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Document 52002IE1363

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Wirtschaftliches Regieren in der EU"

ABl. C 85 vom 8.4.2003, p. 55–64 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

52002IE1363

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Wirtschaftliches Regieren in der EU"

Amtsblatt Nr. C 085 vom 08/04/2003 S. 0055 - 0064


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Wirtschaftliches Regieren in der EU"

(2003/C 85/16)

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 18. Juli 2002 gemäß Artikel 23 Absatz 3 seiner Geschäftsordnung, eine Stellungnahme zu dem vorgenannten Thema zu erarbeiten.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 26. November 2002 an. Die Berichterstatterinnen waren zunächst Frau Konitzer und dann Frau Florio.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 395. Plenartagung am 11. und 12. Dezember 2002 (Sitzung vom 12. Dezember) mit 69 gegen 13 Stimmen und 16 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme.

1. Vorbemerkung

1.1. Durch die Einheitliche Akte (1986) und durch die Verträge von Maastricht (1992) und Amsterdam (1997) hat sich die Tätigkeit der Gemeinschaft bzw. der Europäischen Union erheblich ausgeweitet. Die Europäische Union bleibt jedoch weiterhin ein Gebilde "sui generis" in dem es keine Regierung gibt, die für die klassische Form des staatlichen Handels zuständig wäre. Auf der Grundlage der Verträge und gestützt auf eine Vielzahl unterschiedlicher Vereinbarungen zwischen den Organen der Gemeinschaft, den Mitgliedstaaten, und unter Mitwirkung von unterschiedlichen Institutionen, Organisationen und auch Unternehmen hat sich eine gemeinschaftsspezifische Form des Regierens (Governance) herausgebildet.

1.2. "Der EWSA ist auf europäischer Ebene das institutionelle Forum zur Anhörung, Vertretung, Information und Artikulation der Belange der organisierten Zivilgesellschaft. Er ist das Gremium, das es den Vertretern der wirtschaftlichen, sozialen und bürgerschaftlichen Organisationen der Mitgliedstaaten ermöglicht, integrierender Bestandteil des Prozesses der Politikgestaltung und Entscheidungsfindung auf Gemeinschaftsebene zu sein"(1). Der Ausschuss nimmt daher ganz selbstverständlich an der Debatte teil, wie, im Rahmen des Verfassungskonvents und im Hinblick auf die spätere Regierungskonferenz und die Erweiterung der Gemeinschaft, das "Regieren" in der Europäischen Union verbessert werden kann. (Vgl. die Entschließung des EWSA an die Adresse des Europäischen Konvents - CES 1003/2002).

1.3. Auch im Bereich des "Wirtschaftlichen Regierens" (Economic Governance) in der Gemeinschaft - das nicht mit "Wirtschaftsregierung" verwechselt werden sollte - hält es der EWSA für erforderlich, eine eigene Stellungnahme abzugeben. Der Erfolg des "Wirtschaftlichen Regierens" in der Gemeinschaft ist entscheidend für die Verwirklichung der Ziele der Union. Als eine im Bereich der wirtschaftlichen und sozialen Fragen besonders sachverständige Gemeinschaftsinstitution, die aufgrund ihrer Zusammensetzung auch eine Mittlerrolle zwischen den verschiedenen Interessengruppen spielen kann, hält es der EWSA für angebracht, mit dieser Stellungnahme seinen Beitrag zu der schwierigen Frage, wie das "Wirtschaftliche Regieren" in der Gemeinschaft verbessert werden kann, zu leisten.

1.4. Mit dieser Stellungnahme konkretisiert der EWSA - so wie er es sich in seiner Entschließung vom 19.9.2002 vorbehalten hatte - die allgemeinen Grundgedanken im Bereich der Wirtschaftspolitik, die er in dieser Entschließung formuliert hatte. Es handelt sich im Wesentlichen um folgende Punkte:

1.4.1. Die Koordinierung der Wirtschaftspolitik soll zu einer bestmöglichen Ausschöpfung des in der Union vorhandenen Wachstums- und Beschäftigungspotenzials beitragen.

1.4.2. Das Vorschlagerecht der Kommission und die obligatorische Anhörung des EWSA bei der Ausarbeitung der Grundzüge der Wirtschaftspolitik soll wieder hergestellt werden.

1.4.3. Das Ziel der Vollbeschäftigung sollte im Verfassungsvertrag ausdrücklich als eines der Ziele der Union genannt werden und im Vertrag dargelegt werden, dass die Wirtschafts- und Geldpolitik zur Verwirklichung des Ziels von Wachstum und Vollbeschäftigung beitragen muss.

1.4.4. Die Union muss sich mit den für die Umsetzung der Lissabonner Strategie notwendigen Instrumente ausstatten. Hierzu gehört auch der abgestimmte Einsatz der makroökonomischen Politik und der Strukturpolitik sowie ein eingehender Dialog zwischen den Akteuren der makroökonomischen Politik.

1.4.5. Im Verfassungsvertrag sollte auch ein Verweis auf die Erbringung von Diensten von allgemeinem Interesse enthalten sein. Er sollte weiterhin eine bessere Rechtsgrundlage für die Ausgestaltung der Koordination und die Einbeziehung der Sozialpartner und der sonstigen betroffenen Akteure der Zivilgesellschaft enthalten. Die Beschlussfassung auf Unionsebene muss die Grundsätze der Solidarität, der Transparenz, der Kohärenz, der Subsidiarität, der Verhältnismäßigkeit und der Offenheit beachten.

2. Ursprünge der Debatte

2.1. Die Debatte, wie das wirtschaftliche Regieren im Rahmen der europäischen Integration organisiert werden soll, ist so alt wie die Römischen Verträge (1957). Dort werden im Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) gemeinsame Politiken, z. B. für Zölle, Außenhandel, Verkehr, Landwirtschaft, Wettbewerb, etc. geschaffen. Die allgemeine Wirtschaftspolitik wird jedoch nur als "eine Angelegenheit von gemeinsamen Interesse" betrachtet, wobei die Mitgliedstaaten ihre Wirtschaftspolitik auf Vorschlag (Artikel 103) bzw. auf Empfehlung der Kommission (Artikel 105) im Rat (Artikel 145) koordinieren.

2.2. Schon bald wurden diese wenigen Bestimmungen des Vertrags ergänzt durch informelle Absprachen, durch Schlussfolgerungen des Europäischen Rates und durch Entschließungen des Ministerrates, sowie als sekundäre Gesetzgebung in Form von Verordnungen, Entscheidungen und Richtlinien des Ministerrates auf Grundlage des bestehenden Vertrages, bzw. in einigen Fällen(2) durch Änderung des Vertrags (Artikel 236 des EWG-Vertrags) selbst.

2.2.1. Entsprechend den Regeln des Vertrags erfolgte die sekundäre Gesetzgebung auf Vorschlag (in einigen Fällen auch auf Empfehlung) der Kommission, meist nach Stellungnahme des Parlaments (bzw. Mitwirkung des Parlaments nach den Regeln des Artikels 252 (ex. 189 c) des EG-Vertrags). In vielen Fällen wurde auch die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) eingeholt.

2.2.2. Wichtige Etappen bei der Organisation des "Wirtschaftlichen Regierens" in der EU waren die Ratsentscheidungen zur Organisation bzw. Einsetzung beratender Ausschüsse:

- 18.3.1958: Satzung des Währungsausschusses(3);

- 9.3.1960: Ausschuss für Konjunkturpolitik(4);

- 15.4.1964: Ausschuss für mittelfristige Wirtschaftspolitik(5);

- 8.5.1964: Ausschuss für Haushaltspolitik(6).

2.3. Der "Werner-Plan"

2.3.1. Ein neuer starker Impuls ergab sich nach den Wechselkursänderungen des Jahres 1969 (Frankreich und Deutschland) durch die Entstehung des Plans, eine Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) zu schaffen (Brandt, Pompidou, Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Den Haag vom 1. und 2. Dezember 1969). In diesem Zusammenhang machte sich der Rat am 8. und 9. Juli 1970 die Schlussfolgerung des "Werner-Berichts" zur Schaffung einer EWWU zu eigen. Darin heißt es u. a.: "Die WWU bedeutet, dass die wichtigsten wirtschaftspolitischen Entscheidungen auf Gemeinschaftsebene getroffen werden und dass infolgedessen die erforderlichen Befugnisse von nationaler Ebene auf die Ebene der Gemeinschaft übertragen werden. Ihren Abschluss kann sie in der Einführung einer einheitlichen Währung finden, welche die Unwiderruflichkeit des Prozesses gewährleistet."

2.3.2. Dieser Ansatz des Werner-Plans führte zu einer Verstärkung der Koordinationsprozeduren im wirtschaftspolitischen Bereich:

- Zusammenlegung der Ausschüsse für Konjunkturpolitik, für mittelfristige Wirtschaftspolitik und für Haushaltspolitik in einem Ausschuss für Wirtschaftspolitik (Ratsentscheidung Nr. 122/74/EWG vom 18.2.1974);

- Richtlinie des Rates vom 18.2.1974 über die Stabilität, das Wachstum und die Vollbeschäftigung in der Gemeinschaft (74/121/EWG);

- Konvergenzentscheidung des Rates vom 18.2.1974 (120/74/EWG).

2.3.3. Im Rahmen dieses Regelwerks wurden auf Vorschlag der Kommission und nach Stellungnahme von Parlament und EWSA durch den Rat mit qualifizierter Mehrheit mittel- und kurzfristige wirtschaftspolitische Leitlinien festgelegt. Im Bereich der Haushaltspolitik wurden (vertraulich) "quantitative Orientierungsdaten" für die Staatshaushalte der Mitgliedstaaten beschlossen.

2.3.4. Der Erfolg dieser verhältnismäßig strengen Koordinierungsprozedur wurde jedoch stark beeinträchtigt durch die internationalen und innergemeinschaftlichen Währungsturbulenzen der 70er Jahre, die durch den Zusammenbruch des Währungssystems von Bretton-Woods und durch den ersten Ölschock ausgelöst worden waren. Hinzu kamen mangelnde Fortschritte im Bereich der geld- und währungspolitischen Zusammenarbeit, sowie erheblich divergierende wirtschaftspolitische Konzeptionen in verschiedenen Mitgliedstaaten. Dies alles führte schließlich zum Scheitern des ersten Versuchs, eine EWWU zu errichten. Eine lange Periode hoher Inflation, unzureichenden Wachstums und steigender Unterbeschäftigung folgte auf diesen Misserfolg.

2.4. Das Europäische Währungssystem

2.4.1. Erst die Schaffung des Europäischen Währungssystems aufgrund der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Bremen vom 6. und 7. Juli 1978 (H. Schmidt, V. Giscard d'Estaing), der Entschließung des Europäischen Rates von Brüssel am 5. Dezember 1978 und des Abkommens vom 13. März 1979 zwischen den Zentralbanken der Mitgliedstaaten brachte - auf relativ informelle Weise - Fortschritte in der geld- und währungspolitischen Zusammenarbeit in der Gemeinschaft.

2.4.2. Die zahlreichen Wechselkursänderungen innerhalb des EWS (Réalignements) im Laufe der 80er Jahre machten die weiterhin bestehenden Divergenzen im Bereich der Währungs- und Wirtschaftspolitik deutlich. Sie waren jedoch auch Anlass, die wirtschaftspolitischen Konzeptionen der Mitgliedstaaten einander anzunähern und die Notwendigkeit einer gemeinsamen, institutionalisierten Geldpolitik besser zu verstehen. Ein weiterer, entscheidender Fortschritt war die Schaffung der Grundlagen für den Binnenmarkt durch die Einheitliche Europäische Akte von 1987, die auch das Ziel der EWWU zum ersten Mal im Vertrag verankerte.

2.5. Der Vertrag von Maastricht

2.5.1. Die politischen Ereignisse der Jahre 1988-1990 (einschließlich der Perspektive der deutschen Vereinigung) machten es - nach den oben skizzierten Erfahrungen, Fehlschlägen und Fortschritten - möglich, das Projekt einer echten europäischen Wahrungsunion mit zentralisierter Geldpolitik, Europäischer Zentralbank und einheitlicher Währung wieder aufzugreifen. Die wichtigsten Etappen auf diesem Weg waren: die Europäischen Räte von Hannover (Juni 1988), Straßburg (Dezember 1989) (H. Kohl, F. Mitterand), der Bericht des Delors-Ausschusses (Juni 1989) und schließlich der Vertrag von Maastricht, der am 7.2.1992 unterzeichnet wurde.

2.5.2. Die Bestimmungen des Vertrags von Maastricht, der am 1.11.1993 in Kraft trat und der politische Wille, in den meisten Mitgliedstaaten der EU, an der europäischen Währungsunion teilzunehmen, erlaubten Fortschritte bei der nominalen Konvergenz (Maastricht-Kriterien) und vor allem im Bereich der Preisstabilität, so dass es möglich wurde, die Währungsunion zum 1.1.1999 für zunächst 11 Länder zu vollenden und den Euro als Umlaufwährung am 1.1.2002 für inzwischen 12 Länder einzuführen. Gleichzeitig wurden jedoch bei der Ausarbeitung des Maastricht-Vertrages die relativ strengen Koordinierungsprozeduren, die in Folge des Werner-Plans beschlossen worden waren, (vergleiche z. B. die Ratsbeschlüsse vom 18.2.1974) fallen gelassen. Jedoch gelten im Bereich der Haushaltspolitik die Bestimmungen der Artikel 101 bis 104 (Konsolidierter Vertrag), die zusammen mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt (sekundäre Gesetzgebung) gewährleisten sollen, dass die nationalen Haushaltspolitiken die stabilitätsorientierte Geldpolitik (Art. 105) in der Währungsunion nicht beeinträchtigen. Diese Vorschriften besagen jedoch noch nichts darüber, wie die (sanierte) Haushaltspolitik als Instrument der allgemeinen Wirtschaftspolitik eingesetzt werden kann bzw. soll.

2.5.3. Im Bereich der Koordinierungsprozeduren für die allgemeine Wirtschaftspolitik im Rahmen der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung bleibt der Maastricht-Vertrag deutlich hinter den früheren Prozeduren zurück. Trotz der Währungsunion bleibt die Zuständigkeit für die allgemeine Wirtschaftspolitik - im Gegensatz zum Werner-Plan und zu den Schlussfolgerungen des Rates vom 8. und 9. Juli 1970 - grundsätzlich auf nationaler Ebene. Die Vertretung des gemeinsamen Interesses ist äußerst schwach ausgeprägt: die Kommission hat kein Vorschlagsrecht, weder bei der Erstellung, noch bei der Überwachung der Umsetzung der "Grundzüge der Wirtschaftspolitik" (Art. 99); obwohl Mehrheitsentscheidungen des Rates vorgesehen sind, wird das Parlament lediglich über die Beschlüsse des Rates unterrichtet; im Gegensatz zur Konvergenzentscheidung vom 18.2.1974 (120/74/EWG) besteht keine Vorschrift, den EWSA zu konsultieren; auch die Sozialpartner sind nicht offiziell in den Prozess der Ausarbeitung der Grundzüge der Wirtschaftspolitik eingebunden [vgl. auch Punkt 2.1 "Die Philosophie des Vertrages von Maastricht" auf Seiten 4 und 5 der EWSA-Stellungnahme "Langfristige Koordinierung der Wirtschaftspolitiken"(7).

2.5.4. Während im Werner-Plan die gemeinsame Währung gewissermaßen als Krönung der Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion gedacht war, hat sich nunmehr eine Situation ergeben, in der Zollunion, Binnenmarkt und Währungsunion existieren, wobei jedoch im Bereich der allgemeinen Wirtschaftspolitik deutlich weniger strengere Koordinierungsprozeduren gelten, als es in der ersten und der geplanten zweiten Phase des Werner-Plans der Fall war.

3. Warum muss und wie kann das "Wirtschaftliche Regieren" in der EU in Zukunft verbessert werden?

3.1. Die europäische Währungsunion hat es verhindert, dass es im Zusammenhang mit der Wachstumsverlangsamung 2001/2002 und den internationalen Krisen der letzten beiden Jahre (einschließlich der Folgen des 11.9.2001) in Europa zu Währungsturbulenzen und zu fundamental divergierenden Wirtschaftspolitiken wie in den 70er, 80er und Anfang der 90er Jahre gekommen ist. Dies ist ein großer Erfolg!

3.2. Trotzdem hat sich die Forderung nach einer besseren Koordinierung der Wirtschaftspolitik in den letzten Jahren weiter entwickelt und erheblich verstärkt.

Auch der Europäische Rat von Barcelona ist in Punkt 7 seiner Schlussfolgerungen auf diese Notwendigkeit eingegangen: (1) bessere Statistiken für die Euro-Zone, (2) bessere Analyse des makroökonomischen "Policy-mix" (Zusammenspiel von Geldpolitik, Haushaltspolitiken und Lohnentwicklungen) und (3) Verbesserung der Koordinierungsprozeduren. Der EWSA hat in Punkt 1.4 seiner Stellungnahme "Langfristige Koordinierung der Wirtschaftspolitiken"(8) schon hierzu Stellung genommen und die Kommission aufgefordert, rechtzeitig umfassende Vorschläge vorzulegen.

3.3. Die Notwendigkeit, das "Wirtschaftliche Regieren" in der EU und der EWWU zu verbessern, ergibt sich im Wesentlichen aus folgenden Überlegungen:

3.3.1. Der Erfolg bei der Realisierung der Preisstabilität und der Währungsunion kontrastiert mit den chronisch unzureichenden Ergebnissen der Gemeinschaft im Bereich von Wachstum und Beschäftigung.

3.3.2. Die relative wirtschaftspolitische Abstinenz des Maastricht-Vertrages wurde in der Folge in verschiedener und nicht immer transparenter Weise gemildert. Es handelt sich hierbei nicht nur um die Einfügung des Beschäftigungstitels in den Vertrag (Art. 125-130), sondern auch z. B. um die Einführung der verschiedenen, mehr oder weniger strukturierten und transparenten "Prozesse" (Luxemburg, Cardiff, Köln), um ein nur schwer überschaubares Geflecht von Konsultationen und Arrangements über nicht obligatorische Stellungnahmen, um eine Stärkung der Rolle der Ausschüsse zu Lasten der Rolle der Kommission als Vertreterin des Gemeinschaftsinteresses, sowie um die Gründung der informellen Euro-Gruppe im Rat, die sich mit der Entwicklung des "Policy-mix" und der Koordination der Wirtschaftspolitik in der EWWU befasst, ohne vertragliche Entscheidungsbefugnis zu besitzen [vgl. Punkt 2.2 der Stellungnahme des EWSA über "Langfristige Koordinierung der Wirtschaftspolitiken"(9). All diese Initiativen machen den Bedarf an transparenter, kohärenter, effizienter und vertraglich legitimierter Regelung deutlich!

3.3.3. Es zeigt sich insbesondere immer deutlicher, dass die Währungsunion mit zentralisierter Geldpolitik in Europa einen neuen makroökonomischen Ansatz notwendig und möglich macht (vergleiche auch Punkt 7 der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Barcelona). Dies schließt vor allem das Zusammenspiel (Policy-mix) von Geldpolitik, Haushaltspolitik und Lohnentwicklung unter Beachtung der Autonomie der jeweiligen Akteure, aber auch unter Beachtung des Gemeinschaftsinteresses ein. Dies ist von großer Bedeutung für die Perspektiven von Wachstum und Beschäftigung (Bedeutung des makroökonomischen Dialoges).

3.3.4. Die Wahrnehmung des Gemeinschaftsinteresses auch in den übrigen Bereichen der Wirtschaftspolitik macht nicht eine übertriebene Zentralisierung der Wirtschaftspolitik erforderlich, jedoch erscheint eine neue Überlegung über die angemessene Kompetenzverteilung im Bereich der Wirtschaftspolitik zwischen den verschiedenen Ebenen der Mitgliedstaaten (Gemeinden, Regionen bzw. Länder und Zentral- bzw. Bundesstaat) und der Vertretung des Gemeinschaftsinteresses sinnvoll. [Dies ist ein fachlich schwieriges Thema. Deshalb sollte sehr bald eine hochrangige Expertengruppe nach dem Vorbild der Werner-Gruppe (1970) und der Delors-Gruppe (1988/1989) im Hinblick auf Konvent und die spätere Regierungskonferenz mit der Ausarbeitung von konkreten Vorschlägen beauftragt werden.]

3.3.5. Die Europäische Gemeinschaft muss auch im Bereich des "Wirtschaftlichen Regierens" fit gemacht werden für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Dies schließt ein:

a) Eine bessere Organisation des "Wirtschaftlichen Regierens" sollte in den nächsten 10 bis 15 Jahren einen wesentlichen Beitrag zur Rückkehr zur Vollbeschäftigung leisten (vgl. die Ziele von Lissabon) und damit die Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung des europäischen Sozialmodells, einschließlich der wesentlichen Elemente der gesellschaftlichen Daseinsvorsorge, wirtschaftlich absichern. Hierzu ist es notwendig, den abgestimmten Einsatz der makroökonomischen Politik und der mikroökonomischen Strukturpolitik sowie einen vertieften Dialog zwischen den Akteuren der makroökonomischen Politik besser und transparenter zu organisieren. Nur so können die Ziele von Lissabon erreicht werden.

b) Die Rückkehr zur Vollbeschäftigung unter diesen Bedingungen und natürlich denen einer nachhaltigen Entwicklung würde in den nächsten 10 bis 15 Jahren nicht nur die Schaffung von etwa 30 bis 35 Millionen neuen Arbeitsplätzen beinhalten - d. h. fast so viele wie es derzeit Erwerbstätige in Deutschland gibt - sondern würde auch das jährliche BIP der Gemeinschaft - über das Produktivitätswachstum hinaus - um einen Betrag erhöhen, der fast dem BIP Deutschlands und etwa zweimal dem BIP entspräche, das die Beitrittsländer (ohne Türkei) derzeit erwirtschaften. Man kann dies auch die interne Erweiterung der Gemeinschaft nennen! Die Realisierung einer solchen Entwicklung ist auch notwendig, damit die Länder der EU in der Lage sind, die demographischen Probleme, die sich später im 21. Jahrhundert stellen werden, besser zu bewältigen.

c) Bei der bevorstehenden Erweiterung der Gemeinschaft muss nicht nur die wirtschaftspolitische Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft erhalten werden, sondern die Erweiterung sollte auch mit einer Vertiefung im Bereich des Binnenmarktes und im wirtschaftspolitischen Bereich einhergehen. Weiterhin wird die geographische Erweiterung das BIP-Niveau der Gemeinschaft und das künftige Beschäftigungs- und Wachstumspotential der Gemeinschaft (vgl. das Beispiel Irlands) noch weiter erhöhen. Allerdings müssen die Risiken der Erweiterung berücksichtigt werden, der wirtschaftliche und soziale Zusammenhalt der Gemeinschaft muss im Übergang aufrechterhalten bleiben und die Währungsunion muss auch wirtschaftspolitisch handlungsfähig bleiben. Hierbei ist zu bedenken, dass nach der Erweiterung wahrscheinlich für eine gewisse Zeit die Zahl der Mitglieder der Gemeinschaft deutlich die Zahl der Mitglieder der Währungsunion überschreiten wird.

d) Durch die Verwirklichung der vorstehend aufgezeigten Perspektiven wird das wirtschaftliche und politische Gewicht der Gemeinschaft in der Welt noch signifikant gesteigert. Damit es voll zur Geltung gebracht werden kann, muss die Gemeinschaft in die Lage versetzt werden, nach außen auch (aber nicht nur) im wirtschaftlichen Bereich mit einer Stimme zu sprechen.

e) Der Ausschuss vertritt die Auffassung, dass aus den Überlegungen zur "Economic Governance" ein neues Modell hervorgehen muss, das auf einer abgestimmten wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung basiert; es muss insbesondere den vielfältigen und unterschiedlichen Bedürfnissen und Gegebenheiten der Unternehmen Rechnung tragen und im Einklang mit den Grundsätzen der Europäischen Charta für Kleinunternehmen stehen.

3.4. Eine positive Perspektive

3.4.1. Die vorstehend angestellten Überlegungen eröffnen eine Perspektive, in der die Gemeinschaft ihre Ziele von Freiheit und Frieden, von Wohlstand und sozialem Ausgleich, in einer nachhaltigen Weise und in freiwillig und gemeinsam ausgeübter Souveränität verwirklichen kann. Das wirtschaftliche, soziale und auch politische Modell der Gemeinschaft könnte somit beispielhaft für eine Welt werden, in der die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung ohne soziale Rückschläge genutzt werden können und in der sich gegenwärtige und künftige bedrohliche Hegemonien in friedliche Partnerschaftsbeziehungen verwandeln können.

3.4.2. Diese Perspektive - ein europäischer Traum! - beinhaltet nicht, dass regionale und nationale Eigenheiten und Zuständigkeiten einer Übermacht von Gemeinschaftsinstanzen geopfert werden müssen. Die ausgewogene Lösung liegt darin, dass das "Europäische Regieren" und damit auch das "Wirtschaftliche Regieren in der EU" das Subsidiaritätsprinzip in beiden Richtungen voll anwendet: Die Zuständigkeiten, die am besten von den unteren Ebenen ausgeübt werden, sollten auch dort verbleiben; allerdings sollten dann auch die Zuständigkeiten, die am besten - oder vielleicht sogar ausschließlich - von der oberen Ebene wahrgenommen werden können, auch dieser Ebene zugeordnet werden. Allerdings beinhaltet dies auch, dass der jeweils oberen Ebene die notwendige demokratische Legitimation zugestanden wird. Hier liegen große Herausforderungen für den europäischen Konvent und für die spätere Regierungskonferenz.

3.5. Die Zuordnung der Zuständigkeiten zu den einzelnen Ebenen und Akteuren des "Wirtschaftlichen Regierens" sollte sich auch in transparenten Konsultations- und Koordinationsprozeduren widerspiegeln. Sie umfassen z. B. die gegenseitige Information, um aus den besten Lösungen zu lernen ("best practice"), die obligatorische Konsultation betroffener Gruppen und Institutionen (z. B. EWSA), die Methode der offenen Koordination, der organisierte Dialog zwischen autonomen Akteuren (wobei der Vorsitz dem Vertreter des Gemeinschaftsinteresses zustehen sollte - z. B. makroökonomischer Dialog), die transparente Anwendung der "Gemeinschaftsprozedur" (Vorschlag der Kommission, Mehrheitsentscheidung des Rates unter Mitwirkung des Parlaments) bis hin zur klaren Zentralisierung der Entscheidung (z. B. Geldpolitik).

4. Konkrete Vorschläge

4.1. Es gibt eine Reihe von mehr oder weniger konkreten und umfassenden Vorschlägen, wie das "Wirtschaftliche Regieren" in der EU verbessert werden kann. In diesem Zusammenhang seien vor allem die Vorschläge der Kommission erwähnt:

- Mitteilung der Kommission vom 7.2.2001(10) über die Verstärkung der Koordination der Wirtschaftspolitiken innerhalb der Euro-Zone, die sich noch im Vorfeld der Vertragsänderung bewegt;

- Mitteilung der Kommission - Ein Projekt für die EU -(11), in der einige wichtige Vertragsänderungen vorgeschlagen werden.

Die Kommission hat weiterhin am 19.7.2002 beschlossen, eine Expertengruppe zum Thema "Economic Governance in einer erweiterten EU" einzuberufen; Weitere Vorschläge kommen von den beratenden Ausschüssen, der Europäischen Zentralbank, dem ECOFIN Rat, dem Europäischen Parlament [Entwurf vom 27.6.2002, vorläufig: 2002/2062(INI)].

4.2. Auch der EWSA hat schon in verschiedenen Stellungnahmen (vor allem "Beitrag des EWSA zu den Grundzügen der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft im Jahr 2002"(12) vom 20.3.2002 und "Langfristige Koordinierung der Wirtschaftspolitiken"(13) vom 29.5.2002) erste Vorschläge gemacht.

4.3. Bei den Vorschlägen, die der EWSA in der vorliegenden Stellungnahme(14) macht, ist er von folgenden Überlegungen ausgegangen:

- Gewisse Verbesserungen sind auch ohne Vertragsänderung möglich, allerdings muss Transparenz herrschen, und die demokratische Legitimation muss gewährleistet sein.

- In einer Reihe von Fällen erscheint jedoch eine Vertragsänderung unumgänglich.

- Das Instrument der sekundären Gesetzgebung durch Rat (und Parlament), auf Vorschlag der Kommission und nach Stellungnahme des EWSA (und des Parlaments - falls keine Mitentscheidung vorliegt) sollte in größerem Umfang genützt werden. Hierzu muss die vertragliche Basis erweitert werden (z. B. Artikel 99-5).

4.4. Im Vorfeld der Vertragsänderung macht der EWSA folgende Vorschläge:

4.4.1. Die Kommission sollte nicht nur einen Überblick über die bestehenden formellen und informellen Verfahren, "Prozesse" und Konsultationen im Zusammenhang mit der Konzipierung und Koordinierung der Wirtschaftspolitik auf Gemeinschaftsebene vorlegen(15) sondern auch eine kritische Bewertung im Hinblick auf ihre Vereinfachung und auf eine Verstärkung ihrer Effizienz vornehmen.

4.4.2. Die in der Mitteilung der Kommission vom 7. Februar 2001 über die "Verstärkte wirtschaftspolitische Koordinierung im Euro-Gebiet" enthaltenen Gedanken bezüglich einer Verbesserung der Koordination ohne Vertragsänderung sollten wieder aufgegriffen werden und im Kontext der möglichen Arbeiten des Konvents und einer wahrscheinlichen Vertragsrevision neu geprüft werden. Es handelt sich hierbei um Vorschläge, um den Inhalt der Koordination der Wirtschaftspolitik in der Euro-Zone zu verbessern, z. B. bessere Berücksichtigung des Zusammenspiels von Geldpolitik, Haushaltspolitik und Lohnentwicklung in der Euro-Zone (Policy-mix), Ausarbeitung einer Reihe von wirtschaftspolitischen Regeln, die die Glaubwürdigkeit und die Voraussehbarkeit der wirtschaftspolitischen Strategie in der Euro-Zone verbessern, Verbesserung des Dialogs zwischen den wirtschaftspolitisch Verantwortlichen, vorherige Information der Kommission und der übrigen Mitgliedstaaten über nationale wirtschaftspolitische Maßnahmen, die einen Einfluss auf die Euro-Zone haben können, usw.

4.4.3. Die Idee, nach dem Vorbild der "Werner-Gruppe" (1970) und der "Delors-Gruppe" (1989) eine hochrangige Expertengruppe zur Frage des "Wirtschaftlichen Regierens in der EU" einzuberufen, sollte im Hinblick auf die Arbeiten des Konvents und vor allem der künftigen Regierungskonferenz ernsthaft geprüft werden. In der Tat, ohne den fachlichen Rat und die Autorität der "Werner-Gruppe" und insbesondere der "Delors-Gruppe" wäre die EWWU nicht zu Stande gekommen. Allerdings ist die Organisation des "Wirtschaftlichen Regierens" in der EU und vor allem in der EWWU und die Frage der Kompetenzverteilung zwischen den verschiedenen Ebenen der Mitgliedstaaten (Gemeinden, Regionen bzw. Länder und Zentral- bzw. Bundesstaat) und der Vertretung des Gemeinschaftsinteresses weiterhin nicht optimal gelöst. Der Konvent und die spätere Regierungskonferenz könnten von einem mit hoher fachlicher Kompetenz und Autorität erteiltem Rat zu diesem schwierigen, aber für das Gemeinschaftsinteresse überaus wichtigen Thema nur Gewinn ziehen.

4.4.4. Die Bemühungen um eine breitere und fachlich kompetente öffentliche Debatte auch zu Fragen der laufenden Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft sollten verstärkt werden. Bis zu einem gewissen Grade kann dies erreicht werden durch obligatorische Stellungnahmen des EWSA und der Sozialpartner zu den wichtigen wirtschaftspolitischen Dokumenten der Gemeinschaft, wobei die Kommission gehalten sein sollte, diese Stellungnahmen öffentlich zu kommentieren. Darüber hinaus hat der EWSA in seiner Stellungnahme zur langfristigen Koordinierung der Wirtschaftspolitiken(16) vorgeschlagen, ein unabhängiges und europäisch zusammengesetztes Sachverständigengremium zur Begutachtung der wirtschaftlichen Entwicklung und der Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft einzusetzen, das in beratender Weise durch konstruktive Kritik und Vorschläge die Analyse und die öffentliche Diskussion stimuliert. Dieser Vorschlag zielt nicht darauf ab, ständig neue Gremien zu schaffen. Er soll vielmehr vermeiden helfen, dass sich die verschiedenen Gemeinschaftsinstitutionen konkurrierende Sachverständigenräte schaffen. Worauf es ankommt ist, dass die öffentliche Diskussion über wirtschaftspolitische Fragen in der Gemeinschaft und in der Währungsunion in kompetenter und unabhängiger Weise stimuliert wird. Ein solcher Sachverständigenrat könnte durch sekundäre Gesetzgebung geschaffen werden, sobald die Rechtsbasis des Artikels 99-5 entsprechend angepasst ist.

4.5. Im Bereich der Vertragsänderungen(17) macht der EWSA folgende Vorschläge:

4.5.1. Das Ziel der Vollbeschäftigung sollte in Artikel 2 explizit genannt werden, es sollte auch deutlicher zum Ausdruck gebracht werden, dass die Wirtschaftspolitik einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung des Beschäftigungs- und Wachstumsziel zu erbringen hat (Artikel 3, 4 und 98). Auch die gesellschaftliche Daseinsvorsorge sollte in den Zielkatalog des Artikels 2 mit aufgenommen werden, mit entsprechender Anpassung der Artikel 3, 4 und 16. Die Redaktion der Artikel 2, 3, 4 und 16 der "Konsolidierten Fassung des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft" könnte dann wie folgt ergänzt werden:

Artikel 2

Aufgabe der Gemeinschaft ist es, durch die ... in der ganzen Gemeinschaft eine harmonische, ausgewogene und nachhaltige Entwicklung des Wirtschaftslebens, die Realisierung einer hohen Erwerbstätigenquote, die dem Ziel der Vollbeschäftigung unter Beachtung einer angemessenen Qualität und der Würde der Arbeit entspricht, ein hohes Maß an sozialem Schutz und gesellschaftlicher Daseinsvorsorge die Gleichstellung von Männern und Frauen, ... zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern.

Artikel 3

(1) Die Tätigkeit der Gemeinschaft im Sinne des Artikels 2 umfasst nach Maßgabe dieses Vertrags und der darin vorgesehenen Zeitfolge.

In der folgenden Aufzählung von "a" bis "u" sollte ein neuer Punkt "hbis" eingefügt werden, der wie folgt lautet:

"hbis) die Ausarbeitung gemeinschaftlicher Leitlinien für die allgemeine Wirtschaftspolitik und im Stabilitätsrahmen der Währungsunion, unbeschadet der Vorschriften der Artikel 101 bis 105 und unter Beachtung der Autonomie der verschiedenen Akteure, insbesondere die Förderung eines besseren Zusammenspiels zwischen der Geldpolitik, den Haushaltspolitiken und den Lohnentwicklungen, um das Gemeinschaftsinteresse besser zu gewährleisten und um zur Verwirklichung der in Artikel 2 formulierten Ziele im Bereich von Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung beizutragen;"

Artikel 4

(1) unverändert - außer, dass der Begriff "offene Marktwirtschaft" durch "offene und soziale" Marktwirtschaft ersetzt wird.

(2) ... die Einführung einer einheitlichen Währung, des Euro, sowie die Festlegung ... die beide vorrangig das Ziel der Preisstabilität verfolgen und unbeschadet dieses Ziels die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft unterstützen soll, um zur Verwirklichung der in Artikel 2 festgelegten Ziele der Gemeinschaft beizutragen, (gleiche Formulierung wie in Artikel 105 benutzen!) dabei soll der Grundsatz einer offenen und sozialen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb beachtet werden.

(3) ... dauerhaft finanzierbare Zahlungsbilanz, damit die Wachstums- und Beschäftigungsziele des Artikels 2 dauerhaft und auf einer gesunden Grundlage verfolgt werden können.

Artikel 16

Dieser Artikel ist nicht sehr klar. Wenn er unverändert bleiben soll, könnte am Ende hinzugefügt werden: ... dass sie ihren Aufgaben nachkommen können. Dies gilt allgemein auch für öffentliche und private Einrichtungen und Unternehmen, die der gesellschaftlichen Daseinsvorsorge dienen.

4.5.2. Das Subsidiaritätsprinzip sollte symmetrischer formuliert werden. Artikel 5 könnte wie folgt lauten:

Artikel 5

Die Gemeinschaft wird innerhalb der Grenzen der ihr in diesem Vertrag zugewiesenen Befugnisse und gesetzten Ziele tätig. Hierbei gilt der folgende Grundsatz: Zuständigkeiten, die am besten von der lokalen, regionalen oder nationale Ebene ausgeübt werden, sollten auch auf diesen Ebenen verbleiben, Zuständigkeiten, die wirksamer oder ausschließlich von der Gemeinschaftsebene wahrgenommen werden können, sollten dieser Ebene übertragen werden, wobei die Regeln der demokratischen Legitimation und Kontrolle zu beachten sind.

In den Bereichen, die.... unverändert.

4.5.3. Was die Fragen der Steuerpolitik betrifft weist der EWSA auf seine neuesten Stellungnahmen hin "Steuerpolitik in der EU - Prioritäten für die nächsten Jahre"(18) und "Direktbesteuerung von Unternehmen"(19). Bezüglich des Problems der Einstimmigkeit könnte das im Vertrag von Nizza festgelegte Verfahren einer verstärkten Zusammenarbeit, das es einer Gruppe von Mitgliedstaaten ermöglichen würde, Pionierarbeit gemäß den Gemeinschaftsregeln zu leisten Für Artikel 93 des Vertrages könnte bezüglich der Einstimmigkeit auch eine Art "Fristenlösung" in Erwägung gezogen werden.

Artikel 93

Eine Änderung dieses Artikels wirft grundsätzliche Fragen auf, es wäre zu prüfen, ob dem Artikel folgender Satz hinzugefügt werden kann: ... gesetzten Frist notwendig ist. Kommt keine einstimmige Entscheidung zustande, obwohl die Kommission und das Parlament, mit Mehrheit, eine schwere Beeinträchtigung des Wettbewerbs, des Funktionieren des Binnenmarktes oder einen schädlichen Steuerwettbewerb festgestellt haben, so kann nach einer Frist von 3 Jahren nach dieser Feststellung und nach Anhörung des EWSA, der Rat gemäß dem Verfahren des Artikels 251 die notwendigen Maßnahmen beschließen.

4.5.4. In Artikel 98 sollte anerkannt werden, dass auch die Gemeinschaft eine Wirtschaftspolitik führt. Die Redaktion könnte wie folgt lauten:

Artikel 98

Die Mitgliedstaaten und die Gemeinschaft richten ihre Wirtschaftspolitik so aus, dass sie im Rahmen der in Artikel 99 Absatz 2 genannten Grundzüge zur Verwirklichung der Ziele der Gemeinschaft im Sinne des Artikels 2 beitragen. Die Mitgliedstaaten und die Gemeinschaft handeln im Einklang mit dem Grundsatz einer offenen und sozialen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb ...

4.5.5. Im Bereich des Artikels 99 sollte eine weitgehende Neuredaktion erfolgen, wobei folgende Aspekte berücksichtigt werden sollten:

a) Die Kommission sollte im Rahmen der Koordination der Wirtschaftspolitik ausdrücklich das Gemeinschaftsinteresse vertreten, sie sollte auch die wirtschaftspolitische Außenvertretung der Gemeinschaft und der Währungsunion wahrnehmen.

b) Die Rolle des Parlaments und des EWSA sollte explizit definiert werden.

c) Die Prozedur zur Ausarbeitung der Grundzüge der Wirtschaftspolitik sollte in Analogie zur Ausarbeitung der Beschäftigungsleitlinien (Artikel 128) einschließlich des Vorschlagsrechts der Kommission definiert werden.

d) Bei der Überwachung der Umsetzung der Grundzüge der Wirtschaftspolitik sollten die Rolle des Statistischen Amtes der Gemeinschaft sowie die verschiedenen Koordinationsverfahren erwähnt werden.

e) Ein Euro-Ecofin sollte für eine Übergangperiode institutionalisiert werden, die Bedeutung des Zusammenspiels von Haushaltspolitik, Lohnentwicklung und Geldpolitik (Policy-mix) für die Verwirklichung der Wachstums- und Beschäftigungsziele des Artikel 2 sollte ausdrücklich hervorgehoben werden und der Makroökonomische Dialog sollte institutionalisiert werden.

f) Bei Abweichungen von den Grundzügen der Wirtschaftspolitik sollte die Kommission eine Frühwarnung aussprechen können und der Rat eine förmliche Empfehlung geben können; gegebenenfalls sollten auch die Grundzüge der Wirtschaftspolitik aktualisiert werden können.

g) Die Rechtsgrundlage für die sekundäre Gesetzgebung im Bereich der Koordination der Wirtschaftspolitik sollte so gefasst werden, dass neue wirtschaftspolitische Aspekte und Einzelheiten der Koordinationsverfahren etc. in transparenter Weise über eine sekundäre Gesetzgebung geregelt werden können, ohne dass jedes Mal entweder der Vertrag geändert werden muss, oder dass stattdessen informelle und nicht transparente Verfahren und "Prozesse" entwickelt werden.

Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen sollte der Artikel 99 wie folgt revidiert werden:

Artikel 99

99(1) Die Mitgliedstaaten betrachten ihre Wirtschaftspolitik als eine Angelegenheit von gemeinsamem Interesse. Die Koordination der Wirtschaftspolitik erfolgt im Rat, wobei die Kommission das wirtschaftspolitische Interesse der Gemeinschaft insgesamt und das der Währungsunion vertritt (vgl. Art 213). Die Gemeinschaft insgesamt und die Währungsunion werden in wirtschaftspolitischen Fragen von der Kommission nach außen vertreten. Das Parlament, soweit der Vertrag nicht das Verfahren nach Artikel 252 vorschreibt, und der Wirtschafts- und Sozialausschuss werden zu allen wichtigen wirtschaftspolitischen Fragen gehört.

99(2) Anhand eines Jahreswirtschaftsberichts der Kommission und unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Rates prüft der Europäische Rat jährlich die Wirtschaftslage und die Ausrichtung der Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft und nimmt hierzu Schlussfolgerungen an. (Analogie zu Artikel 128.)

In ihrem Jahreswirtschaftsbericht nimmt die Kommission auch Stellung zu dem jährlichen Gutachten des unabhängigen Europäischen Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in der Gemeinschaft, dessen Einrichtung aufgrund von Artikel 95-5 beschlossen wird.

99(2bis) Auf der Grundlage der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates beschließt der Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses eine Empfehlung, die die Grundzüge der Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten darlegt. Mindestens alle drei Jahre umfasst diese Empfehlung alle wichtigen Bereiche der Wirtschaftspolitik. Der Rat unterrichtet das Parlament über seine Empfehlung.

99(3) Erster Absatz unverändert außer letzter Halbsatz: ... und nimmt mindestens einmal jährlich, auf Vorschlag der Kommission, eine Gesamtbewertung vor.

Zweiter Absatz: am Ende wird folgender Satz hinzugefügt: Das Statistische Amt der europäischen Gemeinschaft erstellt die zu dieser Überwachung erforderlichen Statistiken; Einzelheiten hierzu werden aufgrund von Artikel 99-5 beschlossen.

99(3a) Entsprechend den Bedürfnissen der Koordination in den einzelnen Bereichen der Wirtschaftspolitik und der jeweiligen Notwendigkeit, das Gemeinschaftsinteresse zu berücksichtigen, können unterschiedliche Koordinationsverfahren unter Berücksichtigung der Erfordernisse der Transparenz aufgrund von Artikel 99-5 beschlossen werden.

99(3b) Solange noch nicht alle Mitglieder der Gemeinschaft an der Währungsunion teilnehmen, werden die die Währungsunion betreffenden wirtschaftspolitischen Fragen in einer besonderen Formation des Rates (Euro-Ecofin), der die Mitgliedsländer der Währungsunion umfasst, behandelt. Aufgrund von Berichten der Kommission und der EZB, die auch die außenwirtschaftliche Entwicklung berücksichtigen, erörtert der Euro-Ecofin regelmäßig und unbeschadet der Artikel 101 bis 105 sowie unter Beachtung der Autonomie der verschiedenen Akteure und unter Berücksichtigung der Grundsätze des Artikels 4-3, wie das Zusammenspiel zwischen der Geldpolitik, den Haushaltspolitiken und den Lohnentwicklungen verbessert werden kann, im Hinblick auf die Verwirklichung der in Artikel 2 formulierten Ziele im Bereich von Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung. Eventuelle Empfehlungen und sonstige Entscheidungen werden auf Vorschlag der Kommission vom Euro-Ecofin-Rates mit der qualifizierten Mehrheit seiner Mitglieder beschlossen. In grundsätzlichen Fragen werden das Parlament und der WSA gehört. Einzelheiten des Funktionierens des Euro-Ecofin-Rates werden aufgrund von Artikel 99-5 beschlossen.

99(3c) Mindestens zwei Mal im Jahr findet ein "Makroökonomischer Dialog" zwischen Rat, Kommission, EZB und den europäischen Sozialpartnern (vgl. Artikel 138 und 139) statt; je ein Vertreter des Parlaments und des WSA nimmt an diesen Sitzungen als Beobachter teil. Aufgrund von Berichten der Kommission und gegebenenfalls der EZB werden in diesem Dialog die Wirtschaftslage, die wirtschaftlichen Perspektiven und die das Interesse der Gemeinschaft insgesamt betreffenden Fragen der Wirtschaftspolitik erörtert; unbeschadet der Artikel 101 bis 105 sowie unter Beachtung der Autonomie der verschiedenen Akteure und unter Berücksichtigung der Grundsätze des Artikels 4-3 schließt dies auch die Verbesserung des Zusammenspiels zwischen der Geldpolitik, den Haushaltspolitiken und den Lohnentwicklungen ein im Hinblick auf die Verwirklichung der in Artikel 2 formulierten Ziele im Bereich von Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung.

Dieser Dialog soll nicht zu einer verbindlichen ex-ante Koordinierung der Haushalts-, Lohn-, und Geldpolitik führen, sondern die einzelnen Akteure und Gruppen von Akteuren der makroökonomischen Politik sollen sich gegenseitig - unter voller Respektierung ihrer Autonomie - über ihre Lageeinschätzung und ihre Handlungsabsichten informieren.

In diesem Dialog vertritt die Kommission das Gemeinschaftsinteresse. Die Sozialpartner können, wenn sie es wünschen, gemeinsame Stellungnahme in diesen Dialog einbringen; gemäß Artikel 138-1 unterstützt die Kommission diesen Dialog zwischen den Sozialpartnern.

Der makroökonomische Dialog findet auf technischer Ebene unter dem Vorsitz der Kommissionsdienststellen und auf politischer Ebene unter dem Vorsitz des Ratspräsidenten statt.

Weitere Einzelheiten werden entsprechend Artikel 99-5 beschlossen.

99(4) Erster Unterabsatz neu: Stellt die Kommission fest, dass die Gefahr besteht, dass die Wirtschaftspolitik eines Mitgliedstaates von den in Artikel 99 Absatz 2 genannten Grundzügen abweicht oder das ordnungsgemäße Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion zu gefährden droht, so übermittelt die Kommission dem betreffenden Mitgliedstaat und dem Rat eine Frühwarnung. Wird im Rahmen des Verfahrens nach Artikel 99-3, erster Absatz, festgestellt, dass diese Gefahr eingetreten ist oder höchstwahrscheinlich einzutreten droht, so richtet der Rat mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission die erforderlichen Empfehlungen an den betreffenden Mitgliedstaat. Diese Empfehlungen sind öffentlich.

99(4) Zweiter Unterabsatz neu: Wird im Rahmen des Verfahrens nach Artikel 99-3, erster Absatz, festgestellt, dass bestimmte allgemeine Teile der in Artikel 99 Absatz 2, genannten Grundzüge aufgrund der allgemeinen und/oder internationalen Wirtschaftsentwicklung neu formuliert werden müssen, so beschließt der Rat auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit die notwendige Anpassung der Empfehlung. Diese Empfehlung ist öffentlich.

99(4) Zweiter Unterabsatz alt wird dritter Unterabsatz neu: unverändert außer Streichung des letzten Halbsatzes: ...."wenn der Rat seine Empfehlung veröffentlicht hat".

99(5) Neue Formulierung: Auf Vorschlag der Kommission legt der Rat nach dem Verfahren des Artikels 252 die Einzelheiten der Koordinierungsverfahren fest, die in dem vorliegenden Artikel 99 angesprochen wurden.

4.5.6. Der Artikel 114 des Vertrags, der die Ablösung des alten Währungsausschusses durch den Wirtschafts- und Finanzausschuss regelt, und der dem Wirtschafts- und Finanzausschuss quasi die Funktion eines Ausschusses der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten (Artikel 207) im Bereich der Wirtschaftspolitik zuerkennt, der allerdings die Beziehungen zu dem Ausschuss für Wirtschaftspolitik (Entscheidung des Rates vom 18.4.1974: 122/74/EWG) und zu dem Beschäftigungsausschuss (Artikel 130) nicht regelt, sollte grundlegend überarbeitet werden. Damit die notwendige Transparenz hergestellt werden kann [und damit die Entstehung eines nicht transparenten und nicht kontrollierten Machtzentrums vermieden wird], sollte sich der Vertrag hier auf eine einfache Rahmenregelung beschränken und die Regelung der Detailvorschriften an eine sekundäre Gesetzgebung verweisen, die wie in Artikel 99-5 nach dem Verfahren des Artikels 252 erfolgen könnte.

Brüssel, den 12. Dezember 2002.

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Roger Briesch

(1) Entschließung an die Adresse des Europäischen Konvents.

(2) Insbesondere "Einheitliche Akte" (1986) zur Schaffung des einheitlichen Binnenmarktes und des Vertrages von Maastricht (1993) zur Schaffung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion.

(3) ABl. 17 vom 6.10.1958, S. 390.

(4) ABl. 31 vom 9.5.1960, S. 764.

(5) ABl. 64 vom 22.4.1964, S. 1031.

(6) ABl. 77 vom 21.5.1964, S. 1205.

(7) ABl. C 221 vom 17.9.2002, S. 67.

(8) ABl. C 221 vom 17.9.2002, S. 67.

(9) ABl. C 221 vom 17.9.2002, S. 67.

(10) KOM(2001) 82 endg.

(11) KOM(2002) 247 endg.

(12) ABl. C 125 vom 27.5.2002, S. 56.

(13) ABl. C 221 vom 17.9.2002, S. 67.

(14) Die folgende Liste von Vorschlägen ist von Punkt 4 der Stellungnahme des EWSA - "Langfristige Koordinierung der Wirtschaftspolitiken" vom 29.5.2002 - abgeleitet.

(15) Vgl. die in der Reihe "Euro Papers" als Nummer 45 veröffentlichte Studie "Co-ordination of economic policies in the EU: a presentation of key features of the main procedures".

(16) ABl. C 221 vom 17.9.2002, Punkt 4(ii).

(17) Zur "Konsolidierten Fassung des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft", ABl. C 340 vom 10.11.1997, S. 173-308.

(18) ABl. C 48 vom 21.2.2002, S. 73 (ECO/072).

(19) ABl. C 241 vom 7.10.2002, S. 75.

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