globale Maßnahme unter Beweis stellen, so dass die globalen Klimaschutzanstrengungen fortgesetzt werden können.

1.3.

Die Ausweitung des Geltungsbereichs des aktuellen EU-EHS für alle Flüge von und nach Flughäfen im EWR könnte internationale Handelsstreitigkeiten über die Gültigkeit einer einseitigen extraterritorialen Anwendung von EU-Zielen auslösen und die Konsensbildung zur Gewährleistung der einheitlichen Anwendung eines multilateral vereinbarten Mechanismus verzögern.

1.4.

Ein Handeln der EU ist notwendig, um Wettbewerbsverzerrungen im Luftverkehrsbinnenmarkt im Zuge der Umsetzung eines globalen marktbasierten Mechanismus in der Europäischen Union zu vermeiden und gleichzeitig anhand der EHS-Erfahrungswerte eine möglichst hohe Umweltintegrität des CORSIA sicherzustellen. Bei der politischen Debatte über die Funktion einer eigenständigen EU-Lösung müssen die Entwicklung und letztlich Zweckdienlichkeit des CORSIA berücksichtigt werden.

1.5.

Das Legislativverfahren muss zügig abgeschlossen werden. Die Annahme des Vorschlags muss vor Ende 2017 erfolgen, damit die Vorbereitungsmaßnahmen für die Umsetzung des CORSIA Anfang 2018 unternommen werden können. EU-spezifische Rechtsvorschriften sollten nur zur Förderung globaler marktorientierter Maßnahmen genutzt und geändert werden. Der EWSA fordert den Rat und das Europäische Parlament auf, das Momentum für eine zügige einheitliche und nicht wettbewerbsverzerrende Umsetzung des CORSIA aufrechtzuerhalten.

1.6.

Der EWSA unterstützt den ausgewogenen Ansatz der Europäischen Kommission, mit dem zum einen die Hebelwirkung, die die Kommission mit dem EU-EHS aufgebaut hat, gewahrt bleibt und zum anderen ein globales Problem auch global angegangen wird, wodurch das dauerhafte Risiko von Emissionsverlagerungen und Wettbewerbsnachteilen für Europa verringert wird. Die Europäische Kommission muss den Verbrauchern vermitteln, dass Emissionen aus dem internationalen Luftverkehr ein globales Problem sind. Bei angemessener Vorgehensweise aller in der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) vertretenen Mitgliedstaaten wird CORSIA zu einem CO2-neutralen Wachstum und somit einer Entkoppelung von Verkehrswachstum und Emissionssteigerung führen, ganz gleich wo der Luftverkehr stattfindet.

1.7.

Der EWSA hat beschlossen, eine öffentliche Konferenz unter Einbeziehung aller einschlägigen Interessenträger zu organisieren, um ihnen Gelegenheit zu geben, die Standpunkte der Zivilgesellschaft zu den politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen dieser Regulierungsinitiative dazulegen.

2.   Hintergrund

2.1.

Das Emissionshandelssystem der EU (EU-EHS) wurde 2005 eingerichtet; damit wurde eine Obergrenze für die Emissionen der Industrie im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) festgesetzt. Diese Obergrenze ist in Form von Zertifikaten geregelt, die insgesamt der Menge an CO2-Emissionen in Tonnen entsprechen, die im Rahmen dieser Obergrenze ausgestoßen werden können. Die allgemeine Obergrenze wird jährlich um 1,74 % gesenkt, d. h. sie begünstigt Industriezweige, die weniger Zertifikate benötigen, und verpflichtet umweltverschmutzende Industriezweige, mehr Zertifikate zu erwerben. Gemäß diesem System müssen die Mitgliedstaaten bestimmen, wie die übergeordneten Emissionsminderungsziele erreicht werden können, um die CO2-Emissionen der EU insgesamt zu verringern.

2.2.

Im Jahr 2008 vereinbarte die EU, die Luftfahrt ab 2012 als eigenen Sektor in ihr Emissionshandelssystem aufzunehmen. Anstelle von Mitgliedstaaten wurde damit zum ersten Mal ein Wirtschaftssektor auf Emissionsreduktionsziele verpflichtet. Die Obergrenze für die Emissionen aus dem Luftverkehr wurde zunächst beim mittleren Wert des Zeitraums 2004 bis 2006 angesetzt, d. h., unabhängig von der Obergrenze für die Gesamtemissionen im EU-EHS wurde eine eigene Obergrenze für den Luftverkehr eingeführt. Gemäß dem EU-EHS für den Luftverkehr mussten Luftfahrzeugbetreiber ab 2012 Emissionszertifikate für jede ausgestoßene Tonne CO2 für Flüge von und nach Flughäfen innerhalb des EWR abgeben. Zur Bewältigung des Verkehrszuwachses und zur Gewährleistung des hierfür nötigen Luftverkehrswachstums wurde Luftfahrtunternehmen das Recht eingeräumt, zusätzliche Zertifikate im Rahmen von Versteigerungen zu erwerben, in denen andere Sektoren Zertifikate verfügbar machten. Die Obergrenze für die Luftverkehrszertifikate wurde 2012 von 97 % der ursprünglichen Emissionen (Zeitraum 2004-2006) auf 95 % für den Zeitraum 2013-2020 festgesetzt. In diesem Zeitraum werden den Luftfahrzeugbetreibern 82 % der Zertifikate kostenlos zugeteilt, 15 % werden versteigert.

2.3.

Die Einbeziehung des Luftverkehrssektors in ein Emissionshandelssystem war Gegenstand heftiger Kontroversen. Die Schwierigkeiten ergeben sich aus dem Wesen der Luftfahrt als internationale Dienstleistungsindustrie: Die Emissionsverursacher sind mobil, weshalb es schwierig ist, CO2-Emissionen in einem bestimmten Luftraum einer nationalen Regierung zuzuweisen. Einige grundlegende Punkte sind indes international unbestritten:

2.3.1.

Auf den Luftverkehr entfallen mindestens 2 % der globalen Emissionen, auf die internationale Luftfahrt 1,3 %.

2.3.2.

Kein Sektor darf von den Anstrengungen zur Eindämmung der durch die Emissionen verursachten Klimafolgen ausgenommen werden, sprich der See- und der Luftverkehr sollten in globale Mechanismen zur Verringerung der Auswirkungen der CO2-Emissionen auf das Klima eingebunden werden.

2.3.3.

Im Laufe der Zeit hat sich ein Konsens herausgebildet, dass die Nachteile der Besteuerung von CO2-Emissionen die Vorteile marktbasierter Mechanismen überwiegen. Steuern werden ab dem ersten Tag in ihrer Gesamtheit entrichtet, wohingegen in Mechanismen wie dem Emissionshandelssystem die Vorab-Bereitstellung kostenloser Zertifikate als Anreiz gesehen wird, um die größtmögliche Effizienz zu erreichen und durch den Handel mit ungenutzten Zertifikaten einen Kostenpunkt zu einer Einnahmequelle zu machen. Außerdem sind Steuern per definitionem nicht zweckgebunden, sondern fließen in die Staatshaushalte, wohingegen marktbasierte Mechanismen an direkte Ausgleichsmaßnahmen für die Emissionen gekoppelt werden können.

2.4.

Im Mittelpunkt des Streits über die Einbeziehung des Luftverkehrs in das EU-EHS stand die internationale Anwendung dieses Mechanismus. Die Europäische Kommission argumentierte, dass der Klimawandel als weltweites Phänomen nicht allein durch regionale Maßnahmen wirksam bekämpft werden kann. Sie wollte daher das EU-EHS für den Luftverkehr auf alle Luftfahrtunternehmen anwenden, die von oder nach Flughäfen in der Europäischen Union fliegen, unabhängig davon, ob sie in einem der EU-Mitgliedstaaten registriert sind. Die einseitige Festlegung eines derartigen Mechanismus für Drittländer ist jedoch ein direkter Verstoß gegen die Souveränität aller Staaten weltweit. Aufgrund des Fehlens eines bilateralen oder multilateralen internationalen Übereinkommens über die Einführung einer marktbasierten Maßnahme für Dienste zwischen souveränen Staaten stellte sich die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage die EU Drittländern einen derartigen Mechanismus vorschreiben könnte. Der Europäische Gerichtshof bestätigte 2016 (2) die Rechtmäßigkeit der Einbeziehung von Flügen mit Ziel- und Startflughäfen in Drittländern durch die EU. Neben den rechtlichen Schwierigkeiten (3) sah sich die EU auch mit der Gefahr von Handelssanktionen als Vergeltungsmaßnahmen größerer Handelsnationen konfrontiert.

2.5.

Einige größere Handelsnationen wie beispielsweise China, die USA, Indien und Russland koordinierten ihre Anstrengungen gegen die einseitige Anwendung des Mechanismus. Am 12. November 2012 veröffentlichte die Europäische Kommission einen Vorschlag, das Emissionshandelssystem für den Luftverkehr für ein Jahr auszusetzen (den sogenannten „Stop the clock“-Beschluss). Dieser Aussetzungsvorschlag wurde vom Rat und vom Europäischen Parlament formell im April 2013 angenommen, kurz bevor die Luftfahrtunternehmen Zertifikate für 2012 abgeben mussten; damit wurde der Geltungsbereich des Emissionshandelssystems für den Luftverkehr rückwirkend auf EWR-interne Flüge beschränkt.

2.6.

Im März 2014 wurde die Verordnung (EU) Nr. 421/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates (4) angenommen, mit der der Aussetzungsbeschluss und somit die Anwendung des EU-EHS auf nur EWR-interne Flüge bis Ende 2016 verlängert wurde, wobei eine automatische Rückkehr zum ursprünglichen Geltungsbereich des Emissionshandelssystems (alle Flüge von und nach Flughäfen im EWR) vorgesehen war, sofern die Versammlung der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) 2016 keine ausreichend soliden Fortschritte hin zur Schaffung eines weltweiten Mechanismus erzielte.

2.7.

Das Übereinkommen von Paris zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (5), das am 12. Dezember 2015 unterzeichnet wurde, war trotz der Zweifel einiger NGO an seiner Zweckdienlichkeit ein großer Durchbruch in Richtung eines internationalen Konsens über die Notwendigkeit weiterer, international koordinierter Maßnahmen zur Verringerung der Auswirkungen des Klimawandels. Das Übereinkommen diente als Katalysator für ein gemeinsames Vorgehen auf allen Ebenen. In den Monaten nach seiner Veröffentlichung unterzeichnete eine zunehmende Zahl von Regierungen das Übereinkommen (6).

2.8.

Das Übereinkommen von Paris beruht auf dem Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (United Nations Framework Convention on Climate Change — UNFCCC) und bringt zum allerersten Mal alle Länder zusammen, um gemeinsam ehrgeizige Anstrengungen zur Bekämpfung des Klimawandels und zur Anpassung an seine Folgen zu unternehmen, wobei Entwicklungsländer in ihren einschlägigen Bemühungen verstärkt unterstützt werden. Damit wird ein Kurswechsel in den globalen Klimabemühungen eingeleitet (7).

2.8.1.

Hauptziel des Übereinkommens von Paris ist es, die globale Antwort auf die Gefahr des Klimawandels zu stärken, indem die Erderwärmung deutlich unter 2 oC gegenüber dem vorindustriellen Niveau gehalten und weltweit Anstrengungen fortgeführt werden, sie sogar auf 1,5 oC zu begrenzen. Außerdem soll die Fähigkeit der Länder zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels gestärkt werden. Zur Verwirklichung dieser ehrgeizigen Ziele werden angemessene Finanzierungsmechanismen, ein neuer Technologierahmen und ein verbesserter Rahmen für den Kapazitätenaufbau entwickelt, wodurch Maßnahmen der Entwicklungsländer und der am stärksten gefährdeten Länder im Einklang mit ihren eigenen nationalen Zielen unterstützt werden. Ferner sind eine Erhöhung der Transparenz der Maßnahmen und der Unterstützung durch einen solideren Transparenzrahmen vorgesehen (8).

2.8.2.

Mit dem Übereinkommen von Paris sind alle Vertragsparteien verpflichtet, ihre Anstrengungen in Form nationaler Klimaschutzbeiträge (nationally determined contributions — NDC) vorzulegen und diese in den Folgejahren zu steigern. Dazu zählt auch die Verpflichtung, dass alle Vertragsparteien regelmäßig Bericht über ihre Emissionen und ihre Fortschritte bei der Umsetzung des Übereinkommens erstatten (9). 2018 nehmen die Vertragsparteien eine erste globale Bestandsaufnahme der gemeinsamen Anstrengungen vor, um die Verwirklichung der Ziele des Übereinkommens von Paris voranzubringen und über die Vorbereitungen der nationalen Klimaschutzbeiträge zu informieren. Eine derartige gemeinsame Bestandsaufnahme findet anschließend alle fünf Jahre statt, um den gemeinsamen Fortschritt zur Erreichung der Ziele des Übereinkommens zu bewerten und weitere individuelle Maßnahmen der Vertragsparteien anzustoßen.

2.9.

Das Übereinkommen von Paris hat der allgemeinen Einschätzung nach wesentliche Impulse für das Ergebnis der ICAO-Versammlung 2016, insbesondere im Bereich Zivilluftfahrt, geliefert (10). Nach seit der 38. Versammlung im Jahr 2013 drei Jahre andauernden Verhandlungen einigten sich die ICAO-Mitgliedstaaten am 6. Oktober 2016 auf die Anwendung eines globalen marktbasierten Mechanismus (Global Market Based Mechanism — GMBM) zur Kompensation der Zunahme der Emissionen im internationalen Luftverkehr ab 2020. Das Plenum nahm eine Entschließung zur Einführung des Ausgleichs- und Reduktionsmechanismus für den internationalen Flugverkehr (Carbon Offset and Reduction Scheme for International Aviation — CORSIA) (11) an. Gemäß diesem Mechanismus müssen die Luftverkehrsunternehmen ihre Emissionen teilweise ausgleichen, aber nicht notwendigerweise auch verringern.

2.10.

Laut der Entschließung der ICAO-Versammlung ist der mittlere Wert der CO2-Emissionen aus der internationalen Luftfahrt, die im Zeitraum 2019-2020 in diesem Mechanismus erfasst werden, der Ausgangspunkt für ein CO2-neutrales Wachstum ab 2020 und wird als Vergleichsgrundlage für künftige Emissionen herangezogen. Sollten die CO2-Emissionen in der internationalen Luftfahrt, die unter diesen Mechanismus fallen, die durchschnittlichen Referenz-Emissionen der Jahre 2019-2020 überschreiten, entspricht diese Differenz ab 2021 jährlich den Ausgleichsanforderungen des Sektors für das jeweilige Jahr.

2.11.

Die ICAO hat eine schrittweise Einführung dieses Mechanismus beschlossen, um besonderen Umständen und den jeweiligen Fähigkeiten (Special Circumstances and Respective Capabilities — SCRC) der Vertragsstaaten Rechnung zu tragen. Die Teilnahme an diesem Mechanismus erfolgt zunächst auf freiwilliger Basis, ehe dann alle Länder abgesehen von bestimmten Ländern, die von den Regelungen ausgenommen sind, zur Teilnahme verpflichtet werden.

Die ICAO hat sich für einen streckenbasierten Ansatz entschieden, um die wettbewerblichen Auswirkungen des CORSIA auf die Betreiber zu minimieren. Strecken, für die Ausnahmen herrschen, werden für alle Luftfahrtunternehmen, die diese Strecke bedienen, ausgenommen.

2.12.

Die Pilotphase (2021-2023) und die erste Phase (2024-2026) gelten für diejenigen Länder, die sich zur freiwilligen Teilnahme bereiterklärt haben. Mit Stand vom 12. Oktober 2016 hatten sich 66 Länder zur freiwilligen Teilnahme an dem globalen marktbasierten Mechanismus von Beginn an angemeldet. Die zweite Phase (2027-2035) gilt dann für alle Länder, abgesehen von den Ländern, die ausgenommen sind, sich aber freiwillig beteiligen können. Der EWSA begrüßt diese Übereinkunft, wobei es sich aufgrund des freiwilligen Charakters als nötig erweisen könnte, dass andere Sektoren eventuelle Abweichungen ausgleichen müssen, damit die EU-Klimaziele erreicht werden.

2.13.

Die Eckpfeiler des CORSIA, die von der ICAO vereinbart und veröffentlicht werden müssen, sind die Methodik für Überwachung, Berichterstattung und Prüfung (monitoring, reporting and verification — MRV) der Emissionen individueller Luftfahrzeugbetreiber, die Kriterien für die Emissionseinheiten (Emissions Unit Criteria — EUC) und die Register. Die ICAO wird gleichzeitig allen Mitgliedstaaten Ressourcen für den Aufbau der notwendigen Infrastruktur zur Verfügung stellen (12). Diese noch nicht im Einzelnen geregelten Aspekte sind für die Umweltwirksamkeit von CORSIA entscheidend, die hohen Standards genügen sollte.

2.14.

Die Luftfahrtunternehmen können ihre Kompensationspflichten durch den Erwerb von Kompensationsgutschriften auf den Kohlenstoffmärkten erfüllen. Die Emissionseinheiten (eine Einheit entspricht einer Tonne CO2) werden somit außerhalb des internationalen Luftfahrtsektors verringert. Die Kriterien für die Emissionseinheiten müssen jedoch erst noch ausgearbeitet werden. Dabei muss unbedingt gewährleistet werden, dass eine Tonne CO2, die im Luftverkehr ausgestoßen wird, auch wirklich einer Tonne CO2 entspricht, die in einem anderen Sektor eingespart wird.

2.15.

Angesichts der Diskussionen von mehr als einem Jahrzehnt innerhalb der ICAO wurde das Übereinkommen aus dem Jahr 2016 als historisch gewürdigt. Es trägt den Unterschieden Rechnung, die in der Vergangenheit wiederholt die Verwirklichung eines Konsens verhindert hatten. Die Meinungsunterschiede der ICAO-Mitgliedstaaten sind auf die unterschiedliche wirtschaftliche Reife des jeweiligen Landes sowie seine Wirtschaftskraft und seine allgemeine Politik in Umweltfragen zurückzuführen. Die große Zahl an Ländern, die sich zur Teilnahme an dem CORSIA-Mechanismus von Beginn an bereiterklärt haben, wird eine Dynamik auslösen, die auch andere Länder erfassen und zum Mitmachen bewegen wird. Allerdings muss erst noch eine Einigung über die Überwachungs-, Berichterstattungs- und Überprüfungsmethodik (bis 1. Januar 2019), die EUC (bis 2018), die Umsetzung des Regelungsrahmens (bis 2020) und die Einrichtung der Register (bis Januar 2021) für das CORSIA erzielt werden.

3.   Bewertung des Vorschlags

3.1.

Wird die Verordnung (EU) Nr. 421/2014 nicht geändert, wird in der geltenden Fassung das EU-Emissionshandelssystem (EU-EHS) für die Luftfahrt wieder in seinem ursprünglichen Geltungsbereich und somit auf alle internationalen Flüge von und nach Flughäfen innerhalb des EWR Anwendung finden. Dies würde bedeuten, dass Luftfahrzeugbetreiber bis zum 30. April 2018 Zertifikate für ihre Gesamtemissionen aus Flügen von und nach Drittländern abgeben müssten (13). Wie oben erläutert (14) wurde die Verordnung (EU) Nr. 421/2014 ausgesetzt, bis eine Bewertung des Ergebnisses der Versammlung der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) im Jahr 2016 vorgenommen wurde. In ihrer Bewertung (15) kommt die Europäische Kommission zum Schluss, dass die ICAO-Entschließung über einen globalen marktbasierten Mechanismus (Global Market Based Mechanism — GMBM) im Einklang mit den angestrebten Zielen und Maßnahmen der EU steht. Daher muss der Wortlaut der Verordnung (EU) Nr. 421/2014 geändert werden, um die erneute Anwendung eines EU-Instruments trotz EU-Konsens über einen globalen marktbasierten Mechanismus zu verhindern. Der Kommissionsvorschlag beruht auf folgenden Überlegungen:

3.1.1.   Rechtsinstrument

Angesichts der knappen Zeit für den Abschluss des Legislativverfahrens schlägt die Europäische Kommission vor, dass die Maßnahme in Form einer Verordnung erlassen wird, die unmittelbar in allen Mitgliedstaaten gilt und in allen Teilen verbindlich ist, damit die Änderungen von allen Mitgliedstaaten vor Ablauf der Compliance-Fristen (März oder April 2018) einheitlich angewendet und umgesetzt werden können.

3.1.2.   Folgenabschätzung  (16)

Die Europäische Kommission bevorzugt eine Beibehaltung des Status quo, d. h. des derzeitigen Geltungsbereichs des EU-EHS für EWR-interne Flüge für den Zeitraum 2017-2020 (und somit keine Rückkehr zu dem ursprünglichen Geltungsbereich für internationale Flüge ab 2017). Die Europäische Kommission bekräftigt, dass das EU-EHS mit seinem derzeitigen Geltungsbereich für EWR-interne Flüge zur Verringerung der CO2-Emissionen um ca. 17 Mio. Tonnen pro Jahr beigetragen hat, d. h. dass der Luftverkehr wie jeder andere Sektor einen Beitrag zu den Klimaschutzzielen leistet. Sie betont außerdem, dass die Beibehaltung des Geltungsbereichs für EWR-interne Flüge von Drittländern begrüßt wird und die Möglichkeit bietet, sich auf die Erarbeitung der notwendigen Maßnahmen für die rechtzeitige und einheitliche Umsetzung des globalen marktbasierten Mechanismus zu konzentrieren.

3.1.3.   Fristen

Die Europäische Kommission schlägt vor, die Aussetzungsregelung effektiv über 2016 hinaus zu verlängern und sie 2017 wie 2016 anzuwenden, um der ICAO die Möglichkeit zu geben, die notwendigen Instrumente zur effektiven Umsetzung des globalen marktbasierten Mechanismus zu schaffen. Mit Blick auf die Zeit nach 2020 würde die Europäische Kommission das EU-EHS weiter bewerten und überarbeiten. Für diese neue Überarbeitung der Verordnung sind keine Fristen festgelegt.

3.1.4.

Artikel 28a wird dahingehend geändert, dass internationale Flüge von und nach Flughäfen innerhalb des EWR auch nach 2016 von der Anwendung ausgenommen sind, während interne EWR-Flüge weiterhin vollständig erfasst werden.

3.1.5.

Zur Vorbereitung der Einführung eines globalen marktbasierten Mechanismus wird ein neuer Artikel 28b eingefügt. In diesem Artikel wird die Einführung des globalen marktbasierten Mechanismus an die Berichterstattungspflicht der Europäischen Kommission gegenüber dem Europäischen Parlament betreffend den Stand der Umsetzung und das Ausmaß der notwendigen Änderungen des EU-EHS gebunden, damit er auch im EWR umfassend angewendet werden kann (17).

3.1.6.

Mit Artikel 28c wird die Europäische Kommission zur Festlegung von Überwachungs-, Berichterstattungs- und Prüfungsmechanismen für die Zwecke der Anwendung des globalen marktbasierten Mechanismus ermächtigt.

3.1.7.

Als Formsache wird Anhang I dahingehend geändert, dass die Ausnahme für nichtgewerbliche Luftfahrzeugbetreiber mit jährlichen Gesamtemissionen von weniger als 1 000 Tonnen CO2 von 2020 auf 2030 verlängert wird. Diese machen nur 0,2 % der Gesamtemissionen aus, ihre Einbeziehung würde einen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand bewirken.

3.2.

Die Diskussionen in verschiedenen Gremien, auf die auch die Europäische Kommission hinweist (18), lassen potenzielle Meinungsverschiedenheiten in drei Bereichen vermuten:

3.2.1.

Die Notwendigkeit strengerer Vorschriften in der EU-EHS-Richtlinie für den Zeitraum 2017-2020: Abgesehen von der Durchführbarkeit stellt sich hier auch die Frage, ob eine derart kontroverse Debatte zu einem Zeitpunkt, wo der Schwerpunkt auf der Umsetzung eines globalen marktbasierten Mechanismus liegen sollte, wirklich hilfreich ist, dabei nicht etwa die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und die Position der EU in den internationalen Verhandlungen über die technische Ausgestaltung des globalen marktbasierten Mechanismus untergräbt; außerdem steht in Zweifel, ob Änderungen des EU-EHS zum gegenwärtigen Zeitpunkt einen ausreichend hohen Mehrwert im Sinne der Emissionsminderung bringen würden, sodass sich globale wirtschaftliche, politische und handelstechnische Risiken lohnen. Solche Debatten scheinen, gelinde gesagt, verfrüht, solange es nicht mehr Klarheit über die Perspektiven des CORSIA gibt.

3.2.2.

Die Notwendigkeit einer Frist für die neue Überarbeitung des EU-EHS: Diese Notwendigkeit ist verständlich, da wiederholte Änderungen zur Verlängerung des Aussetzungsbeschlusses keine endgültige regulatorische Lösung sein können. Gleichzeitig steht die endgültige Form von CORSIA noch nicht fest, und seine Integration in die EU-Politik muss näher am Zeithorizont 2020 erneut beurteilt werden. Allerdings könnte die Planungsstabilität beeinträchtigt werden, wenn die Interessenträger zwar wissen, dass eine Verordnung zeitlich begrenzt ist, gleichzeitig aber nicht wissen, ob eine neue Verordnung die alte ersetzen oder die ursprüngliche Regelung zum Tragen kommen wird, mit der internationale Handelsstreitigkeiten erneut angefacht würden, was viele Interessenträger lieber vermeiden würden. Das Fehlen einer Frist hat den klaren Vorteil, dass die Europäische Kommission ihre Folgenabschätzungen und Überprüfungen vor der Vorlage eines Änderungsvorschlags für die EU-EHS-Richtlinie abschließen kann.

3.2.3.

Die Notwendig eines raschen Konsenses zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat: Beide EU-Organe sollten keine langwierigen Diskussionen über die frühere Wirkung des EU EHS führen, sondern ihre politischen Diskussionen auf die bestmögliche Förderung einer einheitlichen und rechtzeitigen Umsetzung eines globalen marktbasierten Mechanismus ausrichten. Die Verhandlungen über den Kommissionsvorschlag sollten vor Ende 2017 abgeschlossen werden, um eine automatische Rückkehr zum ursprünglichen Geltungsbereich zu vermeiden.

4.

Aufgrund seiner einzigartigen Zusammensetzung und Sachkenntnis ist der EWSA bestens aufgestellt, um die Standpunkte der organisierten Zivilgesellschaft über die politischen, sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen dieser Regulierungsinitiative in die politische Debatte einzubringen. Infolgedessen wird er im Zusammenhang mit dieser Stellungnahme eine Konferenz unter Teilnahme aller einschlägigen Interessenträger organisieren.

Brüssel, den 31. Mai 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  Das Plenum der 39. Versammlung der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) empfahl die Annahme einer endgültigen Entschließung zur Einführung des „Carbon Offset and Reduction Scheme for International Aviation“ (CORSIA).

(2)  Dokument 62015CJO272 — Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 21. Dezember 2016 in der Rechtssache C-272/15.

(3)  Im Anschluss an den Beschluss von 2008 zur Einbeziehung des Luftverkehrs in das EU-EHS ab 2012 reichten US-amerikanische Luftverkehrsunternehmen im Vereinigten Königreich Klage mit dem Argument ein, dass das Emissionshandelssystem gemäß internationalem Recht illegal war.

(4)  ABl. L 129 vom 30.4.2014, S. 1.

(5)  http://unfccc.int/documentation/documents/advanced_search/items/6911.php?priref=600008865.

(6)  Bislang haben 43 der 197 Vertragsstaaten das Übereinkommen von Paris ratifiziert. Am 5. Oktober 2016 wurde der Schwellenwert für sein Inkrafttreten erreicht. Das Übereinkommen ist schließlich am 4. November 2016 in Kraft getreten. Die erste Tagung der als Tagung der Vertragsparteien des Übereinkommens von Paris dienenden Konferenz der Vertragsparteien (Conference of the Parties serving as the meeting of the Parties to the Paris Agreement CMA 1) fand vom 15. bis 18. November 2016 in Marrakesch, Marokko, statt.

(7)  Siehe UNFCCC-Website.

(8)  Weitere (englischsprachige) Informationen zu den grundlegenden Aspekten des Übereinkommens können hier aufgerufen werden.

(9)  Weitere (englischsprachige) Informationen zu den nationalen Klimaschutzbeiträgen können hier aufgerufen werden.

(10)  Es gibt keine vergleichbare internationale UN-Unterorganisation, die sich mit den Emissionen der Militärluftfahrt befasst. Auch im EU-EHS sind Emissionen der Militärluftfahrt ausgenommen. Die Studiengruppe hat ihr Interesse an einer Bewertung der Auswirkungen von Flügen zu militärischen Zwecken auf die CO2-Emissionen bekundet, wobei Flüge in offizieller Mission eindeutig ausgenommen und ausschließlich Übungsflüge berücksichtigt werden sollten. Es liegen keinerlei Daten zu den Emissionen der Militärluftfahrt auf regionaler, nationaler oder globaler Ebene vor.

(11)  CORSIA ist Teil eines Maßnahmenbündels, das sich auf Flugzeug- und Triebwerkstechnologie, Flugbetrieb und nachhaltige alternative Treibstoffe als neue Energiequellen erstreckt.

(12)  Eine detaillierte Liste der Anforderungen ist in Anhang 1 beigefügt.

(13)  Siehe Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 275 vom 25.10.2003, S. 32).

(14)  Siehe Ziffer 2.6.

(15)  Siehe Begründung zu dem Vorschlag für eine Verordnung COM(2017) 54 final — 2017/0017 (COD).

(16)  Siehe Begründung, S. 6.

(17)  Dieser Artikel beruht auf der Tatsache, dass es sich bei EWR-internen Flügen um internationale Flüge handelt und CORSIA laut der ICAO-Entschließung aus dem Jahr 2016 als einzige marktbasierte Maßnahme auf den internationalen Luftverkehr angewendet werden sollte.

(18)  Folgenabschätzung — Begleitunterlage zum Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG.


Top