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Document 52016AE6895

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum: Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Elektrizitätsbinnenmarkt (Neufassung) (COM(2016) 861 final — 2016/0379 (COD)), Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Risikovorsorge im Elektrizitätssektor und zur Aufhebung der Richtlinie 2005/89/EG (COM(2016) 862 final — 2016/0377 (COD)), Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Gründung einer Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (Neufassung) (COM(2016) 863 final — 2016/0378 (COD)), Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates mit gemeinsamen Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt (Neufassung) (COM(2016) 864 final — 2016/0380 (COD))

ABl. C 288 vom 31.8.2017, p. 91–99 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

31.8.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 288/91


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum:

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Elektrizitätsbinnenmarkt (Neufassung)

(COM(2016) 861 final — 2016/0379 (COD))

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Risikovorsorge im Elektrizitätssektor und zur Aufhebung der Richtlinie 2005/89/EG

(COM(2016) 862 final — 2016/0377 (COD))

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Gründung einer Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (Neufassung)

(COM(2016) 863 final — 2016/0378 (COD))

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates mit gemeinsamen Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt (Neufassung)

(COM(2016) 864 final — 2016/0380 (COD))

(2017/C 288/13)

Berichterstatter:

Alfred GAJDOSIK

Befassung

Europäisches Parlament, 16.1.2017

Rat der Europäischen Union, 19.1.2017

Rechtsgrundlage

Artikel 194 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

 

 

Zuständige Fachgruppe

Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft

Annahme in der Fachgruppe

16.5.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

31.5.2017

Plenartagung Nr.

526

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

185/2/2

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Europäischen Kommission für ein neues Marktdesign, eine Verordnung über Risikovorsorge und eine Neuorganisation der Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden. Damit wird ein weiterer Schritt weg von auf nationaler Ebene regulierten Märkten hin zu einem marktbasierten Elektrizitätsversorgungsansatz in der EU vollzogen, der auf Versorgungssicherheit zu niedrigstmöglichen Kosten abhebt und somit im Wesentlichen im Interesse aller, d. h. industriellen, gewerblichen und privaten, europäischen Stromverbraucher liegt. Dieses Ziel kann jedoch nur erreicht werden, wenn Schritte zu einer stärkeren Elektrifizierung der Wirtschaft erfolgen, wodurch es am wirksamsten und flexibelsten umgesetzt werden kann.

1.2.

Wie bereits in früheren Stellungnahmen hebt der EWSA hervor, dass reibungslos funktionierende Strommärkte eine Voraussetzung für die Verwirklichung der Ziele der Energieunion sind (1). Der EWSA stimmt der Europäischen Kommission darin zu, dass der Energiemarkt insbesondere aufgrund der zunehmenden Nutzung fluktuierender erneuerbarer Energie erheblich umgestaltet werden muss, um gut funktionieren zu können (2). Es ist nicht mit der Integration der erneuerbaren Energien in den bestehenden Markt getan. Ein neuer Markt wird benötigt. Der EWSA ist der Meinung, dass der dem Marktdesign-Paket zugrundeliegende allgemeine Ansatz diesen Erfordernissen gerecht wird und die Voraussetzungen für eine kosteneffiziente und finanziell tragbare Energiewende schafft.

1.3.

Der EWSA begrüßt den allgemeinen Ansatz des Marktdesign-Pakets und insbesondere die Ziele, die Verbraucher ins Zentrum des Energiemarkts zu rücken, die Stromerzeugung auszubauen und die regionale Zusammenarbeit zu stärken. Die Anpassung der Marktvorschriften und des Rechtsrahmens ist ein wichtiger Schritt hin zur zuverlässigen, möglichst kostengünstigen Versorgung aller europäischen Verbraucher mit umweltverträglicher Energie. Indes gibt es bei einigen Aspekten noch Raum für weitere Verbesserungen. Insbesondere sind spezifischere Vorschriften erforderlich (3).

1.4.

Dekarbonisierung ist eines der strategischen Ziele der Energieunion und deshalb ist die Förderung von Investitionen in die Dekarbonisierung des Elektrizitätsmarkts zu unterstützen. Die beste Voraussetzung dafür sind gleiche und gerechte Marktbedingungen, die sowohl den Verbrauchern als auch dem ökologischen Wandel zugutekommen. Im Interesse einer effizienten und effektiven Dekarbonisierung ist es unerlässlich, die externen Kosten der konventionellen Stromerzeugung vollständig zu internalisieren und dabei auch Klima- und Gesundheitsschadenskosten einzuberechnen. Eine angemessene Besteuerung ist der beste Ansatz, um Investitionen in den Ökostromsektor zu lenken.

1.5.

Der EWSA unterstützt mit großem Nachdruck, dass als ein Recht von allen Verbrauchern — Industrie, Gewerbetreibende, Privathaushalte — definiert wird, Strom selbst zu erzeugen, zu speichern und zu handeln, und dass lokalen Energiegemeinschaften das Recht eingeräumt wird, gemeinschaftliche Netze zu unterhalten, einzurichten oder zu mieten. Allerdings sind spezifischere Vorschriften notwendig, um diese Rechte durchzusetzen und bestehende Hemmnisse (Netzzugang, unfaire und unverhältnismäßige Netzentgelte, rechtliche und bürokratische Hürden usw.) auszuräumen.

1.6.

Darüber hinausgehend muss das Ziel sein, die europäischen Verbrauchers in die Lage zu versetzen, umfassend am gesamten Strommarkt und damit auch am Handel bzw. der Lieferung von Strom teilzunehmen. In den Vorschlägen der Europäischen Kommission fehlen spezifische Bestimmungen, um die hierfür notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. Es müssen dezentrale Handelsplätze und Handelsstrukturen geschaffen werden, die den direkten Handel auch von kleinen Mengen Energie ermöglichen. Voraussetzung für eine umfassende Teilhabe der Verbraucher am Markt ist die Dezentralisierung der Stromversorgung und des Stromhandels, was jedoch nicht mit einer Zersplitterung des europäischen Elektrizitätssystems gleichzusetzen ist.

1.7.

Zwar spricht die Europäische Kommission zu Recht das Ziel an, Kurzfristmärkte zu stärken, doch wird dies auf lange Sicht nicht ausreichen, um Investitionen in erneuerbare Energien auf der Grundlage von Marktmechanismen zu fördern. Dazu muss regenerativer Strom in dezentralen Märkten auch in Termingeschäften gehandelt werden können, was nur dann möglich ist, wenn Regelenergieprodukte unter Nutzung von Flexibilitätsoptionen gehandelt werden.

1.8.

Da viele europäische Länder heutzutage eher zu viele als zu wenige Erzeugungskapazitäten haben, sollten Kapazitätsmechanismen für konventionelle Stromerzeugung nur als kurzfristige Lösung eingesetzt werden, wenn Regelenergieprodukte unter Berücksichtigung der notwendigen Investitionssicherheit für alle Marktteilnehmer nicht die erforderliche Versorgungssicherheit bieten können.

1.9.

Der EWSA erinnert daran, dass dem Problem der Energiearmut bei der Umstellung auf eine Niedrigemissionsgesellschaft Rechnung getragen werden muss. Prosum bietet sich als Lösungsmöglichkeit an, solange schutzbedürftige Verbraucher über öffentliche Darlehen oder mit Hilfe von Kommunen, Regionen oder Einrichtungen wie NGO Zugang zum erforderlichen Kapital erhalten.

1.10.

Der EWSA hebt hervor, dass aufgrund der im Allgemeinen eher kleinmaßstäblichen Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energieträgern und Kraft-Wärme-Kopplung in Blockheizkraftwerken gut funktionierende, moderne und intelligente Verteilnetze immer wichtiger werden. Die Regulierung auf nationaler Ebene muss die Netzbetreiber in die Lage versetzen und dazu anhalten, die erforderlichen Investitionen zu tätigen. Auch Investitionen in die Verbesserung des Verbunds der nationalen Stromnetze sind notwendig. Beides wird zur Energieversorgungssicherheit und zur Schaffung von Arbeitsplätzen in Europa beitragen.

1.11.

Der EWSA betont, dass das Ziel einer hohen Stromversorgungssicherheit in einem Marktumfeld, in dem die Verbraucher eine zentrale Rolle spielen, die intensive Nutzung der IKT (Informations- und Kommunikationstechnologien) und neue Planungsmethoden sowie neue Instrumente zum Betrieb des Stromsystems erfordert, wodurch sich die Verbrauchernachfrage und der Netzbedarf in Echtzeit ermitteln lassen, was aber große Investitionen in Forschung, Entwicklung und Innovation voraussetzt (siehe Ziffer 3.13).

1.12.

Der EWSA unterstützt die Absicht der Europäischen Kommission, die Entwicklung der wichtigen Märkte für Flexibilitäten, Elektromobilität, Speicher und weitere Regelenergieoptionen durch eine Vorzugsbehandlung unabhängiger Marktakteure voranzutreiben, bevor die Verwaltung oder der Betrieb der betreffenden Anlagen den Netzbetreibern übertragen wird.

2.   Inhalt der Kommissionsmitteilung

2.1.

In ihrem Vorschlagspaket hebt die Europäische Kommission hervor, dass eine gründliche Reform des Elektrizitätsmarkts Voraussetzung für die Verwirklichung der Ziele der Energieunion ist. Es ist nicht mit der Integration der erneuerbaren Energien in den bestehenden Markt getan. Ein neuer Markt wird benötigt.

2.2.

Die Europäische Kommission richtet ihr neues Marktkonzept an zwei Grundsätzen aus:

Neue Marktvorschriften, die den Hauptmerkmalen der erneuerbaren Energie — Dezentralisierung und Flexibilität — gerecht werden und die zur Verbesserung von Versorgungssicherheit und Kosteneffizienz beitragen, müssen aufgestellt werden;

Verbraucher sollen im Zentrum des neuen Energiemarkts stehen.

2.3.

In ihrem Vorschlag befasst sich die Europäische Kommission auch mit der Verbesserung der Versorgungssicherheit durch einen Risikovorsorgeansatz.

2.4.

Und als Viertes schlägt sie eine Reform der Regulierungsaufsicht und die Überarbeitung der Aufgaben und Zuständigkeiten der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) vor.

In dieser sektorbezogenen Stellungnahme werden die Gesetzestexte vorrangig danach beurteilt, inwieweit sie die in Ziffer 2.2 genannten Prämissen erfüllen. Deshalb werden in dieser Stellungnahme in erster Linie die Vorschläge zum Elektrizitätsbinnenmarkt (COM(2016) 861 final und COM(2016) 864 final), die sich vorrangig auf diese Fragen beziehen, erörtert.

3.   Allgemeine Bemerkungen zum Marktdesign

3.1.

Voraussetzung für die Dekarbonisierung des gesamten Energiesystems einschließlich des Wärme- und Mobilitätssektors ist ein entsprechend hoher Anteil von erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung. Der EWSA befürwortet grundsätzlich den Ansatz der Europäischen Kommission, dass der europäische Strommarkt vor diesem Hintergrund so entwickelt werden muss, dass er zu erneuerbaren Energien passt. Er begrüßt diesen klaren Ansatz als wichtigen Schritt hin zur Vollendung des Elektrizitätsbinnenmarkts und zur Überwindung der bestehenden Hemmnisse wie Engpässe aufgrund fehlender Verbindungsleitungen und regulatorische und steuerliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten.

3.2.

Ernst zu nehmen ist dabei zunächst, dass fluktuierende erneuerbare Energien in ihrem Wesen dezentral sind, das heißt:

Wind-Onshore- und PV-Anlagen sind im Schnitt erheblich kleiner als herkömmliche Kraftwerke;

Onshore-Windenergie und Sonnenenergie stehen praktisch überall zur Verfügung;

Sie sind theoretisch verbrauchsorientiert planbar, sofern es die richtigen Marktanreize gibt. Die Erzeugung erneuerbarer Energie lässt sich zwar nicht steuern, ihre Verfügbarkeit aber lässt sich mit großer Genauigkeit vorhersehen.

Häufig weisen auch andere Technologien diese Merkmale auf, beispielsweise Kraft-Wärme-Kopplung in Blockheizkraftwerken, der auf den künftigen Energiemärkten aufgrund ihrer hohen Effizienz eine wichtige Funktion als Flexibilitäts- und Regelenergieoption zukommen wird.

3.3.

Aus diesen Eigenschaften erwachsen einerseits spezifische Vorteile, die die Europäische Kommission in ihren Vorschlägen für das neue Marktdesign zum Teil erwähnt. Indes könnte der Vorschlag der Europäischen Kommission kohärenter und präziser darauf abheben, die Marktvorschriften stringent auf diese Vorteile auszurichten. Diesbezüglich sei auf die einschlägigen Bemerkungen des EWSA in seiner Stellungnahme zum Thema „Änderung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie“ (TEN/622) (4) verwiesen. Für das Marktdesign spielt eine besondere Rolle, dass erneuerbare Energien und andere dezentrale Energietechnologien zu einer deutlichen Verbesserung der Marktliquidität beitragen.

3.4.

Wie die Europäische Kommission richtigerweise hervorhebt, wird es auf dem neuen Energiemarkt im Vergleich zur herkömmlichen, durch nur wenige Kraftwerke gekennzeichneten Erzeugungsstruktur sehr viel mehr Erzeugungseinheiten geben. Infolgedessen wird sich die Vielfalt der bei der Stromerzeugung tätigen Akteure deutlich erhöhen. Eine besondere Rolle spielt dabei die Aktivierung der Verbraucher. Durch die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energieträgern und Kraft-Wärme-Kopplung werden Verbraucher zu Produzenten, wie die Europäische Kommission in ihrem Vorschlag einräumt.

3.5.

Die Aktivierung der Verbraucher sollte in allen Verbraucherkategorien stattfinden, auch bei gewerblichen und industriellen Energieverbrauchern, die durch Investitionen in dezentrale Energieerzeugungstechnologien für den Eigenverbrauch erhebliche Kosteneinsparungen erzielen können. Die Aktivierung der Verbraucher wird somit nicht nur die Liquidität der Strommärkte verbessern, sondern weitere wirtschaftliche Impulse geben: Kleine und große Unternehmen können sich Wettbewerbsvorteile zunutze machen, vor Ort wird Mehrwert generiert, neue Arbeitsplätze können entstehen. Indes verfügen viele private Haushalte nicht über die für Prosum erforderlichen finanziellen Ressourcen. Verbraucherfreundliche Darlehen und eine aktive Förderung seitens Kommunen und Regionen könnten hilfreich sein.

3.6.

Jedoch wird die Aktivierung der Verbraucher durch drei Aspekte behindert.

3.6.1.

Einmal werden die externen Kosten der Kohle- und Kernkraftwerke praktisch nicht internalisiert. Dabei sind insbesondere die Gesundheits- und Klimaschadenskosten zu berücksichtigen. Durch die unterlassene Internalisierung dieser Kosten sind die erneuerbaren Energien, die keine vergleichbaren externen Kosten verursachen, einem erheblichen Wettbewerbsnachteil ausgesetzt. Da die Aktivierung von Verbrauchern überwiegend durch erneuerbare Energien zustande kommt, ist daraus zu folgern, dass die begrenzte Beteiligung von Verbrauchern politisch gewollt ist oder zumindest billigend in Kauf genommen wird. Im gesamten Winterpaket wird keinerlei Anstrengung unternommen, diese Marktverzerrung zu beseitigen. Die Verzerrung wird dadurch noch krasser, dass die Nicht-Internalisierung der externen Kosten der konventionellen Stromerzeugung es umso nötiger macht, erneuerbare Energien massiv zu subventionieren.

3.6.2.

Dezentrale Technologien wie erneuerbare Energien oder Blockheizkraftwerke werden aus einem weiteren Grund gegenüber konventionellen Kraftwerken systematisch benachteiligt. Die derzeitige Großhandelsmarktstruktur begünstigt großmaßstäbliche Erzeugungseinheiten. Die durchschnittlichen Erneuerbare-Energien- und Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen sind kleiner, weisen deshalb nicht die erforderlichen Größenvorteile auf und haben dadurch einen Wettbewerbsnachteil.

3.6.3.

Zum anderen ist der Zugang zum Energiehandelsmarkt durch rechtliche Beschränkungen, administrative Vorschriften, Lizenzen und bürokratischen Aufwand für viele kleine Akteure versperrt. Private Haushalte, gewerbliche und sogar industrielle Verbraucher sind gleichermaßen betroffen.

3.7.

Diese drei Defizite des heutigen Strommarkts ließen sich sofort beheben, wenn hierfür der politische Wille vorhanden wäre. Der EWSA befürchtet jedoch, dass die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen einschlägigen Vorschriften diesbezüglich keine hinreichende Klarheit schaffen.

3.8.

Um die in Ziffer 3.6.1 beschriebene Marktverzerrung zu Gunsten der konventionellen Stromerzeugung zu beenden, ist mindestens eine korrekte Besteuerung der CO2-Emissionen, die im Zusammenhang mit den o. g. externen Kosten eines der gravierendsten Probleme ausmachen, erforderlich. Der EWSA hat dies vielfach gefordert (5).

3.9.

Um die in Ziffer 3.6.2 und 3.6.3 genannten Nachteile auszugleichen, sollte der Strommarkt und insbesondere der Stromhandel für dezentralere Strukturen geöffnet werden.

3.10.

Dezentralisierung darf nicht mit einer Zersplitterung des europäischen Elektrizitätssystems gleichgesetzt werden. Die Europäische Kommission hat grundsätzlich Recht, dass sichergestellt werden sollte, „dass Strom jederzeit (…) dahin gelangt, wo er am meisten benötigt wird“. Für den Verbund der nationalen Netze sind jedoch umfangreiche Investitionen und ein Refinanzierungsmodell, das die Verbraucher nicht zu stark belastet, erforderlich.

3.11.

Lastmanagement mit Unterstützung von Flexibilitäts- und Regelenergieoptionen wie Batteriespeicher, Power-to-Heat, Power-to-Gas und Vehicle-to-Grid ist der beste Ansatz, um die Netzausbaukosten so niedrig wie möglich zu halten. Wie von der Europäischen Kommission vorgeschlagen, sind deshalb Prosum, direkte Transaktionen zwischen Stromerzeugern und Verbrauchern sowie die Klärung der Zuständigkeit für den Bilanzausgleich wichtige Instrumente zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit.

3.12.

In den Vorschlägen der Europäischen Kommission kommen diese Mechanismen generell zum Tragen. Der EWSA begrüßt diesen Ansatz, der sich insbesondere auf unterentwickelte und gleichzeitig überregulierte Strommärkte in einigen Mitgliedsstaaten positiv auswirken wird.

3.13.

Allerdings wird das Potenzial der Digitalisierung in dem Vorschlag der Europäischen Kommission weitgehend vernachlässigt. Die Digitalisierung ermöglicht nämlich die granulare Erfassung von Verbrauchs- und Erzeugungsdaten auch auf geringstem Niveau (meint: von einzelnen Kilowatt). Die spezifische Erfassung von individuellen Verbrauchsprofilen über intelligente Zähler, perspektivisch auch durch das Internet der Dinge, in Verbindung mit der Akteursvielfalt im Erzeugungsbereich, versetzt buchstäblich jeden Verbraucher in die Lage, seine eigene Bilanz zu steuern. Durch Bildungs- und Schulungsprogramme sollte möglichst vielen Verbrauchern die erforderliche Handlungskompetenz vermittelt werden, wodurch der strukturelle Nachteil (nämlich die geringe Liquidität der Märkte) von dezentralen Handelsformen wie bspw. Peer-to-Peer-Transkationen beseitigt würde.

3.14.

Als erster Schritt sollten die Regeln für die Bilanzierung von Strom (Artikel 4 und 5 des Verordnungsvorschlags COM(2016) 861 final) so angepasst werden, dass Energiemaßeinheiten in zeitlich hochaufgelöster Form erfasst werden. Für den Handel dieser kleinsten Mengen Energie sollten eigene Kurzfristmärkte geschaffen werden. Artikel 6 und 7 des Verordnungsvorschlags COM(2016) 861 final ist entsprechend anzupassen.

3.15.

Die Europäische Kommission lässt bedauerlicherweise diesbezüglich jede Initiative vermissen. Stattdessen sieht sie in Artikel 3 des Verordnungsvorschlags COM(2016) 861 final vor, dass die Marktpartizipation von Verbrauchern oder kleinen Unternehmen über Aggregatoren erfolgen soll. Die Legitimation von Aggregatoren ergibt sich vor allem durch Portfolioeffekte und Transaktionskosten. Diese würden allerdings, wenn eine Dezentralisierung des Stromhandels eingeleitet würde, wegfallen. Dann hätten die Stromverbraucher und kleinen Unternehmen die Möglichkeit, vollständig und unmittelbar am Strommarkt teilzunehmen, wenn sie eine aktive Rolle übernehmen wollen und können. Es ist bezeichnend, dass die Europäische Kommission in Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe i den Stromhandel nicht erwähnt, wenn es um „gleichberechtigte“ Marktteilnahme geht.

3.16.

In diesem Kontext erscheinen Direkttransaktionen zwischen Erzeugern und Verbrauchern energiewirtschaftlich besonders vielversprechend, weil sie in einem Preissignal vielschichtige Preiskomponenten abbilden können, die — anders als dies heute in vielen Mitgliedstaaten der Fall ist — zu einem Großteil marktlich gebildet werden. So ist es beispielsweise möglich, in das Preissignal von Direkttransaktionen eine Vielzahl von Informationen abzubilden, etwa:

einen pauschalen Beitrag zur Finanzierung der Netzinfrastruktur;

einen sich dynamisch ändernden, transaktionsspezifischen Beitrag, der die Inanspruchnahme von Systemdienstleistungen wiedergibt, die für die spezifische Transaktion im Stromnetz notwendig ist;

eine Kapazitätsprämie für die Finanzierung der Anlagen zur Erzeugung, Speicherung, und Wandlung von Strom, deren Höhe zwischen den Transaktionsteilnehmern ausgehandelt wird.

3.17.

Nicht nur in einigen Mitgliedstaaten (etwa Niederlande, Estland) werden Geschäftsmodelle für den dezentralen Stromhandel entwickelt. Vielmehr gibt es sehr ambitionierte Modelle, die bereits auf etlichen außereuropäischen Märkten wie USA und Australien zum Einsatz kommen. Es ist offensichtlich, dass es sich hierbei um einen globalen Trend handelt. Europa kann seine Exportchancen auf den weltweiten Energiemärkten nur dann behaupten, wenn europäische Unternehmen überzeugende Konzepte für den dezentralen, digitalisierten Stromhandel entwickeln. Dann sollte die europäische Union ihren Unternehmen aber auch die Möglichkeit schaffen, diese Konzepte auf ihren Heimatmärkten zuerst zu realisieren.

4.   Besondere Bemerkungen zu den Details des Richtlinienvorschlags COM(2016) 864 final sowie der Verordnungsvorschläge COM(2016) 861 final, COM(2016) 862 final und COM(2016) 863 final

4.1.

Der EWSA begrüßt das klare Bekenntnis der Europäischen Kommission zur Dekarbonisierung des Strommarkts. Aufgrund der in Ziffer 3.6 vorgebrachten Überlegungen macht aber die Einschränkung des vorrangigen Dispatch, die in Artikel 11 des Verordnungsvorschlags COM(2016) 861 final vorgesehen wird, die Erreichung des Ziels zumindest so lang schwieriger, wie es keine umfassende Internalisierung der durch die konventionelle Stromerzeugung verursachten externen Kosten gibt. Grundsätzlich ist es korrekt, die Einsatzplanung auf Technologieneutralität zu stützen, doch setzt dies gleiche Ausgangsbedingungen voraus. Infolge der Nicht-Internalisierung der durch die konventionelle Stromerzeugung verursachten externen Kosten sind gleiche Ausgangsbedingungen nicht gegeben. Bevor das vorrangige Dispatch tatsächlich so stark eingeschränkt wird wie in dem Kommissionsvorschlag vorgesehen, müssen die externen Kosten umfassend internalisiert werden.

4.2.

Daher ist vorzusehen, dass das vorrangige Dispatch in allen Mitgliedsstaaten, in denen der Anteil von erneuerbaren Energien unter 15 % liegt, vorübergehend bestehen bleibt. Die Mitgliedsstaaten, in denen der Anteil höher liegt, sollten bei der Europäischen Kommission entsprechende Einsatzplanung zur Prüfung einreichen. Diese Einsatzplanung sollte nicht den freien Marktmechanismus für emissionsarme und kosteneffiziente Flexibilitätsoptionen verzerren. Die Europäische Kommission soll das Regelwerk darauf prüfen, ob es geeignet ist, die Dekarbonisierung zu unterstützen.

4.3.

In jedem Fall sind die in Artikel 11 Absatz 3 des Verordnungsvorschlags COM(2016) 861 final genannten De-minimis-Werte durch die festgelegten Zahlen (Randnummern 125 und 127 der Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014-2020 (6)) zu ersetzen, damit kleine Marktteilnehmer weiterhin eine Chance auf fairen Wettbewerb haben.

4.4.

Als weitere Belastung für das Ziel Dekarbonisierung tritt die Regelung für Redispatch und Einschränkung nach Artikel 12 des Verordnungsvorschlags COM(2016) 861 final hinzu. Da insbesondere Kohlekraftwerke relativ hohe Anfahr- und Abschaltkosten haben, werden die Betreiber diese Kraftwerke die Kosten bei ihren Angeboten für Redispatch einpreisen. Bei Windenergie- und Solaranlagen fallen diese Kosten nicht an. Die Folge: Windenergie- und Solaranlagen werden häufiger vom Netz genommen, und dies wirft Europa bei der Dekarbonisierung zurück. Daher ist das marktbasierte Redispatch auf nicht-erneuerbare Energien zu begrenzen.

4.5.

Der EWSA unterstützt die Position der Europäischen Kommission, dass Marktverzerrungen im Sinne der Verbraucher zu vermeiden sind. Er hält die Europäische Kommission an, mehr zu tun, um bestehende und künftige Marktverzerrungen zu vermeiden. Kapazitätsmechanismen für konventionelle Kraftwerke, wie in Verordnungsvorschlag COM(2016) 861 final vorgesehen, könnten zu weiteren gravierenden Marktverzerrungen führen, was die Europäische Kommission selbst einräumt. Kapazitätsmechanismen dürfen daher nur als letzte Option zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit und als kurzfristige Lösung genutzt werden. Hier wäre eine sehr viel spezifischere Regelung, wann Kapazitätsmechanismen zulässig sind, dringend zu wünschen.

4.6.

Zu bedenken ist, dass erneuerbarer Strom aus fluktuierenden Quellen (Wind und Solarstrahlung) als solcher nicht ohne weiteres an Kapazitätsmechanismen teilnehmen und auch nicht an Terminmärkten gehandelt werden kann. Zwar ist es daher richtig, den Interday- und Intraday-Handel zu stärken. Aber dies wird aufgrund der besonderen Kostenstruktur von Sonnen- und Windstrom (Stichwort: Grenzkosten von Null) nicht zu einer Refinanzierung von Investitionen und erneuerbaren Energien führen. Strom aus erneuerbaren Energieträgern muss am Terminmarkt gehandelt werden können. Dies kann absehbar nur gelingen, wenn erneuerbare Energien mit Regelenergie- und Flexibilitätsoptionen verbunden werden. Dazu gehören neben Batteriespeichern vor allem technische Optionen wie Power-to-Heat und Power-to-Gas (7).

4.7.

Tatsächlich bestehen aber erhebliche regulative Hürden auf mitgliedsstaatlicher Ebene, so dass Regelenergieprodukte derzeit kein Geschäftsmodell finden. Die Gesetzestexte zum Marktdesign bieten hierfür keine Lösung an. Mindestens wäre in Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe f des Verordnungsvorschlags COM(2016) 861 final hinzufügen, dass die Marktregeln und der von der Mitgliedstaaten aufzustellende Rahmen für die Einsatzplanung einen Anreiz für die Nutzung von Flexibilitätsoptionen bieten müssten. Dies kann auch zur Beseitigung bzw. Vermeidung von Engpässen beitragen.

4.8.

Der EWSA fordert vor diesem Hintergrund eine klare Priorisierung. Mechanismen für die Kapazitätsbereitstellung von konventionellen Kraftwerken sollen erst dann zur Anwendung kommen dürfen, wenn die Mitgliedstaaten nachweisen können, dass die Kapazitätsengpässe nicht durch die Bereitstellung erneuerbarer Energie als Regelleistung über Flexibilitätsoptionen lösbar sind. Eine entsprechende Pflicht ist in Artikel 8 des Richtlinienvorschlags COM(2016) 864 final aufzunehmen, und Artikel 14 des Verordnungsvorschlags COM(2016) 861 final ist entsprechend zu ändern.

4.9.

Solche Regelleistungskonzepte haben zwei weitere Vorteile. Weil sie erneuerbaren Strom terminmarktfähig machen, stellen sie aus heutiger Sicht die einzige Option dar, die verspricht, dass Investitionen in Erneuerbare-Energien-Anlagen am Markt eine Refinanzierung erreichen können. Zweitens sind sie lokal ausgerichtet, machen sich also die quasi ubiquitäre Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien zunutze (vgl. Ziffer 3.2) und stärken auf diese Weise den lokalen Mehrwert erneuerbarer Energie.

4.10.

Wenn es geeignete marktbasierte Anreize gibt, kann dezentrale Stromerzeugung das Netz entlasten. Dies ist jedoch nicht der Fall. Mindestens die Berechnung der Netzzugangsentgelte (Artikel 16 von COM(2016) 861 final) sollte so geändert werden, dass im Einklang mit der Verursachergerechtigkeit ein Anreiz für eine verbrauchsnahe Erzeugung gegeben wird. Generell ermöglichen intelligente Zähler, die spezifischen Netzkosten einzelner Erzeugungs- und Verbrauchstransaktionen zu erfassen, und der Grundsatz der Verursachergerechtigkeit legt nahe, diese der Berechnung von Netzzugangsentgelten zu Grunde zu legen.

4.11.

Im Übrigen wird die verbrauchsgerechte Erzeugung von Elektrizität auch durch akkurat bestimmte Preiszonen ermöglicht. Daher unterstützt der EWSA die entsprechenden und in Erwägungsgrund 14 und Artikel 13 des Richtlinienvorschlags COM(2016) 864 final formulierten Positionen. Solange aber die in Ziffer 4.10. beschriebene Forderung nicht umgesetzt ist, könnte der durch genauere Preiszonen erreichte Effizienzgewinn durch eine nicht verursachergerechte Festlegung der Netzentgelte überlagert werden und verloren gehen. Ein europäischer Energiesteuer-Referenzwert zur Verstärkung von Preissignalen wäre außerdem hilfreich.

4.12.

Genauere Preiszonen sollten nicht als Abkehr von der Notwendigkeit eines europäischen Verbundnetzes missverstanden werden, das die beste Möglichkeit bietet, auf kosteneffiziente Weise eine hohe Versorgungssicherheit zu erreichen.

4.13.

Wie in Ziffer 3.14 hervorgehoben, ist die Öffnung des Stromhandels für Verbraucher bzw. Prosumenten Voraussetzung für ihre umfassende Teilhabe am Energiemarkt. Artikel 3 des Richtlinienvorschlags COM(2016) 864 final ist daher zu präzisieren. Die Partizipation der Verbraucher, die in Absatz 1 auf Erzeugung, Speicherung, Elektromobilität beschränkt ist, muss auch den Stromhandel umfassen. In Artikel 3 Absatz 2 sind die Markteintrittsbarrieren genauer zu erfassen. Gemäß Ziffer 3.6.3 dieser Stellungnahme gehören dazu vor allem auch Größenvorteile und administrative Hürden.

4.14.

Diese können zum Beispiel dadurch reduziert werden, dass die Mitgliedstaaten spezielle Handelsstrukturen für kleine Erzeuger, Verbraucher und Prosumenten einführen. Die Umsetzung dieser Vorgabe zu prüfen, ist eine Aufgabe, die die Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden übernehmen sollte. Außerdem könnten für kleine Verbraucher-Erzeuger-Gemeinschaften in Artikel 4 des Verordnungsvorschlags COM(2016) 861 final vereinfachte Bilanzregeln eingeführt werden. Schließlich ist in Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe a des Richtlinienvorschlags COM(2016) 864 final das Wort „verkaufen“ durch das Wort „handeln“ zu ersetzen.

4.15.

Bezüglich Energiearmut (Erwägungsgrund 14 und Artikel 5 des Richtlinienvorschlags COM(2016) 864 final und Artikel 28 und 29 des Verordnungsvorschlags COM(2016) 861 final): Der EWSA hat bereits vielfach deutlich gemacht, dass Energiearmut ein Problem ist, das gelöst und im Zuge der Umstellung auf eine Niedrigemissionsgesellschaft berücksichtigt werden muss. Diesbezüglich bekräftigt der EWSA den Standpunkt, den er in seiner einschlägigen Stellungnahme (8) zum Ausdruck gebracht hat, und unterstützt ebenfalls die Position der Europäischen Kommission und die konkreten Vorschläge. Der EWSA weist aber auf die bereits in früheren Stellungnahmen (9) vorgebrachte Position hin, dass erneuerbare Energien und insbesondere Prosum unter bestimmten Umständen ein nachhaltiges Mittel darstellen, Energiearmut dauerhaft zu vermeiden, wenn schutzbedürftige Verbraucher mit Hilfe von Behörden (Kommunen, Regionen) oder privaten Akteuren wie NGO öffentliche Darlehen bzw. besseren Zugang zu Kapital erhalten. Auch vor diesem Hintergrund ist die Wichtigkeit der in Artikel 15 und 16 des Richtlinienvorschlags COM(2016) 864 final vorgeschlagenen Regelungen zu aktiven Verbrauchern und lokalen Energiegemeinschaften zu verstehen. Prosum als mögliches Mittel zur Vermeidung von Energiearmut sollte in Artikel 5 Absatz 2 des Richtlinienvorschlags COM(2016) 864 final speziell erwähnt werden.

4.16.

Hinsichtlich Verbraucherrechten: Der EWSA begrüßt, dass der Befähigung und dem Schutz des Verbrauchers ein eigenes Kapitel im Richtlinienvorschlag COM(2016) 864 final gewidmet werden. Als weiteres, explizites Recht sollte in Artikel 10 eingefügt werden, dass Verbraucher die Möglichkeit haben müssen, spezifische Präferenzen für die Stromlieferung zu äußern und zu befriedigen. In Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe b ist zu ergänzen, dass die Netzzugangsentgelte spezifisch sein müssen, so dass der Verbraucher tatsächlich nur mit den spezifischen Netzkosten, die durch seine jeweilige Aktivität, also durch die Erzeugung, die Speicherung, den Verbrauch oder den Handel von Elektrizität entstehen, belastet werden darf. Bei der Festlegung der Netzzugangsentgelte sollten Anreize für netzentlastende Maßnahmen wie Lastverschiebung, Eigenverbrauch und Speicherung gegeben werden. Die Mitgliedstaaten haben den Nachweis zu erbringen, mit welcher Methode diese verursachergerechte Bemessung der Netzkosten erfolgt. Die Verbraucher sind in diesem Zusammenhang auf Planbarkeit angewiesen, um die entsprechenden Investitionen tätigen zu können.

4.17.

Der EWSA begrüßt, dass in Artikel 16 des Richtlinienvorschlags COM(2016) 864 final lokale Energiegemeinschaften definiert werden und entsprechende Rechte erhalten. Er hat dies in seiner Stellungnahme zum Thema „Bürgerenergie und Energiegenossenschaften“ (10) selbst gefordert. Allerdings sind die in Absatz 1 Buchstabe d genannten Entgelte verursachergerecht, also nach demselben Prinzip wie in Ziffer 4.16 dieser Stellungnahme für Artikel 15 des Richtlinienvorschlags COM(2016) 864 final beschrieben, zu ermitteln.

4.18.

Der EWSA befürwortet, dass lokale Energiegemeinschaften das Recht haben, ihre eigenen Netze zu betreiben, macht jedoch geltend, dass sie auch als Grundversorger agieren dürfen. Deshalb gelten für sie auch alle damit verbundenen Pflichten.

4.19.

Sowohl in Bezug auf Artikel 15 als auch auf Artikel 16 des Richtlinienvorschlags COM(2016) 864 final ist eine Warnung auszusprechen: Sowohl die Aktivierung der Verbraucher als auch das Entstehen von lokalen Energiegemeinschaften gründen auf der Nutzung erneuerbarer Energien. Soweit die in Ziffer 3.6 beschriebenen Probleme und die Defizite in dem Erneuerbare-Energien-Vorschlag (11) nicht korrigiert werden, werden die Aktivierung von Verbrauchern und lokale Energiegemeinschaften erheblich geschwächt und existenziell gefährdet.

4.20.

Zu Daten aus intelligenter Verbrauchsmessung: Wie in Ziffer 3.13 dieser Stellungnahme beschrieben, stellt die Digitalisierung eine große Chance dar. Auf der anderen Seite bringt sie in Bezug auf Datenschutz und -sicherheit Risiken mit sich. Der EWSA begrüßt, dass die Europäische Kommission diese in den Artikeln 19-23 des Richtlinienvorschlags COM(2016) 864 final behandelt.

4.21.

Der EWSA nimmt zufrieden zur Kenntnis, dass die Europäische Kommission dem wirksamen Schutz der über intelligente Verbrauchsmessung erhobenen Daten gebührende Bedeutung beimisst und dass der EU-Datenschutzstandard auch für stromverbrauchsrelevante Daten gelten soll. Die Aspekte Datenmanagement, Datenhoheit und Open Data werden jedoch ignoriert. In Artikel 23 ist daher sicherzustellen, dass die Daten ohne Beeinträchtigung des Datenschutzes und der Privatsphäre in anonymisierter und hinreichend aggregierter Form allen Interessierten zugänglich gemacht werden müssen. Im Hinblick auf eine umfassende Erschließung des Digitalisierungspotenzials müssen über Bildungs- und Schulungsmaßnahmen der digitale Analphabetismus und die Ausgrenzung von Verbrauchern bekämpft werden.

4.22.

Bezüglich der Aufgabe von Netzbetreibern: Dezentralisierung bedeutet im Allgemeinen, dass Verteilernetze sowie der Verbund nationaler Netze an strategischer Bedeutung gewinnen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Mitgliedstaaten für geeignete Rahmenbedingungen sorgen, um den Netzbetreibern wirksame und effiziente Anreize für Investitionen in die Verbesserung der europäischen Stromnetze zu geben. Dies trägt auch zur Förderung von Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum bei. Vor diesem Hintergrund befürwortet der EWSA den Vorschlag der Europäischen Kommission zur Stärkung der Befugnisse der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER), die die diesbezüglichen nationalen Maßnahmen beaufsichtigen sollte.

4.23.

In Artikel 32, 33 und 36 des Richtlinienvorschlags COM(2016) 864 final werden Verteilnetzbetreibern bedingte Rechte zum Betrieb von Flexibilitätsoptionen und Ladestationen für Elektroautos eingeräumt. So sehr der EWSA schnelle Fortschritte bei der Flexibilitätsbereitstellung, bei Elektromobilität und der Marktdurchdringung von Speichern begrüßt, ist es doch wichtig, dass die in dem Richtlinienvorschlag der Kommission vorgesehene Vorzugsbehandlung unabhängiger Marktakteure in die Praxis umgesetzt und von den Verteilnetzbetreibern und nationalen Regulierungsbehörden akzeptiert wird. Entsprechendes gilt in Bezug auf Artikel 54 des Richtlinienvorschlags COM(2016) 864 final für den Betrieb von Speichern durch die Übertragungsnetzbetreiber.

4.24.

Die in Artikel 50 des Verordnungsvorschlags COM(2016) 861 final vorgesehene Einrichtung einer europäischen Organisation der Verteilnetzbetreiber (EU-VNB) sollte nicht zu einer autonomen Festlegung von Netzkodizes führen, da dies die potenzielle Marktmacht der Verteilnetzbetreiber weiter stärkt. Die Zuständigkeit für die Entwicklung eines geeigneten Rahmens sollte der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden übertragen werden, und die nationalen Regulierungsbehörden sollten diesbezüglich gestärkt werden.

Brüssel, den 31. Mai 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  ABl. C 383 vom 17.11.2015, S. 84, ABl. C 264 vom 20.7.2016, S. 117.

(2)  Siehe auch die Stellungnahme TEN/626 „Lage der Energieunion 2016“ (siehe S. 100 dieses Amtsblatts).

(3)  Siehe auch die Stellungnahme TEN/624 „Paket ‚Saubere Energie für alle‘“ (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(4)  Noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht.

(5)  ABl. C 82 vom 3.3.2016, S. 13.

(6)  ABl. C 200 vom 28.6.2014, S. 1.

(7)  ABl. C 82 vom 3.3.2016, S. 13.

(8)  ABl. C 341 vom 21.11.2013, S. 21.

(9)  ABl. C 198 vom 10.7.2013, S. 1; ABl. C 34 vom 2.2.2017, S. 44; ABl. C 82 vom 3.3.2016, S. 13.

(10)  ABl. C 34 vom 2.2.2017, S. 44.

(11)  Siehe auch die Stellungnahme TEN/622 „Änderung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie“ (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).


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