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Document 52006IP0381

Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Fortschritten der Türkei auf dem Weg zum Beitritt (2006/2118(INI))

ABl. C 306E vom 15.12.2006, p. 284–296 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)

52006IP0381

Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Fortschritten der Türkei auf dem Weg zum Beitritt (2006/2118(INI))

Amtsblatt Nr. 306 E vom 15/12/2006 S. 0284 - 0296


P6_TA(2006)0381

Fortschritte der Türkei auf dem Weg zum Beitritt

Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Fortschritten der Türkei auf dem Weg zum Beitritt (2006/2118(INI))

Das Europäische Parlament,

- in Kenntnis des Fortschrittsberichts der Kommission über die Türkei 2005 (KOM(2005)0561),

- unter Hinweis auf seine Entschließung vom 28. September 2005 zur Aufnahme von Verhandlungen mit der Türkei [1],

- unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. März 2006 zu dem Strategiepapier 2005 der Kommission zur Erweiterung [2],

- unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Dezember 2004 zu dem Regelmäßigen Bericht 2004 und der Empfehlung der Europäischen Kommission zu den Fortschritten der Türkei auf dem Weg zum Beitritt [3],

- unter Hinweis auf seine Entschließung vom 6. Juli 2005 zur Rolle der Frauen in der Türkei im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Leben [4],

- unter Hinweis auf den Verhandlungsrahmen für die Türkei vom 3. Oktober 2005,

- in Kenntnis des Beschlusses 2006/35/EG des Rates vom 23. Januar 2006 über die Grundsätze, Prioritäten und Bedingungen der Beitrittspartnerschaft mit der Türkei [5], in dem die kurz- und mittelfristigen Prioritäten festgelegt sind,

- in Kenntnis der Verordnung (EG) Nr. 389/2006 des Rates vom 27. Februar 2006 zur Schaffung eines finanziellen Stützungsinstruments zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung der türkischen Gemeinschaft Zyperns [6],

- in Kenntnis der Erklärung der Türkei zu Zypern vom 29. Juli 2005, der Erklärung des Rates vom 21. September 2005 und des Aktionsplans der Türkei vom 24. Januar 2006,

- in Kenntnis des Positionspapiers der Europäischen Union, das anlässlich der 45. Tagung des Assoziationsrates EG-Türkei vom 12. Juni 2006 vorgelegt wurde,

- unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates vom 15. und 16. Juni 2006 in Brüssel,

- gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,

- in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten sowie der Stellungnahme des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (A6-0269/2006),

A. in der Erwägung, dass der Rat am 3. Oktober 2005 einen Rahmen für Verhandlungen mit der Türkei über ihren Beitritt zur Europäischen Union beschlossen und damit den unmittelbaren Beginn der Verhandlungen nach dieser Tagung ermöglicht hat und dass die Kommission derzeit einen formellen Prozess der Überprüfung des Acquis durchführt, bei dem in einigen politischen Bereichen Fortschritte festzustellen sind, und dass ein Kapitel "Wissenschaft und Forschung" eröffnet und während der Beitrittskonferenz vom 12. Juni 2006 vorläufig abgeschlossen wurde,

B. unter Hinweis darauf, dass der weitere Verlauf der Verhandlungen von der Erfüllung der in der Beitrittspartnerschaft festgelegten Prioritäten, von den Erfordernissen des Verhandlungsrahmens und der uneingeschränkten Verwirklichung der auf das aus dem Assoziierungsabkommen (Abkommen von Ankara) und des diesbezüglichen Zusatzprotokolls zurückzuführenden Bestimmungen abhängen muss, wozu auch eine umfassende Regelung der Grenzstreitigkeiten und eine umfassende Beilegung der Zypernfrage gehören, die von beiden Seiten auf jener Insel mitgetragen wird,

C. in der Erwägung, dass die Einhaltung aller Kriterien von Kopenhagen stets Grundlage für den Beitritt zur Europäischen Union war und bei künftigen Beitritten auch bleiben muss,

D. in der Erwägung, dass das Europäische Parlament in seinen Entschließungen vom 15. Dezember 2004 und vom 28. September 2005 beschlossen hat, dass die Einleitung von Beitrittsverhandlungen zu empfehlen ist, solange als vereinbart gilt, dass in der ersten Phase der Verhandlungen der uneingeschränkten Verwirklichung der politischen Kriterien Vorrang eingeräumt wird, dass jeder Verhandlungsrunde auf Ministerebene eine Bewertung der politischen Kriterien nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis vorangehen muss, wodurch auf die türkischen Behörden ein steter und effektiver Druck ausgeübt wird, das Tempo der notwendigen Reformen beizubehalten, und dass ein umfassendes Programm klar definierter Ziele, Zeitrahmen und Fristen für die Erfüllung der politischen Kriterien festgelegt werden sollte,

E. in der Erwägung, dass, wenngleich das Streben nach einer erfolgreichen Reform tief in der türkischen Regierung und Gesellschaft verankert sein muss, um die Nachhaltigkeit und Unumkehrbarkeit des Reformprozesses zu gewährleisten, die Europäischen Union das Ausmaß der Reformen und ihre Durchführung weiterhin überwachen sollte,

F. in Kenntnis der Tatsache, dass die Kommission in ihrem Fortschrittsbericht zu dem Schluss gelangt ist, dass sich der Wandel letztes Jahr langsamer vollzogen hat, dass die Durchführung unausgewogen bleibt und dass erhebliche weitere Anstrengungen auf dem Gebiet Grundfreiheiten und Menschenrechte, insbesondere Meinungsfreiheit, Frauenrechte, Religionsfreiheit, Gewerkschaftsrechte, politische Freiheiten, Minderheitenrechte sowie sprachliche und kulturelle Rechte, und bei der weiteren Intensivierung der Bekämpfung von Folter und Misshandlung ebenso erforderlich sind wie eine rasche und korrekte Vollstreckung der Gerichtsurteile durch den Staat,

G. in der Erwägung, dass die Fortschritte im Bereich der Meinungsfreiheit immer noch alles andere als zufriedenstellend sind und ein gemischtes Bild bieten, bei dem einige positive Entwicklungen im Vordergrund stehen, wie zum Beispiel die jüngsten Freisprüche der Professoren Ibrahim Kaboğlu und Baskin Oran, die aufgrund der Artikel 216 und 301 des türkischen Strafgesetzbuches gerichtlich verfolgt wurden, des Journalisten Murat Belge, der Romanschriftstellerin Elif Shafak, der Schriftstellerin Perihan Mağden und des Autors Orhan Pamuk, während eine Reihe von Menschenrechtlern immer noch gerichtlich belangt wird und Journalisten und Verleger sich weiterhin vor Gericht zu verantworten haben, und der Journalist Hrant Dink, dessen Fall trotz eines gerichtlichen Freispruch an das Kassationsgericht überwiesen wurde und der weitere drei Jahre im Zusammenhang mit einem anderen Verfahren im Gefängnis verbringen muss, und andere, wie zum Beispiel die Menschenrechtsaktivistin Eren Keskin, verurteilt worden sind,

H. in der Erwägung, dass das Kassationsgericht am 12. Juli 2006 entschieden hat, eine ausgesetzte sechsmonatige Gefängnisstrafe gegen Hrant Dink auf der Grundlage von Artikel 301 des türkischen Strafgesetzbuches zu bestätigen, da er das "Türkentum" öffentlich herabgesetzt habe,

I. in der Erwägung, dass die Türkei trotz der zahlreichen Aufforderungen des Europäischen Parlaments und mehrerer Mitgliedstaaten den Völkermord an den Armeniern immer noch nicht zugegeben hat,

J. in der Erwägung, dass internationale Übereinkommen zur Beseitigung des Terrorismus genau berücksichtigt werden müssen, wenn neue Gesetze gegen den Terrorismus entworfen werden,

K. in der Überzeugung, dass die Definition terroristischer Straftaten mit internationalen Normen und Standards in Einklang gebracht werden sollte, insbesondere mit dem Gebot rechtmäßigen Handelns, das in Artikel 15 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte gefordert wird, einer Bestimmung, die keine Ausnahme zulässt, auch nicht bei Ausnahmezuständen,

L. in der Erwägung, dass das kürzlich verabschiedete türkische Anti-Terror-Gesetz konkret im Widerspruch zur Empfehlung des Sonderbeauftragten für Terrorismus des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen steht und die früheren Reformen auf dem Gebiet der Grundfreiheiten und Menschenrechte durch die Wiedereinführung von Elementen untergräbt, die während der vorangegangenen Reformen herausgenommen wurden; in der Erwägung, dass dieses Gesetz die Ausübung dieser Rechte und Freiheiten, sofern weit gefasste Definitionen der Begriffe "Terrorakt" und "terroristische Straftäter" eingeführt und die unter dieses Gesetz fallenden Verbrechensarten ausgedehnt werden, weiter einschränken könnte, und dass die Türkei sich so wie die Europäische Union darum bemühen müsste, zu vermeiden, dass Fragen der Sicherheit die Freiheiten der Bürgerinnen und Bürger beschränken, was eine geteilte Sorge innerhalb der Europäischen Union ist, wie seit der Ratstagung von Tampere vom 15. und 16. Oktober 1999 klar geworden ist und sich in jüngster Zeit durch die Einführung des Haager Programms gezeigt hat,

M. in der Erwägung, dass seit dem letzten Bericht des Parlaments keine Fortschritte bei der Lösung der Probleme religiöser Minderheiten erzielt worden sind und dass das geplante Gesetz über Stiftungen, das im türkischen Parlament anhängig ist, nicht alle im vorangegangenen Entwurf festgestellten Mängel zu beheben scheint, wie zum Beispiel die Beschlagnahme von Vermögenswerten religiöser Stiftungen, die Rechtspersönlichkeit, das Recht der Ausbildung des Klerus und der internen Verwaltung, wodurch die EU-Standards und die Erwartungen sowohl der Religionsgemeinschaften als auch allgemein von für eine vielfältige und unabhängige Zivilgesellschaft erforderlichen Nichtregierungsorganisationen nicht erfüllt worden sind,

N. in der Erwägung, dass das im Jahr 1997 zwischen dem Generalstab und dem Innenministerium unterzeichnete "Emasya"-Protokoll unter bestimmten Bedingungen die Durchführung von Militäroperationen erlaubt, wenn es um Fragen der inneren Sicherheit geht,

O. in der Erwägung, dass das Wiederaufflammen der Gewalt im Südosten des Landes und das Wiederaufleben der terroristischen Tätigkeiten der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), gefolgt von groß angelegten militärischen Aktivitäten im Südosten, eine ernste Bedrohung für Frieden, Stabilität und Demokratie in der Türkei darstellen, sowie in der Erwägung, dass Aktivitäten gegen Terrorismus der Bedrohung angemessen sein und internationale Menschenrechte stets respektieren müssen,

P. in der Erwägung, dass einem von Ministerpräsident Erdoğan letztes Jahr gegebenen mutigen und viel versprechenden Signal im Hinblick auf die Kurdenfrage bisher noch keine wesentlichen Maßnahmen gefolgt sind,

Q. in der Erwägung, dass es an einer umfassenden Strategie der türkischen Regierung für die Südostregion fehlt, die auf die politische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung dieser Region abzielt, und dass das Südostanatolien-Projekt in Diyarbakir und anderen Provinzen bisher nur sehr begrenzte Auswirkungen hatte,

R. in der Erwägung, dass es ein positives Signal für die anderen Volksgruppen in der Türkei darstellt, dass drei Rundfunkanstalten die Erlaubnis erhalten haben, Sendungen in Kurdisch auszustrahlen, auch wenn zeitliche und auf die Programme bezogene Beschränkungen bestehen,

S. in der Erwägung, dass die Türkei einige Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), unter anderem diejenigen zu Zypern, noch umsetzen muss, dass der EGMR im Jahr 2005 in 290 Fällen bezüglich der Türkei ein Urteil gefällt hat und 270 dieser Urteile die Feststellung von mindestens einer Verletzung enthielten,

T. in der Erwägung, dass die türkische Regierung eine Vertragspartei der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, durch die der EGMR eingerichtet wurde, ist und dass die Kritik der türkischen Regierung an Urteilen des EGMR in einzelnen Fällen die Akzeptanz der Rechtsstaatlichkeit in der türkischen Öffentlichkeit untergraben kann,

U. in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Jahr 2005 mehr als 2000 Asylanträgen türkischer Bürgerinnen und Bürger stattgegeben haben,

V. in der Erwägung, dass die Kommission in ihrem Fortschrittsbericht zu dem Schluss kam, dass die Korruption weiterhin ein ernstes Problem in der Türkei darstellt und dass im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International die Türkei 2005 einen Durchschnittswert von 3,5 (auf einer Skala von 0-"äußerst korrupt" — bis 10-"äußerst sauber") erreicht hat,

W. in der Erwägung, dass die die türkische Wirtschaft als eine frei funktionierende Marktwirtschaft anerkannt wird und im Jahr 2005 einen starken Aufschwung (ca. 7,6 %) und einen Anstieg ausländischer Direktinvestitionen zu verzeichnen hatte; jedoch in Kenntnis der Tatsache, dass das weiter zunehmende Leistungsbilanzdefizit und die hohe Arbeitslosenrate (ca. 10,9 % im März 2006) weiterhin Anlass zur Besorgnis geben,

X. in der Erwägung, dass die geostrategische Lage der Türkei in der Region sowie eine Reihe transnationaler Fragen (zum Beispiel Energie, Wasserressourcen, Verkehr, Grenzschutz, Bekämpfung von Terrorismus), die Dynamik ihrer Wirtschaft und ihre Humanressourcen dieses Land in die Lage versetzen, eine wichtige Rolle bei der Bewältigung der verschiedenen Herausforderungen der Region und bei der künftigen Entwicklung der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union zu spielen,

Y. unter Hinweis darauf, dass ihr kultureller und historischer Hintergrund es der Türkei ermöglicht, als Brückenbauer zwischen Europa und der islamischen Welt zu fungieren,

Z. unter Hinweis darauf, dass die geostrategische Lage der Türkei, ihre NATO-Mitgliedschaft und ihre Beziehungen zur islamischen Welt sich sicherheitspolitisch stärkend für Europa auswirken können,

AA. in der Erwägung, dass die Türkei das Zusatzprotokoll über die Einbeziehung der neuen EU-Mitgliedstaaten in das Abkommen von Ankara unterzeichnet, aber weder ratifiziert noch durchgeführt hat und dass dies unter anderem zu einem andauernden Embargo gegen Schiffe unter zyprischer Flagge sowie gegen aus Häfen in der Republik Zypern einlaufende Schiffe führt, denen der Zugang zu türkischen Häfen verwehrt wird, sowie gegen zyprische Flugzeuge, denen die Überflugsrechte über die Türkei und die Landerechte auf türkischen Flughäfen verweigert werden,

AB. in der Erwägung, dass im Sinne der genannten Erklärung der Europäischen Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten vom 21. September 2005 sowie der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 15. und 16. Juni 2006 in Brüssel die Europäische Union die uneingeschränkte und nicht-diskriminierende Durchführung des Abkommens von Ankara und seines Zusatzprotokolls durch die Türkei im Jahr 2006 genau überprüfen und bewerten wird und dass die Europäische Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten erklärt haben, dass — sollte die Türkei ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht voll und ganz nachkommen — dies den gesamten Fortschritt der Verhandlungen beeinträchtigen wird,

AC. in der Erwägung, dass die Türkei weiterhin eine ungerechtfertigte Blockade gegen Armenien aufrechterhält; in der Erwägung, dass diese Blockade die Stabilität der Region gefährdet, die gutnachbarschaftliche regionale Entwicklung behindert und einen Verstoß gegen die Prioritäten der überarbeiteten Beitrittspartnerschaft und die Erfordernisse des Verhandlungsrahmens darstellt,

Demokratie und Rechtsstaatlichkeit

1. weist mit Nachdruck darauf hin, dass die Stärkung der Beziehungen zwischen der Türkei und der Europäischen Union für die Union, für die Türkei und für die gesamte Region von entscheidender Bedeutung ist;

2. begrüßt die Tatsache, dass die aktive Phase der Beitrittsverhandlungen zwischen der Türkei und der Europäischen Union mit der Öffnung und vorläufigen Schließung des Kapitels "Wissenschaft und Forschung" begonnen hat; bedauert jedoch die Verlangsamung des Reformprozesses im letzten Jahr, was sich an anhaltenden Mängeln oder unzureichenden Fortschritten insbesondere auf dem Gebiet der Meinungsfreiheit, der Religions- und Minderheitenrechte, der Beziehungen zwischen Zivilgesellschaft und Militär, der Strafverfolgung vor Ort, den Frauenrechten, den Gewerkschaftsrechten, den kulturellen Rechten und der raschen und korrekten Vollstreckung der Gerichtsurteile durch die staatlichen Stellen zeigt; fordert die Türkei dringend auf, den Reformprozess zu stärken;

3. begrüßt die Initiative der türkischen Regierung, den Prozess der Gesetzesänderungen wieder aufzunehmen, indem es dem türkischen Parlament ein neuntes Paket mit Gesetzesreformen vorlegt, das u.a. ein Ombudsmann-Gesetz, ein Gesetz über den Rechnungshof — wodurch die Rechnungsprüfung von Militärausgaben möglich wird —, ein Gesetz über Stiftungen und Maßnahmen zum besseren Funktionieren der Justiz, wie zum Beispiel das Gesetz über Verwaltungsverfahren, Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption, Maßnahmen zur Verbesserung des Funktionierens von Minderheitenschulen und Maßnahmen zur Verstärkung der Transparenz bei der Parteienfinanzierung umfasst;

4. betont, dass in einer Demokratie Gesetzesentwürfe, die Fragen der Grundrechte und Grundfreiheiten betreffen, offen und transparent erörtert werden sollten und dass die Zivilgesellschaft in alle Phasen dieser Diskussionen eingebunden werden sollte;

5. erwartet, damit das neunte Paket mit Gesetzesreformen dem Reformprozess tatsächlich einen neuen Anstoß geben kann, dass das türkische Parlament dieses Reformpaket unter Berücksichtigung vor allem der folgenden Punkte ändern und anschließend annehmen wird:

- das Funktionieren und die Unabhängigkeit der Justiz werden durch geeignete Maßnahmen gestärkt, die in ein Schlichtungsgesetz, ein Gesetz über Verwaltungsverfahren und ein Gesetz über Verwaltungsrechtsverfahren einfließen sollen;

- das Gesetz betreffend Stiftungen wird alle bestehenden Einschränkungen für religiöse Minderheiten im Zusammenhang mit Rechtspersönlichkeit, Ausbildung des Klerus, Arbeitsgenehmigungen, Schulen und interner Verwaltung beseitigen und die Frage des beschlagnahmten Grundvermögens sowie die Frage der Klage gegen den Staat auf Schadensersatz bei Nichtdurchsetzung von Gerichtsurteilen angemessen lösen und die Vereinigungsfreiheit in vollem Umfang ermöglichen, womit der Grundsatz einer pluralistischen, unabhängigen und selbstbewussten Zivilgesellschaft gefördert wird;

- das Gesetz über die Parteienfinanzierung wird eine echte Verbesserung der Transparenz und eine Beendigung der Korruption mit sich bringen;

- alle verbleibenden Zuständigkeiten von Militärgerichten gegenüber Zivilpersonen werden effektiv abgeschafft;

- internationale Übereinkommen wie zum Beispiel das Rahmenübereinkommen des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten, die Europäische Charta für regionale und Minderheitensprachen, das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) und das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen werden unterzeichnet und ratifiziert;

- der Gesetzgebungsprozess im Allgemeinen und die Durchführung des neunten Pakets im Besonderen werden am besten durch die beständige und strukturierte Beteiligung von NRO unterstützt;

6. nimmt zur Kenntnis, dass das neue Anti-Terror-Gesetz am 30. Juni 2006 als Reaktion auf die erneute und anhaltende Einschüchterungskampagne, die Gewalt und die Terrorakte der PKK verabschiedet wurde; fordert die türkischen Behörden auf, sicherzustellen, dass im Rahmen seiner Durchführung die Ausübung der Grundrechte und -freiheiten nicht weiter eingeschränkt wird und dass der richtige Ausgleich zwischen Sicherheitserfordernissen und Menschenrechtsgarantien gefunden wird; unterstreicht insbesondere, wie wichtig eine konkrete und eng gefasste Definition von Terrorakten, umfassende Garantien für die Meinungs- und Medienfreiheit, einschließlich der Freiheit, mit demokratischen Mitteln für jede Sache einzutreten, die Verhältnismäßigkeit von Urteilen betreffend terroristische Verbrechen, umfassende Rechte für die Verteidigung gemäß europäischen Standards und die uneingeschränkte Rechenschaftspflicht der Sicherheitskräfte oder von Geheimdienstmitarbeitern für von ihnen begangene Verbrechen und äußerste Vorsicht im Bezug auf die Zulassung des Gebrauchs von Schusswaffen durch Strafverfolgungsorgane sind;

7. stellt fest, dass — falls es weiterhin notwendig sein sollte, einige Organisationen, die in Verbindung zu terroristischen Verbrechen stehen, als terroristische Vereinigungen zu klassifizieren, was negative rechtliche Auswirkungen hat — das Verfahren für diese Klassifizierung transparent und objektiv sein sollte und die betroffenen Organisationen das Recht haben sollten, vor einem unabhängigen Gericht Berufung einzulegen;

8. erkennt die Bedeutung des Gesetzes über die Entschädigung von Terroropfern an, das für Opfer von Terrorakten ebenso wie für Opfer von Anti-Terror-Operationen des Staates gilt; bedauert, dass das Gesetz nicht vollständig die Erwartungen erfüllt, da die im Rahmen dieses Gesetzes eingerichteten Schadensprüfungskommissionen für die Erfüllung ihrer Aufgaben nur unzureichend ausgestattet sind;

9. fordert die Türkei auf, allen türkischen Bürgerinnen und Bürgern während des gesamten gerichtlichen Verfahrens einschließlich der Ermittlungen, der Gerichtsverhandlung, der Verurteilung und der Inhaftierung ohne Sonderregelungen für Regierungsbeamte, Militärbedienstete oder Mitglieder der Sicherheitskräfte die Gleichheit vor dem Gesetz zu garantieren; betont, dass es im Kampf gegen die Straflosigkeit und zur Stärkung des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Strafverfolgung wichtig ist, dass die Kriterien, nach denen Beamte, denen Verbrechen zur Last gelegt werden, festgenommen und inhaftiert werden, die selben wie im Falle von anderen Tatverdächtigen sind;

10. fordert die Türkei auf, diejenigen Bestimmungen des Strafgesetzbuches, wie zum Beispiel die Artikel 216, 277, 285, 288, 301, 305 und 318, kurzfristig abzuschaffen oder zu ändern, die willkürliche Auslegungen durch Richter und Staatsanwälte ermöglichen und zu Urteilen führen, die der Meinungsfreiheit und der Pressefreiheit entgegenstehen und somit eine Bedrohung der Achtung der Menschenrechte und -freiheiten darstellen und den Demokratieprozess negativ beeinflussen;

11. bedauert die Verurteilung von Hrant Dink am 12. Juli 2006 durch das Kassationsgericht auf der Grundlage von Artikel 301 des türkischen Strafgesetzbuches; stellt fest, dass es den Gerichten nicht gelungen ist, bei der Auslegung der Bestimmungen des Strafgesetzbuches eine positive Rechtsprechung entsprechend den geltenden Gemeinschaftsnormen einzuführen;

12. erkennt die Verbesserungen in den Rechtsvorschriften infolge der seit 2002 von der türkischen Regierung unternommenen Anstrengungen im Hinblick auf die Politik der "Nulltoleranz" gegenüber Folter an, wodurch sie die Empfehlungen des Europäischen Parlaments erfüllt; erkennt auch den Rückgang der Misshandlungen durch Vollzugsbeamte an, der in dem Bericht über die Türkei des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe aus dem Jahre 2006 beschrieben wird; hebt hervor, dass effektivere Durchführungsmaßnahmen erforderlich sind, wie dies durch die anhaltenden gemeldeten Fälle von Folter und Misshandlung, insbesondere im Südosten, durch Vollzugsbeamte und die häufige Straffreiheit dieser Beamten deutlich und unter anderem im Bericht von Amnesty International 2006 beschrieben wird; ermutigt die Türkei, das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe zu ratifizieren; ist besorgt über die Qualität des Strafvollzugs vor Ort, der hinter den EU-Standards zurückbleibt;

13. betont, dass es im Hinblick auf die Bekämpfung noch bestehender Straffreiheit und zur Stärkung des internationalen Schutzes der Menschenrechte wichtig ist, dass die Türkei das Römische Statut des ICC ratifiziert;

14. erkennt die Verbesserungen in den Rechtsvorschriften infolge der von der türkischen Regierung seit 2002 unternommenen Anstrengungen an, die Korruption zu bekämpfen; fordert die türkischen Behörden auf, die Bekämpfung der Korruption vor Ort energisch fortzuführen; weist erneut auf die Empfehlungen der Staatengruppe gegen Korruption vom März 2006 hin und ermuntert die Türkei, ihnen zu folgen und sie durchzuführen;

15. bedauert, dass unabhängige Menschenrechtsorganisationen in der Türkei bis dato nicht über ein funktionierendes System zur Überwachung von Hafteinrichtungen verfügen;

16. stellt fest, dass gewisse Fortschritte hinsichtlich der Rechte der Frauen im Anschluss an das Inkrafttreten des neuen Strafgesetzbuches erzielt worden sind; hebt jedoch hervor, dass die Nichtachtung der Frauenrechte in der Türkei weiterhin Anlass zu tiefer Besorgnis gibt, und betont, dass weitere Anstrengungen erforderlich sind, um die diskriminierenden Praktiken und die Gewalt gegen Frauen zu beseitigen und mehr geschützte Unterkünfte für Frauen in Not zur Verfügung zu stellen, und dass für ihre Einrichtung auch eine angemessene Mittelausstattung und die Zusammenarbeit mit Frauenorganisationen der Zivilgesellschaft erforderlich sein werden; fordert die Türkei auf, ihre Anstrengungen zu verstärken, damit die Frauen ihr Recht auf Bildung und Beschäftigungsmöglichkeiten voll und ganz geltend machen können; stellt gewisse Fortschritte bei der Bekämpfung der Verbrechen aus Gründen der Ehre fest, da das Strafmaß auf lebenslänglich angehoben wurde, bringt jedoch seine Besorgnis über das rasche Ansteigen der angeblichen Selbstmorde von Frauen im Südosten der Türkei zum Ausdruck; begrüßt in diesem Zusammenhang die Sensibilisierungskampagnen von NRO und der Presse in der Türkei;

17. fordert die türkischen Behörden auf, mit dem Europäischen Parlament in einen ständigen Dialog über die Rechte der Frau in der Türkei einzutreten und in diesem Zusammenhang seiner zweiten Entschließung zur Rolle der Frau im sozialen, wirtschaftlichen und politischen Leben in der Türkei, die 2006 im Europäischen Parlament debattiert werden soll, Rechnung zu tragen;

18. stellt fest, dass in der Türkei 50 % aller Universitätsabsolventen und 40 % der Rechtsanwälte, Ärzte und in ähnlichen Fachkreisen tätigen Personen Frauen sind;

19. begrüßt die jüngste Initiative der türkischen Regierung im Bereich der sozialen Eingliederung, in deren Rahmen die Schaffung von Arbeitsplätzen durch ein System finanzieller Initiativen in 49 Gebieten mit schwacher Wirtschaftsleistung gefördert wird;

20. äußert sich tief besorgt über die Semdinli-Angelegenheit, bei der es um einen Bombenanschlag auf einen Buchladen angeblich durch türkische Sicherheitskräfte und die anschließende Entlassung des Staatsanwalts Ferhat Sarikaya ging, die vom türkischen Parlament untersucht worden ist; hebt hervor, dass es starke Bedenken angesichts der andauernden — um nicht zu sagen wiedererstarkenden — Rolle der Armee in der türkischen Gesellschaft hat; betont, dass objektive und unparteiische Untersuchungen notwendige Voraussetzungen für die Wiederherstellung des öffentlichen Vertrauens und die Gewährleistung der Glaubwürdigkeit der Justiz sind; fordert deshalb die Veröffentlichung des Untersuchungsberichts der Großen Nationalversammlung der Türkei;

21. unterstreicht, dass die strikte, verfassungsrechtlich verankerte Trennung zwischen zivilen und militärischen sowie politischen und institutionellen Zuständigkeiten in der Türkei eine Voraussetzung ist, die erfüllt werden muss, um ernsthafte Gespräche über den türkischen Beitritt zur Europäischen Union führen zu können;

22. bekräftigt erneut seine Forderung nach einer Reform des Wahlsystems durch Herabsetzung der 10 %- Hürde, wodurch eine breitere Vertretung politischer Kräfte und Minderheiten in der Großen Nationalversammlung gewährleistet wäre; begrüßt in diesem Zusammenhang die derzeit laufende Diskussion über die Reform des Wahlsystems;

23. weist darauf hin, dass es die Ausarbeitung einer neuen Verfassung als weiteres und wahrscheinlich notwendiges Zeichen des sehr grundlegenden Charakters der für eine EU-Mitgliedschaft erforderlichen Veränderungen ansieht, und stellt fest, dass eine moderne Verfassung die Grundlage für die Modernisierung des türkischen Staates bilden kann;

24. verurteilt nachdrücklich die Ermordung eines Richters des höchsten Gerichtshofs der Türkei; ist besorgt über den geringen Schutz solcher Richter durch die Polizei trotz klarer und öffentlicher Drohungen; fordert die türkische Regierung auf, hier Abhilfe zu schaffen;

25. verurteilt die jüngsten Bombenanschläge in verschiedenen Städten in der Türkei; bringt den Opfern dieser und früherer Anschläge sein Mitgefühl zum Ausdruck;

26. fordert die türkische Regierung auf, die EU-Umweltstandards auf Vorhaben anzuwenden, die voraussichtlich Umweltschäden nach sich ziehen würden, wie beispielsweise die geplante Goldmine in Bergama und andere ähnliche Minenprojekte, sowie den derzeit in Bau befindlichen Yortanli-Damm, den Ilisu- Damm, der zur Zerstörung historisch bedeutsamer Landschaften, wie Hasankeyf (das durch den Ilisu- Damm überflutet würde) und Allionoi (das durch den Allini-Damm überflutet würde) führen könnte, und andere im Munzur-Tal geplante Staudamm-Projekte und den Yusufeli-Damm in der Artvin-Provinz;

Menschenrechte und Schutz von Minderheiten

27. bedauert, dass im Hinblick auf die Grundrechte und -freiheiten in den letzten Jahren nur begrenzte Fortschritte zu vermelden waren; verurteilt die Verletzungen der Menschenrechte und Freiheiten und die Einschränkungen der Ausübung dieser Rechte und Freiheiten;

28. betont erneut, dass die Türkei die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten einhalten muss, einschließlich der vollständigen und rechtzeitigen Vollstreckung der Urteile des EGMR;

29. ist besorgt über die Zahl der aus der Türkei stammenden Asylbewerber in den Industrieländern im Jahr 2005; erachtet dies als Anzeichen für die schwachen Leistungen der Türkei im Hinblick auf ihren Grenzschutz bzw. in den Bereichen Justiz, Toleranz und Schutz der Menschenrechte; erkennt gleichzeitig die im Zeitraum 2001-2005 erzielten Fortschritte im Zusammenhang mit der Verringerung der Zahl der aus der Türkei stammenden Asylbewerber um 65 % auf etwas über 10000 im Jahr 2005 an;

30. erinnert die Türkei an seine Empfehlung, dass die derzeitigen Menschenrechtsüberwachungsdienste dadurch reformiert werden sollten, dass ihre Aufgaben unabhängigen Überwachungsdiensten übertragen werden, denen ausreichende Mittel zur Verfügung gestellt werden sollten, damit sie in allen Regionen der Türkei wirkungsvoll tätig sein können, und die ermächtigt werden sollten, in enger Zusammenarbeit mit unabhängigen türkischen Menschenrechts-NRO jede polizeiliche Haftanstalt jederzeit zu untersuchen; hebt hervor, dass es dringend notwendig ist, die Kapazität der Institutionen, die die Menschenrechte fördern und durchsetzen, auszubauen und zu stärken; begrüßt die Zusammenarbeit der Türkei mit dem Sonderberichterstatter für Folter des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen und fordert die Türkei auf, die Dauereinladung an alle Sonderberichterstatter des Menschenrechtsrates weiterhin aufrechtzuerhalten;

31. achtet die Empfindsamkeiten in einem Land mit einer großen sunnitischen moslemischen Mehrheit; erinnert die Türkei aber an das bedeutsame kulturelle und historische Erbe, das ihr durch das Osmanische Reich mit seinen zahlreichen Kulturen, Volksgruppen und Religionen zur sicheren Verwahrung übergeben wurde; bedauert das Fehlen von Fortschritten auf dem Gebiet der Religionsfreiheit seit der oben genannten Entschließung des Parlaments vom 28. September 2005; hebt hervor, dass die Freiheit der Bürger, jede Religion auszuüben oder jeglicher Konfession anzugehören, die sie wählen, so weit reichen muss, ihnen gleiche rechtliche und administrative Möglichkeiten zur Ausübung ihrer Religion, zur Organisierung ihrer Gemeinschaften, zum Besitz und zur Verwaltung von Gemeinschaftsvermögen und zur Ausbildung ihres Klerus einzuräumen;

32. verurteilt entschieden die Ermordung des italienischen Priesters und Missionars Andrea Santoro;

33. erneuert seine in seinen früheren Entschließungen zum Ausdruck gebrachte Forderung an die türkischen Behörden, ihre Verpflichtungen im Hinblick auf die Religionsfreiheit zu erfüllen und konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um Hindernisse für religiöse Minderheiten insbesondere im Hinblick auf ihren rechtlichen Status, die Ausbildung des Klerus und ihre Eigentumsrechte (das Ökumenische Patriarchat hat in letzter Zeit dreißig Enteignungen hinnehmen müssen) aus dem Weg zu räumen; fordert die unverzügliche Wiedereröffnung des griechisch-orthodoxen Halki-Seminars und die öffentliche Verwendung des Kirchentitels eines Ökumenischen Patriarchen; fordert den Schutz und die Anerkennung der Alewiten, einschließlich der Anerkennung der Cem-Häuser als religiöse Zentren; fordert den Schutz und die Anerkennung der Yeziden und die Einrichtung von yezidischen Gebetsstätten und dass jeglicher Religionsunterricht freiwillig ist und nicht nur die sunnitische Religion umfasst, sowie die Einrichtung eines Alternativfaches für diejenigen, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen möchten, in dem Werte, Normen und ethische Fragen behandelt werden; fordert den Schutz der Grundrechte aller christlichen Minderheiten und Gemeinschaften in der Türkei (z.B. der Griechen in Istanbul, Imvros und Tenedos);

34. hofft, dass der bevorstehende Besuch von Papst Benedikt XVI. in der Türkei zur Festigung des interreligiösen und interkulturellen Dialogs zwischen der christlichen und muslimischen Welt beitragen wird;

35. fordert die türkischen Behörden auf, alle Entscheidungen im Rahmen der Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs in vollem Umfang zu achten und durchzuführen;

36. betont die Verpflichtung der Türkei, dafür zu sorgen, dass der Schutz der Grundrechte aller Religionsgemeinschaften voll und ganz gewährleistet ist; fordert, dass ein revidierter Entwurf des Gesetzes über Stiftungen den Empfehlungen des Europäischen Parlaments und der Kommission Rechnung tragen, die europäischen Standards erfüllen und gleichzeitig die Erwartungen der multireligiösen türkischen Gesellschaft erfüllen muss;

37. stellt fest, dass in der türkischen Gesellschaft eine wichtige Diskussion über Kopftücher im Gange ist; weist darauf hin, dass es in diesem Bereich keine europäischen Bestimmungen gibt; bringt aber seine Hoffnung zum Ausdruck, dass im Zusammenhang mit dem Tragen von Kopftüchern durch Studentinnen an den Universitäten ein Kompromiss in der Türkei erzielt werden kann;

38. fordert die türkischen Behörden erneut auf, die Standards der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) für Gewerkschaftsrechte anzuwenden, jegliche politische Einflussnahme auf die Arbeitsweise von Gewerkschaften zu unterlassen, die Gewerkschaften in den politischen Entscheidungsprozess einzubeziehen und besonderes Augenmerk auf die Teilnahme von Frauen am Arbeitsmarkt zu legen; begrüßt zwar jüngste Erfolge, wie das Projekt zur Bekämpfung der Kinderarbeit in Adana, fordert jedoch die Einführung weiterer Rechtsvorschriften, die die Beschäftigung von Kindern verbieten; ist erfreut über die jüngste Einschätzung der IAO, welche die Türkei als "erfolgreiches Beispiel" im Kampf gegen Kinderarbeit nennt, und begrüßt daher das langfristige Ziel der türkischen Regierung, die schlimmsten Formen von Kinderarbeit bis 2012 zu beseitigen;

39. begrüßt die Eröffnung der Möglichkeit von Sendungen in Kurdisch — was als wichtiger Schritt angesehen werden kann, vorausgesetzt, es folgt eine weitere Aufhebung aller Beschränkungen — einschließlich der Ausstrahlung von Sonderprogrammen von und für die kurdischen Gemeinschaften, wodurch den Kurden die freie Ausübung ihrer kulturellen Rechte und ihres Rechts auf Bildung ermöglicht wird;

40. weist darauf hin, dass der EGMR der Türkei empfohlen hat, einen neuen Rechtsrahmen für Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen zu entwickeln, und erinnert die Türkei daran, dass das Recht auf Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt wird; begrüßt daher die vom Justizministerium ausgehende Initiative, mit der das Recht auf Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen legalisiert und die Einführung eines Ersatzdienstes in der Türkei vorgeschlagen werden soll; ist betroffen darüber, dass ein Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen nach einer jüngsten Entscheidung des türkischen Militärgerichtshofs zu einer Haftstrafe verurteilt wurde und dass der Militärgerichtshof es offen ablehnte, einer einschlägigen Entscheidung des EGMR zu folgen; verurteilt die andauernde Verfolgung von Journalisten und Schriftstellern, die ihre Unterstützung für das Recht auf Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen zum Ausdruck gebracht haben;

41. unterstützt nachdrücklich die Aktivitäten der demokratischen Zivilgesellschaft in der Türkei und insbesondere des "Türkischen Verbandes für Menschenrechte" und der "Türkischen Stiftung für Menschenrechte"; hält die Arbeit solcher demokratischer Organisationen für unerlässlich, insbesondere bei der Überwachung der Menschenrechtssituation;

42. fordert die Kommission auf, die Aktivitäten dieser demokratischen Organisationen der türkischen Zivilgesellschaft umfassend und energisch, insbesondere mit finanziellen Mitteln, zu unterstützen;

43. verurteilt entschieden das von rechtsextremen Organisationen geleitete fremdenfeindliche und rassistische "Talaat Pascha"-Komitee, weil dies einen schwerwiegenden Verstoß gegen europäische Grundsätze darstellt, sowie die in Lyon und Berlin durch eben diese Organisationen organisierten leugnenden Demonstrationen, auf denen der Völkermord an den Armeniern geleugnet wurde; fordert die Türkei auf, dieses Komitee aufzulösen und seiner Tätigkeit ein Ende zu setzen;

Südost-Türkei

44. verurteilt nachdrücklich das Wiederaufflammen der terroristischen Gewalt seitens der PKK; hebt hervor, dass es nie eine Entschuldigung für Gewalt geben kann, von welcher der Konfliktparteien auch immer sie gegen türkische Staatsangehörige in verschiedenen Teilen des Landes angewandt wurde; bezeugt der Türkei seine Solidarität im Kampf gegen den Terrorismus und fordert die PKK in diesem Sinne auf, einen unverzüglichen Waffenstillstand auszurufen und einzuhalten;

45. 45 begrüßt die jüngste Forderung der Partei der demokratischen Gesellschaft nach einem Waffenstillstand und politischen Verhandlungen im Konflikt im Südosten des Landes und fordert die PKK auf, positiv darauf zu reagieren;

46. weist darauf hin, dass noch immer zahlreiche Vertreter der Zivilgesellschaft vor Gericht stehen und täglich Einschüchterungsversuchen ausgesetzt sind, wie zum Beispiel Mehdi Zana, der Ehemann der Trägerin des Sacharow-Preises des Europäischen Parlaments, Leyla Zana; fordert die türkische Regierung auf, die gegen diese Vertreter der demokratischen Zivilgesellschaft der Türkei verhängten und immer noch bestehenden Beschränkungen abzuschaffen;

47. ist tief besorgt über die daraus erwachsenden Spannungen in der Südost-Türkei, die eine ernste Bedrohung von Frieden und Stabilität in der Region darstellen; betont die Bedeutung weiterer Fortschritte beim Abbau von Spannungen in der Ost- und Südost-Türkei, was erreicht werden muss, um sicherzustellen, dass die Reformen nachhaltig und glaubwürdig sind; fordert alle Konfliktparteien auf, von Gewalt oder Gewaltreaktionen abzusehen; hält es für wichtig, den Rechtsbegriff des Terrorismus nicht so weit auszudehnen, dass nicht-terroristische Verbrechen in den Anwendungsbereich des türkischen Antiterrorgesetzes fallen, in dem Terrorismus auf der Grundlage seines Zwecks und seiner Ziele, und nicht durch Erwähnung spezifischer Straftaten definiert wird, die vage und in sehr weiten Begriffen beschrieben sind, wodurch die Grundfreiheiten gefährdet sind;

48. gibt seiner Überzeugung Ausdruck, dass die Forderung der Partei der demokratischen Gesellschaftnach einer einseitigen Ausrufung eines Waffenstillstands durch die verbotene PKK Hoffnungen auf ein Ende des Teufelskreises der Gewalt im Südosten der Türkei und im Rest des Landes weckt;

49. fordert die türkischen Behörden auf, für die Festnahme und Inhaftierung von Verdächtigen die europäischen Standards anzuwenden; fordert die türkischen Behörden auf, im Fall von Todesfällen in staatlichem Gewahrsam oder als Folge angeblicher Gewaltanwendung durch Sicherheitskräfte unabhängigen Pathologen uneingeschränkten Zugang zu gewähren; ist besorgt über die Gewalt gegen Kinder, die während Unruhen in Diyarbakir im März 2006 zu Todesopfern führte; stellt fest, dass ein neues, im Juli 2005 verabschiedetes Gesetz zum Schutz der Kinder nicht vollständig den internationalen Standards bezüglich der Bestimmungen über jugendliche Straffällige entspricht;

50. fordert die türkische Regierung auf, weiter nach einer demokratischen Lösung der Kurdenfrage im Anschluss an die ermutigende Erklärung von Ministerpräsident Erdogan im letzten Jahr zu suchen; hält es für unbedingt erforderlich, einen Ausgleich zwischen der notwendigen Kontrolle der Sicherheitslage unter Vermeidung von Spannungen zwischen Zivilgesellschaft und Militär und der wirkungsvollen Förderung des politischen Dialogs und der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Südostregion durch eine umfassende, mit ausreichenden Mitteln geförderte Strategie zu finden; fordert die türkische Regierung auf, in die sozioökonomische Entwicklung des Südostens zu investieren, die Ungleichheiten zwischen dem Landesdurchschnitt und dem Osten und Südosten u.a. hinsichtlich Arbeitslosigkeit, Zugang zu Bildung sowie Wohnverhältnissen und Gesundheitsfürsorge auszumerzen und einen konstruktiven Dialog mit friedlichen Gesprächspartnern aufzunehmen; fordert die gewählten Vertreter der kurdischen Gemeinschaft auf, auf einen solchen Dialog mit der türkischen Regierung positiv zu reagieren und den Grundsatz der Gewaltfreiheit strikt aufrechtzuerhalten; erinnert in diesem Zusammenhang daran, wie wichtig es ist, gewählten kurdischen Vertretern durch geeignete Mittel zu gestatten, umfassender am demokratischen Prozess teilzunehmen, indem beispielsweise die Hürden für die Wahlen herabgesetzt werden; betont darüber hinaus die Notwendigkeit, eine effiziente dezentralisierte Verwaltung aufzubauen;

51. drückt seine Überzeugung aus, dass die notwendigen finanziellen Mittel für ein solches Investitionsund Entwicklungsprogramm für den Südosten nicht von der Türkei allein getragen werden können und deshalb in einem breiteren internationalen Rahmen aufgebracht werden sollten; fordert die türkische Regierung und die Kommission auf, zu prüfen, inwieweit die Vorbeitrittshilfe der Europäischen Union in diesem Zusammenhang genutzt werden kann;

52. begrüßt die Verabschiedung des Gesetzes über Binnenvertriebene, das, wenn es effizient angewandt wird, als wichtiges Instrument der Wiedergutmachung dienen kann; stellt jedoch fest, dass die ständige Präsenz von Dorfwächtern und die wiederaufflammende Gewalt dem Recht auf Rückkehr entgegenstehen; fordert folglich die türkischen Behörden dringend auf, die Dorfwächter zu entwaffnen und das Dorfwächtersystem abzuschaffen;

53. fordert die türkische Regierung auf, ihre Entschlossenheit zu zeigen, eine politische Lösung in der Kurdenfrage zu finden, indem sie die legale und pro-kurdische Partei der demokratischen Gesellschaft, die einen Waffenstillstand und einen politischen Dialog gefordert hat, trifft und in Gespräche mit ihr eintritt;

Regionale Fragen und Außenbeziehungen

54. begrüßt die Ernennung Istanbuls zur Europäischen Kulturhauptstadt 2010;

55. bekräftigt erneut seine Überzeugung, dass eine moderne, demokratische und säkulare Türkei, indem sie sich mehr und mehr an die Politik der EU-Mitgliedstaaten angleicht, eine konstruktive und stabilisierende Rolle für die Förderung des Verständnisses zwischen den Kulturen und zwischen der Europäischen Union und den Ländern in der Region um die Türkei, insbesondere im Nahen Osten, spielen kann; begrüßt in diesem Zusammenhang den Beschluss der türkischen Regierung und des türkischen Parlaments, sich an den Friedenstruppen der Vereinten Nationen im Libanon zu beteiligen;

56. nimmt den Vorschlag der Türkei, einen Sachverständigenausschuss einzurichten, der unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen stehen sollte, um die tragischen Erfahrungen der Vergangenheit zu überwinden, sowie die Position Armeniens zu diesem Vorschlag zur Kenntnis; fordert sowohl die türkische Regierung als auch die armenische Regierung auf, ihren Aussöhnungsprozess fortzusetzen, der zu einem beiderseits akzeptablen Vorschlag führen soll; begrüßt die Tatsache, dass mit den jüngsten Debatten in der Türkei zumindest ein erster Schritt in der Diskussion über die schmerzliche Geschichte mit Armenien gemacht wurde; betont, dass die Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern an sich zwar formal nicht zu den Kriterien von Kopenhagen zählt, dass es aber für ein Land, das sich auf dem Weg zum EUBeitritt befindet, unerlässlich ist, sich seiner Vergangenheit zu stellen und sie zu bewältigen; fordert die türkischen Behörden diesbezüglich auf, die Arbeit von Forschern, Intellektuellen und Akademikern, die an dieser Frage arbeiten, zu erleichtern, indem ihnen Zugang zu den historischen Archiven gewährt wird und ihnen alle einschlägigen Dokumente zur Verfügung gestellt werden; fordert die Türkei entsprechend den vom Parlament zwischen 1987 und 2005 angenommenen Entschließungen nachdrücklich auf, die erforderlichen Maßnahmen ohne jegliche Vorbedingungen zu ergreifen, um diplomatische und gut nachbarschaftliche Beziehungen zu Armenien aufzunehmen, die Wirtschaftsblockade aufzuheben und die Landgrenze frühestmöglich zu öffnen, wodurch die Prioritäten der Beitrittspartnerschaft und die Erfordernisse des Verhandlungsrahmens zur "friedlichen Beilegung von Grenzstreitigkeiten" erfüllt würden, die beide unerlässliche Voraussetzungen für den EU-Beitritt sind; vertritt die Ansicht, dass eine ähnliche Haltung in Bezug auf andere Minderheiten (beispielsweise die Griechen von Pontos und die Assyrer) vertreten werden sollte;

57. fordert die Türkei auf, sich für gutnachbarschaftliche Beziehungen zu engagieren; erinnert die Türkei in diesem Zusammenhang daran, dass sie sich jeder Form von Drohungen gegen Nachbarländer (wie der "casus belli"-Drohung gegen Griechenland betreffend das Recht Griechenlands, die Grenze seiner Hoheitsgewässer zu bestimmen) sowie spannungsfördernder militärischer Aktivitäten (wie der andauernden Verletzung der Bestimmungen des Fluginformationsgebiets Athen und des griechischen Luftraums) enthalten sollte, die auch die Flugsicherheit bedrohen, negative Auswirkungen auf die gutnachbarschaftlichen Beziehungen haben und den Beitrittsprozess negativ beeinflussen könnten; fordert die Türkei auf, sich ernsthaft und intensiv um eine Lösung der bestehenden Streitigkeiten mit allen ihren Nachbarn im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen und anderen einschlägigen internationalen Übereinkommen zu bemühen, da, wie dies in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 10. und 11. Dezember 1999 in Helsinki und in den kurzfristigen Prioritäten der Beitrittspartnerschaft festgelegt ist, wenn keine Lösung erzielt werden kann, der Internationale Gerichtshof mit ungelösten Grenzfragen (beispielsweise der Festlegung der Grenzen des Kontinentalsockels der Ägäis) befasst werden sollte, um eine endgültige und verbindliche Regelung zu finden;

58. äußert sich enttäuscht darüber, dass die Türkei trotz ihrer vertraglichen Verpflichtungen weiterhin Einschränkungen gegenüber unter zyprischer Flagge fahrenden und aus Häfen der Republik Zypern einlaufenden Schiffen aufrechterhält, denen sie den Zugang zu türkischen Häfen verwehrt, ebenso wie gegenüber zyprischen Flugzeugen, denen sie die Überflugrechte über die Türkei und die Landerechte auf türkischen Flughäfen verweigert; weist die Türkei darauf hin, dass diese Praxis einen Verstoß der Türkei gegen das Abkommen von Ankara, das diesbezügliche Abkommen über die Zollunion und das Zusatzprotokoll darstellt, da die Einschränkungen das Prinzip des freien Warenverkehrs verletzen; möchte mit den türkischen Behörden zusammenarbeiten, um sie in die Lage zu versetzen, ihren diesbezüglichen Verpflichtungen in vollem Umfang nachzukommen, ohne dass es politische Spannungen in der Türkei verschärfen möchte, die dem Interesse an einer langfristigen Aussöhnung mit Zypern zuwiderlaufen; bedauert, dass die Türkei ihr Veto gegen die Teilnahme der Republik Zypern in internationalen Organisationen und an multilateralen Übereinkommen aufrechterhält;

59. fordert die Türkei nachdrücklich auf, so rasch wie möglich konkrete Schritte zur Normalisierung der bilateralen Beziehungen zwischen der Türkei und allen EU-Mitgliedstaaten, einschließlich der Republik Zypern, zu unternehmen, und erinnert in diesem Zusammenhang erneut an die genannte Erklärung des Rates vom 21. September 2005;

60. nimmt die derzeitigen Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und der NATO zur Kenntnis und fordert die Türkei auf, ihren Standpunkt zur Einbeziehung aller EU-Mitgliedstaaten zu überdenken;

61. weist die Türkei darauf hin, dass die Anerkennung aller Mitgliedstaaten, einschließlich der Republik Zypern, ein notwendiger Bestandteil des Beitrittsprozesses ist; fordert die Türkei auf, so rasch wie möglich konkrete Schritte zur Normalisierung der bilateralen Beziehungen zur Republik Zypern zu unternehmen; fordert die Türkei auf, die auf das Abkommen von Ankara und sein Zusatzprotokoll zurückzuführenden Bestimmungen sowie die auf die Beitrittspartnerschaft zurückzuführenden Prioritäten voll und ganz durchzuführen; fordert die türkischen Behörden auf, bei der Suche nach einer umfassenden Regelung der Zypernfrage im Rahmen der Vereinten Nationen eine konstruktive Haltung beizubehalten, die sowohl für die griechischen Zyprer als auch für die türkischen Zyprer akzeptabel ist und auf der Vorarbeit der Vereinten Nationen beruht und die zu einer gerechten, auf den Grundprinzipien der Europäischen Union sowie auf dem Besitzstand (Acquis) beruhenden Lösung führt, und fordert die Türkei ferner auf, gemäß den einschlägigen UNO-Resolutionen ihre Streitkräfte nach einem spezifischen Zeitplan so bald wie möglich abzuziehen; begrüßt das Treffen zwischen Tassos Papadopoulos und Mehmet Ali Talat vom 3. Juli 2006, das zu der Einigung am 8. Juli 2006 führte; ermuntert zu weiteren Kontakten, um den Dialog weiterzuführen, der zu einer umfassenden Regelung führen sollte;

62. fordert beide Parteien auf, im Bemühen um eine umfassende Regelung der Zypern-Frage im Rahmen der Vereinten Nationen und auf der Grundlage der Grundprinzipien der Europäischen Union eine konstruktive Haltung einzunehmen;

63. weist darauf hin, dass der Abzug türkischer Soldaten die Wiederaufnahme sachlicher Verhandlungen erleichtern könnte, und fordert die türkische Regierung gemäß den einschlägigen UNO-Resolutionen auf, die türkischen Streitkräfte nach einem spezifischen Zeitplan bald abzuziehen;

64. begrüßt die Schaffung eines finanziellen Beistandsinstruments zur Förderung der Wirtschaftsentwicklung der türkisch-zyprischen Gemeinschaft im Anschluss an die Tagung des Rates "Allgemeine Angelegenheiten" vom 27. Februar 2006; unterstützt die Kommission in ihren Bemühungen, diese Mittel einzusetzen; fordert den Rat auf, erneut Anstrengungen zu unternehmen, um im Einklang mit dem einstimmigen Beschluss des Rates "Allgemeine Angelegenheiten" vom 27. Februar 2006, auf der Grundlage der Schlussfolgerungen des Rates vom 26. April 2004 und unter Berücksichtigung der Konsultationen unter luxemburgischem Vorsitz sowie auf der Grundlage des Protokolls Nr. 10 zur Beitrittsakte der Republik Zypern und neun anderer Staaten unverzüglich eine Einigung über eine Regelung betreffend die Handelserleichterungen für den Nordteil von Zypern zu erreichen, einschließlich einer weiteren Berücksichtigung der Möglichkeit einer gemeinsamen Kontrolle des Hafens von Famagusta unter der Ägide der Europäischen Union und der Vereinten Nationen; fordert die Regierungen Zyperns und der Türkei auf, neue Initiativen zu ergreifen, um die Verbindungen zwischen den beiden Gemeinschaften zu stärken und gegenseitiges Vertrauen aufzubauen;

65. begrüßt die positiven Entwicklungen in der türkischen Wirtschaft, die als eine umfassend funktionierende freie Marktwirtschaft anerkannt ist, bei der ein starkes Wachstum (etwa 7,6 % im Jahr 2005) und ein bedeutendes und zunehmendes Volumen an ausländischen Direktinvestitionen zu verzeichnen ist; ist aber weiterhin besorgt über das derzeitige Leistungsbilanzdefizit, das weiter zunimmt, und eine hohe Arbeitslosenrate (etwa 10,9 % im März 2006); fordert die türkische Regierung auf, Anstrengungen zu unternehmen, um die positive Dynamik in nachhaltiges Wachstum und makroökonomische Stabilität umzuwandeln und dabei die beträchtlichen regionalen Ungleichheiten bei der sozioökonomischen Entwicklung hinsichtlich Einkommen, Gesundheit, Zugang zu Bildung, Arbeitsmarkt und anderen Lebensbedingungen zu verringern (das Pro-Kopf-Einkommen in der Region Istanbul ist um 43 % höher als der nationale Durchschnitt und etwa vier Mal so hoch wie in der ärmsten Region);

66. stellt fest, dass es trotz des Erfolgs der Zollunion insgesamt eine Reihe von lang überfälligen, nicht erfüllten Zusagen seitens der Türkei im Zusammenhang insbesondere mit bestehenden technischen Handelshemmnissen gibt, beispielsweise ein Verbot der Einfuhr von Rindfleisch, keine Angleichung im Bereich staatlicher Beihilfen und schwere Mängel bei der Durchsetzung von Rechten auf geistiges Eigentum; fordert die Türkei nachdrücklich auf, in diesem Bereich unverzüglich Fortschritte zu machen, und erinnert sie an die Notwendigkeit, ihren Verpflichtungen nach dem Übereinkommen über die Zollunion nachzukommen;

Verhandlungen

67. weist die Türkei darauf hin, dass die Kommission im Beschluss des Rates aufgefordert wird, im Jahr 2006 über die uneingeschränkte Durchführung des Zusatzprotokolls durch die Türkei zu berichten, und dass unzureichende Fortschritte in dieser Hinsicht ernste Auswirkungen auf den Verhandlungsprozess haben werden und diesen sogar zum Stillstand bringen könnten;

68. unterstreicht die Bedeutung zutreffender, strukturierter und aussagekräftiger Untersuchungen und statistischer Daten als Grundlage der Politikgestaltung in der Türkei und der Politikgestaltung der Europäischen Union gegenüber der Türkei;

69. bedauert, dass sich die Türkei weiterhin der Mitgliedschaft Zyperns in internationalen Organisationen und Mechanismen, wie der OECD, der Missile-Technology-Control-Regime-Regelung, der Zusammenarbeit im Schwarzmeerraum und dem Abkommen von Wassenaar, widersetzt; fordert die Türkei auf, diese Politik gegenüber der Republik Zypern schnellstmöglich zu ändern;

70. betont die Notwendigkeit, den Dialog zwischen der Europäischen Union und der Türkei über Energiesicherheit zu intensivieren, da die Diversifizierung der Energieversorgungsrouten im Interesse beider Parteien liegt;

71. erwartet, dass im Sinne seiner früheren Entschließungen und der vom Rat und der Kommission eingenommenen Position die in der Beitrittspartnerschaft festgelegten kurzfristigen Prioritäten vor Ablauf des Jahres 2007 und die mittelfristigen Prioritäten vor Ablauf des Jahres 2009 umgesetzt sind; betont die Tatsache, dass der vollständigen Umsetzung der politischen Kriterien in der ersten Verhandlungsphase Vorrang eingeräumt werden sollte und dass die Erreichung dieser klaren Ziele Voraussetzung für eine Fortführung des Verhandlungsprozesses ist;

72. begrüßt den Vorschlag des EU-Vorsitzes, die politischen Kriterien während des gesamten Verhandlungsprozesses zu behandeln, angefangen mit dem Kapitel "Bildung und Kultur"; bedauert zutiefst, dass zu diesem Vorschlag kein Konsens erreicht wurde und dass die politischen Kriterien deshalb nur während der Verhandlungen über bestimmte Politikbereiche behandelt werden; hebt hervor, dass dadurch die Notwendigkeit steigt, die vereinbarten Bedingungen für die Erreichung der kurz- und mittelfristigen Prioritäten in der Beitrittspartnerschaft (vor Ablauf des Jahres 2007 bzw. 2009) einzuhalten, um die erforderlichen politischen Reformen und die Glaubwürdigkeit des Beitrittsprozesses als solchen zu sichern;

73. betont, dass es im eigenen Interesse der Türkei und zur Aufrechterhaltung des Vertrauens in die Unumkehrbarkeit des Reformprozesses wichtig ist, dass die Reformen innerhalb des Landes durch die zivilen und militärischen Behörden selbst sowie durch die Zivilgesellschaft neuen Auftrieb erhalten und nicht bloß Ergebnis des Drucks von außerhalb der Türkei sind;

74. hält es für gleich wichtig, dass die türkische Regierung größere Anstrengungen unternimmt, der Öffentlichkeit zu erklären, dass der Prozess des Beitritts der Türkei zur Union einen anhaltenden Reformprozess in der Türkei bedingt, bei dem der Maßstab für den Erfolg nicht die Erfüllung bestimmter Einzelmaßnahmen ist, sondern die Erreichung eines europäischen Standards im Hinblick auf Demokratisierung und politische Liberalisierung, damit nicht bloß bestimmte Praktiken, sondern öffentliche und offizielle Denkweisen geändert werden;

75. nimmt die Absicht der türkischen Regierung zur Kenntnis, weiterhin Kernreaktoren zur Erzeugung von Kernenergie für zivile Zwecke zu bauen; fordert die türkische Regierung nachdrücklich auf, sich im Bereich der Sicherheit der Reaktoren sowie des Umweltschutzes zur vollständigen Einhaltung der Auflagen und Bedingungen der Internationalen Atomenergieorganisation und zur engen Zusammenarbeit mit ihr zu verpflichten; fordert die Kommission in diesem Rahmen auf, die Umsetzung des gemeinschaftlichen Besitzstandes während der Beitrittsverhandlungen streng zu überwachen;

76. betont, dass die Aufnahme der Verhandlungen Ausgangspunkt für einen lang andauernden Prozess ist, der aufgrund seiner Natur ein Prozess mit offenem Ausgang ist und nicht a priori und automatisch zum Beitritt führt; betont allerdings, dass das Ziel der Verhandlungen die türkische EU-Mitgliedschaft ist, aber dass die Erfüllung dieses Anspruchs von den Anstrengungen beider Seiten abhängen wird;

77. erinnert erneut daran, dass die Kommission bei einem schwerwiegenden und dauerhaften Verstoß gegen die Grundsätze der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie gegen die Grundsätze des Völkerrechts dem Rat die Aussetzung der Verhandlungen empfehlen könnte, der dann mit qualifizierter Mehrheit entscheiden würde;

78. ist der Ansicht, dass ungeachtet dessen, ob die Verhandlungen zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden oder nicht, durch die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei gewährleistet sein muss, dass die Türkei fest in den europäischen Strukturen verankert bleibt;

79. weist darauf hin, dass die Fähigkeit der Europäischen Union, die Türkei aufzunehmen und gleichzeitig die Integrationsdynamik beizubehalten, eine wichtige Erwägung im allgemeinen Interesse der Europäischen Union wie auch der Türkei ist; bedauert, dass die Kommission 2005 nicht in der Lage war, eine Weiterbehandlung der Untersuchung der Auswirkungen des Beitritts der Türkei vorzulegen; fordert, dass ihm 2006 die Weiterbehandlung der Untersuchung der Auswirkungen vorgelegt wird; misst der Tatsache überragende Bedeutung bei, dass die Europäische Union die institutionellen und finanziellen Vorbedingungen rechtzeitig für den Beitritt der Türkei erfüllt; erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass der Vertrag von Nizza keine akzeptable Grundlage für weitere Entscheidungen über den Beitritt weiterer neuer Mitgliedstaaten ist, und besteht deshalb darauf, dass die notwendigen Reformen innerhalb des Rahmens des konstitutionellen Prozesses durchgeführt werden; erinnert daran, dass die Auswirkungen des Beitritts der Türkei auf den Haushalt nur im Rahmen des Finanzrahmens ab 2014 in vollem Umfang eingeschätzt werden können; erwartet insofern mit Interesse den Bericht über die Aufnahmekapazität der Union, den die Kommission dem Europäischen Rat vor Dezember 2006 vorzulegen hat;

80. betont, dass es, anders als bei früheren Verhandlungen, im Fall der Türkei notwendig wäre, die europäische Öffentlichkeit ständig und genau über die Verhandlungen selbst und die entsprechenden Fortschritte der Türkei zu unterrichten;

*

* *

81. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Generalsekretär des Europarats und dem Präsidenten des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sowie der Regierung und dem Parlament der Türkei zu übermitteln.

[1] ABl. C 227 E vom 21.9.2006, S. 163.

[2] Angenommene Texte, P6_TA(2006)0096.

[3] ABl. C 226 E vom 15.9.2005, S. 189.

[4] ABl. C 157 E vom 6.7.2006, S. 385.

[5] ABl. L 22 vom 26.1.2006, S. 34.

[6] ABl. L 65 vom 7.3.2006, S. 5.

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