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Document 52008AE0978

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Die Stigmatisierung des unternehmerischen Scheiterns überwinden — für eine Politik der zweiten Chance — Umsetzung der Lissabonner Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung KOM(2007) 584 endg.

    ABl. C 224 vom 30.8.2008, p. 23–31 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    30.8.2008   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 224/23


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Die Stigmatisierung des unternehmerischen Scheiterns überwinden — für eine Politik der zweiten Chance — Umsetzung der Lissabonner Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung“

    KOM(2007) 584 endg.

    (2008/C 224/05)

    Die Europäische Kommission beschloss am 5. Oktober 2007, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

    „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Die Stigmatisierung des unternehmerischen Scheiterns überwinden — für eine Politik der zweiten Chance — Umsetzung der Lissabonner Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung“

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 6. Mai 2008 an. Berichterstatter war Herr MORGAN.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 445. Plenartagung am 28./29. Mai 2008 (Sitzung vom 29. Mai) mit 70 Ja-Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1

    Seit 2001 beschäftigt sich die Kommission mit den negativen Folgen des unternehmerischen Scheiterns. In diesem Zusammenhang hat sie insbesondere auf die Notwendigkeit von Verbesserungen im Bereich der Insolvenzverfahren hingewiesen. Angesichts ihrer begrenzten Kompetenzen in diesem Bereich konzentrierte sich die Kommission auf die Erhebung von Daten über die rechtlichen und sozialen Konsequenzen von Insolvenzen, die Festlegung und Verbreitung bewährter Praktiken und auf die Ausarbeitung von Frühwarninstrumenten als Mittel zum Abbau der insolvenzbedingten Stigmatisierung.

    1.2

    Der EWSA unterstützt das zentrale Anliegen der Kommission, dass die Stigmatisierung des unternehmerischen Scheiterns überwunden werden muss. Angemessene nationale Rahmenbedingungen für die unternehmerische Initiative sind von entscheidender Bedeutung für die volle Ausschöpfung des unternehmerischen Potenzials in der EU und für die Gründung dynamischer Unternehmen. Die in diesem Zusammenhang unerlässliche gesellschaftliche Anerkennung erfolgreicher Unternehmenstätigkeit sollte mit einer Politik der zweiten Chance für gescheiterte Unternehmer gekoppelt werden.

    1.3

    Die Kommission stellt zu Recht fest, dass die Phasen der Unternehmensgründung, des unternehmerischen Erfolgs — aber auch des unternehmerischen Scheiterns — zur Realität einer Marktwirtschaft gehören. Sie betont ganz richtig, dass vor dem Hintergrund der allgemein geringen gesellschaftlichen Wertschätzung sowie des fehlenden Verständnisses für unternehmerische Initiative Probleme eines Unternehmens oder unternehmerisches Scheitern weder in ausreichendem Maße als eine normale wirtschaftliche Entwicklung noch als eine Gelegenheit für einen Neustart aufgefasst werden. Die Europäische Union muss umdenken. Je mehr eine frühere Insolvenz als Scheitern stigmatisiert wird, desto größer kann das Risiko für jede neue Unternehmung sein, und dieses Risiko überträgt sich auf alle an der Unternehmung Beteiligten.

    1.4

    Das amerikanische Recht strebt eine ausgewogene Berücksichtigung der Interessen der Schuldner, Gläubiger und der Gesellschaft als Ganzes an. Nach Auffassung des EWSA sollten die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten so gefasst werden, dass ebenfalls ein solches Gleichgewicht erreicht wird. Insolvenz und unbezahlte Schulden können den Gläubigern enorme Probleme bereiten und sie ihrerseits in die Insolvenz treiben. Wenn ein Unternehmen von seinen Schulden entlastet wird, damit es die Chance für einen Neuanfang erhält, kann dies äußerst ungerecht gegenüber den Gläubigern sein. Durch die Insolvenzgesetze muss ein angemessenes Gleichgewicht hergestellt werden.

    1.5

    Für die Gesellschaft generell kann die Fortsetzung des Geschäftsbetriebs des gesamten Unternehmens oder eines Teils des Unternehmens die beste Lösung sein. Bei einem potenziell rentablen Unternehmen werden alle Betroffenen davon profitieren, wenn das Unternehmen im Fall der Insolvenz von den Insolvenzverwaltern saniert werden kann und die Arbeitnehmer so weiterhin beschäftigt bleiben. Wenn ein von Insolvenz betroffener Unternehmer wieder unternehmerisch tätig wird, schafft er neue Arbeitsplätze. In jedem Fall kommen die Arbeitsplätze eindeutig der gesamten Gesellschaft zugute.

    1.6

    Viele Faktoren können zum Scheitern eines Unternehmens führen, auch dann, wenn ein Unternehmer die besten Absichten hat. Unter Umständen gelingt es in der Gründungsphase nicht, ein lebensfähiges Unternehmen zu schaffen. Auch über die Gründungphase hinaus kann ein fehlerhaftes Geschäftsmodell dazu führen, dass das Unternehmen keine Zukunft hat. Andererseits können auch potenziell rentable Unternehmen aufgrund von Fehlern der Unternehmer oder aus Gründen, auf die letztere keinen Einfluss haben, scheitern. Solche Unternehmen können und sollten von den Insolvenzverwaltern saniert und dabei möglichst viele Arbeitsplätze erhalten werden.

    1.7

    Es ist wichtig, zwischen dem Unternehmen und seinen Geschäftsführern zu unterscheiden. Womöglich gehen die Geschäftsführer in Konkurs, während ein Insolvenzverwalter das Unternehmen und seine Beschäftigten rettet. Wenn ein Unternehmen scheitert, kann es durchaus sein, dass die Unternehmer aufgrund der gegenüber den Banken geleisteten Sicherheiten in Konkurs gehen, auch wenn ihr persönliches Verhalten nicht betrügerisch war. Gerade für diese rechtschaffenen Unternehmer setzt sich die Kommission ein. Wenn sie ein gutes Unternehmen gegründet haben und dann aus Unerfahrenheit oder aufgrund unglücklicher Umstände einen Fehlschlag erleiden, haben sie eine zweite Chance verdient, denn die Wirtschaft braucht ihre Fähigkeiten. Andere wiederum, die aufgrund von Inkompetenz und mangelndem Weitblick scheitern, können der Wirtschaft wahrscheinlich wenig bieten, auch wenn sie Geldgeber finden. Nicht jeder von einer Insolvenz betroffene Unternehmer verdient eine zweite Chance.

    1.8

    Die Initiative der Kommission hat sich als Katalysator für gemeinschaftsweite Reformen erwiesen. Viele Mitgliedstaaten haben bereits die auf europäischer Ebene erfassten bewährten Praktiken und politischen Schlussfolgerungen als Inspiration genutzt. Etwa ein Drittel der Mitgliedstaaten haben Pläne zur Reform der einzelstaatlichen Insolvenzrechtsvorschriften vorgelegt. Allerdings müssen in beinahe der Hälfte der EU-Mitgliedstaaten die ersten Schritte in diese Richtung erst noch erfolgen. Obgleich die Kommission in diesem Politikbereich nur eine begrenzte Zuständigkeit hat, fordert der EWSA sie dazu auf, alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um die Finanzminister zum Handeln zu veranlassen. Nach Ansicht des Ausschusses sind die diesbezüglichen Fortschritte in den Mitgliedstaaten im Allgemeinen unbefriedigend.

    1.9

    Der Ausschuss unterstützt nachdrücklich alle Ausführungen der Mitteilung hinsichtlich der Insolvenzgesetze, aber selbstverständlich vorbehaltlich der Einzelheiten der Gesetze, die letztendlich eingeführt werden. Hierzu gehören die formelle Anerkennung nicht betrügerischer Insolvenzen, die frühzeitige Schuldenentlastung sowie die Reduzierung des Umfangs der rechtlichen Einschränkungen, Aberkennung von Rechten und Verbote in Verbindung mit beschleunigten Gerichtsverfahren. Mittelfristig sollte das Ziel verfolgt werden, die Dauer der Verfahren auf höchstens zwölf Monate zu begrenzen.

    1.10

    Nach Auffassung des EWSA ist es unerlässlich, dass alle Mitgliedstaaten die Überprüfung ihrer Insolvenzgesetze schnellstmöglich abschließen. Außer den Gesetzesänderungen ist es äußerst wichtig, dass Insolvenzen von den Gerichten beschleunigt verhandelt werden. Das Verfahren muss gut organisiert werden. Diese Änderungen sind Kernstück des Programms der zweiten Chance.

    1.11

    Die aktive Unterstützung für gefährdete Unternehmen ist die zweite wichtige Aussage der Mitteilung. Dies ist nicht Teil des Programms der zweiten Chance an sich, sondern vielmehr ein Konzept zur Insolvenzvermeidung und Erhaltung von Unternehmen und Arbeitsplätzen. In Abschnitt 4 werden einige Beispiele vermeidbaren Scheiterns von Unternehmen angeführt. In diesem Zusammenhang zielen die Vorschläge der Mitteilung darauf ab, vermeidbare Insolvenzen durch Frühwarninstrumente, Bereitstellung vorübergehender finanzieller Unterstützung sowie fachliche Beratung abzuwenden.

    1.12

    Dieses Programm ist für die Mehrheit der KMU wenig praktikabel, da es kaum Mechanismen für eine vorausschauende Ermittlung insolvenzgefährdeter Unternehmen unter den zehntausenden von KMU in jedem Mitgliedstaat gibt. Dennoch sind die Mitgliedstaaten aufgefordert, die bestehenden Möglichkeiten voll auszunutzen, wie z.B. in Frankreich die Nutzung der Mehrwertsteuerbehörden als Frühwarnsystem bei möglichen finanziellen Schwierigkeiten von Unternehmen. Schwerpunkte der Unterstützungsmaßnahmen sollten nach Auffassung der Kommission Insolvenzvorbeugung, fachliche Beratung sowie rechtzeitiges Eingreifen sein. Problematisch wird es, wenn Geschäftsführer nicht erkennen, dass ihr Unternehmen gefährdet ist. Die Regierungen der Mitgliedstaaten werden mit Berufsorganisationen der Wirtschaftsprüfer und KMU-Unterstützungsorganisationen zusammenarbeiten müssen, um proaktive, auf die jeweilige landesspezifische KMU-Kultur zugeschnittene Maßnahmen zu entwickeln.

    1.13

    Es liegt auf der Hand, dass sich die wichtigste Empfehlung der Mitteilung auf die Reform des Insolvenzrechts bezieht. Dies ist die entscheidende Maßnahme, ohne die die Politik der zweiten Chance nicht zustande kommen wird.

    1.14

    Einige der in der Mitteilung empfohlenen „weicheren“ Maßnahmen können ohne eine Änderung des Insolvenzrechts umgesetzt werden. Die anderen von der Kommission vorgeschlagenen nicht zwingenden Maßnahmen können nach Änderung der Insolvenzgesetze in Angriff genommen werden. Ohne Änderung der Insolvenzgesetze kann das Hauptanliegen der Mitteilung der Kommission aber nicht verwirklicht werden.

    1.15

    Der Ausschuss vertritt die Auffassung, dass jeder Mitgliedstaat auf die Mitteilung reagieren und deren Vorschläge in seinen nationalen Plan zur Umsetzung der Lissabon-Strategie (Leitlinie 15) aufnehmen sollte.

    2.   Einleitung

    2.1

    Seit 2001 beschäftigt sich die Kommission mit den negativen Folgen des unternehmerischen Scheiterns. In diesem Zusammenhang hat sie insbesondere auf die Notwendigkeit von Verbesserungen im Bereich der Insolvenzverfahren hingewiesen. Angesichts ihrer begrenzten Kompetenzen in diesem Bereich konzentrierte sich die Kommission auf die Erhebung von Daten über die rechtlichen und sozialen Konsequenzen von Insolvenzen, die Festlegung und Verbreitung bewährter Praktiken und auf die Ausarbeitung von Frühwarninstrumenten als Mittel zum Abbau der insolvenzbedingten Stigmatisierung.

    2.2

    Diese Maßnahmen haben sich als Katalysator für gemeinschaftsweite Reformen erwiesen. Viele Mitgliedstaaten haben bereits die auf europäischer Ebene erfassten bewährten Praktiken und politischen Schlussfolgerungen als Inspiration genutzt. Etwa ein Drittel der Mitgliedstaaten haben Pläne zur Reform der einzelstaatlichen Insolvenzrechtsvorschriften vorgelegt. In beinahe der Hälfte der EU-Mitgliedstaaten müssen jedoch die ersten Schritte in diese Richtung erst noch erfolgen. Obgleich die Kommission in diesem Politikbereich nur eine begrenzte Zuständigkeit hat, fordert der EWSA sie dazu auf, alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um die Finanzminister zum Handeln zu veranlassen. Nach Ansicht des Ausschusses sind die diesbezüglichen Fortschritte in den Mitgliedstaaten im Allgemeinen unbefriedigend.

    TABELLE A: GEGENWÄRTIGE SITUATION IN DEN EINZELNEN MITGLIEDSTAATEN

    Ja

    Maßnahmen werden umgesetzt

    (Ja)

    Maßnahmen geplant/teilweise umgesetzt

    Nein

    Keine Maßnahmen

     

    Informations-/Bildungsmaßnahmen

    Gesamtstrategie

    Verbreitung von Gerichtsbescheinigungen bezüglich nicht betrügerischer Insolvenzen

    Reduzierung von Einschränkungen usw.

    Verbesserte rechtliche Stellung für nicht betrügerische Konkursunternehmen

    Kurze Entschuldungsfrist und/oder Schuldenerlass

    Straffere Verfahren

    Förderung von Unterstützungsmaßnahmen

    Förderung von Vernetzungen

    Gespräche mit dem Finanzsektor

    Insgesamt Ja+(Ja)

    Belgien

    Nein

    Nein

    (Ja)

    (Ja)

    Ja

    (Ja)

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    4

    Bulgarien

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    0

    Tschechische Republik

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    (Ja)

    Nein

    Nein

    Nein

    1

    Dänemark

    Nein

    Nein

    Nein

    Ja

    (Ja)

    Ja

    (Ja)

    Nein

    Nein

    Nein

    4

    Deutschland

    (Ja)

    Nein

    Nein

    Ja

    Ja

    (Ja)

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    4

    Estland

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    (Ja)

    (Ja)

    Nein

    Nein

    Nein

    2

    Irland

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Ja

    Ja

    Nein

    Nein

    Nein

    2

    Griechenland

    Nein

    Nein

    Nein

    Ja

    (Ja)

    (Ja)

    Ja

    Nein

    Nein

    Nein

    4

    Spanien

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Ja

    Ja

    Ja

    Nein

    Nein

    Nein

    3

    Frankreich

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    (Ja)

    Nein

    Ja

    Nein

    (Ja)

    Nein

    3

    Italien

    Nein

    Nein

    Nein

    Ja

    Ja

    (Ja)

    (Ja)

    Nein

    Nein

    Nein

    4

    Zypern

    Nein

    Nein

    (Ja)

    (Ja)

    Nein

    (Ja)

    (Ja)

    Nein

    Nein

    Nein

    4

    Lettland

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    (Ja)

    Nein

    Nein

    Nein

    1

    Litauen

    Nein

    Nein

    Nein

    Ja

    (Ja)

    Ja

    (Ja)

    Nein

    Nein

    Nein

    4

    Luxemburg

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Ja

    Nein

    Nein

    1

    Ungarn

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    0

    Malta

    Nein

    Nein

    Nein

    (Ja)

    (Ja)

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    2

    Niederlande

    (Ja)

    Nein

    Nein

    Nein

    (Ja)

    (Ja)

    Nein

    Nein

    Nein

    (Ja)

    4

    Österreich

    Nein

    (Ja)

    Nein

    (Ja)

    (Ja)

    (Ja)

    Ja

    (Ja)

    (Ja)

    Nein

    7

    Polen

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    (Ja)

    (Ja)

    Ja

    Nein

    Nein

    Nein

    3

    Portugal

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    0

    Rumänien

    Nein

    Nein

    Nein

    (Ja)

    (Ja)

    Nein

    Ja

    Nein

    Nein

    Nein

    3

    Slowenien

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    (Ja)

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    1

    Slowakei

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    0

    Finnland

    Nein

    Nein

    Nein

    Ja

    Nein

    (Ja)

    Ja

    Ja

    Nein

    Nein

    4

    Schweden

    Nein

    Nein

    Nein

    Nein

    Ja

    (Ja)

    Ja

    Nein

    Nein

    Nein

    3

    Vereinigtes Königreich

    Nein

    Nein

    Ja

    Ja

    Ja

    Ja

    Ja

    Nein

    Nein

    Nein

    5

    Insgesamt Ja+(Ja)

    2

    1

    3

    12

    15

    17

    17

    3

    2

    1

     

    Vereinigte Staaten

    Nein

    Nein

    Nein

    Ja

    (Ja)

    Ja

    Ja

    Nein

    Nein

    Nein

    4

    2.3

    Die Tabelle A wurde aus der Mitteilung übernommen. Die Spalten 4 bis 6 beziehen sich auf die Reform der Insolvenzgesetze. Es ist offenkundig, dass die Mitgliedstaaten hinsichtlich der Gesetzgebung sehr aktiv sind, während gleichzeitig ersichtlich ist, dass nur wenige Länder die überarbeiteten Gesetze in Kraft gesetzt haben. Würden sich die Gesamtzahlen unter den Spalten auf die in Kraft gesetzten Gesetze beziehen, müsste dort anstelle von 12 — 15 — 17 — 17 eher 6 — 6 — 5 — 10 stehen. Dies ist bezogen auf 27 Mitgliedstaaten ein spärliches Ergebnis. Zögerliches Handeln oder Untätigkeit schadet zweifellos der unternehmerischen Tätigkeit in den Mitgliedstaaten, da ein mögliches Scheitern als erhebliches Hindernis für Unternehmensgründungen gesehen wird, solange die erforderlichen Änderungen nicht vorgenommen werden.

    2.4

    Eine weitere Besonderheit der Tabelle besteht darin, dass in den sechs Spalten neben denjenigen, die die Gesetzgebung betreffen, fast keine Maßnahmen verzeichnet sind. Dies ist etwas verwunderlich, denn auch wenn die Insolvenzgesetze in den meisten Mitgliedsländern nicht geändert wurden, bestand doch die Möglichkeit, die anderen „weicheren“ Maßnahmen zu ergreifen.

    2.5

    Der EWSA hat die Kommission gebeten, zu Vergleichszwecken Daten für die USA zur Verfügung zu stellen, die den EU-bezogenen Angaben in der Tabelle entsprechen. Im Folgenden werden die Einträge für die USA in der Tabelle erläutert:

    Reduzierung von Einschränkungen — Ja: In den USA findet keine der in der EU üblicheren Einschränkungen Anwendung (z.B. Verbot für Unternehmer, die von Insolvenz betroffen sind, als Geschäftsführer eines Unternehmens oder als Treuhänder tätig zu sein, Krediteinschränkungen für einmal gescheiterte Unternehmer). Artikel 525 des US-Insolvenzgesetzes (Federal Bankruptcy Code) regelt, dass Personen nicht allein auf der Grundlage eines laufenden oder früheren Insolvenzverfahrens gegen sie benachteiligt werden dürfen.

    Verbesserte rechtliche Stellung — (Ja): Wie in den EU-Ländern wird bei Verfehlungen und betrügerischem Verhalten u.Ä. kein Schuldenerlass gewährt. Es gibt keine anderweitige „verbesserte rechtliche Stellung“.

    Kurze Entschuldungsfrist — Ja: Es gibt keine spezielle Frist, innerhalb derer ein vom Konkurs betroffener Unternehmer den Insolvenzstatus beibehält, bevor er entschuldet wird.

    Straffere Verfahren — Ja: Die häufigste von Einzelpersonen genutzte Form des Insolvenzverfahrens ist in Kapitel 7 geregelt und bezieht sich auf Liquidation oder Konkurs. Im Allgemeinen wird das Verfahren innerhalb von 3 bis 4 Monaten abgeschlossen. Als Schutz vor mehrfachen Insolvenzanträgen kann Kapitel 7 nicht auf Personen angewendet werden, die es bereits in den letzten 6 Jahren in Anspruch genommen hatten.

    2.6

    Das US-Insolvenzgesetz offenbart eine völlig andere Denkweise als diejenige, die in den meisten, wenn nicht sogar in allen EU-Mitgliedstaaten vorherrscht. Der in den meisten Mitgliedstaaten zurzeit vertretene rechtliche Standpunkt zeigt, wie weit man noch vom Verständnis der Problematik entfernt ist. Die Zeit, die zur Änderung der Insolvenzgesetze benötigt wird, offenbart, dass es die EU — salopp ausgedrückt — einfach „nicht begreift“. Ein Umdenken wird die Einführung neuer Gesetze beschleunigen. Ebenso werden ohne solch ein Umdenken auch die „weicheren“ Maßnahmen nie ergriffen.

    2.7

    Im 19. Jahrhundert wurde unternehmerisches Scheitern derart stigmatisiert, dass gescheiterte Unternehmer in den Selbstmord getrieben wurden. Obgleich es im 21. Jahrhundert weniger Suizide gibt, gilt ein Scheitern nach wie vor als gesellschaftlicher Makel. Die Unionsbürger müssen Unternehmer als Personen sehen, die eine äußerst nützliche Tätigkeit ausüben, auch wenn sie scheitern. Gewisse Misserfolge sind unvermeidbar. Fast drei Viertel (73,0 %) der 931 435 Unternehmen, die 1998 in den Wirtschaftsländern Spanien, Finnland, Italien, Luxemburg, Schweden und Großbritannien gegründet wurden, bestanden lediglich zwei Jahre. Knapp die Hälfte (49,1 %) dieser Unternehmen überlebten fünf Jahre bis 2003.

    2.8

    Die Kommission stellt zu Recht fest, dass die Phasen der Unternehmensgründung, des unternehmerischen Erfolgs — aber auch des unternehmerischen Scheiterns — zur Realität einer Marktwirtschaft gehören. Sie betont ganz richtig, dass vor dem Hintergrund der allgemein geringen gesellschaftlichen Wertschätzung sowie des fehlenden Verständnisses für unternehmerische Initiative Probleme eines Unternehmens oder unternehmerisches Scheitern weder in ausreichendem Maße als eine normale wirtschaftliche Entwicklung noch als eine Gelegenheit für einen Neustart aufgefasst werden. Die Europäische Union muss umdenken. Je mehr eine frühere Insolvenz als Scheitern stigmatisiert wird, desto größer kann das Risiko für jede neue Unternehmung sein, und dieses Risiko überträgt sich auf alle an der Unternehmung Beteiligten.

    2.9

    Das amerikanische Recht strebt eine ausgewogene Berücksichtigung der Interessen der Schuldner, Gläubiger und der Gesellschaft als Ganzes an. Nach Auffassung des EWSA sollten entsprechende Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten erarbeitet werden, mit denen auch ein solches Gleichgewicht erreicht wird. Wie in Abschnitt 4 beschrieben, können Insolvenz und unbezahlte Schulden den Gläubigern enorme Probleme bereiten und sie ihrerseits in die Insolvenz treiben. Wenn ein Unternehmen von seinen Schulden entlastet wird, damit es die Chance für einen Neuanfang erhält, kann dies gegenüber den Gläubigern äußerst ungerecht sein. Durch die Insolvenzgesetze muss ein angemessenes Gleichgewicht angestrebt werden.

    2.10

    Für die Gesellschaft generell kann die Weiterführung des Geschäftsbetriebs des gesamten Unternehmens oder eines Teils des Unternehmens die beste Lösung sein. Wenn das Unternehmen potenziell lebensfähig ist, werden alle Betroffenen davon profitieren.

    2.11

    Den Interessen der Arbeitnehmer kann auf verschiedene Weise gedient werden. Für den Fall von Insolvenzen haben die Mitgliedstaaten die Insolvenzrichtlinie umgesetzt, die Zahlungen für die Arbeitnehmer vorsieht. Wenn ein insolventes Unternehmen von den Insolvenzverwaltern saniert werden kann, werden die Arbeitnehmer weiter beschäftigt. Wenn ein von Insolvenz betroffener Unternehmer wieder unternehmerisch tätig wird, schafft er neue Arbeitsplätze. In jedem Fall kommen die Arbeitsplätze eindeutig der gesamten Gesellschaft zugute.

    3.   Wesentlicher Inhalt der Kommissionsmitteilung

    3.1   Das öffentliche Image, die Ausbildung und die Medien

    3.1.1

    Der erste Schritt im Kampf gegen die negativen Auswirkungen von Insolvenzen besteht in einer öffentlichen Diskussion über dieses Thema. In der breiten Öffentlichkeit in der EU werden Insolvenzen häufig unabhängig von ihrer wahren Ursache im Bereich des Kriminellen angesiedelt. Hier könnten die Medien einen positiven Einfluss ausüben, indem sie diese falsche Wahrnehmung korrigieren. Es sind folgende Schlussfolgerungen zu ziehen:

    a)

    Der Nutzen eines unternehmerischen Neustarts sollte im Rahmen von Informationskampagnen und Bildungsprogrammen dargestellt werden. Dabei gilt es, herauszustellen, dass es durchaus zu einem normalen Lernprozess und den damit verbundenen Erkenntnissen gehört, sich mehrere Male auf dem Markt zu versuchen.

    b)

    Die Medien können die Aufgabe übernehmen, die irreführende Verknüpfung von Insolvenz und betrügerischem Verhalten zu bekämpfen und auf den Nutzen einer erneuten unternehmerischen Initiative hinzuweisen. Damit kann das Image von Unternehmern in der breiten Öffentlichkeit verbessert und der Wert ihrer Erfahrung hervorgehoben werden.

    c)

    Eine weitere Diskussion über dieses Thema unter Beteiligung aller relevanten Akteure kann dazu beitragen, die verschiedenen Facetten der mit dem unternehmerischen Scheitern verbundenen Stigmatisierung zu durchleuchten.

    3.2   Die Rolle der Insolvenzgesetze

    3.2.1

    Der Versuch, nach einer Insolvenz einen unternehmerischen Neuanfang zu wagen, kann vom rechtlichen Standpunkt her zu einer Herausforderung werden. In vielen Ländern werden die Insolvenzgesetze unterschiedslos auf alle angewandt, unabhängig davon, ob die Insolvenz auf betrügerisches oder fahrlässiges Handeln zurückzuführen war oder ohne offensichtliches Verschulden des Eigentümers oder Geschäftsführers eingetreten ist, mit anderen Worten, ob es ein Fall von unverschuldeter Insolvenz war.

    3.2.2

    Für gescheiterte Unternehmer gelten zahlreiche gesetzlich festgelegte Einschränkungen, Verbote und Aberkennungen von Rechten allein auf der Grundlage eines laufenden Insolvenzverfahrens. Bei dem Automatismus dieser Haltung wird der Risikofaktor des unternehmerischen Alltags nicht berücksichtigt sowie der Überzeugung Ausdruck verliehen, dass ein gescheiterter Unternehmer in der Gesellschaft kein Vertrauen mehr verdient. In dieser Hinsicht ist ein radikales Umdenken in Bezug auf die Logik der Insolvenzgesetze in der EU notwendig. Die wichtigsten Schlussfolgerungen sind:

    a)

    Es ist von entscheidender Bedeutung, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, mit denen bei angemessenem Schutz der Interessen aller Parteien die Tatsache anerkannt wird, dass ein Unternehmer scheitern, aber auch einen Neustart wagen kann. Im Rahmen der Insolvenzgesetze sollte eine klare Unterscheidung bezüglich der rechtlichen Behandlung von betrügerischen und nicht betrügerischen Insolvenzen getroffen werden.

    b)

    Unternehmer, die ohne eigenes Verschulden in Konkurs gehen, sollten das Recht haben, eine formelle gerichtliche Bescheinigung darüber ausgestellt zu bekommen, dass kein betrügerisches Verhalten vorlag und die Insolvenz ohne ihr Verschulden entstand. Die entsprechende Bescheinigung ist öffentlich zugänglich zu machen.

    c)

    Im Insolvenzgesetz sollte eine Möglichkeit vorgesehen werden, unter Beachtung bestimmter Kriterien eine frühzeitige Entlastung von den verbleibenden Schulden zu gewähren.

    d)

    Der Umfang der rechtlichen Einschränkungen, Aberkennung von Rechten und Verbote sollte reduziert werden.

    e)

    Die Gerichtsverfahren sollten vereinfacht und beschleunigt werden, so dass der Wert der Konkursmasse vor der Neuverwendung der Ressourcen maximiert werden kann. In der Regel sollte die Dauer von Gerichtsverfahren auf höchstens ein Jahr begrenzt werden.

    3.3   Aktive Unterstützung für gefährdete Unternehmen

    3.3.1

    Die mit einem unternehmerischen Scheitern verbundene Stigmatisierung ist eine der Ursachen dafür, dass viele KMU in schwieriger finanzieller Lage die Problematik verschweigen, bis es zu spät ist. Hier sind rechtzeitige Maßnahmen von entscheidender Bedeutung, und in vielen Fällen ist eine Sanierung der Liquidation des Unternehmens vorzuziehen. Die wichtigsten Schlussfolgerungen sind:

    a)

    Es ist zwar nicht möglich, Insolvenzen vollständig zu vermeiden. Durch eine frühzeitige Unterstützung rentabler Unternehmen wird jedoch die Anzahl der Insolvenzen auf ein Mindestmaß reduziert. Schwerpunkte der Unterstützungsmaßnahmen sollten Insolvenzvorbeugung, fachliche Beratung sowie rechtzeitiges Eingreifen sein.

    b)

    Der Aspekt der Verfügbarkeit der Unterstützung sollte besonders beachtet werden — gefährdete Unternehmen können sich kostspielige Beratung einfach nicht leisten.

    c)

    Es gilt, die von der EU und von den europäischen Wirtschaftverbänden angebotenen Netzwerke voll auszuschöpfen.

    d)

    Die Insolvenzgesetze sollten durch eine Option zur Förderung der Umstrukturierung und Sanierung von Unternehmen ergänzt werden, anstatt sich ausschließlich mit ihrer Abwicklung zu befassen.

    3.4   Aktive Unterstützung für Unternehmer, die einen Neustart wagen

    3.4.1

    Die Haupthindernisse für Unternehmer, die in einem zweiten Anlauf ein Unternehmen gründen — das Fehlen von Ressourcen, Kenntnissen und psychologischer Unterstützung — werden im Rahmen der öffentlichen Förderung nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt. Ein grundsätzliches Hindernis bei einer erneuten Unternehmensgründung ist das Fehlen der erforderlichen Ressourcen, insbesondere der finanziellen Mittel. Es sind folgende Schlussfolgerungen zu ziehen:

    a)

    Die zuständigen Behörden sollten für eine ausreichende finanzielle Unterstützung für erneute Unternehmensgründungen sorgen, indem Hindernisse für entsprechende öffentliche Finanzierungsprogramme beseitigt werden.

    b)

    Banken und Finanzinstitute sollten ihre sehr konservative Haltung gegenüber Restartern überdenken, die häufig auf der negativen Einschätzung ihrer Kreditwürdigkeit beruht. Die Kommission plant, dieses Thema auf die Agenda der Gesprächsrunde Banken-KMU zu setzen.

    c)

    Die EU-Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass die Namen der durch eine nicht betrügerische Insolvenz gescheiterten Unternehmen nicht auf den Listen nicht kreditwürdiger Bankkunden aufgeführt werden.

    d)

    Die für die Vergabe öffentlicher Aufträge Verantwortlichen sollten berücksichtigen, dass eine Benachteiligung der durch eine nicht betrügerische Insolvenz gescheiterten Unternehmer gemäß den Richtlinien über öffentliche Aufträge nicht zulässig ist.

    e)

    Für Restarter sollten geeignete psychologische und technische Unterstützung sowie spezielle Schulungen und Kurse zur Verfügung gestellt werden.

    f)

    Die zuständigen Behörden sollten Verbindungen zwischen potenziellen Restartern und Kunden, Geschäftspartnern und Investoren fördern, damit die speziellen Anforderungen der Restarter unterstützt werden können.

    3.5

    Zusammenfassend sei angemerkt, dass angemessene nationale Rahmenbedingungen für die unternehmerische Initiative von entscheidender Bedeutung für die volle Ausschöpfung des unternehmerischen Potenzials in der EU und für die Gründung dynamischer Unternehmen sind. Die in diesem Zusammenhang unerlässliche gesellschaftliche Anerkennung erfolgreicher Unternehmenstätigkeit sollte mit einer Politik der zweiten Chance für gescheiterte Unternehmer gekoppelt werden.

    4.   Allgemeine Bemerkungen

    4.1

    Der EWSA unterstützt das zentrale Anliegen der Kommission, dass die Stigmatisierung des unternehmerischen Scheiterns überwunden werden muss. Die Kommission stellt zu Recht fest, dass die Phasen der Unternehmensgründung, des unternehmerischen Erfolgs — aber auch des unternehmerischen Scheiterns — zur Realität einer Marktwirtschaft gehören. Sie betont ganz richtig, dass vor dem Hintergrund der allgemein geringen gesellschaftlichen Wertschätzung sowie des fehlenden Verständnisses für unternehmerische Initiative Probleme eines Unternehmens oder unternehmerisches Scheitern weder in ausreichendem Maße als eine normale wirtschaftliche Entwicklung noch als eine Gelegenheit für einen Neustart aufgefasst werden.

    4.2

    Der EWSA ist der Auffassung, dass zwar viele der Empfehlungen der Mitteilung unerlässlich sind, aber einige von ihnen nicht sehr überzeugend erscheinen. Die Vorbehalte des Ausschusses werden in verschiedenen Ziffern in Abschnitt 4 und 5 der Stellungnahme dargelegt.

    4.3

    Zweck und Ziel einer unternehmerischen Tätigkeit ist die Schaffung eines rentablen und entwicklungsfähigen Unternehmens. Unternehmer sind innovativ, um die Bedürfnisse der Kunden zu befriedigen, die entweder noch nicht oder noch nicht auf die effizienteste Weise erfüllt werden.

    4.4

    Ein Unternehmer kann Geschäftsmöglichkeiten erkennen, wie beispielsweise ein Londoner Unternehmer die Chance für ein Import- und Exportgeschäft zwischen dem Vereinigten Königreich und Indien sah, das auf den Bedarf in den beiden Ländern reagierte und eine Marktlücke füllte. Andere Unternehmen füllen Marktlücken beispielsweise durch die Eröffnung von Restaurants oder Friseursalons in Gemeinden, die diesbezüglich noch nicht gut versorgt sind.

    4.5

    Amazon ist ein hervorragendes Beispiel für eine effizientere Erfüllung von Bedürfnissen. Traditionelle Buchläden bestehen weiterhin für diejenigen, die Zeit und Lust zum Stöbern haben. Amazon geht auf die Bedürfnisse einer völlig anderen Käufergruppe ein.

    4.6

    Einige Unternehmer gründen Unternehmen, um Fortschritte in Wissenschaft und Technik nutzbar zu machen. Solche Unternehmen sind oft Ausgründungen aus Universitäten, Forschungsinstituten oder wissenschaftlichen Unternehmen. Vier Professoren der Universität London haben ein Unternehmen gegründet, das medizinische Bildanalysen mit Hilfe geschützter Software für bessere Methoden zur Messung der therapeutischen Wirkung von in Entwicklung befindlichen Medikamenten bietet. Die Software als geistiges Eigentum ist das Herzstück dieses Unternehmens. Einer der Professoren wurde zum geschäftsführenden Direktor ernannt und muss sich nun damit auseinandersetzen, ob er zum Unternehmer taugt oder nicht.

    4.7

    Um Erfolg zu haben, benötigt ein Unternehmer vor allem drei Dinge. Erstens muss er über die erforderlichen Kenntnisse oder Erfahrungen zur richtigen Einschätzung der Marktchancen und auch über das Know-How zur Umsetzung der Geschäftsidee verfügen, egal ob es sich nun um ein neues Restaurant, ein Online-Reisebüro oder einen Durchbruch bei einer wissenschaftlichen Anwendung handelt. Der erste Schritt in jedem Unternehmen besteht darin, die Machbarkeit der Idee zu beweisen und sie in die Tat umzusetzen. Dies bedeutet, ein Produkt oder eine Dienstleistung so weit zu entwickeln, dass sich Kunden bereit finden, den erforderlichen Preis zu zahlen, damit das Geschäft rentabel und kostendeckend wird. Viele Möchte-gern-Unternehmer scheitern in dieser Phase. Einige sind fähig, aus ihren Fehlern zu lernen und einen Neustart in Angriff zu nehmen. Andere dagegen schaffen das nicht.

    4.8

    Die zweite Voraussetzung ist die Finanzierung. Einige neu gegründete Unternehmen sind von Anfang an attraktiv genug für Investitionen von Risikokapitalgebern. Die meisten Risikokapitalgeber wollen aber erst dann einsteigen, wenn der Unternehmer seine Idee „realisiert“ hat. Zwar steht nunmehr das von der EIB angebotene Risikokapitalsystem zur Verfügung, aber auch dessen Kapazität wird begrenzt sein. Finanzierungen sind gewöhnlich nur in Tranchen oder über mehrere Finanzierungsrunden verfügbar. Wenn die erste Finanzierungsphase gute Ergebnisse hervorbringt, ist es viel leichter, eine Anschlussfinanzierung zu erhalten.

    4.9

    Sehr oft erfolgt die Finanzierung in der Gründungsphase eines Unternehmens durch Familienmitglieder und Freunde. Es stehen auch Bankdarlehen zur Verfügung, aber Banken benötigen Sicherheiten. Wenn das Unternehmen kein Vermögen hat, nehmen die Banken das Vermögen der Unternehmer als Sicherheit. Für den Unternehmer, die Familie und Freunde wird es dann heikel, wenn sie persönliche Sicherheiten geben. Diese Sicherheiten bestehen gewöhnlich über die Gründungsphase hinaus weiter, da private Unternehmen im Allgemeinen auf die Unterstützung von Banken angewiesen sind, bevor sie an die Börse gehen. Wenn die Bank die Sicherheiten einfordert, kann der Unternehmer möglicherweise das Dach über dem Kopf verlieren. Unter solchen Umständen können Steuer- und Sozialversicherungsverpflichtungen die Situation sogar noch mehr verschärfen.

    4.10

    In seiner Stellungnahme zum Thema „Steuerliche Förderung von FuE“ (1) ruft der Ausschuss die Mitgliedstaaten dazu auf, Privatpersonen, die in neue Unternehmen investieren, Steuervergünstigungen zu gewähren. Gerade solche Steueranreize könnten den Unternehmern die Kapitalisierung neuer Unternehmen erleichtern.

    4.11

    Nach der Gründungsphase hängt der Unternehmer von der dritten unverzichtbaren Komponente für den Erfolg ab, und zwar von einem lebensfähigen Geschäftsmodell. Dies ist der Schlüssel für die Aufwärtsentwicklung eines Unternehmens. Das Modell ist von einer Reihe von Faktoren abhängig, die die Situation des Unternehmens widerspiegeln. Die Verkaufseinnahmen abzüglich der Produktionskosten ergeben eine Bruttogewinnspanne, bei der nach Abzug der Kosten ein Gewinn vor Steuern übrig bleibt, der für die Bedienung der Zinsen und die Tilgung der Bankkredite ausreicht. Wenn ein Geschäftsmodell nicht funktioniert oder die Geschäftsführung des Unternehmens nicht über die notwendigen Fähigkeiten und Erfahrungen beim Verkaufsmanagement usw. verfügt, um es in Gang zu bringen, sind diejenigen, die Banksicherheiten gestellt haben, insolvenzgefährdet. Ein solcher Konkurs ist eindeutig eine Erfahrung, aus der man lernen kann. Wenn ein Unternehmer die Erfordernisse eines Geschäftsmodells begriffen hat, kann ein Neustart möglich sein.

    4.12

    Ursprünglich erfolgreiche Geschäftsmodelle sind stets durch Veränderungen in Bezug auf Personal, Kunden, Märkte, Technologien und Wettbewerber gefährdet. Nach einer erfolgreichen Finanzierung eines Unternehmens müssen die Unternehmer ständig auf den Wandel reagieren, insbesondere bei technologiebezogenen Unternehmen. Unternehmer, die an den Herausforderungen des Wandels scheitern, können durchaus aus ihrer Erfahrung lernen. Anderen wiederum, insbesondere geschäftsführenden Inhabern der zweiten oder dritten Generation, gelingt dies möglicherweise nicht.

    4.13

    Für die erfolgreiche Umsetzung des Geschäftsmodells ist die Rolle des Unternehmers und seines Teams von entscheidender Bedeutung. Insbesondere Finanzmanagementfähigkeiten sind unerlässlich. Es ist auch möglich, dass ein gutes Unternehmen übermäßig erfolgreich ist, über die eigenen Möglichkeiten hinaus Aufträge annimmt und so an einen Punkt gelangt, an dem es seine Rechnungen nicht mehr bezahlen kann. Dann kann es sein, dass es von seinen Gläubigern unter Zwangsverwaltung gestellt wird. Bei einem solchen Unternehmen können alle Möglichkeiten für einen erfolgreichen Neustart offen sein.

    4.14

    Eine andere finanzielle Falle kann sich auftun, wenn ein Hauptkunde seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt und die Rechnungen nicht mehr bezahlt, so dass der Unternehmer selbst in die Zahlungsunfähigkeit gerät und die Kündigung des Kredits durch die Bank droht. Nach den Statistiken der Kommission ist ein Viertel der Insolvenzen auf Zahlungsverzug zurückzuführen. Auch in einem solchen Fall kann ein Neustart tragfähig sein. Die prekäre Situation kleiner und junger Unternehmen ist den Regierungen der Mitgliedstaaten und der Kommission bewusst. Dieses Problem wird mit der Richtlinie zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr angegangen und wird auch in den künftigen Rechtsvorschriften für kleine Unternehmen („Small Companies Act“) berücksichtigt werden.

    4.15

    Einige Unternehmen scheitern nicht durch eigene Schuld, sondern durch unerwartete Ereignisse, wie etwa die Katastrophe des 11. September, oder extreme Witterungsverhältnisse. Die Folgen könnten aber durch den vorausschauenden Abschluss von Versicherungen abgefedert werden. Deshalb sollten Organisationen, die kleine Unternehmen unterstützen, Unternehmer über die Vorteile von Absicherungsinstrumenten informieren.

    4.16

    Alles in allem können zahlreiche Faktoren zum Scheitern eines Unternehmens führen, auch dann, wenn ein Unternehmer die besten Absichten hat. So kann es sein, dass es in der Gründungsphase nicht gelingt, ein lebensfähiges Unternehmen zu schaffen. Über die Gründungsphase hinaus kann ein fehlerhaftes Geschäftsmodell dazu führen, dass das Unternehmen keine Zukunft hat. Andererseits können auch potenziell rentable Unternehmen aufgrund von Fehlern der Unternehmer oder aus Gründen, auf die letztere keinen Einfluss haben, scheitern. Solche Unternehmen können und sollten von den Insolvenzverwaltern saniert und dabei möglichst viele Arbeitsplätze erhalten werden.

    4.17

    Es ist wichtig, zwischen dem Unternehmen und seine Geschäftsführern zu unterscheiden. Womöglich gehen die Geschäftsführer in Konkurs, während ein Insolvenzverwalter das Unternehmen und seine Beschäftigten retten kann. Wenn ein Unternehmen scheitert, kann es durchaus sein, dass die Unternehmer aufgrund der gegenüber den Banken geleisteten Sicherheiten in Konkurs gehen, auch wenn ihr persönliches Verhalten nicht betrügerisch war. Gerade für diese rechtschaffenen Unternehmer setzt sich die Kommission ein. Andere wiederum, die aufgrund von Inkompetenz und mangelnden Weitblicks scheitern, können der Wirtschaft wahrscheinlich wenig bieten, sogar wenn sie Geldgeber finden. Nicht jeder von Insolvenz betroffene Unternehmer verdient eine zweite Chance.

    5.   Besondere Bemerkungen

    5.1   Das öffentliche Image, die Ausbildung und die Medien

    5.1.1

    Das aussagekräftigste Signal, das die Regierungen der Mitgliedstaaten der breiten Öffentlichkeit geben können, wird von der Änderung der Insolvenzgesetze ausgehen. Wenn das Gesetz eine zweite Chance für Unternehmer unmissverständlich fördert, wird sich dies auch in den Medienbotschaften widerspiegeln.

    5.1.2

    Regierungen können auch mit Organisationen und Institutionen zusammenarbeiten, die wiederum engen Kontakt zu den Unternehmen haben. Am deutlichsten eingebundene Institutionen sind Berufsorganisationen der Wirtschaftsprüfer, aber außerdem können auch Vertretungsverbände der KMU und der Einzelunternehmer beteiligt werden.

    5.1.3

    In der Mitteilung wird die Möglichkeit einer Auszeichnung für erfolgreiche Restarter genannt. Wenn die vorgenannten Organisationen solche Modelle aufgreifen würden, könnte dies in den Medien ein positives Echo hervorrufen.

    5.2   Die Rolle der Insolvenzgesetze

    5.2.1

    Der Ausschuss unterstützt nachdrücklich alle Ausführungen der Mitteilung hinsichtlich der Insolvenzgesetze, aber selbstverständlich vorbehaltlich der Einzelheiten der Gesetze, die letztendlich eingeführt werden. Diese Ausführungen sind ausführlich in Ziffer 3.2 dargelegt und beinhalten die formelle Anerkennung nicht betrügerischer Insolvenzen, die frühzeitige Schuldenentlastung sowie die Reduzierung des Umfangs der rechtlichen Einschränkungen, Aberkennung von Rechten und Verbote in Verbindung mit beschleunigten Gerichtsverfahren. Mittelfristig sollte das Ziel verfolgt werden, die Dauer der Verfahren auf höchstens zwölf Monate zu begrenzen.

    5.2.2

    Nach Auffassung des EWSA ist es unerlässlich, dass alle Mitgliedstaaten die Überprüfung ihrer Insolvenzgesetze schnellstmöglich abschließen. Außer den Gesetzesänderungen ist es äußerst wichtig, dass Insolvenzen von den Gerichten beschleunigt verhandelt werden. Das Verfahren muss gut organisiert werden. Diese Änderungen sind Kernstück des Programms der zweiten Chance.

    5.3   Aktive Unterstützung für gefährdete Unternehmen

    5.3.1

    Dies ist die zweite wichtige Aussage der Mitteilung. Sie ist nicht Teil des Programms zur Förderung des Neustarts an sich. Es handelt sich vielmehr um ein Konzept zur Insolvenzvermeidung und Erhaltung von Unternehmen und Arbeitsplätzen. In diesem Zusammenhang zielt die Mitteilung darauf ab, vermeidbare Insolvenzen durch Frühwarninstrumente, Bereitstellung vorübergehender finanzieller Unterstützung sowie fachliche Beratung abzuwenden.

    5.3.2

    Das einzige Problem besteht darin, dass dieses Programm für die Mehrheit der KMU wenig praktikabel ist, da es kaum Mechanismen für eine vorausschauende Ermittlung gefährdeter Unternehmen unter den zehntausenden von KMU in jedem Mitgliedstaat gibt. Dennoch sind die Mitgliedstaaten aufgefordert, die bestehenden Möglichkeiten voll auszuschöpfen, wie z.B. in Frankreich, wo die Mehrwertsteuerbehörden als Frühwarnsystem bei eventuellen finanziellen Schwierigkeiten von Unternehmen genutzt werden. Schwerpunkte der Unterstützungsmaßnahmen sollten nach Auffassung der Kommission Insolvenzvorbeugung, fachliche Beratung sowie rechtzeitiges Eingreifen sein. Problematisch wird es, wenn Geschäftsführer nicht erkennen, dass ihr Unternehmen gefährdet ist. Die Regierungen der Mitgliedstaaten werden mit den Berufsorganisationen der Wirtschaftsprüfer und KMU-Unterstützungsorganisationen zusammenarbeiten müssen, um proaktive, auf die jeweilige landesspezifische KMU-Kultur zugeschnittene Maßnahmen zu entwickeln.

    5.3.3

    Der EWSA ist sich der Schwierigkeiten, mit denen eine solche Unterstützung verbunden ist, voll und ganz bewusst. Ein staatliches Eingreifen entgegen den Marktkräften kann möglicherweise kontraproduktiv sein und die Marktdisziplin untergraben.

    5.3.4

    Bei Aktiengesellschaften besteht die doppelte Verpflichtung, dass die Finanzberichte fristgerecht eingereicht werden und die Wirtschaftsprüfer und die Geschäftsführung die Solidität und Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft bestätigen. Durch die Durchsetzung solcher Vorschriften für alle Unternehmen, insbesondere in Bezug auf das frühe Einreichen von Finanzberichten, könnte das Frühwarnsystem verbessert werden.

    5.3.5

    Der EWSA begrüßt die Fokussierung auf insolvenzgefährdete Unternehmen im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten, da daran die Aussicht auf die Erhaltung von Arbeitsplätzen und die Kontinuität der Beschäftigung geknüpft ist.

    5.4   Aktive Unterstützung für Unternehmer, die einen Neustart wagen

    5.4.1

    Während zwölf bis siebzehn Mitgliedstaaten ihr Insolvenzgesetz bereits geändert haben oder gerade ändern, sind praktisch keine Aktivitäten der Mitgliedstaaten hinsichtlich der diesbezüglichen Empfehlungen der Kommission zu verzeichnen.

    5.4.2

    Ursache für diese geringen Aktivitäten ist wiederum, dass ein Teil der Vorschläge als den Marktkräften zuwiderlaufend eingeordnet werden kann. Dies trifft insbesondere auf den Vorschlag zu, dass Banken weniger konservativ sein und die zuständigen Behörden Netze zur Förderung von Unternehmern, die einen Neuanfang wagen, einrichten sollten.

    5.4.3

    Es sollte möglich sein, diejenigen Vorschläge, die in den Zuständigkeitsbereich der Regierungen der Mitgliedstaaten fallen (öffentliche Finanzierungsprogramme, Zugang zu Darlehen und zu öffentlichen Aufträgen für Unternehmer, die durch eine nicht betrügerische Insolvenz gescheitert sind) noch vor der Änderung der Insolvenzgesetze ohne große Probleme umzusetzen.

    5.4.4

    Außerdem sollte es möglich sein, dass die Anbieter von Unternehmerschulungen bei Bedarf auch Schulungen für Restarter anbieten.

    5.5   Andere Vorschläge der Kommission

    5.5.1

    Der EWSA begrüßt die neue Website der Kommission „Für eine Politik der zweiten Chance“ (http//ec.europa.eu/sme2chance). Sie wird besonders für Organisationen, die in die Initiativen der Politik der zweiten Chance der Mitgliedstaaten eingebunden sind, hilfreich sein.

    5.5.2

    In ihrer Frühjahrsveranstaltung 2009 zu den KMU möchte die Kommission den Neustart von Unternehmen und andere Themen der Politik der zweiten Chance zur Sprache bringen. Der Ausschuss geht davon aus, dass diese Initiative den „weichen“ Maßnahmen des Programms der zweiten Chance zusätzliche Impulse verleiht.

    Brüssel, den 29. Mai 2008

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Dimitris DIMITRIADIS


    (1)  ABl. C 10, 15.1.2008.


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