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Document 52002AE1370

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der "Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament Produktivität: Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Volkswirtschaften und Unternehmen" (KOM(2002) 262 endg.)

    ABl. C 85 vom 8.4.2003, p. 95–100 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

    52002AE1370

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der "Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament Produktivität: Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Volkswirtschaften und Unternehmen" (KOM(2002) 262 endg.)

    Amtsblatt Nr. C 085 vom 08/04/2003 S. 0095 - 0100


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der "Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament 'Produktivität: Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Volkswirtschaften und Unternehmen'"

    (KOM(2002) 262 endg.)

    (2003/C 85/22)

    Die Kommission beschloss am 24. Mai 2002 gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu der vorgenannten Mitteilung zu ersuchen.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 27. November 2002 an. Die Berichterstatter waren zunächst Herr Morgan und dann Frau Sirkeinen. Mitberichterstatter war Herr Ehnmark.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 395. Plenartagung am 11. und 12. Dezember 2002 (Sitzung vom 11. Dezember) mit 71 gegen 1 Stimme bei 7 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme.

    1. Zusammenfassung

    1.1. In ihrer Mitteilung(1) zeigt die Kommission in einem Überblick über die in der Lissabonner Strategie dargestellten Entwicklungen auf, dass das Produktivitätswachstum in der Europäischen Union unzureichend ist und gegenwärtig hinter dem Wachstum in den USA zurückbleibt. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss ist sich bewusst, dass die Europäische Union nur dann zur weltweit wettbewerbsstärksten Region aufsteigen kann, wenn sie über mehrere Jahre mit den USA vergleichbare Produktivitätszuwächse erreicht. Er begrüßt die Mitteilung der Kommission, da sie das Produktivitätsziel in einen größeren Zusammenhang stellt und es zu den besonderen Herausforderungen einer nachhaltigen Entwicklung in Beziehung setzt.

    1.2. Die Messung und Herleitung der Produktivität und verwandte Fragen gehören zu den "ungenauen" Wissenschaften, die viele Fragen offen lassen. Das gilt insbesondere, da die Produktivität von zahlreichen Faktoren mit einem potenziell komplexen Verhältnis zu ihrem Wachstum bestimmt wird. Auch wenn viele der wichtigen Faktoren in der Lissabonner Strategie genannt werden, möchte der Ausschuss die Debatte auf ein paar weitere wichtige Punkte, die die Produktivität beeinflussen, ausweiten.

    1.3. Der Ausschuss hat mehrere Schlüsselmaßnahmen zur Förderung des Produktivitätswachstums in der EU aufgezeigt und dabei betont, dass diese Maßnahmen einerseits mit dem Blick auf ein optimales Produktivitätswachstum entwickelt werden müssen, andererseits jedoch auch die drei Säulen der nachhaltigen Entwicklung und die sozialen und kulturellen Traditionen in Europa zu berücksichtigen sind. Die ins Auge gefassten Maßnahmen können unter fünf Schlagworten zusammengefasst werden:

    - F& E und Innovation,

    - Einführung neuer Technologien, insbesondere IKT (Informations- und Kommunikationstechnologien),

    - Entwicklung der Humanressourcen,

    - Management und Arbeitsorganisation sowie,

    - Marktfragen.

    1.4. Produktivität und Produktivitätswachstum resultieren vor allem aus Entscheidungen und Entwicklungen auf Unternehmensebene. Dass solche Entscheidungen und Entwicklungen erfolgen, sollte mit allen Mitteln und auf allen Ebenen - von Einzelpersonen, im Unternehmen, auf kommunaler, einzelstaatlicher und Gemeinschaftsebene - gefördert und unterstützt werden. Ein gesunder Wettbewerb am Markt bildet den lebensnotwendigen Rahmen für ein hohes Produktivitätswachstum.

    1.5. Der Ausschuss wendet sich mit mehreren Empfehlungen an die Entscheidungsträger in der Europäischen Union und an die Sozialpartner. Der wichtigste Schritt auf dem Weg zu einem verbesserten Produktivitätswachstum in der EU ist die vollständige Umsetzung der Lissabonner Strategie. Daneben empfiehlt der Ausschuss

    - der Kommission, die in der Mitteilung skizzierte Lagebeurteilung zu verfeinern und die Produktivitätsentwicklungen im Rahmen der jährlichen Bewertung zur Lissabonner Strategie zu überprüfen,

    - der Kommission, die Auswirkungen der Erweiterung auf die Produktivität in der Gemeinschaft schnellstmöglich zu untersuchen und Verfahren zur Weiterverbreitung der Kenntnisse über bewährte Praktiken zur Steigerung der Produktivität einzuführen,

    - den Mitgliedstaaten die Weiterentwicklung des Luxemburg-Prozesses zur Förderung einer aktiven Beschäftigungspolitik,

    - den Sozialpartnern auf allen betroffenen Ebenen, zur Ankurbelung der Produktivität Maßnahmen zu entwickeln und den Abschluss von Übereinkünften zu erwägen sowie die bestehenden Übereinkünfte über die Aus- und Fortbildung fortzuschreiben,

    - den EU-Institutionen, die zentrale Bedeutung der Vereinfachung des Regelungsumfelds für eine höhere Produktivität nicht aus den Augen zu verlieren.

    1.6. Angesichts der Bedeutung der Produktivität für die Wettbewerbsfähigkeit, das Wirtschaftswachstum, die Beschäftigung und die nachhaltige Entwicklung im Allgemeinen wird der Ausschuss künftig hierauf seine besondere Aufmerksamkeit richten, unter anderem mit der Veranstaltung einer zweijährlichen Konferenz, die sich mit den Fortschritten der Lissabonner Strategie auch unter dem Gesichtspunkt der Produktivität befasst.

    2. Die Bedeutung der Produktivität vor dem Hintergrund der Lissabonner Strategie

    2.1. Die Lissabonner Strategie setzt ein sehr ehrgeiziges Ziel für die wirtschaftliche, industrielle, soziale und umweltpolitische Entwicklung der Europäischen Union. Die Hauptaussage, dass die Union zur Region mit der weltweit höchsten Wettbewerbsfähigkeit werden soll, hat viele in ihren Bann gezogen. Bereits nach zwei Jahren wird indes sehr deutlich, dass der Prozess nicht wie erhofft voranschreitet. In mehreren Bereichen sind die für das Erreichen der Zielsetzung von Lissabon notwendigen Maßnahmen bei weitem nicht ausreichend vorangeschritten bzw. umgesetzt.

    2.2. Die Zielsetzungen von Lissabon werden in Relation zur Wettbewerbsfähigkeit anderer Länder formuliert. Damit wird die Beantwortung der Frage, welche Maßnahmen notwendig werden, um die Gemeinschaft bis zum Jahr 2010 zur weltweit wettbewerbsfähigsten Region zu machen, von der Entwicklung in anderen Ländern beeinflusst.

    2.3. Wettbewerbsfähigkeit geht insbesondere mit Produktivität einher, dennoch handelt es sich dabei um zwei unterschiedliche Bereiche. Während der Begriff Produktivität klar definiert ist, bestehen bei der Wettbewerbsfähigkeit, die weiter gefasst ist, verschiedene Auslegungsmöglichkeiten. Wettbewerbsfähigkeit kann als das Ergebnis des Zusammenwirkens von durch Produktivitätswachstum erzielten wettbewerbsfähigen Preisen und kostenfremden Wettbewerbsfaktoren verstanden werden. Produktivitätswachstum entsteht aus einem erhöhten Produktionsergebnis bei gleicher Einsatzmenge an Arbeitsleistung, Kapital und anderen Ressourcen. Wirtschaftswachstum basiert, wie von der Kommission dargelegt, auf der Akkumulation von Human- und Sachkapital, dem Wachstum des Arbeitskräfteangebots und der Effizienz des Einsatzes dieser Faktoren.

    2.4. Der Frage der Produktivität wurde im Laufe der 90er Jahre angesichts des überraschend lebhaften Produktivitätswachstums in den USA zunehmend Beachtung geschenkt. Wie es scheint, hat die Wirtschaft der USA die Wachstumsrate ihrer Produktivität über ein Jahrzehnt hinweg steigern können, während sie in der Europäischen Union ausgehend von einem bereits niedrigeren Wachstumsniveau seit 1996 rückläufig ist. Jüngsten Statistiken von November 2002 ist zu entnehmen, dass die Produktivität je Arbeitsstunde in den USA auch während der aktuellen wirtschaftlichen Abkühlung weiterhin steigt. Deshalb muss die Europäische Union entsprechende - und wenn möglich noch höhere Wachstumsraten erreichen, wenn sie am Ende dieses Jahrzehnts zur "wettbewerbsfähigsten Region in der Welt" werden soll. Dies ist wirklich eine gewaltige Herausforderung.

    2.5. Das Problem der Europäischen Union liegt gegenwärtig nicht nur in einem schwachen Produktivitätswachstum sondern auch in einer zu geringen Zahl geleisteter Arbeitsstunden. Angesichts der problematischen demographischen Entwicklung in der Europäischen Union besteht eine noch dringendere Notwendigkeit für ein starkes Produktivitätswachstum, um so Wirtschaftswachstum zu gewährleisten und eine nachhaltige Sozialfürsorge zu sichern.

    2.6. Andererseits kann und darf die Produktivität nicht ausschließlich unter dem Gesichtspunkt ihres Beitrags zum gesamtwirtschaftlichen Wachstum und zur Wettbewerbsfähigkeit betrachtet werden. Die Europäische Kommission hat jetzt eine Mitteilung zur Produktivität vorgelegt, in der sie sich deutlich dafür ausspricht, dass Produktivitätszuwächse in einem größeren Zusammenhang betrachtet werden. Diese trügen wesentlich zur Entwicklung einer europäischen Gesellschaft mit hohem Wirtschaftswachstum, anhaltendem Wohlstand für die Allgemeinheit, einem hohen Grad an sozialer Integration und einem Umweltschutz auf hohem Niveau bei.

    2.7. Das Bestreben der Kommission, die Aufmerksamkeit auf die Kernfrage Produktivität zu lenken und diese dabei in einen größeren Zusammenhang zu stellen, ist zu begrüßen. Diese Einschätzung wird auch dadurch nicht getrübt, dass eingehendere Empfehlungen in der Mitteilung fehlen.

    2.8. In der Lissabonner Strategie werden die Produktivitätsfragen nicht gesondert aufgegriffen, sondern in den Gesamtzusammenhang der Wettbewerbsfähigkeit gestellt. Dennoch werden die meisten Faktoren, die das Produktivitätswachstum bestimmen, darin aufgeführt und strategische Maßnahmen hierzu formuliert.

    2.9. Die vollständige Umsetzung der Lissabonner Strategie ist die Voraussetzung für eine ausreichende und nachhaltige Produktivitätssteigerung, für Wirtschaftswachstum sowie für mehr und bessere Arbeitsplätze.

    3. Unsicherheitsfaktoren bei der Produktivitätsmessung

    3.1. Zur Frage der Messung der Produktivität gibt es zahlreiche wissenschaftliche Studien. Sie wird gemessen als wirtschaftliches Ergebnis in Relation zu mehreren Einsatzfaktoren - Arbeitskraft, Kapital und andere Ressourcen. Die USA weisen eindeutig bessere Zahlen bei der Arbeits- und Kapitalproduktivität auf. Andererseits kann die Europäische Union die USA bei dem Hauptindikator für nachhaltige Entwicklung - der Öko- bzw. Ressourcenproduktivität - möglicherweise ausstechen.

    3.2. Das Produktivitätswachstum kann - wie es die Europäische Kommission tut - je Arbeitnehmer oder - wie in den US-Statistiken - je Arbeitsstunde gemessen werden. Die Ergebnisse hängen von der gewählten Berechnungsmethode ab und unterscheiden sich beträchtlich. So weisen die USA beim BIP je Beschäftigtem aufgrund der dortigen wesentlich höheren Jahresstundenzahl je Arbeitnehmer einen umso größeren Vorsprung vor der Wirtschaft in der Europäischen Union auf (statistischer Überblick 1997-2002 des Britischen Gewerkschaftsbundes TUC). Wird bei der Messung der Produktivität nur ein Einsatzfaktor, zumeist der Faktor Arbeitskraft, herangezogen und beschränkt man sich dabei auf einen einzigen Wirtschaftszweig oder ein einziges Unternehmen, so ist dies nicht sehr aussagekräftig und bedarf der richtigen Auslegung. Entscheidend ist in jedem Fall die Verfügbarkeit verlässlicher Daten.

    3.3. Des Weiteren werden - außer in Form von Sanierungskosten - weder der Verbrauch natürlicher Ressourcen noch Umweltbelastungen in die Berechnung des BIP einbezogen. Einige Länder, darunter Finnland, berücksichtigen den Verbrauch natürlicher Ressourcen volumenmäßig in ihrer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. Für die wertmäßige Bestimmung bestehen keine international vereinbarten Verfahren.

    3.4. Besondere Probleme bestehen bei der Produktivitätsmessung von Dienstleistungen des öffentlichen wie des privaten Sektors. Die Kommission weist zu Recht auf dieses Problem hin. Angesichts des wachsenden Anteils der Dienstleistungen an der Wirtschaft hat diese Frage großes Gewicht. Zusätzlich sollte die Frage der Effizienz der Gesamtheit des öffentlichen Sektors wesentlich stärker beachtet werden.

    3.5. Die gängigen Produktivitätsberechnungsmethoden geben keinen eindeutigen Aufschluss über den Einfluss verschiedener Basisfaktoren auf das Produktivitätswachstum. Ihre Zahl ist groß und ihre Beziehungen zum Produktivitätswachstum sind zum Teil sehr kompliziert; selbst bei umfassender Untersuchung können sie nicht mit einfachen Mitteln beschrieben werden.

    3.6. Produktivitätsstudien in den USA haben sich insbesondere auf jene Faktoren konzentriert, die hinter dem hochschnellenden Wachstum in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre stehen. Einige signifikante Tatbestände scheinen auf allgemeine Anerkennung zu stoßen. Der möglicherweise bedeutendste darunter ist das starke Vordringen der IKT und die daran gekoppelte massive Arbeitnehmerschulung für IKT-Anwendungen. Einige Beobachter haben aufgezeigt, dass mehr als ein Viertel des Produktivitätswachstums in den USA auf den IKT-Faktor zurückzuführen ist(2).

    3.7. Andere Schlüsselfaktoren sind die Einführung sonstiger fortschrittlicher Technologien im weiteren Sinne, die Verfügbarkeit von Risikokapital, die entschiedene Unterstützung von Unternehmerinitiative und Innovationen, effiziente Managementtechniken und - ebenfalls im weiteren Sinne - die Entwicklung der Humanressourcen.

    4. Schlüsselfaktoren für die Produktivität aus EU-Sicht

    4.1. Die Produktivität wird von zahlreichen Faktoren unterschiedlich stark beeinflusst. Diese Stellungnahme kann nur einige wenige beleuchten, die als die wichtigsten aufgefasst werden.

    4.2. Produktivitätszuwächse hängen von praktischen Entscheidungen und Handlungen in Unternehmen und anderen Arbeitsstätten ab. Diese sind durch nichts ersetzbar. Maßnahmen der öffentlichen Hand können eine Steigerung des Potenzials bewirken und ein für das Produktivitätswachstum günstiges Umfeld schaffen. Derartige Maßnahmen und Entscheidungen fallen in unterschiedliche Kompetenzbereiche - sie unterstehen teils der Zuständigkeit der Europäischen Union, teils derer der Mitgliedstaaten, der Regionen oder in einigen Fällen der Sozialpartner. Viele werden in der Lissabonner Strategie aufgeführt. Beschränkungen des Staatshaushaltes können die Möglichkeiten einzelstaatlicher Maßnahmen zur Unterstützung des Produktivitätswachstums beeinflussen, wie im Falle der F& E-Finanzierung.

    4.3. Die Mitteilung der Kommission zur Produktivität konzentriert sich auf eine begrenzte Zahl von Faktoren. Hierzu gehören insbesondere IKT, Innovation und Unternehmertum, Entwicklung der Humanressourcen und z. T. F& E. Dieser Ansatz ist zwar logisch, bedeutet aber, dass die Diskussion leicht in zu enge Bahnen geraten kann.

    4.4. Fragen wie Investitionsniveau, Arbeitsorganisation, Teilhabemaßnahmen, Schaffung eines innovationsfreundlichen Arbeitsumfelds, neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Universitäten und Privatwirtschaft sowie neue Formen für den Zugang zu Risikokapitel sollten Bestandteile eines weiter gefassten Ansatzes für die Förderung des Produktivitätswachstums in der Europäischen Union sein.

    4.5. Der Ausschuss empfiehlt, bei Initiativen zur Ausrichtung der Politik auf mehr Produktivitätswachstum in der EU derartige Faktoren zu berücksichtigen.

    5. Produktivitätssteigerung in der Europäischen Union

    5.1. Im Folgenden wird versucht, mehrere Schlüsselaktionen zu formulieren, die zum Produktivitätswachstum beitragen können. Sie müssen einerseits mit Blick auf ein optimales Produktivitätswachstum entwickelt werden, andererseits die drei Säulen der Politik für eine nachhaltige Entwicklung und die wirtschaftlichen und sozialen Traditionen in der EU berücksichtigen. Schließlich trägt das Produktivitätswachstum direkt und indirekt zum Erreichen einer nachhaltigen Entwicklung bei.

    5.2. Die Aktionen können unter fünf Schlagworte gefasst werden: F& E und Innovation, Einführung neuer Technologien (insbesondere der IKT), Entwicklung der Humanressourcen, Management und Arbeitsorganisation sowie Marktfragen. Es handelt sich hierbei um eng miteinander verbundene Bereiche.

    5.3. F& E und Innovation

    5.3.1. Einführung langfristiger F& E-Maßnahmen in Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft und dem öffentlichen Sektor, dabei Unterstützung für die Entwicklung von Basisanwendungen. Das wissenschaftliche Know-how kann bei der Formulierung wirksamer Maßnahmen und Aktivitäten mit dem Ziel einer verbesserten Produktivität hinzugezogen werden.

    5.3.2. Gute Ergebnisse können erzielt werden, wenn wissenschaftliche Forschung am praktischen Bedarf ausgerichtet wird. Ein Beispiel ist das finnische Produktivitätsprogramm mit 13 Vorhaben, die in Zusammenarbeit zwischen Privatwirtschaft, öffentlichem Sektor und Wissenschaft entwickelt werden. Sie umfassen die Entwicklung praktischer Instrumente für Produktivitätssteigerungsvorhaben, wie Analyseverfahren, Indikatoren, Fortbildungsmaterial und Lohnmodelle.

    5.3.3. Die Schaffung eines innovationsfreundlichen Umfelds am Arbeitsplatz: Die Arbeitsabläufe bergen ein erhebliches Potenzial für Alltagsinnovationen, die auf ständigen Verbesserungen und einer aktiven Mitwirkung der Arbeitnehmer basieren. Benötigt werden innovative Neugestaltungen des Arbeitslebens selbst.

    5.3.4. Die Einrichtung von Kompetenzzentren ist keine leichte Aufgabe. Geschieht dies jedoch mit Erfolg, ziehen sie qualifiziertes Personal und Unternehmen der Hochtechnologiebranche an, wodurch ein Kreislauf aus sich wechselseitig steigernder Innovation und Produktivität entsteht. Die Europäische Union sollte außerdem die Einrichtung von Anreizprogrammen erwägen, um hochqualifizierte Arbeitnehmer aus anderen Ländern - beispielsweise über Austauschprogramme - anzuwerben.

    5.3.5. Die Kommission hat die Entscheidung des Rates für die Empfehlung einer deutlichen Mittelanhebung für F& E insbesondere in der Privatwirtschaft zur Kenntnis genommen. Der Ausschuss begrüßt die Entscheidung und unterstreicht die Verantwortung der Regierungen der Mitgliedstaaten, ihren Teil zu dieser wichtigen langfristigen Verpflichtung beizutragen und diese auch bei angespannter Haushaltslage nicht zu vernachlässigen. Der EWSA möchte zudem betonen, dass das F& E-Rahmenprogramm eng mit der Entwicklung wettbewerbsfähiger neuer Technologien verknüpft werden muss.

    5.3.6. Die laufenden Maßnahmen zur Ausbildung von Nachwuchswissenschaftlern scheinen völlig an dem Bedarf vorbeizugehen, der vor dem Hintergrund der Lissabonner Gesamtstrategie zu erwarten ist. Neue Initiativen werden benötigt, um den öffentlichen Sektor und die Privatwirtschaft auch künftig mit Wissenschaftlern zu versorgen.

    5.4. Einführung neuer Technologien

    5.4.1. Anreize für die Einführung fortschrittlicher Produktionstechnologien in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Sektor: Der Kommission und einer Reihe anderer Quellen zufolge eröffnen neue Technologien und insbesondere die IKT ein großes Potenzial für Produktivitätszuwächse in allen Sektoren. Eine eingehendere Prüfung dieser Frage ist wichtig.

    5.4.2. Die Einführung neuer Technologien erfordert für gewöhnlich eine Anpassung der Qualifikationen und die Umstrukturierung von Arbeitsabläufen. In einigen Fällen führt dies zu Stellenabbau, während anderswo in der Wirtschaft neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Damit die Beschäftigten solche Veränderungen akzeptieren und Bereitschaft zur Anpassung zeigen, müssen langfristige Maßnahmen ergriffen werden, zu denen u. a. die Einbeziehung der Arbeitnehmer, der Aufbau von Sicherheitsnetzen, betriebsinterne Fortbildungen und eine aktive Beschäftigungspolitik gehören.

    5.4.3. Die umfassende Umsetzung der Initiative eEurope beinhaltet Maßnahmen für einen verstärkten Einsatz von Breitbandtechnologie und elektronischen Behördendiensten sowie den Ausbau von Telekommunikationsinfrastruktur und -sicherheit.

    5.4.4. Für kleine und mittelgroße Unternehmen ist die Finanzierung der Einführung neuer Technologien häufig schwierig. Es sollten geeignete Beratungsangebote eingerichtet werden und bei Bedarf Hilfen gewährt werden, um die Nutzung innovativer Finanzierungsmethoden zu erleichtern.

    5.5. Entwicklung der Humanressourcen

    5.5.1. Die Entwicklung der Humanressourcen ist ein grundlegender Faktor für jede Art von Produktivitätspolitik. Sie umfasst mehrere Maßnahmen:

    5.5.2. IKT-Aus- und Weiterbildung

    - Ermöglichung einer lebenslangen Aus- und Weiterbildung - u. a. Nutzung der Möglichkeiten von Steueranreizen, z. B. Steuervergünstigungen für Ersparnisse für künftige Weiterbildungszeiten;

    - Bereitstellung zusätzlicher Bildungsangebote für Erwachsene mit unzureichender Schul- oder Berufsausbildung;

    - Förderung einer aktiveren Mitwirkung von Universitäten, Hochschulen und technischen Instituten an den Weiterbildungsangeboten für Arbeitnehmer

    5.5.3. Einrichtung unternehmerisch orientierter Bildungsangebote an berufs- und weiterbildenden Einrichtungen, Hochschulen und Universitäten und in den höheren Schulklassen.

    5.6. Management und Arbeitsorganisation

    5.6.1. Die Hauptaufgabe für das Management von Unternehmen und anderen Strukturen auf dem Weg zu einer gesteigerten Produktivität lautet: Wie kann die Anpassungsfähigkeit der Organisation und am Arbeitsplatz gewährleistet werden?

    5.6.2. Ankurbelung des Produktivitätswachstums am Arbeitsplatz mit unterschiedlichen Mitteln, einschließlich Produktivitätsvereinbarungen und -übereinkünften zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

    5.6.3. Untersuchung der Auswirkungen einer stärkeren Betonung der Produktivität auf den Arbeitsplatz und bei Bedarf Entwicklung der notwendigen Instrumente zur Handhabung negativer Folgen.

    5.6.4. Trilaterale Abkommen können insbesondere im Bereich Bildung und Forschung eine wichtige Rolle spielen. Die Regierungen werden sich aktiv für die Einrichtung eines Fördersystems einsetzen müssen, beispielsweise in Form von steuerlichen und anderen Anreizen.

    5.6.5. Entwicklung qualifizierter Weiterbildungsmöglichkeiten auf dem Gebiet der Handhabung von Produktivitätsmaßnahmen, insbesondere für Manager von KMU.

    5.7. Marktfragen

    5.7.1. Schaffung gut funktionierender Arbeitsmärkte ohne Mobilitätshemmnisse für Arbeitnehmer. Ein zentraler Punkt ist hier die Verbesserung der Regelungen zur gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen in der Europäischen Union.

    5.7.2. Ein flexibler Arbeitsmarkt gilt aufgrund der in den USA und anderswo gewonnenen Erfahrungen bei vielen Fachleuten als wichtiger Faktor für ein höheres Produktivitätswachstum. Von anderer Seite wird betont, dass die Sicherheit der Arbeitsplätze nicht nur dem europäischen Sozialmodell entspricht, sondern über die Akkumulation von Know-how in den Unternehmen zudem die Produktivität anregt.

    5.7.3. Die öffentliche Hand sollte auf einzelstaatlicher und auf Gemeinschaftsebene unterstützend eingreifen dürfen, sofern der Markt keine ausreichenden Anreize bietet. Beispiele hierfür sind F& E-Tätigkeit und Risikofinanzierung. Es werden effiziente Formen der Bereitstellung von Risikokapital für Neugründungen sowie für kleine und mittelgroße Unternehmen benötigt. Die Vergabe öffentlicher Mittel könnte vorzugsweise gemeinsam mit privaten Finanzierungsquellen oder ganz über solche Quellen, die über das notwendige Know-how und die erforderliche Expertise verfügen, erfolgen.

    5.7.4. Ein gesunder Wettbewerb am Markt bildet den notwendigen Rahmen für eine zufriedenstellende Produktivität. Auf den Schultern der Kommission liegt die schwere Verantwortung, für die Förderung und Aufrechterhaltung einer gemeinschaftsweit wirksamen Wettbewerbspolitik zu sorgen.

    5.7.5. Förderung der Vernetzung von Unternehmen untereinander: Die Erfahrungen aus vielen Regionen, wie Norditalien, haben gezeigt, wie Spezialisierung und Vernetzung zu einer deutlichen Stärkung der Produktivität beitragen können.

    5.7.6. Die Möglichkeiten für eine Steigerung der Produktivität im - privaten und öffentlichen - Dienstleistungssektor sollten untersucht und entsprechende Maßnahmen entwickelt werden. In Übereinstimmung mit der Lissabonner Strategie ist die Vollendung des Binnenmarktes für Dienstleistungen von entscheidender Bedeutung. Die Einführung von Wettbewerbselementen bei der Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen würde deren Produktivitätswachstum anregen, wobei gleichberechtigter Zugang, hohe Qualitätsstandards, Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit der Dienstleistungen gewährleistet sein müssen.

    6. Empfehlungen für EU-Maßnahmen

    6.1. Die Faktoren, auf die es bei einer Stärkung der Produktivität ankommt, können leicht dargestellt werden. Einige dieser Faktoren sind bereits Bestandteil der Lissabonner Strategie. Das eigentliche Problem liegt in der Schaffung von Synergieeffekten und eines anhaltend hohen Produktivitätswachstums. Hierbei spielen die Unternehmen mit ihren Beschäftigten die wichtigste Rolle. Sie können durch öffentliche Maßnahmen unterstützt werden. Mit den folgenden Empfehlungen wendet sich der Ausschuss an die offiziellen Entscheidungsträger in der Europäischen Union sowie an die Sozialpartner auf den betroffenen Ebenen.

    6.2. Der Ausschuss unterstreicht, dass das Erreichen eines höheren Produktivitätswachstums in der Gemeinschaft als wichtigsten Schritt die vollständige Umsetzung der Lissabonner Strategie voraussetzt.

    6.3. Er empfiehlt der Europäischen Kommission, auf der Grundlage der von ihr vorgelegten Mitteilung und der hierauf erfolgenden Reaktionen ihre Analyse-, Benchmarking- und Berichtsverfahren für die Produktivitätsentwicklung weiter auszubauen, um so Maßnahmen zur Ankurbelung des Produktivitätswachstums anzustoßen. Der Umfang der Verfahren sollte ferner auf eine Analyse der Effizienz des öffentlichen Sektors ausgeweitet werden.

    6.4. Der Ausschuss schlägt vor, dass die Kommission weitere Studien zu den verschiedenen Faktoren und Mechanismen, die dem Produktivitätswachstum zugrunde liegen, veranlasst bzw. unterstützt. Insbesondere müssen die Fragen der Ökoproduktivität und der Bedeutung der IKT sowie andere qualitative Aspekte der Produktivität eingehender untersucht werden. Außerdem ist es erforderlich, sich dem Problem der Mitberücksichtigung der Kosten der Zerstörung natürlicher Ressourcen und der Umweltverschmutzung in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zu widmen und hierfür eine geeignete Methodik zu entwickeln.

    6.5. Der Ausschuss empfiehlt, die Fragen der Produktivität und der nachhaltigen Entwicklung als feste Bestandteile in die jährliche Bewertung zur Lissabonner Gesamtstrategie aufzunehmen.

    6.6. Zur Vereinfachung der Rechtsvorschriften in der EU hat der Ausschuss klar und detailliert Stellung bezogen. Ganz allgemein sind verstärkte Vereinfachungsanstrengungen und gute Regierungs- und Verwaltungspraktiken eine wesentliche Voraussetzung für mehr Produktivität in der gesamten Wirtschaft.

    6.7. Der Ausschuss fordert die Kommission dringend auf, die Auswirkungen der Erweiterung auf das künftige gemeinschaftsweite Produktivitätswachstum zu untersuchen. Die Produktivitätsentwicklungen in den Bewerberländern sind einerseits ein Problem, scheinen jedoch andererseits große Zuwachspotenziale zu bergen. Bei der Erweiterung wird das Produktivitätsniveau der EU sinken, das Wachstumspotenzial allerdings deutlich steigen. Entscheidend dürfte die Wahl des Zeitpunktes sein, zu dem die neuen Mitgliedstaaten in die WWU aufgenommen werden können.

    6.8. Der Ausschuss empfiehlt der Kommission, effiziente Vorgehensweisen für das Sammeln und Weiterverbreiten von Informationen über gute und vorbildliche politische Maßnahmen zur Ankurbelung des Produktivitätswachstums zu entwickeln.

    6.9. Er betrachtet es als wichtig, den Luxemburg-Prozess zur Förderung einer aktiven Beschäftigungspolitik weiterzuentwickeln.

    6.10. Der Ausschuss ist sich bewusst, dass die Sozialpartner auf lokaler wie nationaler Ebene eine wichtige Funktion bei der Planung, Umsetzung und allgemeinen Unterstützung der Maßnahmen zur Produktivitätssteigerung haben.

    6.11. Der EWSA empfiehlt den Sozialpartnern, verschiedene Formen von Vereinbarungen oder Abmachungen im Hinblick auf die Ankurbelung der Produktivität zu erwägen. Er hat das im Rahmen des sozialen Dialogs beschlossene Arbeitsprogramm zur Kenntnis genommen und begrüßt die Möglichkeiten, die es den Sozialpartnern eröffnet, auch Fragen des Produktivitätswachstums und seiner gesellschaftlichen Folgen in Europa zu beleuchten.

    6.12. Der Ausschuss betont, wie wichtig es ist, den gemeinsamen Standpunkten der Sozialpartner auf Gemeinschaftsebene in Fragen der lebenslangen Weiterbildung der Arbeitnehmer konkrete Taten folgen zu lassen.

    6.13. Der EWSA wird

    - bei der Vorlage seiner Stellungnahme zur jährlichen Bewertung der Lissabonner Strategie auf dem Frühjahresgipfel seine besondere Aufmerksamkeit auf die Entwicklungen im Bereich Produktivität richten,

    - zweijährlich eine Konferenz zur Lissabonner Strategie veranstalten und

    - bei Bedarf eine Initiativstellungnahme zum Thema Produktivität erstellen.

    Brüssel, den 11. Dezember 2002.

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Roger Briesch

    (1) KOM(2002) 262 endg.

    (2) Wirtschaftsbericht des amerikanischen Präsidenten, Januar 2001.

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